VwGH 11.12.1980, 1153/77
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Sowohl nach Abs 1 wie nach Abs 2 des § 2 BauTG kommt es auf den optischen Eindruck im Einzelfall an, und zwar nach Abs 1 auf den Gesamteindruck des Bauwerks als solchen, nach Abs 2 darauf, inwieweit es sich in das bestehende oder (nach generellen Normen) beabsichtigte Ortsbild oder Straßenbild einfügt. Dabei ist stets die jeweilige örtliche Lage maßgebend und nicht etwa das Verhältnis zum Ortskern etc. |
Entscheidungstext
Beachte
Vorgeschichte:
0662/75 E ;
Besprechung in:
AnwBl 6/1982, S 335;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. MR in R, vertreten durch Dr. Berndt Sedlazeck, Rechtsanwalt in Salzburg, Kaigasse 19/1, gegen die Gemeindevertretung von F wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, betreffend eine Abänderung der Baubewilligung, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters, sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Berndt Sedlazeck, und des Vertreters der belangten Behörde, techn. Oberamtsrat Ing. WS, gemäß § 42 Abs. 5 in Verbindung mit § 62 VwGG 1965, zu Recht erkannt:
Spruch
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde F vom wurde über Antrag des Beschwerdeführers die Baubewilligung zur Errichtung eines Ferienhauses entsprechend der Baubeschreibung vom und der Pläne vom selben Tag erteilt.
Der Beschwerdeführer hat nunmehr um Bewilligung
1) der Errichtung von Dachflächenfenstern anstelle der in den bewilligten Plänen aufscheinenden abgeschleppten Dachgauben sowie
2) in eventu der ohne Bewilligung errichteten aufsteigenden Dachgauben anstelle der vorgesehenen abgeschleppten Dachgauben angesucht.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Salzburger Baupolizeigesetzes wird die Bewilligung der zu 1) angesuchten Änderung entsprechend der vorgelegten Pläne des Beschwerdeführers erteilt.
Das zu 2) gestellte Bauansuchen wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Verwaltungsgerichtshof Aufwendungen in der Höhe von S 1.362,--, und die Gemeinde F hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 7.020,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entgegen der aus dem Spruch ersichtlichen Baubewilligung vom hatte der Beschwerdeführer anstelle der beiden nicht über die Dachfläche hinausragenden Schleppgauben mit Dachliegefenstern ohne baubehördliche Bewilligung auf dem Dach des Ferienhauses zwei aufsteigende Dachgauben errichtet. Daraufhin erging der Auftrag, diese Gauben abzutragen und den Bau entsprechend den behördlich genehmigten Plänen zu erstellen;
Rechtsmittel und Vorstellung dagegen blieben erfolglos;
schließlich wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 662/75, eine gegen den Vorstellungsbescheid gerichtete Beschwerde abgewiesen.
Bereits mit Eingabe vom hatte der Beschwerdeführer beim Bürgermeister der Gemeinde F beantragt, eine abgeänderte Baubewilligung entsprechend den gleichzeitig vorgelegten Plänen (und dem tatsächlichen Zustand) mit aufsteigenden Dachgauben zu erteilen. Auf eine Betreibung vom antwortete der Bürgermeister am , daß der Beschwerdeführer die entgegen der erteilten Bewilligung durchgeführten Abänderungen zu entfernen habe; er sei frühzeitig und deutlich darüber aufgeklärt worden, daß eine nachträgliche Baugenehmigung nicht erteilt werde, und die Baubehörde auf Entfernung der überaus störenden Gauben bestehe. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer am bei der belangten Behörde den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950. Auch die belangte Behörde blieb untätig.
Die vorliegende am eingebrachte Beschwerde stützt sich auf Art. 132 B-VG und § 27 VwGG 1965.
Die belangte Behörde erstattete weder eine Gegenschrift noch holte sie den versäumten Bescheid nach. Der Bürgermeister wies lediglich auf die eingangs wiedergegebenen Verwaltungsvorgänge und seine Korrespondenz mit dem Vertreter des Beschwerdeführers hin.
Damit liegen jedoch die Voraussetzungen nach Art. 132 B-VG und § 27 VwGG 1965 vor. Darnach kann nämlich eine Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Diese Frist war seit dem Einlangen des Devolutionsantrages bei der belangten Behörde jedenfalls verstrichen. Gemäß § 63 Abs. 2 lit. b der Salzburger Gemeindeordnung ist sie aber auch als oberste Gemeindebehörde im eigenen Wirkungsbereich, also auch in Bausachen, die gemäß § 73 AVG 1950 in Betracht kommende oberste Behörde.
