VwGH 21.12.1951, 1214/49
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Die für die Höhe der zulässigen Absetzung für Abnutzung maßgebende "betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer" ist bei Aufwendungen, die der Mieter auf die Bestandsache gemacht und deren Ergebnis er dem Bestandgeber bei Beendigung des Bestandverhältnisses ohne Vergütung zu überlassen hat, durch die voraussichtliche Dauer des Mietverhältnisses begrenzt. Diese Grenze verliert jedoch ihre Bedeutung, wenn das Bestandverhältnis den Kündigungsschutz des Mietengesetzes genießt. |
Norm | EStG 1939 §7 Abs1; |
RS 2 | Ein Bombenschaden, den ein Miethaus im Jahre 1945 erlitten hat, kann für 1945 als außergewöhnliche Abnutzung, nicht aber für 1946 als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Vejborny und Dr. Schirmer, als Richter, im Beisein des Finanzkommissärs Dr. Hückel als Schriftführer, über die Beschwerde des JH in A, gegen die Anfechtungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VI - 1014/1 - 1948, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für 1946, nach durchgeführter öffentlicher Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. AE , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde für das Jahr 1946 als Gewerbetreibender (Grosshandel mit Wasch- und Haushaltsartikeln) und als Hausbesitzer zur Einkommensteuer und zur Gewerbesteuer veranlagt. Er hat die betreffenden Steuerbescheide aus zwei Gründen angefochten: erstens weil das Finanzamt von Aufwendungen, die er zur Instandsetzung der von ihm in einem fremden Haus gemieteten Geschäftsräumlichkeiten gemacht und für die er eine Absetzung für Abnutzung von 20 % in Rechnung gestellt hatte, nur eine solche von 10 % anerkannt hat und zweitens, weil es eine Absetzung für aussergewöhnliche technische Abnutzung, die das eigene Haus des Beschwerdeführers im Jahre 1945 durch Bombenschäden erlitten und die bei der Vermögensteuerveranlagung auf den zu einer entsprechenden Wertfortschreibung geführt hatte, abgelehnt hat. In seiner Anfechtung hat der Beschwerdeführer ausgeführt, dass der Bestandvertrag über die gemieteten Geschäftsräume auf fünf Jahre geschlossen worden und der Abschluss eines neuen Bestandvertrages nur für den Fall, dass die Liegenschaft während der Bestanddauer nicht verkauft werden sollte, vorgesehen gewesen sei. Die Aufwendungen auf den Bestandgegenstand gingen aber laut Vertrag bei Beendigung des Bestandverhältnisses ersatzlos in das Vermögen des Bestandgebers über. Eine Aufteilung der Gesamtnutzungsdauer der Adaptierungen auf einen Zeitraum von 10 Jahren sei also nicht gerechtfertigt; denn wenn auch im Bestandvertrag ein Vorkaufsrecht des Beschwerdeführers und eine Verlängerung des Pachtverhältnisses vorgesehen sei, so könne über die Möglichkeit der Ausnutzung dieses Rechtes doch nichts Bestimmtes vorausgesagt werden. Die Wertfortschreibung der zerstörten Liegenschaft sei erst zum möglich gewesen. Der Beschwerdeführer sei daher berechtigt, den Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen und dem fortgeschriebenen Einheitswert als aussergewöhnliche Abschreibung im Jahre 1946 geltend zu machen. Hätte ein Steuerpflichtiger sein zerstörtes Grundstück im Jahre 1946 wiederherstellen können, dann wären diese Aufwendungen zweifellos bei der Einkommensteuerveranlagung von seinen sonstigen Einkünften abzurechnen gewesen. Es würde daher gegen den Grundsatz der Steuergleichmässigkeit verstossen, dem Beschwerdeführer die Absetzung des Schadens überhaupt zu versagen.
In einer Nachtragseingabe hat der Beschwerdeführer auch noch ausgeführt, dass, wenn die Rechtsmittelbehörde die aussergewöhnliche Abnutzung des bombenbeschädigten Hauses nicht anerkennen wolle, dieser Schaden mindestens als aussergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen sei und dann mit jenem Teilbetrag, der die Sonderbelastungsmindestgrenze übersteige, d.i. mit dem Betrage von S 15.243,-- vom steuerpflichtigen Einkommen abgerechnet werden müsse.
