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VwGH 02.12.1965, 1185/65

VwGH 02.12.1965, 1185/65

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
WRG 1959 §32 Abs4;
RS 1
Einleitungen in eine wasserrechtlich bewilligte Kanalisationsanlage gegen den Willen des Anlageneigentümers sind nicht bewilligungsfähig.
Norm
WRG 1959 §32 Abs1;
RS 2
Bei einer Kanalisationsanlage handelt es sich um kein Gewässer im Sinne des § 32 Abs 1 WRG 1959.
Norm
WRG 1959 §32 Abs4;
RS 3
Von einer "Berührung" eines öffentlichen Gewässers im Sinne des § 127 Abs 1 WRG 1959 kann bei einer Einleitung in eine Kanalisationsanlage nur dann die Rede sein, wenn sich die Notwendigkeit einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 32 Abs 4 deshalb ergibt, weil diese Bewilligungsfreiheit zu statuieren und deshalb eine Bewilligung zur Einleitung der Abwässer in den Vorfluter erforderlich ist.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Guggenbichler, sowie die Hofräte Dr. Krzizek, Penzinger, Dr. Knoll und Dr. Schmelz als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Landesregierungskommissärs Dr. Weingartner, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Ried im Innkreis, vertreten durch Dr. Hans Dallinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, Rainerstraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 99.073-I/1/64 (mitbeteiligte Partei: der Bund - Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen), betreffend die wasserrechtliche Bewilligung für eine Abwassereinleitung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1045,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Als dem Amte der Oberösterreichischen Landesregierung Beschwerden über Geruchsbelästigungen zugingen, die auf das Abstellen von Rindern auf dem Verladegelände des Bundesbahnhofes Ried im Innkreis und die dabei anfallenden Exkremente und Abwässer zurückgeführt wurden, hielt es mit den beteiligten Stellen am eine Besprechung an Ort und Stelle ab. Dabei wurde festgestellt, daß zur Beseitigung der Übelstände insbesondere die Einbeziehung der Verladeanlage in das städtische Kanalisationsnetz notwendig wäre. Der Vertreter der Beschwerdeführerin erklärte, daß gegen einen "Anschluß der anfallenden Abwässer an die bestehende städtische Kanalisation keine Bedenken bestehen". Daraufhin überreichte die Bundesbahndirektion Linz dem Amte der Oberösterreichischen Landesregierung mit Eingabe vom ein Projekt über die bauliche Umgestaltung des Viehverladeplatzes am Bahnhofe Ried im Innkreis und die Ableitung der dort anfallenden Abwässer in das städtische Kanalisationssystem. Gleichzeitig wurde um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für dieses Vorhaben ersucht.

Hierüber fand am die mündliche Verhandlung statt. Bei dieser Verhandlung wurde festgestellt, daß die Stadtgemeinde Ried im Innkreis eine mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom erteilte wasserrechtliche Bewilligung für ein generelles Projekt einer systematischen Kanalisation besitze, in welchem Projekte der gegenständlich zu beanspruchende Kanal enthalten sei. Nach dem vorliegenden Projekte der Österreichischen Bundesbahnen solle entlang der zum Anbinden der Tiere bestimmten Barriere eine offene Rinne angelegt werden, durch welche die auf eine im Bereiche des bisherigen Abstellplatzes zu errichtende befestigte Fläche auffallenden Niederschlagswässer und die Ausscheidungen der Tiere abfließen würden. Am Ende der Rinne solle ein Einlaufschacht angeordnet werden, bei dessen Einlauf und Ablauf je ein Rechen zum Zurückhalten von Stroh und sonstigen groben Verunreinigungen vorgesehen sei. Der Ablauf unterfahre die angrenzende Gemeindestraße und münde schließlich in einen städtischen Kanal. Der auf der Fläche anfallende Mist werde zu einer benachbart liegenden Düngerstätte gebracht und von dort der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Der Vertreter der Beschwerdeführerin brachte vor, daß gegen das Projekt und die bei der Verhandlung vom beigezogenen Amtssachverständigen geforderten Ergänzungen bzw. Abänderungen keine Einwendungen erhoben würden. Es werde aber das Begehren nach Anordnung eines Rechens und Sandfanges im Einleitungsbereich gestellt. Dem widersprach der Amtssachverständige mit der Begründung, daß solche Schlammfänge bewirken, daß in Trockenzeiten faulfähiges Abwasser darin stehen bleibt, anfault und zu einer starken Geruchsbelästigung führen kann. Weiters würde der Einbau von Schlammfängen bewirken, daß die Abwässer in bereits angefaultem Zustand in die Kanalisation einfließen würden.

