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VwGH 03.07.1978, 1205/77

VwGH 03.07.1978, 1205/77

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §4 impl;
KanalgebührenO Leutasch 1974;
LAO Tir 1963 §3 Abs1;
RS 1
Unter dem Tatbestand, an dessen Verwiklichung § 3 LAO Tir 1963 das Entstehen der Abgabenschuld knüpft, ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen (hier die Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung) enthaltenen abstrakten Voraussetzungen zu verstehen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen. Die Abgabenschuld und der ihr entsprechende Abgabenanspruch entstehen somit, wenn der in der Wirklichkeit vorliegende SACHVERHALT die Merkmale des in der Norm enthaltenen TATBESTANDES erfüllt.
Norm
RS 2
Nach dem Bundesverfassungsgesetz sind rückwirkende selbständige Verordnungen (Hinweis E VS , 1497/77) ebenso wie rückwirkende Gesetze mit der Maßgabe anzuerkennen, daß die Rückwirkung nach dem Zeitpunkt der Ermächtigungsnorm liegt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Kobzina, Öhler, Meinl und Dr. Würth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hailzl, über die Beschwerde der Gemeinde Leutasch, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 10/1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-73/3, betreffend Vorstellungsverfahren wegen Kanalanschlußgebühr (mitbeteiligte Parteien: G und CB in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 3.460,-- unter Abweisung des Mehrbegehrens an Stempelgebühren binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hat der Bürgermeister der Gemeinde Leutasch den im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Parteien mit Bescheid vom gemäß den §§ 2 und 4 der Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung der Gemeinde Leutasch (im folgenden KGO) eine Kanalanschlußgebühr in Höhe von S 376.164,-- einschließlich 8 % Umsatzsteuer vorgeschrieben. Der Berechnung dieser Gebühr ist ein gebührenpflichtiger umbauter Raum von 5.805 m3 zugrunde gelegt worden. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Gemeindevorstand der Gemeinde Leutasch mit Bescheid vom keine Folge.

Der dagegen eingebrachten Vorstellung der mitbeteiligten Parteien hatte die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom gemäß dem § 112 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung, TGO 1966, Folge gegeben, den bekämpften Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. In der Begründung dieses aufsichtsbehördlichen Bescheides wurde ausgeführt, die Abgabenbehörde erster Instanz habe den Bescheid betreffend die Vorschreibung der nach festen Sätzen zu berechnenden Kanalanschlußgebühr erlassen, ohne daß den mitbeteiligten Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen gegeben wurde, weshalb die dagegen eingebrachte Berufung gemäß dem § 206 Abs. 3 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. für Tirol Nr. 7/1963, in der Fassung der Gesetze, LGBl. Nr. 31/1967, 29/1969, 8/1971, 21/1973 und 12/1975 (TLAO), durch Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde erster Instanz zu erledigen gewesen wäre.

Der Bürgermeister wies die Berufung in der Folge mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. Diese Entscheidung verlor durch den Antrag der mitbeteiligten Parteien auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 206 Abs. 1 TLAO ihre Wirkung.

