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VwGH 17.06.1966, 1131/65

VwGH 17.06.1966, 1131/65

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Bei einer offenen Handelsgesellschaft muß in der Regel die Frage, ob die Gesellschafter Mitunternehmer sind, nicht besonders geprüft werden (Hinweis E , 2811/55, VwSlg 1968 F/1959; E , 1050/57 und E , 583/59, VwSlg 2187 F/1960).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczik, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführen, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde der Firma T in V, vertreten durch Dr. Otto Heller, Rechtsanwalt in Wien IV, Paulanergasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat, vom , Zl. 18/62-11-1964, betreffend Gewinnfeststellung 1958 bis 1960, Umsatzsteuer 1958 und Einheitswert 1959 bis 1961, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Otto Heller, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzoberkommissärs Dr. Siegfried Lorber, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Kärnten) Aufwendungen in der Höhe von S 1.426,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Firma, eine offene Handelsgesellschaft, betreibt ein Bauunternehmen. Als Gesellschafter ist im Handelsregister neben Mitgliedern der Familie T. auch Baumeister Rudolf W. eingetragen. Letztere Eintragung erfolgte auf Grund des Gesellschaftsvertrages vom , laut welchem W. der schon bisher als Angestellter bei der Beschwerdeführerin tätig war, als offener Handelsgesellschafter in die Firma eintrat und seine Gewerbeberechtigung in das Unternehmen einbrachte. An dem Betriebsvermögen der Gesellschaft steht W. kein Anteil zu; dagegen wurde ihm neben dem Weiterbezug seines Diensteinkommens aus dem Angestelltenverhältnis eine 10%ige Gewinnbeteiligung eingeräumt. An den Verlusten der Gesellschaft nimmt W. nur insoweit teil, als Gewinne solange nicht ausgeschüttet werden dürfen, bis die von der Gesellschaft etwa erlittenen Verluste vollkommen abgedeckt sind.

Ungeachtet dieses Vertrages wies die Firma in ihren Büchern die Gewinnanteile des Gesellschafters W. stets unter "Personalaufwand" und die noch nicht behobenen Gewinne desselben als "sonstige Verbindlichkeiten" aus. Dies wurde zunächst auch vom Finanzamt nicht beanstandet. Im Zuge einer Betriebsprüfung, die sich auf die Jahre 1958 bis 1960 erstreckte, stellte sich jedoch der Prüfer auf den Standpunkt, daß W. auch steuerlich als Gesellschafter zu behandeln sei, und rechnete daher die Gewinnbeteiligungen sowie die festen Geschäftsführerbezüge desselben von S 257.770,-- (1958), S 464.168,-- (1959) und S 332.734,-- (1960), die in den Erfolgsrechnungen des Unternehmens als Personalaufwand erfolgsmindernd verbucht worden waren, den erklärten Gewinnen hinzu. Die Behandlung W. als Gesellschafter der Firma hatte auch zur Folge, daß die im Jahre 1958 erbrachten Lieferungen und Leistungen der Beschwerdeführerin an die Firma T. in S., die bisher als Innenumsätze steuerfrei behandelt worden waren, nunmehr der Umsatzsteuer unterworfen wurden, weil W. der S. Firma nicht als Gesellschafter angehörte und daher keine Einheit des Unternehmens gegeben war.

Das Finanzamt schloß sich der Rechtsansicht des Betriebsprüfer an und erließ entsprechend berichtigte Gewinnfeststellungsbescheide für 1958 bis 1960, einen berichtigten Umsatzsteuerbescheid für 1958 und Einheitswertbescheide zum , und .

