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VwGH 20.12.1973, 1184/73

VwGH 20.12.1973, 1184/73

Entscheidungsart: BeschlussVS

Rechtssätze


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Normen
BAO §254;
BAO §289 impl;
VwGG §13 Z3;
VwGG §30 Abs2;
RS 1
Beschwerden gegen letztinstanzliche Bescheide über Abgaben im Sinne des BAO kann grundsätzlich, ungeachtet des Umstandes, dass nach § 254 BAO durch die Einbringung der Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt wird, die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden; der verst. Senat hält daher auch für den Geltungsbereich der BAO und des § 30 Abs 2 VwGG 1965 idF BGBl 1969/459 an dem vom verst. Senat VI im E Slg 900 F/1954 niedergelegten Rechtssatz fest.
Normen
VwGG §13 Z3;
VwGG §30 Abs2;
RS 2
§ 30 Abs 2 VwGG trifft keine Unterscheidung nach Verwaltungsrechtsgebieten und stellt seine Anwendbarkeit nicht darauf ab, ob einer Berufung, gegen deren Erledigung sich die Beschwerde an den VwGH richtet, im Verwaltungsverfahren etwa aufschiebende Wirkung zukam. Dem § 30 Abs 2 VwGG kommt daher kein engerer Anwendungsbereich als er sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, zu.
Normen
VwGG §13 Z3;
VwGG §30 Abs2;
RS 3
Die Notwendigkeit, für einen zur Abgabenabstattung aufgenommenen Kredit Zinsen bezahlen zu müssen, bedeutet für den Antragsteller sehr wohl einen nicht wiedergutzumachenden Schaden der die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung grundsätzlich zulässt - dies allerdings unter der Voraussetzung, dass öffentliche Rücksichten, wie Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschuld, die sofortige Vollstreckung nicht geboten erscheinen lassen.
Normen
VwGG §13 Z3;
VwGG §30 Abs2;
RS 4
Es ist Sache des Bf, schon im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung das Zutreffen der Voraussetzungen § 30 Abs 2 VwGG zu behaupten und dabei konkrete Angaben über die Art des nicht wiedergutzumachenden Schadens zu machen, der durch die Vollstreckung des beim VwGH angefochtenen Bescheides eintreten würde.
Normen
VwGG §13 Z3;
VwGG §30 Abs2;
RS 5
Eine bloße Bargeldknappheit reicht nicht, um einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

1186/73

Siehe:

83/17/0037 B VwSlg 5791 F/1983 Wiederherstellung und Fortführung der früheren Rechtsansicht.

Abgehen von Vorjudikatur (demonstrative Auflistung):

0564/70 B ;

(RIS: abgv)

Abgegangen hievon mit verstärktem Senat (demonstrative Auflistung):

81/14/0071 B VS VwSlg 5636 F/1981; (RIS: abwh)

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Raschauer, Dr. Frühwald, Hofstätter, Dr. Reichel, Mag. DDr. Heller, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Seiler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzkommissär Dr. Wimmer, den Beschluss gefasst:

Spruch

Den Anträgen 1.) der MD in W und 2.) des Ing. RM in B, beide vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek und Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwälte in Wien I, Wipplingerstraße 10, den gegen die Bescheide der FLD für Wien, NÖ u. Bgld 1.) vom , GA 11-783/1/1973 und 2.) vom gleichen Tag GA 11-783/1973, beide betreffend Rechtsgebühr, erhobenen Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gem. § 30 Abs. 2 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. 1969/459 nicht stattgegeben.

Begründung

Die beiden Antragsteller haben gegen die oben näher bezeichneten Bescheide der FLD für Wien, NÖ u. Bgld vom betr. Rechtsgebühr in der Höhe von S 24.000,-- bzw. S 15.350,-- gem. Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG Beschwerde vor dem VwGH erhoben und in den Beschwerdeschriftsätzen auch den Antrag gestellt, ihren Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Antragsteller machen geltend, die sofortige Vollstreckung der angefochtenen Bescheide würde ihnen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen, weil nur zwei Wege offenstünden, um den jeweils strittigen Abgabenbetrag aufbringen zu können: Sie müßten ihn entweder der Personengesellschaft entziehen, an der sie beteiligt sind, oder einen Kredit aufnehmen. Die Gesellschaft, die eben Urlaubsgelder bezahlt habe, benötige dringend Bargeld und ein Kredit sei im Hinblick auf bestehenden Kreditrestriktionen allenfalls nicht zu erlangen. Die Notwendigkeit, für einen Kredit Zinsen entrichten zu müssen, bedeute für die Antragsteller auf jeden Fall einen nicht wiedergutzumachenden Schaden. Andererseits - so meinen die Antragsteller ohne weitere Begründung - würden öffentliche Rücksichten die sofortige Vollstreckung nicht gebieten.