Mit Bescheid vom (dem bevollmächtigten Rechtsfreund zugestellt am ) wies der Gemeindevorstand der Gemeinde Leutasch als Abgabenbehörde zweiter und zugleich letzter Instanz (§ 46 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, in der Fassung LGBl. Nr. 8/1973) die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, der Anschlußzwang sowie die Anschlußgebühr seien gemäß der Gemeindekanalordnung sowie der Gemeindekanalgebührenordnung dem Gesetz entsprechend vorgeschrieben worden. Eine Ermäßigung sei in der Kanalgebührenordnung nicht vorgesehen und betreffe die in Rede stehende Vorschreibung auch nicht das Bauvorhaben der Eltern der Berufungswerber. Alle Anschlußwerber seien nach der Kanalgebührenordnung gleich behandelt worden. Der Einwand, daß gleichen Gewerbebetrieben weit geringere Gebühren vorgeschrieben worden seien, entspräche nicht der Tatsache. Weder die mitbeteiligten Parteien noch deren Rechtsvertreter hätten einen Beweis über eine derartige ungleiche Vorschreibung erbringen können.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom gemäß dem § 112 TGO 1966 neuerlich Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand. Zur Begründung führte die Vorstellungsbehörde nach einer Darstellung des Sachverhaltes und des Verfahrensverlaufes im wesentlichen aus: Durch den angefochtenen Bescheid sei in Rechte der mitbeteiligten Parteien dadurch eingegriffen worden, als ein Abgabenanspruch vorgeschrieben worden sei, welcher nie entstanden sei. Die Gemeindekanalanlage - Gebührenordnung vom , kundgemacht vom 17. Juli bis , wirksam somit seit , habe die Gebührenpflicht für die Kanalanschlußgebühr ursprünglich mit dem Baubeginn der Kanalanlage (§ 2 Abs. 2 der GO) entstehen lassen. Laut Feststellung des Bürgermeisters in seinem Bescheid vom sei mit dem Bau der Sammelstränge am begonnen worden, somit zu einem Zeitpunkt, zu welchem mangels Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung ein Abgabenanspruch noch nicht entstehen habe können. Von einer Rückwirkung sei in der besagten Verordnung nicht die Rede. Die Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung sei bereits mit Beschluß des Gemeinderates vom , kundgemacht vom 13. bis , wirksam somit seit , dahin gehend geändert worden, daß die Gebührenpflicht für die Kanalanschlußgebühr in Hinkunft mit dem Zeitpunkt des Baubeginnes der zu den anschlußpflichtigen Objekten führenden Sammelstränge entstehen sollte (§ 2 Abs. 1 der geänderten GO). Laut Bericht des Bürgermeisters vom sei mit dem Bau des Sammelstranges für den Anschluß des Objektes der mitbeteiligten Parteien, Leutasch Nr. n1, am durch das Bauunternehmen Fritz N. begonnen worden. Auch dieser Beginn sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu welchem mangels eines entsprechenden Tatbestandes der Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung ein Abgabenanspruch noch nicht entstehen konnte. Auch in diesem Fall sei von einer Rückwirkung in der Verordnung keine Rede. Damit fehle aber der Vorschreibung der Kanalanschlußgebühr an die mitbeteiligten Parteien jede Grundlage. Im übrigen sei zu den Ausführungen in der Vorstellung zu bemerken, daß die Aufsichtsbehörde den angefochtenen Bescheid lediglich an der Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung zu messen habe. Gegen die Heranziehung des umbauten Raumes als Bemessungsgrundlage bestünden grundsätzlich keine Bedenken. Angesichts der hohen Baukosten für die Errichtung der Gemeindekanalanlage der Gemeinde Leutasch in Höhe von derzeit veranschlagten 24 Millionen Schilling müsse auch der Gebührensatz von S 60,-- pro m3 umbauten Raumes - von einem umbauten Raum von 188.800 m3 in der Gemeinde Leutasch sollen damit Kanalanschlußgebühren im Gesamtbetrag von S 11,328.000,-- vorgeschrieben werden - als dem Gebot der Verhältnismäßigkeit der Leistung entsprechend angesehen werden. Diesbezüglich seien die Vorstellungsbehauptungen nicht stichhältig. Wenn die Gemeinde Leutasch als Träger von Privatrechten anstelle von Anschlußwerbern von den mit Abgabenbescheid vorgeschriebenen Kanalanschlußgebühren einen Teil (in einzelnen Fällen offenbar bis zu S 25,-- pro m3 umbauten Raumes) wirtschaftlich übernehme, in dem sie Anschlußwerbern durch Beschluß des hiefür zuständigen Gemeinderates Subventionen gewähre, so sei dieses Verhalten abgabenrechtlich unerheblich. Die dem öffentlichen Recht zuzurechnende Abgabenvorschreibung einerseits und die der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnende Subvention andererseits seien scharf voneinander zu trennen. Für die mitbeteiligten Parteien lasse sich daraus, jedenfalls nichts gewinnen, da eine Gebührenermäßigung - worauf die Anträge im Berufungs- und Vorstellungsverfahren hinauslaufen - in der Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung nicht vorgesehen sei und darauf somit kein Rechtsanspruch bestehe. Auch die Behauptung, die Abgabenbehörden der Gemeinde Leutasch hätten in anderen, gleichgelagerten Fällen andere Entscheidungen getroffen, sei für die Beurteilung des vorliegenden Falles unerheblich, da die Aufsichtsbehörde nur zu untersuchen habe, ob die Gemeinde im konkreten Fall rechtsverletzend gehandelt hat (Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis, Slg. Nr. 3521/59).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und eine Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei durch die Aufhebung ihres Bescheides in dem Recht auf Vorschreibung und Einhebung von Kanalanschlußgebühren gemäß der Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung vom , in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom , verletzt. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes trägt die beschwerdeführende Partei unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, die Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung habe der Gemeinderat der Gemeinde Leutasch am auf Grund des § 14 Abs. 3 lit. d des Finanzausgleichsgesetzes 1973 erlassen. Diese Verordnung sei am an der Gemeindetafel "angeschlagen" und am "abgenommen" worden. Somit stehe die Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung seit in Geltung. Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergebe, habe das Bauunternehmen Fritz N. mit dem Bau des Objektes der mitbeteiligten Parteien am begonnen. An diesem Tage sei die Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Leutasch am , in Geltung gewesen. Es unterliege sohin keinem Zweifel, daß die Entstehung und Fälligkeit der Anschlußgebühr gemäß dem § 2 Abs. 1 der Kanalgebührenordnung zum Zeitpunkt der Vorschreibung (Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Leutasch vom ) gegeben gewesen sei. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, der § 2 Abs. 1 der Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung sei mit Ablauf des in Kraft. Soweit der angefochtene Bescheid dieser Tatsache widerspreche, sei diese Entscheidung auf einer aktenwidrigen Grundlage erfolgt.

