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VwGH 15.12.1970, 1187/69

VwGH 15.12.1970, 1187/69

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Der Begriff der Entschädigung iSd § 24 Z1 lit a EStG 1967 setzt den Ausgleich eines durch den Ausfall von Einnahmen unmittelbar verursachten Schadens voraus. Um aus dem Rahmen der Einkunftsart (§ 13 - § 23 EStG 1967) herauszufallen und unter die Bestimmung des § 24 EStG 1967 unterstellt werden zu können, muß der Schaden durch ungewöhnliche Ereignisse, die außerhalb des Geschäftsbetriebes liegen und in der Regel ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen eintreten, verursacht sein. Die entgeltliche Übertragung des Kundenstockes in einem bestimmten Gebiet fällt schon unter § 15 EStG 1967, sodaß § 24 Abs 1 lit a EStG 1967 nicht anzuwenden ist (Hinweis: E , 2021/53 VwSlg 1190 F/1955).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Dr. Kaupp, Hofstätter, DDr. Heller und Dr. Simon als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat) vom , Zl. GA VI-2.999/67, betreffend Einkommensteuer 1964 und 1965 des AF in W, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit Holzoberflächenmaterialien und Tischlereibedarf in Wien mit Filialen in Graz und Villach. In den Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen für 1964 und 1965 stellte er jeweils den Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 EStG für „Abfindungssummen für die Übernahme des Kundenstockes“ in Kärnten, Tirol und Salzburg bzw. Steiermark. Diese Abfindungen stellten Entschädigungen gemäß § 24 Z. 1 lit. b EStG dar und unterlägen somit dem ermäßigten Steuersatz des § 34 EStG. Das Finanzamt gab diesen Anträgen in den Steuerbescheiden für 1964 und 1965 keine Folge. Da die Überlassung des Kundenstockes im Rahmen des gewerblichen Betriebes ein Hilfsgeschäft darstelle, könne für die erhaltenen Entschädigungen die Begünstigung des § 34 EStG nicht angewendet werden. In der gegen den Einkommensteuerbescheid 1964 erhobenen Berufung wurde ausgeführt, daß sich die Einschränkung, daß auf außerordentliche Einkünfte die im Betrieb erzielt werden, § 34 EStG nicht angewendet werden könne, bei logischer Durchleuchtung der in Frage kommenden Gesetzesbestimmung nicht aufrechterhalten lasse. Dehn das damit aufgestellte Postulat einer verschiedenen Behandlung der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3 einerseits und Z. 4 bis 7 andererseits betreffe zwar die Einkommensermittlung, wonach für die erstgenannten Einkunftsarten die Gewinnermittlung, für die zweite Gruppe die Feststellung des Überschusses der Einnahme- und Werbungskosten zum steuerpflichtigen Einkommen führe, aber es hieße eine weder durch theoretische Überlegung noch durch den Gesetzeswortlaut zu rechtfertigende extensive Interpretation anstellen, wollte man die vorgenannte Zweiteilung der Einkunftsarten auch für die Einkünfte gemäß § 24 EStG bzw. für ihre begünstigte tarifische Behandlung nach § 34 EStG in gleicher Weise aufrechterhalten. Der Nachweis, daß die Trennung der Einkunftsarten für Zwecke der Einkommensermittlung keine Geltung für den Anspruch auf tarifische Begünstigung besitze, könne aus dem Wortlaut des § 24 EStG selbst geführt werden, weil der Gesetzgeber in der Ziffer 2 auf die einzelnen Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 ausdrücklich Bezug nehme, während dies in der Ziffer 1 nicht getan werde. Daraus sei zwingend zu schließen, daß eben die Einkünfte im Sinne des § 24 Z. 1 EStG nicht auf einige Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 beschränkt seien. Auch § 34 EStG lasse in bezug auf die Entschädigungen keine Einschränkungen zu. Aus der Kritik einer deutschen Kommentarstelle zur Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofes wird in der Berufung der Schluß gezogen, daß sowohl von der neueren Judikatur des Bundesfinanzhofes die seinerzeit vom Reichsfinanzhof vertretene Auffassung nicht mehr geteilt werde, als auch die zitierte Kommentarmeinung, wenngleich mit einer von der Judikatur abweichenden Begründung der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 357/58, angezogenen Kommentarauffassung nicht mehr entspreche. In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1965 wird lediglich auf die Ausführungen in der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1964 Bezug genommen.