Die Finanzlandesdirektion hat die Anfechtung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid "als unbegründet zurückgewiesen." In der Begründung hat sie ausgeführt, der notarielle Bestandvertrag vom sehe in P. III die Möglichkeit eines neun Bestandvertrages nach Ablauf des alten vor, falls das Grundstück bis dahin nicht verkauft sei. Auch habe der Beschwerdeführer bei Verkaufsabsichten der Bestandgeberin ein Vorkaufsrecht. Es handle sich also um ein Nutzungsverhältnis von unbestimmter Dauer. Das Finanzamt sei daher im Recht gewesen, wenn es die Absetzung für Abnutzung für die vom Beschwerdeführer vorgenommenen Adaptierungen nach der voraussichtlichen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 10 Jahren, nicht aber nach der Laufzeit des damaligen Bestandvertrages berechnet habe. Der Schaden, den das Mietwohngrundstück im Jahre 1945 durch Bombenangriff erlitten habe, hätte zwar als "aussergewöhnliche Abschreibung" im Jahre des Ereignisses, nicht aber später abgesetzt werden können. Der für die Einheitsbewertung und die Vermögensteuer geltende Grundsatz, dass der Fortschreibungstatbestand erst bei Beginn des Kalenderjahres berücksichtigt werden könne, das auf das betreffende Ereignis folgt, gelte nur für die Einheitsbewertung und die Vermögensteuer, da das Einkommensteuergesetz selbst gesonderte Bestimmungen für die Bewertung und Veranlagung enthalte. Eine Berücksichtigung des Schadens als aussergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG würde jedoch voraussetzen, dass der Beschwerdeführer Aufwendungen zur Beseitigung des Schadens gemacht hat. Nur solche Aufwendungen, nicht der Schaden selbst, könnten zu einer aussergewöhnlichen Belastung im Jahre der Aufwendungen führen.
In der nunmehr vorliegenden Beschwerde werden die Ausführungen der Anfechtung wiederholt. Ausserdem führt der Beschwerdeführer an, dass nach den reichsrechtlichen Vorschriften im Falle von Bombenschäden dem Geschädigten ein öffentlichrechtlicher Ersatzanspruch zugestanden habe, der den Schaden voll gedeckt habe. Dieser Anspruch habe auch während des ganzen Jahres 1945 bestanden. Erst im Jahre 1946 sei es klar geworden, dass die Kriegsschadenersatzansprüche keine Aussichten auf Verwirklichung haben und dass daher der Sachschaden als endgültig im Vermögen des Eigentümers eingetreten anzusehen sei. Eine Abschreibung im Jahre 1946 sei daher gerechtfertigt.
Über die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäss § 7 Abs. 1 EStG kann bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäss auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgesetzt werden, der bei Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt. Die Absetzung bemisst sich dabei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes. Absetzungen für aussergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung sind zulässig. Der Beschwerdeführer behauptet nun, dass die Nutzung der von ihm vorgenommenen Instandsetzungen sich auf einen Zeitraum von nur fünf Jahren erstrecken werde, weil der instandgesetzte Gegenstand nur auf diesen Zeitraum gemietet sei und weil mit Beendigung des Mietverhältnisses diese Herstellungen ohne Ersatzverpflichtung in das Eigentum des Vermieters übergehen sollten. Diese Auffassung wäre richtig, wenn der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung für das Wirtschaftsjahr, in dem diese Instandsetzungen vorgenommen wurden, tatsächlich nur mit einer bloss fünfjährigen Nutzung des Bestandgegenstandes und der für dessen Instandsetzung geleisteten Aufwendungen hätte rechnen können. Diese Voraussetzung würde aber nur zutreffen, wenn der Beschwerdeführer nicht den Kündigungsschutz des Mietengesetzes genösse. Nun hat der Beschwerdeführer zwar nach Pkt. V des Bestandsvertrages "genehmigend zur Kenntnis genommen", dass die gemieteten Räumlichkeiten nicht unter die Bestimmungen des "Mietenschutzgesetzes" fallen; allein, zu bestimmen, ob ein Mietverhältnis unter die Vorschriften des Mietergesetzes fällt, bleibt nicht der Parteienvereinbarung überlassen, sondern ergibt sich allein aus dem Gesetz. Mangels eines gegenteiligen