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VwGH 07.03.1969, 1147/68

VwGH 07.03.1969, 1147/68

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
WRG 1959 §122 Abs1;
RS 1
Falls eine einstweilige Verfügung der vorläufigen Gefahrenabwehr dient, muß zwischen der einstweiligen Verfügung und einer künftigen endgültigen Maßnahme sowohl ein sachlicher wie auch ein rechtlicher Zusammenhang bestehen. In derartigen Fällen kann nicht Inhalt einer einstweiligen Verfügung sein, was nicht Gegenstand einer endgültigen Maßnahme sein kann (Hinweis E VwSlg 4536 A/1958, und E , 1654/67, hier: Einzäunung einer Schottergrube (Baggersee) zum Schutze des Grundwassers)
Norm
WRG 1959 §122 Abs1;
RS 2
Aus der Natur der einstweiligen Verfügung ergibt sich, daß bei ihrer Anwendung eine Situation gegeben sein muß, die zur Abwehr einer bestehenden oder wahrscheinlichen Gefahr ein sofortiges behördliches Einschreiten erfordert (hier: Einzäunung einer Schottergrube (Baggersee) zum Schutze des Grundwassers).
Norm
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
RS 3
Die Überflutung natürlicher Senken stellt kein Maßnahme im Sinne des § 32 Abs 2 lit c WRG 1959 dar.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strau und die Hofräte Penzinger, Dr. Knoll, Dr. Leibrecht und Dr. Schima als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Landesregierungskommissär Dr. Traxler, über die Beschwerde des AR in W, vertreten durch Dr. Ernst Bollenberger, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, Neunkirchnerstraße 26, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 31.548-I/1/1967, betreffend einstweilige Verfügung gemäß § 122 Abs. 1 WRG 1959, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Ansuchen des Beschwerdeführers um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Nassbaggerung in der Schottergrube auf den Grundparzellen n1, n2, n3 sowie n4, alle Katastralgemeinde Wiener Neustadt, führte das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung am eine mündliche Verhandlung durch. Dabei ergab es sich, dass auf den vorgenannten Liegenschaften bereits eine Nassbaggerung bis ca. 5 m unter dem höchsten Grundwasserspiegel konsenslos vorgenommen und außerdem ungefähr in der Höhe des höchsten Grundwasserspiegels ein Bürogebäude errichtet worden war. Grundwasserstromabwärts der geplanten Tiefbaggerung, in einer Entfernung von etwa 70 m vom derzeit offenen Grundwasser befinde sich das Haus von RP, Bstraße 176, das, wie einige in der Nähe befindliche Wohn- und Wirtschaftsobjekte, ausschließlich auf die Wasserversorgung aus Einzelbrunnen angewiesen sei. Das gleiche gelte für die ungefähr 1100 bis 1200 m grundwasserstromabwärts liegende Fischabachsiedlung. Ca. 1700 bis 1800 m nördlich der Schottergrube - die Grundwasserstromrichtung verlaufe etwa von Südwesten nach Nordosten - befänden sich die neuen, für die Trinkwasserversorgung von Wiener Neustadt bestimmten Rohrbrunnen, bei denen mit einer Entnahmemenge von 60 l/sec und demnach mit einem entsprechenden Absenkungstrichter und sohin ebenfalls mit einer nachteiligen Beeinflussung durch die Schottergrube gerechnet werden müsse. In Anbetracht dessen erachtete daher der technische Amtssachverständige die Einholung eines hydrogeologischen Gutachtens als notwendig. Da das Grundwasser frei und die Sohle des Grundwasserteiches bei einer Wassertiefe von rund 1 m insgesamt ungefähr 5 m unter dem höchsten Grundwasserspiegel lag, beantragte er jedenfalls die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhaltes, dass an der südlichen und nördlichen Grundflächengrenze ein mindestens 1,5 m hoher, standfester Zaun mit einigen dauernd verschließbaren Einfahrtstoren, Erdanschüttungen gegen die Nachbargründe und Aufschriftstafeln "Betreten sowie Müllablagerungen verboten" angeordnet werde. Diesem Vorschlag schloss sich auch der ärztliche Amtssachverständige an.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich erließ mit dem Bescheid vom eine derartige einstweilige Verfügung, wobei er als Erfüllungsfrist den festsetzte und einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung aberkannte. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom keine Folge. Sie gelangte auf Grund der Aktenlage zu den mit den Sachverständigengutachten übereinstimmenden Schlussfolgerungen, dass der vorgefundene Grundwasserstand als bisher höchster mit berücksichtigt werden müsse, dass der Grundwasserteich nicht von selbst, sondern durch Abbau bis in Grundwassertiefe entstanden sei und dass der Badebetrieb, Waschen von Autos, Ölwechsel und vor allem Müllablagerungen, insbesondere im Hinblick auf die Nähe von Wiener Neustadt, nur durch eine geeignete Einzäunung wirksam verhindert werden könnten. Mit Rücksicht auf die bald beabsichtigte Gesamtsanierung aller Schottergruben sei dem Beschwerdeführer die Einfriedung lediglich an der nördlichen und südlichen Grundgrenze, gegen die Verkehrswege zu, aufgetragen worden. Dies stehe auch mit dem vom Beschwerdeführer namhaft gemachten und von der Berufungsbehörde eingeholten Gutachten von Prof. Dr. K der Technischen Hochschule Wien vom in keinem Widerspruch. Denn Prof. Dr. K betrachte die Angelegenheit von einer allgemeinen Warte aus, nämlich unter dem Gesichtspunkt einer endgültigen Sanierung. Die Kosten letzterer würden aber jene eines 1,5 m hohen Zaunes bei weitem übersteigen. Außerdem würden so erfreuliche Landschaften, wie sie sich in der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bildserie darböten, niemals in sich selbst überlassen bleibenden Schottergruben entstehen. Die Amtssachverständigen hätten die Angelegenheit daher richtig vorerst aus dem Blickwinkel der sofort notwendigen Maßnahmen heraus bewertet, wobei ihnen örtliche Erfahrungen, vor allem hinsichtlich der praktischen Wirksamkeit von Einzäunungen, zugebilligt werden müssten. Durch solche Maßnahmen werde zweifellos eine bemerkenswerte Entschärfung der gegenwärtig sanitär bedenklichen Situation eintreten.