Es lagen überdies die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 AVG 1950 für den Übergang der Entscheidungspflicht vom Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz auf die belangte Behörde als nächstübergeordnete Behörde vor, da auch der Bürgermeister - offensichtlich auf Grund irriger Rechtsansicht, er müsse wegen des vorliegenden Entfernungsauftrages über den Antrag auf Erteilung einer abgeänderten Baubewilligung nicht entscheiden -
nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten ab Antragstellung einen Bescheid erlassen hatte; dem Belehrungsschreiben des Bürgermeisters an den Vertreter des Beschwerdeführers fehlt jeglicher normativer Charakter, es kann daher auch nicht als abweislicher Bescheid gedeutet werden, zumal es sich auch nicht als solchen bezeichnet (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9458/A).
Der Gerichtshof hatte daher gemäß § 42 Abs. 5 VwGG 1965 in der Sache selbst zu erkennen.
Zur Begründung der begehrten Abänderung der Baubewilligung führte der Beschwerdeführer aus, daß die vorgesehenen Gauben eine Glaslichte von nur wenigen Zentimetern ergeben hätten, er daher wegen der Schneelage aufsteigende Dachgauben habe errichten müssen. Derartige Gauben fänden sich auch in alten Bauernhäusern und könnten daher nicht als ortsfremd bezeichnet werden. Im Laufe des Verfahrens stellte der Beschwerdeführer zunächst als Eventualantrag den Antrag auf Genehmigung von aufgekeilten Dachflächenfenstern anstelle der genehmigten abgeschleppten Dachgauben. Nach Erörterung der Beweisergebnisse und der Rechtslage änderte der Beschwerdeführer seinen Antrag schließlich in dem sich aus dem Spruch ergebenden Sinn.
Hiezu hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 lit. d des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 76/1976 (BauPolG), ist die Bewilligung für eine Baumaßnahme zu versagen, wenn diese den bautechnischen oder den die gesundheitlichen Anfordernisse oder die Belange von Gestalt und Ansehen betreffenden baurechtlichen Vorschriften widerspricht. Andere Versagungsgründe kommen im Zusammenhang mit der Gestaltung der Dachbelichtung nicht in Betracht. Mangels Vorliegens von Versagungsgründen nach § 9 Abs. 1 BauPolG ist gemäß dessen Abs. 2 die Bewilligung zu erteilen.
§ 2 des Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 75/1976 (BauTG), lautet:
"(1) Alle Bauten und sonstigen Anlagen sind in ihrer Gesamtheit und in ihren Teilen so durchzubilden und zu gestalten, daß sie nach Form, Ausmaß, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe unter Berücksichtigung des örtlichen Baucharakters nicht verunstaltend wirken.
(2) Jeder Bau und jede sonstige Anlage sowie deren Teile sind mit der Umgebung derart in Einklang zu bringen, daß das gegebene oder beabsichtigte Orts-, Straßen- und Landschaftsbild nicht gestört wird."
Nach Ansicht des Gerichtshofes kommt es sowohl bei der "Berücksichtigung des örtlichen Baucharakters" (Abs. 1) als auch bei der Beurteilung der Störung "des gegebenen oder beabsichtigten Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes" nicht so sehr darauf an, ob zu beurteilende Bauten oder Bauelemente für ein bestimmtes Gebiet typisch oder atypisch, üblich oder unüblich sind. Vielmehr kommt es sowohl nach Abs. 1 wie nach Abs. 2 des § 2 BauTG auf den optischen Eindruck im Einzelfall an, und zwar nach Abs. 1 auf den Gesamteindruck des Bauwerkes als solchen, nach Abs. 2 darauf, inwieweit es sich in das bestehende oder (nach generellen Normen) beabsichtigte Orts- oder Straßenbild einfügt. Dabei ist stets die jeweilige örtliche Lage und Umgebung maßgebend und nicht etwa das Verhältnis zum Ortskern u.dgl.
Auf Grund der durchgeführten Beweise, nämlich des vom Berichter des Gerichtshofes über dessen Auftrag durchgeführten Lokalaugenscheines und der Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen, steht - kurz zusammengefaßt - folgender Sachverhalt fest:
Das verfahrensgegenständliche Ferienhaus liegt auf einer Anhöhe oberhalb des Ortskerns von F innerhalb einer lockeren Gruppe eher rustikal wirkender Bauwerke. Es ist daher zwar kaum vom Ortskern wahrzunehmen, hingegen von der oberhalb des Hauses vorbeiführenden Straße samt allen Details, insbesondere der aufsteigenden Gauben (gleich Erhöhungen des Daches über den First) deutlich zu sehen.