Mit dem Bescheide vom erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich auf Grund der Bestimmungen der §§ 9, 30, 31, 32, 50, 99, 105, 111, 112 und 127 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215 (WRG 1959), die beantragte Bewilligung unter den vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen Auflagen. Von diesen interessiert hier nur die Auflage unter Punkt 6). Ihr zufolge ist "bei der Ausgestaltung der Düngersammelstätte, welche als Zwischendeponie für den anfallenden Mist dient, dafür Sorge zu tragen, daß jauchehältige Abwässer weder versickern noch sonst abfließen können". Die Forderung der Beschwerdeführerin "nach Anbringung eines Sandfanges" wurde abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß die Zuständigkeit zur wasserrechtlichen Behandlung des Falles aus der Vorschrift der §§ 99 Abs. 1 lit. c und Abs. 1 lit. a WRG 1959 erschlossen worden sei. Ein "Regelfall" im Sinne des § 32 Abs. 4 WRG 1959 liege nicht vor, weil die Beschwerdeführerin begehrt habe, daß vor Einleitung der Abwässer in das städtische Kanalnetz ein Rechen und Sandfang angebracht werden müsse, da die "kanalrechtlichen Bestimmungen der Stadtgemeinde Ried eine derartige Bestimmung enthielten und der Schlammfang von der Stadtgemeinde Ried i. I. zur Hintanhaltung einer Schädigung des Kanalnetzes gefordert werden müsse". Dieses Begehren sei aber angesichts der diesbezüglichen Ausführungen des Amtssachverständigen abzuweisen gewesen.

Dagegen richtete sich eine Berufung der Beschwerdeführerin, in der bezüglich der Auflage über die Ausgestaltung der Düngersammelstätte bemängelt wurde, daß sie weder der Vorschrift des § 54 der für die Stadt Ried i. I. geltenden Bauordnung noch der Bestimmung des § 3 lit. d des "Kanalgesetzes", Landesgesetz- und Verordnungsblatt für das Erzherzogtum Österreich ob der Enns Nr. 40/1909, gerecht werde, wonach Mist- und Düngergruben mit wasserdichten Wänden und Böden und festen, gutschließenden Deckeln zu versehen seien. Was den geforderten Sandfang anlange, schreibe ihn § 3 Abs. b des "Kanalgesetzes" vor. Der Fahrverkehr auf der zur Viehabstellung dienenden Betonplatte werde auch Erdreich und Sand dorthin bringen, sodaß die Befürchtung, es werde Schmutz und Sand insbesondere bei den Reinigungsarbeiten in das Kanalsystem gespült werden, gerechtfertigt sei. Das Bedenken, es könnte über einen Sandfang bereits in Fäulnis geratenes Wasser in das Kanalnetz kommen, sei damit zu entkräften, daß ein Sandschacht periodisch geräumt und ausgewaschen werden müsse. Diese Einrichtung werde von der Beschwerdeführerin nicht nur im Gegenstande gegenüber den Österreichischen Bundesbahnen, sondern überall dort gefordert, wo die Oberwässer von nicht geschlossenen Räumen, so insbesondere von Höfen, eingeleitet werden. Die fragliche Verladeeinrichtung sei von einem offenen Hof eines Schlachthauses in nichts verschieden und auch dort seien nach den bezogenen gesetzlichen Bestimmungen Sandfänge einzurichten.

