VwGH 11.10.1957, 1176/54
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Auch ein noch nicht fertiggestelltes und noch nicht benützbares Wirtschaftsgut kann zum NOTWENDIGEN BETRIEBSVERMÖGEN gehören. Ob die vorzeitige Absetzung von Wiederaufbaukosten eines Gebäudes gemäß Art 4 Abs 4 des SteuerÄG 1950 zulässig ist, richtet sich nach den Verhältnissen in dem Jahre, in dem der Wiederherstellungsaufwand geleistet worden ist. Gehört in diesem Jahre das wiederhergestellte Gebäude noch nicht zu einem Betriebsvermögen, dann ist die Absetzung zulässig. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den. Senatspräsidenten Dr. Ondraczek als Vorsitzenden und die Räte Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer, Dr. Koprivnikar und Dr. Schimetschek als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des W und der A B, beide in W, gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. IV - 2758/1/1953, betreffend Einkommensteuer für 1951, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Julius Hafner, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzrat FH, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die beiden Beschwerdeführer sind Ehegatten. Sie betreiben unter der Firma Jakob B. und Sohn einen Großhandel mit Tapeziererzugehör. Beide Beschwerdeführer sind öffentliche Gesellschafter dieses Unternehmens, an dem sonst keine weitere Person beteiligt ist. Die offene Handelsgesellschaft (OHG) hatte im Jahre 1951 ihren Sitz in Wien V., S-straße 123. Im Jahre 1951 haben die beiden Beschwerdeführer in Wien V., R-straße 22, einen Baugrund mit einer Bombenruine gekauft und mit der Herstellung eines Wohngebäudes begonnen. Nach den Bauplänen sollte das zu errichtende Haus 5 Obergeschosse haben. Der Bau wurde zunächst aus eigenen Mitteln der Beschwerdeführer begonnen. Nach Fertigstellung des ersten Stockwerkes im Rohbau kam die Bauführung zum Stocken, weil die Beschwerdeführer über keine weiteren eigenen Mittel zur Fortsetzung des Baues verfügten. Nach der Aktenlage haben sie jedoch beabsichtigt, ein Darlehen des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds zu erhalten und aus dessen Mitteln die Bauführung fortzusetzen. Im Jahre 1951 haben sie einschließlich der Kosten des Grunderwerbs insgesamt 387.683,70 S für die Wiederherstellung des durch Bombentreffer zerstörten Gebäudes aufgewendet. In der Einkommensteuererklärung für 1951 haben sie diesen Betrag unter Berufung auf Artikel IV Abs. 4 des Steueränderungsgesetzes 1950 (BGBl. Nr. 101/1950, StÄG 1950) in voller Höhe (nebst Verlusten aus einem anderen Gebäude) als Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht und gegen den Gewinn aus dem Gewerbebetrieb der OHG aufgerechnet, sodaß nach Abzug von Sonderausgaben ein steuerpflichtiges Einkommen von 31.378,- S übrigblieb. Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführer sich zunächst bemüht haben, die für Geschäftsräume ausersehenen Räumlichkeiten im Keller und im Erdgeschoß des neu erbauten Hauses zu vermieten und daß sie schließlich im September 1952, als sie die für ebenerdigen Geschäftsräume keine Mieter fanden, den Geschäftsbetrieb der OHG von der S-straße in das neugebaute Haus verlegten.
Das Finanzamt hat bei der Veranlagung der Beschwerdeführer zur Einkommensteuer für 1951 die Aufwendungen für die Wiederherstellung des Gebäudes nicht zum Abzug zugelassen, sondern nur die 1 %igen laufenden Absetzungen für Abnutzung (diese allerdings als Betriebsausgaben bei der Feststellung des Gewinnes aus der OHG) anerkannt. Es hat sich dabei auf den Standpunkt gestellt, das Haus gehöre zum Betriebsvermögen der OHG. Dagegen haben die Beschwerdeführer berufen und grundsätzlich den Standpunkt vertreten, daß wenigstens im Jahre 1951 die Liegenschaft auf keinen Fall Betriebsvermögen gewesen sei und daß, wenn man sie schon als Betriebsvermögen ansehen wolle, nur der in der Folge betrieblich genutzte Teil Betriebsvermögen sei, sodaß der Teil der Wiederherstellungskosten, der verhältnismäßig auf die nichtbetrieblich genutzten Teile entfalle, einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung darstelle. Die Beschwerdeführer haben auch ausgeführt, daß eine Verlegung ihrer Geschäftsräume in das neuerbaute Haus an sich nicht erforderlich gewesen sei. Schließlich haben sie ein Gutachten eines Bausachverständigen beigebracht, in dem dieser den Teil der strittigen Aufwendungen berechnete, der verhältnismäßig auf die betrieblich genutzten Räume entfiele.
