VwGH 07.03.1974, 1228/72
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | GebG 1957 §33 TP5 Abs1 Z1; |
RS 1 | Ein Vertrag, der seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wird, kann gebührenrechtlich dann als Vertrag auf bestimmte Dauer angesehen werden, wenn aus seinem Inhalt zu erkennen ist, daß er vor Ablauf einer bestimmten Zeit - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - von keinem Vertragsteil durch Kündigung aufgelöst werden kann (Hinweis E , 840/62, VwSlg 3058 F/1964). * E , 1218/69 #2 VwSlg 4114 F/1970 |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH Erkenntnis 1970/07/02 1218/69 2 |
Norm | GebG 1957 §33 TP5 Abs1 Z1; |
RS 2 | Die vertragsmäßige Bestimmung, einen Bestandvertrag unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist jeweils zum Jahresende aufkündigen zu können, hat zur Folge, daß ein aufunbe stimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag im Hinblick auf die zunächst zeitlich feststehende Vertragsdauer (der am geschlossene Bestandvertrag konnte frühestens mit aufgekündigt werden) als auf zunächst bestimmte Zeit und anschließend auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH Erkenntnis 1970/06/11 0797/69 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Riedl, Dr. Schima und Dr. Reichel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzkommissär Dr. Wimmer, über die Beschwerde der Firma T-Markt, EP in S, vertreten durch Dr. Herbert Kapferer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria-Theresienstraße 49, gegen den Bescheid der FLD für Tirol v. , 30.474-III/72, betreffend Rechtsgebühr, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der belangten Behörde, wirkl. Hofrat Dr. LD, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (FLD für Tirol) Aufwendungen in der Höhe von S 2.467,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei mietete lt. Pkt. 2 einer in W. am errichteten Vertragsurkunde von der P. GmbH bestimmte, in bezeichnetem Vertragspunkt näher umschriebene Geschäftsflächen in einem erst zu errichtenden Gebäude in W. - R. und verpflichtete sich ihrerseits lt. Pkt. 4 der Urkunde zur Zahlung eines wertgesicherten monatlichen Bestandzinses von S 47.789,97 zuzüglich aliquoter Betriebs- und Nebenkosten. Pkt. 3 der Urkunde enthält die Abrede, dass das Bestandverhältnis mit dem Tag der bezugsfertigen Übergabe des Bestandsobjekts beginnen solle (dies war - wie vorwegzunehmen ist - der ) und auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werde. Ferner vereinbarten die Vertragsteile beiderseits eine Kündigungsfrist von einem halben Jahr auf Kalenderjahresende, doch verpflichtete sich die beschwerdeführende Partei, von ihrem Kündigungsrecht frühestens auf den Gebrauch zu machen. Die P. GmbH - so vereinbarten die Vertragsteile in dem besagten Pkt 3 weiter - können das Bestandverhältnis nur aus folgenden wichtigen Gründen aufkündigen:
a) wenn die beschwerdeführende Partei trotz Mahnung und, Setzung einer vierzehntägigen Nachfrist mit dem Bestandzins oder Nebenkosten in Zahlungsverzug gerate,
b) wenn die beschwerdeführende Partei trotz Mahnung binnen vierzehn Tagen Verpflichtungen aus dem Vertrag samt Hausordnung nicht nachkomme oder vom Bestandobjekt einen vertragswidrigen Gebrauch mache ...
Im Pkt 16 der Urkunde ist schließlich festgehalten, dass die beschwerdeführende Partei verpflichtet sei, im Bestandobjekt ein in leistungsfähigen Betrieben ihrer Branche übliches Vollsortiment (an Handelsware) preisgünstig feilzuhalten und ihren Geschäftsbetrieb während der Vertragsdauer uneingeschränkt im Rahmen der bestehenden Geschäftszeit, die im Einklang zu den gesetzlichen Ladenschlusszeiten zu stehen habe, offen zu halten. Dies sei - so fährt Pkt 16 der Urkunde fort - ein wesentlicher Vertragspunkt und berechtige die P. GmbH im Falle der Nichteinhaltung zur sofortigen Vertragsauflösung bzw Kündigung.
