Suchen Hilfe
VwGH 24.11.1967, 1154/67

VwGH 24.11.1967, 1154/67

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
HVertrG §25 idF 153/1960;
UStG 1959 §1 Abs1 Z1;
RS 1
Eine bei Auflösung des Vertretungsverhältnisses vom Geschäftsherren an einen selbständigen Handelsvertreter gezahlte "Entschädigung" im Sinne des § 25 des Handelsvertretergesetzes stellt keinen echten Schadenersatz dar und unterliegt der Umsatzsteuer.
Norm
EStG 1953 §16 Abs3;
RS 2
Aus der Tatsache, daß ein Handelsvertreter, der mehrere Firmen vertritt, nach Auflösung des Vertragsverhältnisses zu einem Geschäftsherrn durch zwei Monate hindurch keine Vermittlungstätigkeit entfaltet, kann noch nicht auf die Aufgabe des Gewerbebetriebes geschlossen werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Sektionsrates Dr. Walter, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat, vom , Zl. VI 1765/1/67, betreffend Umsatz- und Gewerbesteuer 1963 des JK, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Umsatzsteuer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, soweit er die Gewerbesteuer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte war seit dem Jahre 1953 als selbständiger Handelsvertreter für die Firma E. S. tätig, für die er Geschäftsabschlüsse über Tischlereibedarfsartikel vermittelte; daneben trat er auch noch als Handelsvertreter für die Firmen P. (Sesselfabrik), L. (Spiegelfabrik) und H. (Nähkassetten) auf, deren Erzeugnisse als "Mitnahmeartikel" das von ihm hauptsächlich angebotene Warensortiment ergänzten.

Im April 1963 wurde der Handelsvertretungsvertrag des Mitbeteiligten mit der Firma S. vorzeitig aufgelöst, und dieser machte gemäß § 25 Abs. 3 HVG einen Entschädigungsanspruch in der Höhe von S 97.481,34 geltend, den die Firma S. auch anerkannte und bezahlte.

Am teilte der Mitbeteiligte dem Finanzamt anläßlich einer persönlichen Vorsprache mit, daß er seine Tätigkeit für die Firma S. ab eingestellt habe und somit vorläufig nur mit Provisionen der Firma L., P. und H. rechnen könne. Wenn er in nächster Zeit nicht wieder die Vertretung einer größeren Firma übernehmen könne, werde er auch die Vertretung der anderen Firmen nicht mehr fortführen. Er stellte einen Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuer- und Gewerbesteuervorauszahlungen ab dem zweiten Viertel 1963.

In der Einkommensteuererklärung für 1963 gab der Mitbeteiligte neben Einkünften aus Gewerbebetrieb, die aus seiner Vermittlungstätigkeit für die Firmen S., P., L. und H. stammten, auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an, die er als nichtselbständiger Vertreter der Firma W. & Co., einer Baustoff- und Holzgroßhandlung, erzielt hatte. In die Umsatzsteuererklärung bezog der Mitbeteiligte den Entschädigungsbetrag von S 97.481,34 nicht ein. Auch ersuchte er hinsichtlich dieses Betrages, den er als Entschädigung für Verdienstentgang erhalten habe, einen ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 2 Z. 3 EStG anzuwenden.

Das Finanzamt unterzog jedoch anläßlich der Veranlagung für das Jahr 1963 nicht nur den Entschädigungsbetrag von S 97.481,34 der Umsatzsteuer, sondern unterwarf auch die von der Firma W. & Co. bezogenen Entgelte des Mitbeteiligten der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer, da sie nach Ansicht des Finanzamtes mit den gewerblichen Einkünften des Mitbeteiligten im engsten wirtschaftlichen Zusammenhang gestanden seien.

Der Mitbeteiligte berief. Er führte dabei aus, daß es sich bei dem Betrag von S 97.481,34 um die Abtretung des Kundenstammes an die Firma S. gehandelt habe. Es liege eine Geschäftsveräußerung im ganzen vor, auf die allenfalls der im Gesetz hiefür vorgesehene ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei. Einkommensteuerlich habe der Kundenstamm, den er bei Auflösung des Vertretungsverhältnisses zwangsläufig habe abtreten müssen, die ausschließliche Grundlage seiner Handelsvertretertätigkeit bzw. den Geschäftswert dargestellt. Die Zahlung des Betrages von S 97.481,34 sei als Gegenleistung für diesen Geschäftswert anzusehen, sodaß eine reine Vermögensumschichtung vorliege, welche nicht einkommensteuerpflichtig sei.