Die Berufungskommission gab der Berufung teilweise statt und erkannte für das Jahr 1951 Verluste aus Vermietung und Verpachtung in der Höhe von 133.891 S an. Dabei schloß sie sich im wesentlichen bei der Aufteilung der Wiederaufbaukosten auf den betrieblich genutzten und den nichtbetrieblich genutzten Teil des Gebäudes dem Gutachten des Bausachverständigen an. Im übrigen wies sie die Berufung ab. Sie nahm als erwiesen ab, daß vorerst nicht daran gedacht war, die Parterreräumlichkeiten selbst betrieblich zu nutzen. Die Begünstigung nach Artikel IV Abs. 4 StÄG 1950 beziehe sich jedoch nur auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Es komme nun häufig vor, daß die Wiederherstellung eines kriegszerstörten Gebäudes nicht innerhalb eines Jahres möglich ist und daß also in einem bestimmten Jahre den Aufwendungen noch keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gegenüberstehen. Die Begünstigung könne aber nur gewährt werden, wenn feststeht oder nach den Umständen des Falles mit Sicherheit zu erwarten ist, daß das aufgebaute Gebäude zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen wird. Wenn im Endergebnis die Aufwendungen nicht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen, sie aber bereits für einen Zeitraum, der vor der Benützbarkeit des Gebäudes liegt, einkommensmindernd anerkannt wurden, müßte das Veranlagungsverfahren nach § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Z. 2 des Abgabenrechtsmittelgesetzes (BGBl. Nr. 60/1949, AbgRG) wieder aufgenommen werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Gebäude der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder der Erzielung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit dient, komme es nicht darauf an, ob das Gebäude zu Ende des Veranlagungszeitraumes, für den die Wiederherstellungskosten als Abzugsposten geltend gemacht werden, bereits in der Bilanz für das Ende dieses Jahres als Betriebsvermögen ausgewiesen ist oder ob es sonst notwendiges Betriebsvermögen ist. Ein Gebäude, das dem Betrieb noch nicht dienen kann oder noch nicht dient, werde niemals notwendiges Betriebsvermögen sein. Andernfalls würde es von der Willkür des Steuerpflichtigen, der noch dazu Vollkaufmann sein müßte, abhängen, ob er die vor zweckmäßiger Widmung des Gebäudes entstandenen Kosten absetzen kann oder nicht, je nachdem, ob er das Grundstück durch Aufnahme in seine Bücher und Bilanzen zu gewillkürtem Betriebsvermögen erklärt hat oder nicht. Das Gesetz könne aber seine Regelungen immer nur auf einen bestimmten, von Zufällen und Willkür möglichst freien Tatbestand abstellen und ein solcher Tatbestand könne nur die endgültige tatsächliche Verwendung des Grundstücks im Zeitpunkt der Benützbarkeit sein, gleichgültig, wie weit der Zeitpunkt der Verwendung des Gebäudes vom Ende des Veranlagungszeitraumes, für den die Aufwendungen geltend gemacht worden sind, entfernt ist. Es sei dabei auch gleichgültig, welche Verwendung "vor der tatsächlichen Inbetriebnahme" beabsichtigt gewesen ist. Somit sei auch im vorliegenden Fall die Behandlung der strittigen Aufwendungen nicht davon abhängig, ob die Beschwerdeführer das Grundstück am in ihre Bilanz aufgenommen haben oder ob sie nach handelsrechtlichen oder bücherlichen Vorschriften dazu verpflichtet gewesen wären, es buchmäßig in diesem Zeitpunkt bereits als Betriebsvermögen zu behandeln. Den Angaben der Beschwerdeführer, daß sie nicht beabsichtigen, auch den ersten Stock des Gebäudes, wenn er vollkommen benützbar ist, eigenbetrieblichen Zwecken zuzuführen, werde Glauben geschenkt. Mithin sei der Teil der Aufwendungen, der verhältnismäßig auf die nichteigenbetrieblich genützten Räume entfällt, abzuziehen. "Sollte der restliche Gebäudeteil, soweit er mit gegenständlichen Aufwendungen wiederhergestellt wurde, später tatsächlich nicht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet werden, würde dies zur Wiederaufnahme des Verfahrens führen müssen". Im übrigen sei der Einwand der Beschwerdeführer, ein Gegenstand müsse im Eigentum der OHG stehen, wenn er notwendiges Betriebsvermögen dieser OHG sein solle, nicht stichhältig, weil die OHG keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze, sondern ein Zusammenschluß mehrerer selbständiger Gewerbetreibender sei. Es genüge für die Annahme eines notwendigen Betriebsvermögens, wenn der Gegenstand im Eigentum der Gesellschafter stehe. Dies sei aber hier der Fall.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende
Beschwerde, über die der VwGH erwogen hat:
Im Streit steht die Anwendung des Artikels IV Abs. 4 StÄG 1950 auf eine Bauführung der Beschwerdeführer im Jahre 1951.