Das FA für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck, dem die Urkunde zur Gebührenbemessung angezeigt wurde, erblickte darin die Beurkundung eines Bestandvertrags mit 16-jähriger Vertragsdauer und setzte demgem mit vorläufigem Abgabenbescheid v unter Hinweis auf § 33 TP 5 des Gebührengesetzes 1957 BGBl 267 (GebG) vom 16fachen Jahreswert des Mietzinses eine Rechtsgebühr in der Höhe v S 91.757,-- fest. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei allerdings Berufung mit der Begründung, beim Vertragswerk v handle es sich um einen Vertrag auf unbestimmte Dauer, weshalb als Gebührenbemessungsgrundlage gem Anm. zu § 33 TP 5 (gemeint gem § 33 TP 5 Abs 3) GebG nur das dreifache Jahresentgelt in Betracht komme. Dies folge eindeutig aus Pkt 3 der Urkunde, wonach zwar die beschwerdeführende Partei durch den von ihr ausgesprochenen Verzicht auf Kündigung bis gebunden sei, nicht aber die P. GmbH, die aus den im Vertrag angeführten Gründen unter Einhaltung besagter halbjähriger Kündigungsfrist jederzeit aufkündigen könne.
Ungeachtet dessen gab das FA dem Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung v keine Folge und setzte die strittige Gebühr mit nunmehr S 108.961,-- fest. In der Begründung dieses Bescheides vertrat das FA die Meinung, der Bestandvertrag v sei zunächst als ein Vertrag von bestimmter Dauer anzusehen, binde er doch beide Vertragsteile bis . Die P. GmbH könne nämlich keineswegs jederzeit, sondern nur bei Vorliegen der bestimmt bezeichneten Gründe kündigen. Darüber hinaus verlängere sich der Vertrag - faIls er nicht gekündigt werde - auf unbestimmte Dauer, weshalb zum 16fachen Jahreswert gem § 33 TP 5 Abs 3 GebG noch das dreifache Jahresentgelt hinzuzuschlagen sei.
Die erwähnte Berufungsvorentscheidung gehört jedoch nicht mehr dem Rechtsbestand an, weil die beschwerdeführende Partei den Antrag stellte, ihr Rechtsmittel der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen. Aus diesem Anlass hob sie neuerlich hervor, dass es sich bei dem Vertrag um einen solchen von unbestimmter Dauer handle, habe doch nur die beschwerdeführende Partei auf ihr Kündigungsrecht verzichtet. Jede andere Auslegung werde weder dem Wort noch dem Sinn des Vertrags gerecht; davon abgesehen könne auch aus dem Gesetzeswortlaut nicht erschlossen werden, dass bei Vereinbarung einzelner bestimmt bezeichneter Kündigungsgründe schon ein Vertrag von bestimmter Dauer vorliege. Rechtsirrig sei es aber auch, den Vertrag bis als bestimmt und bei Nichtkündigung darüber hinaus als auf unbestimmt verlängert anzusehen, denn ein Bestandvertrag könne nur als eine Einheit aufgefasst werden, weshalb er entweder zur Gänze auf bestimmte oder zur Gänze auf unbestimmte Zeit abgeschlossen zu gelten habe.