In Streit steht somit die Verpflichtung der mitbeteiligten Parteien zur Entrichtung einer Kanalanschlußgebühr.

Die unter Berufung auf § 14 Abs. 3 lit. d des Finanzausgleichsgesetzes 1973, BGBl. Nr. 445/1972, erlassene Vorschrift über die Erhebung von Kanalanschluß- und Kanalbenützungsgebühren beruht auf dem Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Leutasch vom , abgeändert mit Beschluß dieses Organs vom , gehörig kundgemacht gemäß dem § 53 TGO 1966 jeweils durch öffentlichen Anschlag an der Amtstafel des Gemeindeamtes (in der Reihenfolge der Beschlüsse: vom 17. Juli bis und vom 13. bis ).

Die Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung der Gemeinde Leutasch in der hier maßgebenden Bestimmung lautet wie folgt:

"§ 2

Anschlußgebühr

1. Die Gebührenflicht entsteht für alle im erschließbaren Bereich (§ 2 Abs. 2 der Kanalordnung) liegenden Gebäude bzw. Grundstücke, ebenso wie bei freiwilligem Anschluß nichtanschlußpflichtiger Gebäude mit dem Zeitpunkt des Baubeginnes (richtig wohl: der) zu den anschlußpflichtigen Objekten führenden Sammelstränge."

Dieser Wortlaut läßt keinen Zweifel offen, daß die Gebührenpflicht nicht erst durch die tatsächliche Inanspruchnahme des öffentlichen Kanalisationssystems, sondern bereits mit dem Beginn des Baues der Zuleitungsstränge ausgelöst wird.

Gemäß dem § 3 Abs. 1 TLAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft. Im Grunde des Abs. 2 der zitierten Bestimmung bleiben in Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Abgabenschuld) unberührt. Unter dem Tatbestand, an dessen Verwirklichung § 3 TLAO das Entstehen der Abgabenschuld knüpft, ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen (hier die Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung) enthaltenen abstrakten Voraussetzungen zu verstehen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen. Die Abgabenschuld und der ihr entsprechende Abgabenanspruch entstehen somit, wenn der in der Wirklichkeit vorliegende Sachverhalt die Merkmale des in der Norm enthaltenen Tatbestandes erfüllt. Knüpft der Tatbestand an Handlungen an, so erfolgt die Verwirklichung durch die Vornahme der Handlung.