In Anbetracht der relativ geringen Baumasse bewirken die beiden bestehenden aufsteigenden Dachgauben in Verbindung mit der auffälligen Kaminabdeckung eine überaus unruhige Gestaltung des Daches, was zu einer erheblichen Störung des Ortsbildes (der näheren Umgebung) führt.
Die Anbringung von Dachflächenfenstern anstelle der bewilligten abgeschleppten Dachgauben ist hingegen vom Standpunkt des Ortsbildes unbedenklich, zumal dadurch eher eine Beruhigung der Dachgestaltung eintritt.
Aus diesem Sachverhalt ergibt sich, daß § 9 Abs. 1 lit. d BauPolG in Verbindung mit § 2 BauTG zwar der Bewilligung der aufsteigenden Dachgauben, nicht aber der Bewilligung der Dachfenster entgegensteht.
Da sich die Anbringung von Dachflächenfenstern gegenüber aufsteigenden Dachgauben an derselben Stelle eher als Einschränkung darstellt, jedenfalls aber sich noch im Rahmen des ursprünglichen Bauprojektes bewegt, konnte der Beschwerdeführer sein Projekt auch noch vor dem Gerichtshof in diesem Sinne ändern, zumal nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derartige Projektänderungen selbst noch vor der Berufungsbehörde zulässig sind, ja die Berufungsbehörde auf deren Vornahme sogar hinzuwirken hat, soweit sie erst eine Bewilligung des Projektes ermöglicht. In diesem Sinne stand es dem Beschwerdeführer jedoch auch frei, das ursprüngliche Hauptbegehren durch das zunächst nur als Eventualantrag gestellte Ansuchen in modifizierter Form zu ersetzen und den ursprünglichen Hauptantrag als Eventualbegehren aufrechtzuerhalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher gemäß § 42 Abs. 5 VwGG 1965 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 BauPolG die Bewilligung hinsichtlich der Dachflächenfenster als des nunmehrigen Bauansuchens hinsichtlich dessen Erledigung die Verwaltungsbehörden säumig geworden waren, zu erteilen.
Für den Antrag auf Erteilung einer weiteren, wenn auch nur in eventu gestellten Baubewilligung war der Verwaltungsgerichtshof hingegen nicht zuständig, war doch Gegenstand des Verfahrens vor dem Bürgermeister der Gemeinde F und damit gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 auch vor der belangten Behörde nur ein Bauansuchen und konnte daher auch nur hinsichtlich eines Bauansuchens Säumnis im Sinne des Art. 132 B-VG und des § 27 VwGG 1965 eintreten. Dieser Antrag war daher gemäß § 34 VwGG 1965 zurückzuweisen.
Dem Verwaltungsgerichtshof sind aus Anlaß des am in der Gemeinde F durchgeführten Lokalaugenscheines durch den Berichter an Reisekosten S 1.362,-- aufgelaufen. Im Beschwerdefall hat der Verwaltungsgerichtshof anstelle der säumig gewordenen Behörde in der Sache selbst zu entscheiden. Die den angeführten Aufwand verursachende Maßnahme wurde wohl von Amts wegen angeordnet; sie war jedoch zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Rahmen des auf Grund des Bauansuchens des Beschwerdeführers durchzuführenden Verfahrens erforderlich, sodaß die dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenen Kosten zunächst den Beschwerdeführer als Antragsteller belasten (§§ 76 AVG 1950, 62 VwGG 1965). Auf die Möglichkeit, daß dem Beschwerdeführer diese Auslagen als Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu Lasten der belangten Behörde als unterliegender Partei zugesprochen werden, wird ausdrücklich hingewiesen. Voraussetzung hiefür ist gemäß § 59 Abs. 1, Abs. 2 lit. d und Abs. 3 VwGG 1965 ein binnen einer Woche nach dem Entstehen der Leistungspflicht (Zustellung dieses Erkenntnisses) beim Verwaltungsgerichtshof schriftlich zu stellender Antrag.
Da die belangte Behörde säumig wurde und den Bescheid auch nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgeholt hat, waren dem Beschwerdeführer die notwendigen Kosten der Beschwerde und der Verhandlung vor dem Gerichtshof gemäß § 47 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 leg. cit. schon jetzt aufzuerlegen; die Höhe ergibt sich aus der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 542/1977. Für die Beteiligung am durchgeführten Lokalaugenschein hat der Beschwerdeführer hingegen keinen Anspruch auf Kostenersatz, da es sich dabei um Vorgänge des vom Gerichtshof nachgeholten Verwaltungsverfahrens handelt.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1977001153.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-54046