Die FLD für Tirol, der die Berufung sodann zur Entscheidung vorgelegt worden ist, hat das Rechtsmittel mit Bescheid v endgültig abgewiesen und darüber hinaus den angefochtenen Abgabenbescheid gem § 289 Abs 2 BAO zum Nachteil der beschwerdeführenden Partei dahingehend abgeändert, dass sie die Gebühr (vorläufig) mit S 107.766,-- festsetzte. Dabei ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz davon ausgegangen, dass der Vertrag am begonnen habe und zunächst auf bestimmte Zeit, nämlich auf die Dauer von 15 Jahren und 9 1/2 Monaten, sodann aber auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden sei. Infolgedessen müsse die Gebührenbemessungsgrundlage mit dem 15fachen und dem 3fachen Jahreswert zuzüglich des Werts von 9 1 /2 Monaten angesetzt werden. Zur Begründung hiefür hat sich die Rechtsmittelbehörde auf die hg Erk v Slg 3058(F) u v Slg 3190(F) berufen und der beschwerdeführenden Partei entgegengehalten, in der Vertragsurkunde v sei vereinbart worden, dass die beschwerdeführende Partei das Bestandverhältnis frühestens auf den aufkündigen und seitens der P. GmbH das Bestandverhältnis überhaupt - zumindest aber bis zum 30. 6. (richtig wohl 31. 12.) 1987 - nur aus den im Vertrag aufgezählten Gründen gekündigt werden könne. Der Kündigungsvorbehalt seitens der P. GmbH könne allein schon vom Begriff her sinnvoll nur dahingehend ausgelegt werden, dass die Bestandgeberin zumindest für die Zeit bis zum auf das jederzeitige und uneingeschränkte Kündigungsrecht verzichtet und sich vertraglich nur die Möglichkeit offen gelassen habe, den Vertrag aus den bestimmten, in der Urkunde angeführten Gründen aufkündigen zu können. Stünde nämlich der P. GmbH, wie in der Berufung behauptet werde, das jederzeitige und uneingeschränkte Kündigungsrecht zu, dann hätte für sie überhaupt keine Veranlassung bestanden - zumindest wäre es sinnwidrig gewesen - , sich ein auf bestimmte Kündigungsgründe beschränktes Kündigungsrecht vorzubehalten. Die Vertragsbestimmungen hinsichtlich der Vertragsdauer ließen somit im Zusammenhalt mit dem übrigen Vertragsinhalt durchaus die Annahme zu, dass seitens beider Vertragsteile eine Bindung an das Bestandverhältnis zumindest bis zum ins Auge gefasst worden sei. Demnach müsse der Vertrag gebührenrechtlich infolge der Beschränkung des Kündigungsrechts beider Vertragsteile bis zum zunächst als auf die bestimmte Dauer von 15 Jahren und 9 1 /2 Monaten, anschließend aber als auf unbestimmte Dauer abgeschlossen angesehen werden. Im Fall einer derartigen Vereinbarung über die Dauer des Bestandverhältnisses bilde aber die Summe der Jahreswerte der bestimmten und der unbestimmten Dauer die Bemessungsgrundlage, von der die Gebühr in der Höhe von 1 vH zu erheben sei. lm übrigen habe die Vorschreibung wegen der Ungewissheit hinsichtlich der Höhe der Nebenleistungen gern § 200 Abs 1 BAO vorläufig zu ergehen.
Gegen diesen Bescheid der FLD f Tirol v richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde.
Der VwGH hat darüber nach Durchführung der von der beschwerdeführenden Partei verlangten, von dieser, aber nicht beschickten Verhandlung erwogen:
Gem § 33 TP j Abs 1 Z 1 GebG unterliegen Bestandverträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert einer Rechtsgebühr von 1 vH, und nach Abs 3 der eben erwähnten Gesetzesstelle ist bei unbestimmter Dauer des Bestandvertrags als Wert das dreifache Jahresentgelt anzunehmen. Ist die Dauer des Bestandvertrags bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechts einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.
Im vorliegenden Fall wendet sich die beschwerdeführende Partei dagegen, dass die belangte Behörde den vereinbarten Bestandzins von 18 Jahren und 9 1/2 Monaten als Bemessungsgrundlage für die Gebühr angesetzt hat. Sie vertritt die Ansicht, dass der in Streit stehende Vertrag ein solcher auf unbestimmte Dauer sei, für den gem § 33 TP 5 Abs 3 GebG das dreifache Jahresentgelt als Wert angenommen werden müsse.