Wie sich aus der oben wiedergegebenen Bestimmung der KGO ergibt, ist der Tatbestand, an den die Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung die Gebührenpflicht knüpft, der Zeitpunkt des Baubeginnes der zu den anschlußpflichtigen Objekten führenden Sammelstränge.

Dem bei den Verwaltungsakten erliegenden Bericht des Bürgermeisters der Gemeinde Leutasch an die belangte Behörde vom ist zu entnehmen, daß mit dem Bau des Sammelstranges für den Anschluß des Objektes der mitbeteiligten Parteien am durch das Bauunternehmen Fritz N. begonnen wurde. Daraus folgt, daß im Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung (Geltendmachung der Abgabenzahlungsschuldigkeit) am durch die Abgabenbehörde erster Instanz der Abgabentatbestand, an den die Gemeindekanalanlage-Gebührenordnung die Gebührenpflicht knüpft, eindeutig verwirklicht war. Damit entspricht die streitgegenständliche Abgabenvorschreibung dem gesetzlichen Erfordernis der Erfüllung des in der Abgabenvorschrift enthaltenen Tatbestandes und dem in § 92 TLAO normierten rechtsstaatlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung.

Die belangte Behörde übersieht, daß die Fixierung der Tatbestandsmerkmale, die eine Abgabenschuld auslösen, bei (sogenannten) selbständigen Verordnungen dem Rechtserzeugungsorgan (hier Gemeinderat) vorbehalten ist. Die belangte Behörde war im Vorstellungsverfahren bei Prüfung des Bescheides der obersten Gemeindebehörde nicht ermächtigt, einen gehörig kundgemachten Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Leutasch, der als ein an einen unbestimmten Adressatenkreis gerichteter Verwaltungsakt im Sinne der Lehre und der ständigen Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als Verordnung im Sinne des Art. 139 B-VG zu qualifizieren ist, die Anerkennung als gültige Norm zu versagen. Während ihrer Geltung ist eine Verordnung anzuwenden, und zwar auch dann, wenn - wie im gegenständlichen Fall - der Beginn des zeitlichen Bedingungs(Anwendungs-)bereiches (Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenpflicht) vor dem (mit Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist eingetretenen) Geltungsbeginn der Gemeindeverordnung liegt.

Mit der Frage der Rechtsnatur von Gemeinderatsbeschlüssen, die auf Grund der in den jeweiligen Finanzausgleichsgesetzen (hier § 14 Abs. 3 lit. d Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl. Nr. 445/1972) eingeräumten und auf § 7 Abs. 5 Finanzverfassungsgesetz beruhenden Ermächtigung zur Ausschreibung von Abgaben ergehen, hat sich der Verwaltungsgerichtshof erst kürzlich im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 1497/77 (worauf unter Hinweis auf die Bestimmung des Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird), ausführlich auseinandergesetzt. Er ist hiebei in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zu der Auffassung gelangt, daß auf Grund des freien Beschlußrechtes der Gemeinden zur Ausschreibung bzw. zur Erhebung von Abgaben erlassene Abgabenverordnungen, die sich ausschließlich auf diese Ermächtigung stützen, als (sogenannte) selbständige Verordnungen zu qualifizieren sind. Nach dem Bundesverfassungsgesetz sind jedenfalls rückwirkende selbständige Verordnungen ebenso wie rückwirkende Gesetze (vgl. Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 2009, 5051, 5411) mit der Maßgabe anzuerkennen, daß die Rückwirkung nach dem Zeitpunkt der Ermächtigungsnorm liegt.

Indem die belangte Behörde die Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufgehoben werden mußte. Solcherart war es entbehrlich, auf die Verfahrensrüge einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung vom , BGBl. Nr. 542/1977. Neben dem Schriftsatzaufwand in Höhe von S 3.000,-- waren Stempelgebühren nur in dem zur Entrichtung erforderlichen Ausmaß, nämlich in Höhe von S 460,--, zuzusprechen. Das diesbezügliche Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen.

Wien, am

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Normen
BAO §4 impl;
B-VG Art18 Abs2;
KanalgebührenO Leutasch 1974;
LAO Tir 1963 §3 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1977001205.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-54268