VwGH 26.11.1980, 1114/80
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Der Mangel eines begründeten telegrafischen Berufungsantrages ist keiner Verbesserung nach § 13 Abs 3 AVG 1950 zugänglich (Hinweis E , 1869/68, VwSlg 7697 A/1969). |
Norm | WRG 1959 §107 Abs2; |
RS 2 | Einwendungen nach § 107 Abs 2 WRG 1959 sind nur bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung möglich. Von dem Gesetz entsprechenden Einwendungen kann aber nur dann gesprochen werden, wenn durch die übergangene Partei die Verletzung eines Rechtes in irgend einer Wiese konkret wird. Ohne solche Anführungen werden die Behörden nicht in die Lage versetzt, zu erkennen, welche Umstände sie im Sinne des zweiten Satzes des § 107 Abs 2 WRG 1959 zu berücksichtigen hätten. |
Norm | WRG 1959 §107 Abs2; |
RS 3 | Durch § 107 Abs 2 WRG 1959 wird die Rechtskraftwirkung eines wasserrechtlichen Bescheides auch gegenüber übergangenen Parteien normiert (Hinweis VfSlg 3246, VwGH E , VwSlg 5884 A/1961). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger, über die Beschwerde des 1) JL und der 2) AL, beide in H, beide vertreten durch Dr. Günther Bernhart, Rechtsanwalt in Oberwart, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 510.998/01-I 5/80, betreffend wasserrechtliche Bewilligung für die Erweiterung einer Kanalisationsanlage bzw. Zulässigkeit einer Berufung gegen den Bewilligungsbescheid (mitbeteiligte Partei: Gemeinde H, vertreten durch Dr. Emil Schreiner, Rechtsanwalt in Eisenstadt, Esterhazyplatz 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- und der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom erteilte der Landeshauptmann von Burgenland gemäß den §§ 9, 32 und 99 Abs. 1 lit. d WRG 1959 der Mitbeteiligten die wasserrechtliche Bewilligung für die Erweiterung ihrer Kanalisationsanlage. Dem diesem Bescheid vorausgegangenen Verfahren wurden die Beschwerdeführer nicht als Parteien beigezogen; sie nahmen auch nicht an der am im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren abgehaltenen mündlichen Verhandlung teil. Die Zustellung des Bescheides vom an die von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz beigezogenen Parteien erfolgte gemäß den in den Verwaltungsakten liegenden postamtlichen Rückscheinen am 6. und am .
Am gaben die Beschwerdeführer ein an die Wasserrechtsbehörde erster Instanz adressiertes Telegramm folgenden Inhaltes zur Post:
"gegen den bescheid zl.roem6/1-463/8-1980 vom betr. kanalisationsanlage h wird berufung eingebracht. die begruendung derselben wird schriftlich nachgereicht."
Am gaben die Beschwerdeführer sodann eine briefliche Berufung zur Post, in der sie sich auf ihr "zur Wahrung der Frist" eingebrachtes Telegramm bezogen und im wesentlichen ausführten, sie seien zu Unrecht im Bewilligungsverfahren nicht als Parteien behandelt und auch zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden. Auch sei ihnen keine Einsicht in die Projektsunterlagen gewährt worden, obwohl bereits vorangegangene Kanalisationsarbeiten im Bereich ihres Haus- und Grundbesitzes zu wiederholten Überflutungsschäden geführt hätten. Auch sei der "Bauleiter als Wasserbausachverständiger" befangen. Das Parteiengehör hätte den Beschwerdeführer einerseits als Anrainern, andererseits aber auch als Kanalanschlußverpflichteten gewährt werden müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 nicht Folge. In der Begründung des angefochtenen Bescheides verneinte die belangte Behörde, daß den Beschwerdeführern Parteistellung gemäß § 102 Abs. WRG 1959 zukomme. Es lasse sich nämlich weder aus dem Bewilligungsbescheid ableiten, daß die Beschwerdeführer unmittelbar zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollten, noch gehe aus ihm hervor, daß die Beschwerdeführer als Träger wasserrechtlich geschützter Rechte im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 berührt würden. Dies machten sie auch gar nicht geltend. Soweit sie ihre Parteistellung jedoch