Die Beschwerdeführerin berief. Sie führte dabei aus, daß aus der bloßen Tatsache, daß W. im Vertrage vom als Gesellschafter bezeichnet und als solcher auch im Handelsregister eingetragen sei, noch nicht die Folgerung abgeleitet werden dürfe, daß er auch steuerlich als Mitunternehmer behandelt werden müsse. In Wahrheit sei W. nach wie vor als Angestellter der Firma anzusehen, dem ein fixer Gehalt und eine Gewinntantieme zustehe. Er sei weisungsgebunden und habe kein geschäftliches Risiko zu tragen, da er an Verlusten nicht beteiligt sei und im Falle der Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger von den übrigen Gesellschaftern schad- und klaglos gehalten werde. Er sei weder am Vermögen noch an stillen Reserven der Gesellschaft beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag habe lediglich den Zweck gehabt, der Firma einen gewerberechtlich befugten Geschäftsführer zu verschaffen.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung im wesentlichen damit, daß W. laut Gesellschaftsvertrag vom als offener Gesellschafter in die beschwerdeführende Gesellschaft aufgenommen worden sei, wobei er unbestrittenermaßen seine Arbeitskraft und seine gewerberechtliche Befugnis als Baumeister in die Firma eingebracht habe. Weiters sei er - wenn auch gleichzeitig mit einem der übrigen Gesellschafter - zur Zeichnung und Vertretung der Firma nach außen berechtigt. Am Gewinn der Gesellschaft sei W. mit 10 % zuzüglich eines Bezuges aus seinem früheren Angestelltenverhältnis, (als Fixum) beteiligt, wobei sein Gewinnanteil bedeutend höher sei als das Fixum, das einem Monatsbruttobezug von bloß S 5.200,-- bis S 5.500,-- entspreche. Am Verlust der Gesellschaft habe Baumeister W. insoweit teil, als Gewinne solange nicht ausgeschüttet werden dürfen, bis die von der Gesellschaft erlittenen Verluste vollkommen abgedeckt seien. Am Betriebsvermögen und an den stillen Rücklagen der Firma sei er nicht beteiligt. Er sei aber als offener Gesellschafter im Handelsregister eingetragen und habe somit gegenüber den Gesellschaftsgläubigern die unbeschränkte Haftung übernommen. Er bilde daher, ungeachtet der mangelnden Beteiligung am Betriebsvermögen und an den Rücklagen der Gesellschaft, zusammen mit den übrigen Gesellschaftern eine offene Handelsgesellschaft im Sinne des § 105 Abs. 1 HGB. Da der Inhalt des Gesellschaftsvertrages sich mit den tatsächlichen Gegebenheiten decke, könne von einem Scheingeschäfte keine Rede sein. Auch könne die gesetzliche Haftung eines Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern dadurch nicht ausgeschlossen werden, daß er im internen Verhältnis durch die anderen Gesellschafter klag- und schadlos gehalten werde. Der an der beschwerdeführenden Firma als offener Gesellschafter beteiligte Baumeister W. sei daher Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Z. 1 EStG.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 EStG sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Gewinnanteile der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft oder für die Eingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat.

Eine offene Handelsgesellschaft ist nach § 105 Abs. 1 HGB eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist. Treffen diese Voraussetzungen bei einer Personengesellschaft zu, dann ist eine besondere Feststellung, ob die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, auf Grund dieses Wortlautes des § 15 Abs. 1 Z. 2 EStG überhaupt nicht erforderlich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg.Nr. 1968/F, vom , Zl. 1050/57, und vom , Slg.Nr. 2187/F).

Im vorliegenden Fall ist Baumeister Rudolf W. laut Gesellschaftsvertrag vom in eine bereits bestehende offene Handelsgesellschaft als Gesellschafter aufgenommen worden, wobei er seine Arbeitskraft und seine gewerberechtliche Befugnis in die Gesellschaft einbrachte. Er wurde als offener Gesellschafter im Handelsregister eingetragen und hat somit gegenüber den Gesellschaftsgläubigern die unbeschränkte Haftung übernommen. Er bildet also unbestreitbar zusammen mit den übrigen Gesellschaftern eine offene Handelsgesellschaft im Sinne des § 105 Abs. 1 HGB.

Diese Tatsache mußte die belangte Behörde auch steuerlich solange gelten lassen, als nicht angenommen werden muß, daß in dem Gesellschaftsvertrag vom ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinne des § 22 BAO zu erblicken sei.