In der mündlichen Berufungsverhandlung gab der Mitbeteiligte noch ergänzend an, daß die Beendigung des Vertretungsverhältnisses zur Firma S. mit erfolgt sei. Die Vertretung der Firmen L., P.. und H. habe er jedoch weiter beibehalten. Im Juni 1963 sei er dann bei der Firma W. & Co. als Angestellter eingetreten, wobei diese Firma in den Jahren 1963 und 1964 von seinen Bezügen Lohnsteuer einbehalten habe. In der Zwischenzeit, d. i. bis zum Eintritt bei der Firma W. & Co., habe er überhaupt nicht gearbeitet, auch nicht für die drei anderen Firmen, die er nebenbei vertreten habe, da die Spesen höher gewesen wären als die erzielbaren Einnahmen.

Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung des Mitbeteiligten Folge. Sie begründete ihre stattgebende Entscheidung im wesentlichen damit, daß nach Ansicht des Berufungssenates der Mitbeteiligte mit der Auflösung des Vertretungsverhältnisses zur Firma S. die Handelsagentur aufgegeben habe, zumal durch den Eintritt des Mitbeteiligten bei der Firma W. & Co. nach Einstellung jeglicher Tätigkeit während der Dauer von zwei Monaten ein Dienstverhältnis mit dieser Firma begründet worden sei, sodaß also nicht nur ein Wechsel des Auftraggebers in der Vermittlungstätigkeit des Mitbeteiligten stattgefunden habe. Dazu komme, daß der Mitbeteiligte den Betrag von S 97.481,34 als Abgeltung jenes Schadens erhalten habe, der ihm durch die vorzeitige Lösung des Vertragsverhältnisses mit der Firma S. entstanden sei. Es handle sich also um einen echten Schadenersatz, der mangels einer Gegenleistung nicht der Umsatzsteuer unterliege. Weiters habe der Mitbeteiligte den Schadenersatz nach Aufgabe seines Agenturbetriebes, also außerhalb des Gewerbebetriebes, erhalten. Er unterliege somit auch nicht der Gewerbesteuer. Schließlich seien die von der Firma W. & Co. ausgezahlten Bezüge aus den veranlagten Erlösen der Handelsagentur auszuscheiden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gemäß § 292 BAO die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, über welche der Gerichtshof erwogen hat:

1. ad Umsatzsteuer:

Über die Ansprüche des mit der Kundenzuführung betrauten Handelsvertreters bei Lösung des Vertragsverhältnisses vor Ablauf von 15 Jahren bestimmt § 25 des Handelsvertretergesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 153/1960:

(1) Hat der Geschäftsherr das Vertragsverhältnis mit dem Handelsvertreter, der ausschließlich oder vorwiegend mit der Zuführung von Kunden beschäftigt war, vor Ablauf von 15 Jahren gelöst, ohne daß der Handelsvertreter durch schuldbares Verhalten dem Geschäftsherrn begründeten Anlaß zur vorzeitigen Lösung oder zur Kündigung des Vertragsverhältnisses gegeben hat, so gebührt dem Handelsvertreter eine angemessene Entschädigung, wenn dem Geschäftsherrn oder dessen Rechtsnachfolger aus der Geschäftsverbindung mit der zugeführten Kundschaft Vorteile erwachsen sind, die nach Lösung des Vertragsverhältnisses fortbestehen.

(2) Die angemessene Entschädigung darf die Höhe einer Jahresprovision nicht überschreiten.

(3) Nach dreijähriger Vertragsdauer verringert sich das im Abs. 2 vorgesehene Höchstausmaß des Entschädigungsanspruches für jedes weitere Jahr um ein Zwölftel der Jahresprovision; hat das Vertragsverhältnis länger als 15 Jahre gedauert, so besteht kein Anspruch auf Entschädigung.

Der Mitbeteiligte hat den Betrag von S 97.481,-- unbestritten auf Grund der Bestimmungen des § 25 HVG erhalten. Diese gesetzliche Vorschrift räumt dem Handelsvertreter, der ausschließlich oder vorwiegend mit der Zuführung von Kunden beschäftigt war, für den Fall der Auflösung des Vertragsverhältnisses unter gewissen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf "Entschädigung" bis zu der vom Gesetz bestimmten Höchstgrenze ein. Warum dem Handelsvertreter, der nicht durch eigenes schuldhaftes Verhalten Anlaß zur vorzeitigen Lösung des Vertragsverhältnisses gegeben hat, ein Anspruch auf eine solche Entlohnung gebührt, sagt das Gesetz selbst: "Wenn dem Geschäftsherrn oder dessen Rechtsnachfolger aus der Geschäftsverbindung mit der zugeführten Kundschaft Vorteile erwachsen sind". Es handelt sich also von Gesetzes wegen um eine Abgeltung für die durch die Zuführung von Kunden dem Geschäftsherrn auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile (vgl. hiezu die Erläuterungen zum Handelsvertretergesetz von Dr. Linner 1964, herausgegeben im Arbeits- und Informationsdienst ARD Wien). Damit ist aber der Streit hinsichtlich der Umsatzsteuer schon entschieden. Der Mitbeteiligte hat für seine Tätigkeit nicht allein Provisionen als Entgelt für die einzelnen Vermittlungsleistungen, für das Zuführen der Kundschaft, erhalten, sondern der bleibende Erfolg der Tätigkeit wurde zusätzlich durch Bezahlung des Betrages von