aus dem möglichen Anschluß ihres Anwesens an die bewilligte Kanalanlage ableiteten, seien sie darauf zu verweisen, daß für deren Regelung auf Grund der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung der Landesgesetzgeber berufen sei. Die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften begründeten Kanalbenutzungsrechte bzw. -Verpflichtungen könnten aber keine Parteistellung im wasserrechtlichen Verfahren begründen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen "formeller und materieller" Rechtswidrigkeiten. Die Beschwerdeführer führen darin aus, es sei ihnen zu Unrecht keine Parteistellung zuerkannt worden. Sie hätten bereits in der Berufung angegeben, daß ein in ihrem Eigentum stehender Grundstücksteil, nämlich ein angeblich offener, tatsächlich aber zugeschütteter Graben, welcher überschüssiges Regenwasser aufnehmen sollte, in die Kanalisationsanlage einbezogen werde. Sie seien daher durch die Erweiterung der Anlage in ihren wasserrechtlich geschützten Rechten betroffen. Außerdem ergebe sich ihre Parteistellung aus § 2 Abs. 3 des Gesetzes vom über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluß an die Gemeindekanalanlagen, Burgenländisches LGBl. Nr. 1/1957 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 9/1967, weil danach ausdrücklich die Rechtskraft des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides zur Voraussetzung der Vorschreibung von Kanalanschlußgebühren gemacht werde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift eingebracht, in der sie ebenso wie die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die dazu erstatteten Gegenschriften erwogen:
Mit der im angefochtenen Bescheid gewählten Begründung, den Beschwerdeführern fehle die Parteistellung, hat die belangte Behörde trotz der Formulierung des Spruches unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht in der Sache entscheiden wolle, sondern die Berechtigung der Beschwerdeführer zur Erhebung einer Berufung gemäß § 63 AVG 1950, die ja Parteistellung voraussetzt (vgl. Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S 414), verneine. Ein Vergreifen im Ausdruck durch die Behörde, die statt zurückgewiesen abgewiesen hat, begründet aber keine Rechtswidrigkeit des Bescheides, wenn aus der Begründung der Zurückweisungswille hervorgeht (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 6598/A).
Eine Zurückweisung der Berufung entsprach aber selbst dann dem Gesetz, wenn die Parteistellung der Beschwerdeführer - aus welchem Grunde immer - gegeben gewesen wäre. Die belangte Behörde zeigt nämlich in ihrer den Beschwerdeführern zugestellten Gegenschrift zutreffend auf, daß im Zeitpunkt des Einlangens einer dem Gesetz entsprechenden Berufung der Beschwerdeführer der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid bereits in Rechtskraft erwachsen war und auf Grund des § 107 Abs. 2 WRG 1959 auch gegenüber übergangenen Parteien Rechtskraftwirkung entfaltete.
Mit Rücksicht auf die Zustellungsdaten endete die Berufungsfrist gegen den Bewilligungsbescheid der Wasserrechtsbehörde erster Instanz spätestens am . Bis zu diesem Zeitpunkt war nur die telegrafische "Berufung" der Beschwerdeführer erhoben worden, die aber den gesetzlichen Voraussetzungen (§ 63 Abs. 3 AVG 1950) nicht entspricht und mangels eines begründeten Berufungsantrages auch keiner Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG 1950 zulänglich war (vgl. hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 7697/A). Da ein begründeter Berufungsantrag einen wesentlichen Teil einer dem Gesetz entsprechenden Berufung bildet, kann der begründete Antrag nicht erst nach Ablauf der Berufungsfrist nachgetragen werden, sodaß die von den Beschwerdeführern mittels ihres Telegrammes beabsichtigte "Fristwahrung" nicht herbeigeführt werden konnte. Die begründete briefliche Berufung der Beschwerdeführer wurde aber erst am ersten dem Ablauf der Berufungsfrist folgenden Tag zur Post gegeben.