Diese Gesetzesstelle lautet: "Ausgaben zur Wiederherstellung von Gebäuden, die durch Kriegseinwirkung beschädigt oder zerstört sind und die nicht Bestandteile eines Betriebsvermögens sind, bilden, soweit ihnen nicht Baukostenzuschüsse gegenüberstehen, im Jahre ihrer Entstehung eine Abzugspost; sie können auf Antrag gleichmäßig auf zehn Jahre verteilt werden, soweit sie nicht bereits eine Minderung des Einkommens bewirkt haben." Nach dieser Gesetzesstelle können also bestimmte Aufwendungen zur Wiederherstellung von Gebäuden im Jahre ihrer Entstehung voll abgesetzt werden. Eine Nachholung dieser vollen Absetzung in einem späteren Jahr ist also nicht statthaft. Da somit der Abzug der vollen Wiederherstellungskosten nur bei der Veranlagung für das Jahr der Entstehung der Ausgaben möglich ist, muß auch der Tatbestand, der die Gewährung dieses Abzugs ausschließt, nämlich die Eigenschaft des Gebäudes als Betriebsvermögen, gleichfalls in demselben Jahr gegeben sein. Ist dies nicht der Fall, dann kann der Abzug der Wiederherstellungskosten als Teil eines Verlustes aus Vermietung und Verpachtung nicht verwehrt werden. Wird das Gebäude in einem späteren Jahre, in dem der Wiederaufbau weitergeführt wird, ganz oder teilweise zum Betriebsvermögen, dann ist allerdings insoweit der in diesem Jahre entstandene Wiederherstellungsaufwand nicht mehr nach Artikel IV Abs. 4 StÄG 1950 abzugsfähig. Die Besorgnis der belangten Behörde, daß, wenn man dem Standpunkt der Beschwerdeführer folgen wollte, die Anwendung der Begünstigung nach dieser Gesetzesstelle in weitem Umfange der Willkür der Steuerpflichtigen preisgegeben wäre, kann der Gerichtshof nicht teilen. Es ist nämlich nicht richtig, daß ein noch nicht fertiggestelltes und daher noch nicht benützbares Wirtschaftsgut nicht zum notwendigen Betriebsvermögen eines Unternehmers gehören könne. In Wirklichkeit kommt es auf die Widmung des Wirtschaftsgutes an. Auch ein noch im Bau begriffenes Fabriksgebäude, ein noch im Bau begriffener Hochofen usw. ist notwendiges Betriebsvermögen des Betriebes, zu dem der Bau gehören soll. In Zweifelsfällen kommt es auf die Absicht des Betriebsinhabers an. Willkürliche, durch sachliche Beweggründe nicht gerechtfertigte Verschiebungen von Sachen aus dem Privatvermögen ins Betriebsvermögen und umgekehrt brauchen freilich die Finanzbehörden nicht gegen sich gelten zu lassen. Hier gilt § 6 des Steueranpassungsgesetzes die entsprechende gesetzliche Handhabe.
Im vorliegenden Fall haben nun die Behörden anerkannt, daß die Beschwerdeführer im Jahre 1951 noch nicht die Absicht hatten, das Gebäude, dessen Wiederaufbau sie begonnen hatten, für ihren eigenen Betrieb zu benützen. Somit gehörte das Gebäude im Jahre 1951 nicht - auch nicht zu einem Teil - zum notwendigen Betriebsvermögen der von den Beschwerdeführern gebildeten OHG (Der Umstand, daß die Liegenschaft nicht von der OHG als solcher, sondern von ihren Gesellschaftern erworben wurde, vermöchte jedoch die Betriebszugehörigkeit der Liegenschaft, wenn die sonstigen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, nicht auszuschließen.) Da dieses Gebäude auch nicht am (und zwar auch nicht zu einem Teil) in die Schlußbilanz der OHG aufgenommen worden war, gehörte es im Jahre 1951 auch nicht zu deren gewillkürtem Betriebsvermögen. Der Umstand, daß die Beschwerdeführer im Jahre 1952, da sie die ebenerdigen Geschäftsräumlichkeiten nicht vermieten konnten, nunmehr den Betrieb ihrer OHG in das zum Tell wiederhergestellte Gebäude verlegt haben und daß dieses Gebäude dadurch zum Teil notwendiges Betriebsvermögen der OHG geworden ist, hat als nachträglich eingetretener Umstand auf die für das Jahr 1951 zu gewährende Begünstigung nach Artikel IV Abs. 4 StÄG 1950 keinen Einfluß.
Im vorliegenden Fall hat somit die belangte Behörde die Absetzung der vollen Wiederherstellungskosten zu Unrecht versagt. Der angefochtene Bescheid mußte deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 1709 F/1957 |
Schlagworte | BetriebsvermögenStichtag für die Beurteilung der Betriebszughörigkeit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1957:1954001176.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-54179