Nun ist in der Vertragsurkunde v zwar festgehalten, dass das Bestandverhältnis auf unbestimmte Dauer vereinbart werde, doch vermag dieser Umstand allein die Anwendung der vorzit Gesetzesbestimmung noch nicht zu rechtfertigen. Der VwGH hat in einer Reihe von Erk (gl zB die Erk v Slg 1829 (F) , v Slg 3058(F), v Slg 3190(F), v ; Slg 4101 (F) u v S1g 4114(F) zum Ausdruck gebracht, dass ein Vertrag, der seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wird, gebührenrechtlich dann als ein Vertrag auf bestimmte Dauer anzusehen ist, wenn sich aus seinem Inhalt ergibt, dass das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist. Ob ein Vertrag auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist, hängt nach der Rechtsansicht des VwGH also davon ab, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein wollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einigen, bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrags als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen nach dem letzten Satz des § 33 TP 5 Abs 3 GebG nicht im Wege steht. In letzterem Fall ist die Gebühr von dem Entgelt zu berechnen, das auf die Dauer der Bindung der Vertragsteile an den Vertrag entfällt.
Im Lichte dieser Rechtsprechung des GH besehen kann der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden. Nach dem gem § 17 Abs 1 GebG für die Gebührenfestsetzung maßgebenden Inhalt der Vertragsurkunde v hat die beschwerdeführende Partei auf das Recht der Kündigung bis vorbehaltlos verzichtet; erst nach diesem Zeitpunkt steht es ihr frei, das Vertragsverhältnis unter Einhaltung einer halbjährlichen Kündigungsfrist jeweils zum Jahresende zu lösen. Die P. GmbH hat dagegen, wie sich aus dem Wort "nur" im Pkt 3 der Urkunde deutlich ergibt, während der gesamten Laufzeit des Vertrags - wie lang immer sie sein mag - keineswegs die Möglichkeit, ihn unbeschränkt durch Kündigung zu beenden. Vielmehr ist sie dazu nur aus jenen in den Pkt 3 und 16 angeführten Gründen dazu berechtigt, die überdies sämtlich in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegen und jeglichem Einfluss der Bestandgeberin entzogen sind. Mithin wäre es verfehlt, den Vertrag v gebührenrechtlich lediglich als einen solchen von unbestimmter Dauer iS des § 33 TP 5 Abs 3 GebG anzusehen.
Die beschwerdeführende Partei verweist des weiteren auf das schon erwähnte hg Erk v Slg 3058(F) und sucht daraus abzuleiten, dass ein Bestandvertrag als Einheit aufzufassen sei, weshalb es nicht angehe, ihn zunächst als auf bestimmte Zeit und sodann als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen anzusehen. In diesem Pkt genügt der Hinweis darauf, dass der GH in dem ebenfalls schon angeführten Erk eines verst Senats v Slg 3190(F) unter teilweiser Abkehr von dem im Erk Slg 3058(F) eingenommenen Standpunkt zu der nunmehr von der beschwerdeführenden Partei als unrichtig bekämpften Rechtsansicht gelangt ist und sie seither in ständiger Rechtsprechung vertreten hat (vgl etwa das hg Erk v , 2193/70, von dem den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf Verlangen eine Ausfertigung übersendet werden wird ). Davon neuerlich abzugehen bietet der gegenständliche Beschwerdefall keinen Anlass.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit in keinem Pkt als begründet. Sie war daher gem § 42 Abs 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die V des BK v BGBl 427, insbesondere deren Art. IV Abs. 2.
Wien, am
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Norm | GebG 1957 §33 TP5 Abs1 Z1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1974:1972001228.X00 |
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Fundstelle(n):
DAAAF-54320