Eine zu dieser Berufung von der belangten Behörde eingeholte amtssachverständige Stellungnahme besagte, daß wohl in der Regel die Jaucheabwässer aus Stallungen, Viehhallen etc. in flüssigkeitsdichten Gruben zu sammeln, auszuführen und landwirtschaftlich zu verwerten seien. Dies sei aber hier wegen der Regenwasserableitung nicht möglich, weshalb eben ausnahmsweise die Entwässerung in die öffentliche Kanalisation erfolgen müsse und auch eine gegenüber Hofabwässern abweichende Bauführung durchaus gerechtfertigt sei. Hinsichtlich der bei Einbau eines Sandfanges zu befürchtenden hygienischen Übelstände werde dem Vorgutachten beigepflichtet.

Die belangte Behörde versagte der Berufung mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheide den Erfolg und begründete dies bezüglich der Auflage über die Düngersammelstätte damit, daß die Ausgestaltung derartiger Anlagen nicht in die Kompetenz der Wasserrechtsbehörde falle und sie nur anordnen könne, daß jauchehältige Abwässer weder versickern noch sonst abfließen dürfen. Diese Anordnung sei getroffen worden. Im übrigen wurde auf die bereits zitierten Gutachten der gehörten Amtssachverständigen Bezug genommen.

Diesem Berufungsbescheide wird mit der vorliegenden Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes zur Last gelegt. Hierüber wurde erwogen:

Auszugehen ist vom Projekte der Österreichischen Bundesbahnen, für welches eine wasserrechtliche Bewilligung nachgesucht wurde, um die im Bereiche des bahneigenen Viehabstellplatzes auf einer befestigten Fläche anfallenden Niederschlags- und Abwässer in das städtische Kanalnetz der Stadtgemeinde Ried i. I. einleiten zu dürfen.

Gemäß § 32 Abs. 4 WRG 1959 bedarf derjenige, der Einbringungen in eine bewilligte Kanalisationsanlage mit Zustimmung ihres Eigentümers vornimmt, für den Anschluß in der Regel einer wasserrechtlichen Bewilligung. Das Kanalisationsunternehmen bleibt dafür verantwortlich, daß seine wasserrechtliche Bewilligung zur Einbringung in den Vorfluter weder überschritten noch die Wirksamkeit vorhandener Reinigungsanlagen beeinträchtigt wird. Nach den §§ 14 und 32 ff. des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. Nr. 60/1957, bedürfen der Bau und die Veränderung bestehender bundeseigener Eisenbahnanlagen der Baugenehmigung des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft (§ 12 Abs. 1), wobei laut § 10 unter "Eisenbahnanlagen" Bauten, ortsfeste eisenbahntechnische Einrichtungen und Grundstücke einer Eisenbahn verstanden werden, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehres dienen. § 127 Abs. 1 WRG 1959 wiederum sieht vor, daß Eisenbahnbauten und Bauten auf Bahngrund, die nach den eisenbahnrechtlichen Vorschriften einer eisenbahnbaubehördlichen Bewilligung bedürfen und durch die öffentliche Gewässer- oder obertägige Privatgewässer berührt werden, u.a. auch einer besonderen wasserrechtlichen Bewilligung bedürfen, wenn sie mit einer Einleitung in ein derartiges Gewässer verbunden sind. In allen übrigen Fällen sind im eisenbahnrechtlichen Bauverfahren (lit. b) auch die materiellrechtlichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 anzuwenden. Das bedeutet, daß der Landeshauptmann von Oberösterreich (an Hand der Zuständigkeitsbestimmung des § 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959) nur dann berufen sein konnte, ein wasserrechtliches Verfahren abzuführen, wenn keine Bewilligungsfreiheit nach § 32 Abs. 4 WRG 1959 vorlag und außerdem anzunehmen war, daß es sich um ein Projekt handle, durch das ein öffentliches Gewässer oder ein obertägiges Privatgewässer berührt werde.