Die belangte Behörde gab den Berufungen hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 34 EStG statt, wies sie jedoch hinsichtlich der Anwendung des Mindeststeuersatzes des § 34 EStG als unbegründet ab. Der Begriff Entschädigung setze voraus, daß sie durch den Verlust steuerpflichtiger Einnahmen unmittelbar bedingt sein müsse, und diese Entschädigungen einen Schadensausgleich bewirken sollen. Der Begriff Schaden setze voraus, daß die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen durch den Wegfall einer Einnahmsquelle verschlechtert werde. Dieser Umstand liege im Falle des Mitbeteiligten zweifellos vor. Die Anwendung des § 34 EStG setze weitere voraus, daß es sich um einmalige Zuflüsse handle, das heißt, daß § 34 EStG nur bei solchen Zuflüssen anwendbar sei, die im Laufe eines Kalenderjahres eingehen. Die Begründung könne daher nicht gewährt werden, wenn die Entschädigung auf mehrere Jahre verteilt zufließe. Hinsichtlich des Begriffes der Außerordentlichkeit sei darauf hinzuweisen, daß diese dann zu bejahen sei, wenn Einkünfte von mehr als einem Veranlagungszeitraum abgegolten werden. Es liege also eine Entschädigung vor, die nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 34 EStG nach begünstigten Steuersätzen zu versteuern sei. Der Senat könne der Auffassung, daß Entschädigungen, die im Rahmen eines gewerblichen Betriebes anfallen, nicht begünstigungsfähig seien, nicht beipflichten.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2021/53, Slg. Nr. 1190/F, ausgeführt hat, schafft diese Vorschrift keine neue, zu den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG hinzutretende Einkunftsart. Sie dehnt vielmehr nur die Begriffsbestimmungen, die die vorangehenden §§ 13 bis 23 EStG für diese Einkunftsarten gebracht haben, auch auf Tatbestände aus, die ihrem Wesen nach nicht ohne weiteres von ihnen erfaßt wurden. Fällt aber ein Tatbestand schon an sich unter eine der in den §§ 13 bis 23 EStG enthaltenen Begriffsbestimmungen, dann bleibt für eine Anwendung des § 24 EStG kein Raum. Es ist daher zu untersuchen, ob die strittigen Einnahmen für die Übertragung des Kundenstockes als Entschädigungen im Sinne des § 24 Z. 1 lit. a EStG anzusehen sind oder ob sie schon ohne diese Bestimmung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieben gehören. Im letzteren Falle kommt die Bestimmung des § 24 Z. 1 lit. a EStG nicht zum Zuge, sodaß keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Z. 4 EStG vorliegen. Der Begriff der Entschädigung im Sinne des § 24 Z. 1 lit. a EStG setzt den Ausgleich eines durch den Ausfall ein Einnahmen unmittelbar verursachten Schadens voraus, was auch im angefochtenen Bescheid anerkannt wird. Um aus dem Rahmen der Einkunftsart herauszufallen und der Bestimmung des § 24 EStG unterstellt werden zu können, muß der Schaden durch ungewöhnliche Ereignisse, die außerhalb des Geschäftsbetriebes liegen und in der Regel ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen eintreten, verursacht sein. Zahlungen, die auf die Abwicklung normaler Geschäftsvorfälle, zu denen auch die Beendigung bisheriger ertragreicher Geschäftsbeziehungen gehört, zurückgehen, können nicht als Entschädigung im Sinne des § 24 Z. 1 lit. a EStG anerkannt werden. Nach dem Vorbringen des Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren handelt es sich bei den strittigen Einnahmen nur um Abfindungen für die Übernahme des Kundenstockes in bestimmten Bundesländern durch ein anderes Unternehmen. Nach der Aktenlage ist diese entgeltliche Übertragung des Kundenstockes, verteilt auf zwei Kalenderjahre, einvernehmlich im Vertragswege erfolgt. Es handelt sich daher weder um ein außerhalb des Geschäftsbetriebes liegendes, vom Willen des Steuerpflichtigen ein abhängiges Ereignis, noch kann vom Ausgleich eines eingetretenen Schadens gesprochen werden. Der beschwerdeführende Präsident ist daher im Recht, wenn er ausführt, daß die aus freien Stücken erfolgte entgeltliche Übertragung des Kundenstockes in bestimmten Gebieten nicht anders zu beurteilen sei, als die Veräußerung anderer Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens.

Da sich der angefochtene Bescheid somit als rechtswidrig erwiesen hat, war er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
Sammlungsnummer
VwSlg 4162 F/1970
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1970:1969001187.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-54215