Gemäß § 107 Abs. 2 WRG 1959 kann eine Partei (§ 102 Abs. 1), die eine mündliche Verhandlung versäumt hat, weil sie nicht persönlich verständigt worden war, selbst dann, wenn die Anberaumung der mündlichen Verhandlung öffentlich bekanntgegeben worden ist (§ 41 Abs. 2 AVG 1950), ihre Einwendungen auch nach Abschluß der mündlichen Verhandlung und BIS ZUR RECHTSKRÄFTIGEN ENTSCHEIDUNG der Angelegenheit vorbringen. Solche Einwendungen sind binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt, in dem die Partei nachweislich davon Kenntnis erlangt hat, daß ihre Rechte durch das Bauvorhaben berührt werden, bei der Behörde einzubringen, die die mündliche Verhandlung anberaumt hat, und von dieser und von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden. Im Beschwerdefall ist die formelle Rechtskraft des Bewilligungsbescheides mit Rücksicht auf seine Zustellung an die im Verfahren erster Instanz beigezogenen Parteien mit Ablauf des eingetreten. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Beschwerdeführer aber nicht nur keine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Berufung, sondern auch keine Einwendungen im Sinne des § 107 Abs. 2 WRG 1959 eingebracht. Die telegrafische Eingabe der Beschwerdeführer enthielt nur die Ankündigung einer Berufung, aber keinen Hinweis darauf, worin die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Rechte erblickten. Von dem Gesetz entsprechenden Einwendungen kann aber nur dann gesprochen werden, wenn die Verletzung eines Rechtes in irgendeiner Weise konkret angeführt wird. Ohne solche Anführung werden die Behörden nicht in die Lage versetzt, zu erkennen, welche Umstände sie im Sinne des zweiten Satzes des § 107 Abs. 2 WRG 1959 zu berücksichtigen hätten. Es kann daher - abgesehen davon, daß die belangte Behörde nur über die "Berufung" der Beschwerdeführer abgesprochen hat - auch nicht vom Vorliegen von "Einwendungen" der Beschwerdeführer vor rechtskräftiger Entscheidung im Bewilligungsverfahren gesprochen werden.
Nach § 107 Abs. 2 WRG 1959 wird, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. Erkenntnisse vom , Zl. 2484/76, vom , Zl. 2723/77 u.a., zu deren näherer Begründung auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird), die Rechtskraftwirkung eines wasserrechtlichen Bescheides auch gegenüber übergangenen Parteien normiert. Für Nachteile, die eine übergangene Partei erleidet, haftet der Wasserberechtigte, der die Partei nicht der Wasserrechtsbehörde bekanntgegeben hat (§ 103 Abs. 1 lit. e WRG 1959). Der in Rechtskraft erwachsene Bescheid kann aber durch die übergangene Partei nicht mehr mit Berufung bekämpft werden. Eine trotzdem eingebrachte Berufung muß demnach der Zurückweisung verfallen (vgl. auch Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 3246, und vom , Slg. Nr. 5884).
Sollte jedoch die in erster Instanz erteilte wasserrechtliche Bewilligung eine Inanspruchnahme von den Beschwerdeführern gehörigen Grundflächen tatsächlich nach sich ziehen, wird darüber gegebenenfalls ein gesondertes Enteignungs- und Entschädigungsverfahren noch durchzuführen sein.
Die belangte Behörde hat daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie den Beschwerdeführern eine Sachentscheidung über ihre Berufung verweigert hat, ohne daß es eines weiteren Eingehens in diesem Erkenntnis auf die Frage bedarf, ob und aus welchen Gründen die Beschwerdeführer Parteistellung im wasserrechtlichen Verfahren tatsächlich hatten oder nicht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz an den Bund und an die Mitbeteiligte gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b und Abs. 3 lit. b VwGG 1965 und auf die Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542/1977. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der Mitbeteiligten mußte erfolgen, weil das Gesetz einen gesonderten Ersatz der Umsatzsteuer nicht vorsieht. Ersatz der Stempelgebühren steht der Mitbeteiligten nicht zu, weil sie gemäß § 2 Z. 2 Gebührengesetz 1957 von der Entrichtung von Gebühren befreit ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Verbesserungsauftrag Ausschluß Berufungsverfahren telegraphische Berufung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1980001114.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-53940