S 97.481,-- entlohnt. Mithin kann man aus dem Wort "Entschädigung" im § 25 HVG nicht ableiten, daß es sich um einen nicht steuerbaren Schadenersatz handelt. Es wird dem Handelsvertreter vielmehr ein Entgelt für seine früheren Leistungen in einem Betrag gewährt, soweit diese über die Auflösung des Vertragsverhältnisses hinaus für den Geschäftsherrn zu einem Wert (Kundenstock, Reklameerfolg u. dgl.) geführt haben. Der angefochtene Bescheid war deshalb, soweit er die Umsatzsteuer betrifft, schon seinem Inhalte nach rechtswidrig und daher in diesem Belange gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

2. ad Gewerbesteuer:

Nach Ansicht der belangten Behörde war die Entschädigung von S 97.481,34 deshalb nicht der Gewerbesteuer zu unterwerfen, weil der Mitbeteiligte diesen Betrag erst nach Aufgabe der Handelsagentur erhalten habe. Zu dieser Ansicht gelangte die belangte Behörde vornehmlich auf Grund des Vorbringens des Mitbeteiligten, daß er durch seinen Eintritt in die Firma W. & Co. nach Einstellung jeglicher Tätigkeit während zweier Monate tatsächlich ein Dienstverhältnis mit dieser Firma begründet habe und somit nicht nur ein Wechsel in der Vermittlungstätigkeit vorgelegen sei.

Die Annahme, daß der Mitbeteiligte die Handelsagentur aufgegeben habe, ist jedoch durch den Inhalt der Verwaltungsakten keineswegs gedeckt. So läßt sich schon der Niederschrift vom entnehmen, daß der Mitbeteiligte auch nach Auflösung des Vertretungsverhältnisses zur Firma S. weiterhin die Absicht hatte, die Vertretung der Firmen L., P. und H. fortzuführen. Ferner hat der Mitbeteiligte in seiner Umsatzsteuererklärung für 1963 für alle Monate des Jahres 1963 umsatzsteuerpflichtige Umsätze angeführt. Auch in den Jahresabschlüssen für 1963 bis 1965 werden Provisionseinnahmen aus Vermittlungen für die drei genannten Firmen angeführt. Der Akteninhalt bietet somit für die Annahme, daß der Mitbeteiligte die Handelsagentur aufgegeben hätte, kaum Anhaltspunkte. Vor allem wäre es bei der gegebenen Sachlage auch nicht gerechtfertigt, etwa aus der bloßen Tatsache, daß der Mitbeteiligte nach Erhalt der Entschädigung von S 97.481,34 durch zwei Monate bis zur Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Firma W. & Co. keine Vermittlungstätigkeit entfaltet haben sollte, bereits den Schluß zu ziehen, daß er seinen Gewerbebetrieb aufgegeben hätte.

Dazu kommt noch, daß der Mitbeteiligte seine Behauptung, er sei bei der Firma W. & Co. als nichtselbständiger Vertreter tätig gewesen, vornehmlich darauf stützte, daß die genannte Firma von den ausbezahlten Provisionen Lohnsteuer einbehalten habe. Dieser Umstand allein reicht jedoch für die Annahme eines Dienstverhältnisses nicht aus, sobald andere Tatsachen bekannt werden, welche an dem Vorliegen eines echten Dienstverhältnisses berechtigte Zweifel wachrufen. So fällt es auf, daß bereits unter den gewerblichen Einnahmen des Jahres 1964 eine "Provision W." in der Höhe von S 3.165,15 aufscheint, während für das Jahr 1965 der Mitbeteiligte selbst an der Annahme nicht mehr festhält, bei der Firma W. & Co. in einem Dienstverhältnis zu stehen. Auch wäre es außergewöhnlich, wenn ein Dienstgeber einem im Angestelltenverhältnis stehenden Vertreter gestattet, auch noch für drei andere Firmen als Vertreter tätig zu sein.

Bei dieser Sachlage hatte daher die belangte Behörde den Sachverhalt noch näher klären müssen, bevor sie trotz der erwähnten, den Behauptungen des Mitbeteiligten widersprechenden Tatsachen ohne jede weitere Prüfung annahm, daß der Mitbeteiligte seinen Gewerbebetrieb aufgegeben habe und ein echtes Dienstverhältnis eingegangen sei.

Da der Sachverhalt somit in wesentlichen Punkten noch einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid, soweit er die Gewerbesteuer betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
EStG 1953 §16 Abs3;
HVertrG §25 idF 153/1960;
UStG 1959 §1 Abs1 Z1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1967:1967001154.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-54053