Der VwGH hat aus Anlaß der vorliegenden Anträge in einem gem. § 13 Z. 1 VwGG 1965 verstärkten Senat vorerst beschlossen, die beiden Anträge wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zu verbinden. Der Gerichtshof hat sodann abermals die Frage geprüft, ob es grundsätzlich zulässig ist, Beschwerden gegen letztinstanzliche Bescheide über Abgaben iS der Bundesabgabenordnung BGBl. 1961/194 die aufschiebende Wirkung gem. § 30 Abs. 2 VwGG 1965 idF d BG v. BGBl. 459 zuzuerkennen. Der verstärkte Senat ist zu dem Ergebnis gelangt, daß diese Frage ungeachtet des Umstands, daß nach § 254 BAO durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten wird, zu bejahen ist. Nach der zit. Gesetzesbest. des VwGG 1965 hat der VwGH auf Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, wenn durch die Vollstreckung ein nicht wiedergutzumachender Schaden eintreten würde und nicht öffentliche Rücksichten die sofortige Vollstreckung gebieten. Diese Vorschrift, die die alleinige Rechtsgrundlage für die vom VwGH zu fällende Entscheidung bildet, trifft keine Unterscheidung nach Verwaltungsrechtsgebieten und stellt für ihre Anwendbarkeit nicht darauf ab, ob einer Berufung, gegen der Erledigung sich die Beschwerde an den VwGH richtet, im Verwaltungsverfahren etwa aufschiebende Wirkung zukam. Von ihrem sachlichen Anwendungsbereich sind demnach Beschwerden in Abgabenangelegenheiten nicht ausgenommen. Die gleiche Rechtsauffassung hat der VwGH schon in seinem auf dem Beschluß eines verstärkten Senates beruhenden Erk. vom , Slg. 900(F) zu § 30 Abs. 2 VwGG 1952 vertreten. Die Regelung der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden an den VwGH hat sich inzwischen zwar geändert, jedoch nicht, was die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 30 Abs. 2 VwGG betrifft. Daher treffen die Erwägungen, die der VwGH im zit. Erk. vom angestellt hat, auch unter Bedachtnahme auf die gegenwärtige Rechtslage zu. In Kenntnis dieser Rechtsprechung hätte es der Gesetzgeber mehrmals, nicht zuletzt anläßlich der Novellierung des VwGG 1965 im Jahre 1969, in der Hand gehabt, den § 30 Abs. 2 VwGG abzuändern, sofern das rechtspolitische Bedürfnis bestanden hätte, Beschwerden an den VwGH die aufschiebende Wirkung grundsätzlich dann nicht zuzuerkennen, wenn diesen ein Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, in dem einem Rechtsmittel eine aufschiebende Wirkung nicht zukam. Da er dies nicht getan hat, kann dem § 30 Abs. 2 VwGG 1965 auch kein engerer Anwendungsbereich, als er sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, zukommen.

Was nun das Vorbringen der Antragsteller anlangt, für einen zur Abstattung der Gebührenschuld allenfalls aufzunehmenden Kredit Zinsen entrichten zu müssen, hält der VwGH allerdings an der im hg. Erk. vom , Slg. 3203(F) und seither in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtsansicht - daß nämlich darin kein besonderer Nachteil erblickt werden könne, der die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen würde - nicht weiter fest. Da eine Vergütung von Zinsen für einen zur Abstattung einer Abgabenschuld aufgenommenen Kredit nach Abgabenvorschriften im Fall der nachträglichen Behebung der Abgabenfestsetzung nicht vorgesehen ist, ist offenkundig, daß dem Abgabenschuldner hiedurch ein unwiderbringlicher Nachteil zugefügt wird, der die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung grundsätzlich zuläßt - dies allerdings unter der Voraussetzung, daß öffentliche Rücksichten, wie Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschuld, die sofortige Vollstreckung nicht geboten erscheinen lassen.

Dessenungeachtet war aber den gestellten Anträgen nicht stattzugeben. Es ist nämlich Sache der beschwerdeführenden Parteien, schon im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung das Zutreffen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 VwGG 1965 zu behaupten und dabei konkrete Angaben über die Art des nicht wiedergutzumachenden Schadens zu machen, der durch die Vollstreckung des beim VwGH angefochtenen Bescheides eintreten würde.

Im Streitfall haben die Beschwerdeführer angegeben, daß sie die festgesetzten Abgabenbeträge der Gesellschaft enziehen müßten. Beträge, die diese "derzeit im Hinblick auf die eben geleisteten Urlaubsgelder dringend benötigt", oder daß sie einen Kredit aufnehmen müßten, den sie im Hinblick auf die Kreditrestriktionen allenfalls nicht erhalten würden. Damit haben sie aber nicht konkret dargetan, inwiefern die Zahlung der Abgaben allein ihnen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden verursachen würde, zumals sie es nicht einmal als unmöglich hingestellt haben, die geschuldeten Abgabebeträge tatsächlich dem Unternehmen entziehen zu können. Eine bloße Bargeldknappheit reicht aber nicht hin, den vorliegenden Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Den Anträgen war daher schon aus diesem Grund keine Folge zu geben, weshalb es sich erübrigte, noch zu prüfen, ob die zweite Voraussetzung des § 30 Abs. 2 VwGG 1965 erfüllt ist - daß nämlich keine öffentlichen Rücksichten bestehen, die es gebieten würden, die aushaftende Rechtsgebührenschuld sofort zwangsweise einzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §254;
BAO §289 impl;
VwGG §13 Z3;
VwGG §30 Abs2;
Sammlungsnummer
VwSlg 4624 F/1981
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Finanzrecht
Vollzug
Darlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung
Begründungspflicht
Anspruch auf Zuerkennung Rechtzeitigkeit VfGH
Zwingende öffentliche Interessen
Begriff der aufschiebenden Wirkung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1973:1973001184.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-54208