Zu einer solchen Annahme bestand aber im vorliegenden Fall kein Anlaß, vor allem kann die Aufnahme des W. in die beschwerdeführende Gesellschaft deshalb nicht als bloße Formalität angesehen werden, weil W. schon allein auf Grund dieses Rechtsaktes gemäß § 128 HGB, als offener Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet. Im Hinblick auf diese Bestimmung kommt auch der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Tatsache, daß W. an Verlusten der Gesellschaft nicht beteiligt sei und im Fall einer Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger von den anderen Gesellschaftern schad- und klaglos gehalten werde, keine entscheidende Bedeutung zu, weil W. persönlich haftender Gesellschafter diese interne Abmachung Dritten nicht mit Erfolg entgegenhalten kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 492/65) und auch die derzeit günstige Vermögenslage der anderen Gesellschafter bei den mit der Führung eines Bauunternehmens zwangsläufig verbundenen großen Risken die Möglichkeit einer effektiven Haftung des W. für Gesellschaftsschulden nicht völlig auszuschließen vermag. Auch ist zu beachten, daß W., der als einziger Gesellschafter gewerberechtlich zur Führung eines Bauunternehmens befugt ist jedenfalls das gewerberechtliche Risiko, d.h. die Gefahr eines allfälligen Verlustes einer Gewerbeberechtigung allein zu tragen hat, wobei ihm dieses Risiko auch durch interne Abmachungen nicht abgenommen werden kann.

Darüber hinaus kann aber in dem Gesellschaftsvertrag vom auch schon deshalb keine bloße "Formalität" erblickt werden, weil er W. außer der zusammen mit einem anderen Gesellschafter auszuübenden Vertretungsbefugnis nach außen auch eine Gewinnbeteiligung von 10 % einräumt, die ihm beispielsweise in den Jahren 1958 bis 1961 zusammen mit einem fixen Angestelltengehalt immerhin Einkünfte von S 257.770,-- bis S 464.168,-- einbrachten.

Unter diesen Umständen kann nicht daran gezweifelt werden, daß W. nicht bloß formell, sondern tatsächlich als offener Handelsgesellschafter anzusehen ist. Es erübrigte sich daher eine weitere Prüfung seiner Mitunternehmerschaft, sodaß entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch nicht untersucht werden mußte, ob W. im Innenverhältnis gegenüber den anderen Gesellschaftern weisungsgebunden sei, ob er kein Einspruchsrecht und keinen Einfluß auf die Bilanzgestaltung habe und in welchem Maß er durch Verluste der Gesellschaft berührt werde. Insoweit sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhange auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes und Steuerrechtsliteratur bezüglich der wirtschaftlichen Prüfung der Mitunternehmereigenschaft beruft, handelt es sich durchwegs um "andere Gesellschaften" im Sinne des § 15 Abs. 1 Z. 2 EStG bei denen die Mitunternehmereigenschaft einer besonderen Prüfung bedarf, nicht aber um offene Handelsgesellschaften.

Wenn schließlich die Beschwerdeführerin noch geltend macht, daß das Gesellschaftsverhältnis des Baumeisters W. der Finanzbehörde bereits längst bekannt gewesen sei und daher keine neue Tatsache dargestellt habe, welche die amtswegige Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens hinsichtlich der Jahre 1958 bis 1960 gemäß § 303 Abs. 4 BAO gerechtfertigt hätte, so übersieht sie, daß § 303 Abs. 4 BAO die uneingeschränkte Wiederaufnahme des Verfahrens nicht verbietet, sobald auf Grund irgendeiner neu hervorgekommenen Tatsache eine Verfahrenswiederaufnahme überhaupt zulässig war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1235/64, und vom , Zl. 1391/63). Solche unbestrittenermaßen neu hervorgekommene Tatsachen ergaben sich im vorliegenden Fall hinsichtlich der Berechnung der Absetzungen für Abnutzung, der Beteiligungen an Arbeitsgemeinschaften, der Bildung von Rückstellungen, der Wertberichtigung von Forderungen, der "Repräsentationsaufwendungen" u.a. Mithin läßt der angefochtene Bescheid eine Rechtswidrigkeit nicht erkennen. Die gegen ihn erhobene Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verwaltungsgerichtshofverfahrens gründet sich auf § 48 Abs. 2 VwGG 1965.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1966:1965001131.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-53988

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