Die gegen diesen Bescheid wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte beim Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis diesen Gerichtshofes vom , Zl. B 396/67, abgewiesen und die Beschwerde zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Der Verfassungsgerichtshof führte in der Begründung seines Erkenntnisses u.a. aus:

"Der angefochtene Bescheid stützt sich auf § 122 Abs. 1 WRG 1959. Diese Bestimmung ermächtigt die jeweils zuständige Wasserrechtsbehörde zur Erlassung einstweiliger Verfügungen. Welche öffentliche Interessen oder Rechte Dritter bei Gefahr im Verzuge zu schützen sind, ergibt sich aus den materiellrechtlichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes. Für den vorliegenden Fall kommen die Bestimmungen über die Reinhaltung und den Schutz der Gewässer, insbesondere des Grundwassers, demnach die Bestimmungen der §§ 30 bis 33 WRG 1959 in Frage. § 138 WRG 1959 bietet wieder die Rechtsgrundlage, unabhängig von einem etwaigen Strafverfahren Personen, die Eingriffe vorgenommen haben, bescheidmäßig aufzutragen, eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen, unterlassene Arbeiten nachzuholen, die durch eine Gewässerverunreinigung verursachten Missstände zu beheben usw. § 122 WRG 1959 gibt nun die Möglichkeit, bei Gefahr im Verzuge Sofortmaßnahmen zu treffen und nicht erst den Abschluss eines Verfahrens abzuwarten. Zusammenfassend ergibt sich, dass die belangte Behörde die einstweilige Verfügung nicht ohne gesetzliche Grundlage getroffen hat.

Anlässlich des Genehmigungsverfahrens (Bewilligung zur Nassbaggerung in der Schottergrube des Beschwerdeführers) wurde festgestellt, dass in der Schottergrube das Grundwasser bereits offen zu Tage liegt, ferner, dass in geringer Entfernung in Richtung des Grundwasserstromes sich der erste Hausbrunnen befindet. Die Bestimmung der §§ 30 bis 33 WRG 1959 schreiben die Reinhaltung der Gewässer, insbesondere des Grundwassers vor. Da in nahe gelegenen Schottergruben Müllablagen vorgefunden wurden, kann der Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Meinung vertritt, dass solche Müllablagerungen auch in der gegenständlichen Schottergrube erfolgen und das Grundwasser verunreinigen könnten. Es ist ferner denkbar, dass eine Verunreinigung auch durch Waschen und Baden erfolgen könnte. Wenn daher die belangte Behörde in ihrer einstweiligen Verfügung durch die Vorschreibung von Absperrmaßnahmen den Zutritt straßenseitig zu unterbinden trachtet, so steht dies jedenfalls nicht mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Reinhaltung der Gewässer und insbesondere des Grundwassers in Widerspruch.