Nun ist im Verfahren nicht bestritten worden, daß die Beschwerdeführerin im Besitz eines Wasserrechtes für die Einleitung der in ihrer Kanalisationsanlage gesammelten Abwässer in den Vorfluter (Riederbach) und Eigentümerin dieser Anlage sei. Ebenso ist es unbestritten geblieben, daß das Projekt (laut Befund) eine auf Bahngrund zu errichtende bzw. abzuändernde Anlage betreffe, die der kurzfristigen Abstellung von Rindern dient, welche in Bahnwaggons verladen oder aus ihnen entladen werden, womit offenkundig um eine Anlage, die mittelbar der Abwicklung des Eisenbahnbetriebes dienlich ist. Von einer "Berührung" eines öffentlichen Gewässers (§ 127 Abs. 1 WRG 1959) im Zusammenhange mit einer Einleitung in eine Kanalisationsanlage konnte nur dann die Rede sein, wenn sich die Notwendigkeit einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 32 Abs. 4 desselben Gesetzes deshalb ergab, weil keine Bewilligungsfreiheit zu statuieren und deshalb eine Bewilligung zur Einleitung der Abwässer in den Vorfluter erforderlich war. Für die Einleitung in die Kanalisationsanlage selbst konnte ja eine wasserrechtliche Bewilligung unter keinen Umständen in Frage kommen, weil es sich bei dieser Anlage um kein "Gewässer" im Sinne des § 32 Abs. 1 WRG 1959 handelte. Unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme von der Regel gegeben sein soll, wonach für (mit Zustimmung des Eigentümers vorzunehmende) Einbringungen in eine bewilligte Kanalisationsanlage eine wasserrechtliche Bewilligung nicht erforderlich ist, sagt das Gesetz nicht aus. Doch steht von vornherein fest, daß es sich um Einbringungen "mit Zustimmung des Eigentümers" handeln muß. Im Gegenstande hat die Beschwerdeführerin im Ermittlungsverfahren ihre Zustimmung zum Projekt von der Anbringung eines Rechen und Sandfängers abhängig gemacht und sich gegen die dennoch erteilte Bewilligung mit Berufung gewandt, weil dieses Begehren nicht beachtet worden war. Daraus ergibt sich, daß in Wahrheit eine "Einbringung mit Zustimmung des Eigentümers" nicht vorlag. Es konnte also nicht zulässig sein, die Bewilligung zu erteilen und damit in das (Wasser-)Recht der Beschwerdeführerin zur Alleinverfügung über den Betrieb ihrer Kanalisationsanlage einzugreifen. Es ist wohl unrichtig, daß es der Wasserrechtsbehörde auferlegt gewesen wäre, andere als bundesgesetzliche (nämlich baurechtliche) Vorschriften zu vollziehen. Dies gilt umsomehr für die Düngerablagerungsstätte, die ja offenkundig nicht einmal Projektsgegenstand war, weil aus ihrem Bereich keinerlei Abwässer abgeleitet werden sollten. Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid nach dem Vorgesagten seinem Inhalte nach als rechtswidrig, weil das Wasserrecht der Beschwerdeführerin durch die projektierte Anschlußanlage bewilligungsgemäß in einer ihrem Willen widersprechenden Weise berührt werden sollte.

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides war somit gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 geboten.

Der Beschwerdeführerin waren antragsgemäß gemäß § 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 sowie nach Art. I Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965 Aufwendungen im Betrage von S 1045,-- (Schriftsatzaufwand und Stempelgebührenersatz) zu Lasten des Bundes zuzuerkennen. Das Mehrbegehren war nach § 58 VwGG 1965 abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs4;
Sammlungsnummer
VwSlg 6816 A/1965
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1965:1965001185.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-54209