Vorbringens des Beschwerdeführers ist also davon auszugehen, dass der gegenständliche Bestandvertrag gemäss § 23 des Mietengesetzes nach Ablauf der Bestanddauer als auf unbestimmte Zeit erneuert gilt, wenn nicht vor Ablauf der Mietdauer innerhalb der ortsüblichen Kündigungsfrist gekündigt wird. Eine solche Kündigung kann der Vermieter aber nur aus den Gründen des § 19 des Mietengesetzes aussprechen, das heisst seit dem Inkrafttreten der Verordnung über Kündigungsschutz für Miet- und Pachträume in der Ostmark vom , D.RGBl. I S. 1671, nur noch in den Ausnahmefällen nach § 1 Abs. 2 Z. 3 bis 6 und 8 dieses Gesetzes. Dass eine von diesen Ausnahmen auf das vorliegende Mietverhältnis anzuwenden sei, hat der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet und es ist das auch nach der Sachlage nicht anzunehmen. Somit konnte die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen, dass die voraussichtliche Nutzungsdauer der Instandsetzungen nicht nach der vereinbarten Bestanddauer mit fünf Jahren, sondern nach der voraussichtlichen technischen Benützbarkeit zu veranschlagen sei, gegen deren Schätzung auf zehn Jahre auch der Beschwerdeführer keine Einwendungen erhoben hat. Die Beschwerde erweist sich somit in diesem Punkte als unbegründet.
Die belangte Behörde ist aber auch im Recht, wenn sie die
Entwertung des Mietwohngrundstückes in W durch den
Bombenschaden im Jahre 1945 nicht zum Anlass einer Verminderung der Einkommensteuerbemessungsgrundlage für 1946 genommen hat. Der Bombenschaden hätte im Jahre 1945 als ausserordentliche wirtschaftliche Abnutzung gemäss § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG geltend gemacht werden können. Daran konnten auch die Erlässe des Reichsministers der Finanzen, die im Hinblick auf die damalige Regelung des Ersatzes für Kriegssachschäden etwas anderes ausgesprochen hatten, nichts ändern, zumal sie nicht als Rechtsverordnungen kundgemacht waren. Eine Berücksichtigung dieses Verlustes in einem späteren Steuerjahr war dagegen nicht möglich. Denn selbst wenn man die Erwerbung einer Entschädigungsforderung gegen das Deutsche Reich in sinngemässer Anwendung der Vorschriften über die Ermittlung des steuerlichen Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach Art einer Einnahme behandeln wollte, hätte diese Ersatzforderung doch spätestens mit Ablauf des Jahres 1945 als wertlos abgeschrieben werden müssen. Aber auch die Behandlung, die die Wertverminderung des Grundstückes durch Kriegssachschäden bei der Einheitsbewertung und bei der Vermögensbesteuerung gefunden hat, ist ohne Einfluss auf die Möglichkeit, diese Schäden bei der Besteuerung des Einkommens geltend zu machen. Dass die eingetretene Wertverminderung bei der Einheitsbewertung erst auf den Stichtag des berücksichtigt wurde, hat seinen Grund darin, dass derartige Umstände nach § 22 des Reichsbewertungsgesetzes (vom , D.RGBl. I S. 1035) bei der Einheitsbewertung immer nur auf den Beginn des Kalenderjahres berücksichtigt werden können, das dem betreffenden Ereignis nachfolgt, während bei der Veranlagung der Einkommensteuer - abgesehen von den Fällen eines Verlustvortrages nach § 10 Abs. 1 Z. 4 EStG - nur Ereignisse des Jahres zu berücksichtigen sind, für das die Steuer zu veranlagen ist. Schliesslich können die noch unbehobenen Schäden auch nicht als aussergewöhnliche Belastung gemäss § 33 EStG geltend gemacht werden, weil nach dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 22 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nicht schon erlittene Vermögensverluste, sondern nur Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, zu einer Ermässigung der Steuer führen können (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 1116/50).
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit auch in ihrem zweiten Punkte als unbegründet. Sie war deshalb gemäss § 42 Abs. 1 des VwGG, StGBl. Nr. 208/1945 im vollen Umfang abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 515 F/1951 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1951:1949001214.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-54285