Die belangte Behörde hat nicht nur die Errichtung von Zäunen längs der nördlichen und südlichen Grundgrenze, also längs der Verkehrswege, die den Zugang und insbesondere die Zufahrt ermöglichen, angeordnet, sondern außerdem in Punkt 3 des Bescheides an den Enden der Zäune zusätzlich 'entsprechende Erdaufschüttungen' verlangt, um 'bis zum Zeitpunkt der Errichtung der Einzäunung auf den Anrainergrundstücken den ohne diese möglichen Zugang zu versperren'. Ob die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Erfüllung der Absicht der Wasserrechtsbehörde ausreichend oder auch nur geeignet sind, stellt lediglich eine Frage der richtigen oder unrichtigen Anwendung einfachgesetzlicher Bestimmungen dar, über die der Verfassungsgerichtshof nicht zu befinden hat. Dass aber Sperrmaßnahmen, die den Zutritt oder die Zufahrt Unbefugter in das gefährdete Gebiet verhindern sollen, keine denkmöglichen Sicherungsmaßnahmen darstellen könnten, kann wohl ernstlich nicht behauptet werden".

Die beim Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde erweist sich aus den bereits vom Verfassungsgerichtshof angeführten und nachstehenden Erwägungen als unbegründet:

Einstweilige Verfügungen nach § 122 Abs. 1 WRG 1959 können bei Gefahr im Verzuge die Bezirksverwaltungsbehörde oder die nach § 99 oder § 100 WRG 1959 zuständige Wasserrechtsbehörde treffen. Im gegenständlichen Falle ist die Zuständigkeit des Landeshauptmannes von Niederösterreich gemäß § 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959 unbestritten gegeben.

Aus der Natur der einstweiligen Verfügung ergibt sich, dass bei ihrer Anwendung eine Situation gegeben sein muss, die zur Abwehr einer bestehenden oder wahrscheinlichen Gefahr, ein sofortiges behördliches Einschreiten erfordert. Die belangte Behörde konnte nach der Aktenlage diese Situation, nämlich die Gefahr einer Gewässerverunreinigung, als gegeben annehmen. Falls die einstweilige Verfügung der vorläufigen Gefahrenabwehr dient, muss zwischen der einstweiligen Verfügung und einer künftigen endgültigen Maßnahme sowohl ein sachlicher wie auch ein rechtlicher Zusammenhang bestehen. Dies ergibt sich aus der Erwägung, dass in derartigen Fällen nicht Inhalt einer einstweiligen Verfügung sein kann, was nicht Gegenstand einer endgültigen Maßnahme sein kann (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 4536/A, und vom , Zl. 1654/67). Im vorliegenden Falle kann Rechtsgrundlage für eine solche endgültige Verfügung nur die Bestimmung des § 138 Abs. 1 lit. a und b WRG 1959 sein, falls die Einwirkung auf das Grundwasser nicht nach § 32 Abs. 1 WRG 1959 allenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen nachträglich bewilligt werden sollte (§ 138 Abs. 2 WRG 1959). Sowohl nach § 138 als auch nach § 32 WRG 1959 in letzterem Falle bedingungsweise (§ 105 WRG) könnte aber die Einzäunung der Schottergrube zur Hintanhaltung einer Gewässerverunreinigung vorgeschrieben werden, sodass deren Verfügung zur vorläufigen Gefahrenabwehr entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers im Gesetz gedeckt erscheint. Die angeordnete Maßnahme konnte, wie bereits der Verfassungsgerichtshof hervorgehoben hat, an sich als zweckmäßig angesehen werden. Ihre allfällige Unzulänglichkeit zur Wahrung der öffentlichen Interessen kann, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift richtig ausführt, keineswegs vom Beschwerdeführer geltend gemacht werden. Der vom Beschwerdeführer gezogene Vergleich mit der Überflutung natürlicher Senken im Raume Wiener Neustadt geht schon deshalb fehl, weil es sich hier nicht um eine Maßnahme im Sinne des § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 handeln kann.

Die Beschwerde erweist sich aus diesen Erwägungen zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf § 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 und Art. 1 B Z. 4 und 5 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965. Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
WRG 1959 §122 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1969:1968001147.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-54028