VwGH 04.02.1964, 1113/63
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | BAO §26 Abs2; |
RS 1 | Der Steuerpflichtige kann nur EINEN gewöhnlichen Aufenthalt iSd § 1 Abs 2 EStG 1953 haben. Bei Unklarkeit, wo der gewöhnliche Aufenthalt ist, wird, nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen sein, zu welchem Ort die stärkeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (hier: Schauspieler). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Dietmann und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Hinterauer, Dr. Raschauer und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek, über die Beschwerde des XY in München gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VI-259/11/63, betreffend Lohnsteuer für das Kalenderjahr 1959, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer war im Kalenderjahr 1959 beim Burgtheater, beim Theater in der Josefstadt, beim Österreichischen Rundfunk und bei der Sascha-Film-Produktiongesellschaft m.b.H. nicht selbständig erwerbstätig und erzielte daraus einen tatsächlich zugeflossenen Bruttobezug von S 225.913,68. Die Arbeitgeber hatten den Lohnsteuerabzug gemäß § 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953, BGBl. Nr. 1/1954, für einen beschränkt Steuerpflichtigen mit der Begründung vorgenommen, daß der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz nicht in Österreich gehabt habe. Mit Bescheid des Finanzamtes für den 12., 13., 14. und 23. Bezirk in Wien vom über den Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1959 wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 76 und 77 EStG 1953 die Nachzahlung eines Betrages von S 44,460,31 an Lohnsteuer vorgeschrieben. Auf den Einwand des Beschwerdeführers, daß der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen mit den stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen in München bzw. Westdeutschland liege, ging die Behörde nicht ein. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer neuerlich aus, daß er seinen ordentlichen Wohnsitz in München, S-straße 40, habe, daß die deutschen Einkünfte die österreichischen überwiegen, daß sein Kraftwagen in München zugelassen sei und daß er beabsichtige, in der Umgebung von München ein Grundstück käuflich zu erwerben, weil er sich in München verlobt habe. Er legte unter anderem auch den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes München-Nord für das Kalenderjahr 1959 vor, aus dem ein Jahreseinkommen von DM 34.952 ersichtlich ist, das auf Grund des Progressionsvorbehaltes im Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich mit einem Steuersatz von 36,8 % der Einkommensteuer unterzogen wurde. Die nunmehr belangte Behörde gab mit Bescheid vom der Berufung nicht Folge, weil der Beschwerdeführer in der Zeit vom bis seinen Wohnsitz in Wien XIX, G-gasse 11, gehabt habe und daher gemäß § 1 EStG 1953 im Kalenderjahr 1959 unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei. Dieser Bescheid wurde jedoch mit Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom aufgehoben. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich als unbegründet ab. Im fortgesetzten Rechtsmittelverfahren sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer im Jahre 1959 in Österreich keinen Wohnsitz gehabt habe. Er habe jedoch hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Er sei vom 1. Jänner bis im Theater in der Josefstadt tätig gewesen, vom 1. Mai bis 31. Mai bei der Sascha-Film-Gesellschaft und vom 22. November bis bei letzterer und im Wiener Burgtheater. Nach § 14 des Steueranpassungsgesetzes habe jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Steuergesetze dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweile. In seinem Kommentar zur Abgabenordnung (5. Auflage, Seite 642) schreibe hiezu KÜHN, daß für den gewöhnlichen Aufenthalt das äußere Erscheinungsbild und die Begleitumstände maßgeblich seien. Erst wenn ein Steuerpflichtiger für immer das Bundesgebiet verlassen habe, könne er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland haben. Kehre er aber immer wieder in das Inland zurück und übe er hier seinen Beruf aus, dann sei es nicht von Bedeutung, daß der Aufenthalt im Inland immer wieder unterbrochen werde. Der Beschwerdeführer habe zwar seinen Aufenthalt in Österreich im Jahre 1959 nicht auf insgesamt mehr als sechs Monate ausgedehnt. Da er sich aber immer wieder für kürzere oder längere Zeit in Österreich aufgehalten habe, dabei seinen Beruf ausgeübt und erhebliche Einkünfte erzielt habe, sei es klar, daß er im Jahre 1959 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt habe, zumal er im Jahre 1958 und auch in der Folgezeit zur Erfüllung seiner inländischen Verpflichtungen (Burgtheater, Rundfunk, Salzburger Festspiele, Fernsehen, Saschafilm) immer wieder nach Österreich zurückgekehrt sei. Der Beschwerdeführer sei daher im Jahre 1959 unbeschränkt steuerpflichtig gewesen. Das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verhindere allerdings die steuerliche Erfassung der nicht in Österreich bezogenen Einkünfte. Der Beschwerdeführer habe nämlich in der Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz und zu diesem Land im Jahre 1959 stärkere wirtschaftliche Bindungen als zu Österreich gehabt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe nicht beachtet, daß der Steuerpflichtige nach dem Wortlaut des § 1 EStG 1953 nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben könne. Dies gehe daraus hervor, daß die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid auf Seite 2 in der Mitte angeführt habe:
"..... im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt ..." Er beruft sich weiter auf den Wortlaut des § 14 des Steueranpassungsgesetzes und führt dann aus, warum er nicht nur seinen Wohnsitz, sondern auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe. Er habe nicht nur den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Bundesrepublik Deutschland, er kehre auch nach Auslandsaufenthalten immer dorthin, nicht aber nach Österreich zurück. Er sei daher nicht unbeschränkt steuerpflichtig.
Im Jahre 1959 hat die Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, noch keine Geltung gehabt. Zur Beurteilung des Beschwerdefalles sind daher die, vor dem Inkrafttreten der Bundesabgabenordnung in Geltung gestandenen Rechtsvorschriften anzuwenden.
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1953 sind natürliche Personen die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, mit inländlichen Einkünften im Sinne des § 96 beschränkt einkommensteuerpflichtig.
Gemäß § 14 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes, DRGBl. I S. 925 aus 1934, hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Steuergesetze dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Unbeschränkte Steuerpflicht tritt jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Steuerpflicht auch auf die ersten sechs Monate.
Aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen - und auch aus § 73 a der Abgabenordnung vom , DRGBl. I S. 161 - erhellt eindeutig, daß jemand im Sinne der Steuergesetze nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Würde es dem Beschwerdeführer gelingen nachzuweisen, daß er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Jahre 1959 in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hat, so würde dies einen gewöhnlichen Aufenthalt im selben Jahr in Österreich ausschließen. Nun ging jedoch in dem gesamten Verwaltungsverfahren das Bestreben des Beschwerdeführers dahin, nachzuweisen, daß er seinen Wohnsitz und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Bundesrepublik gehabt habe. Dafür macht er geltend, daß er in München eine Wohnung habe, die seinen Lebensverhältnissen entspreche, daß er dort mit einer Schauspielerin verlobt sei, dort seinen Kraftwagen zur Zulassung angemeldet habe, daß seine Einnahmen in der Bundesrepublik höher seien als in Österreich und daß er nach Auslandsreisen in die Bundesrepublik und nicht nach Österreich zurückkehre.
Daß der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in München hat, steht außer Streit. Die belangte Behörde begründete ihre Ansicht, daß der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe, damit, daß er sich immer wieder auf kürzere oder längere Zeit in Österreich aufgehalten, daß er hier seinen Beruf ausgeübt und daß er hier erhebliche Einkünfte erzielt habe. Dazu komme, daß er in den Jahren 1958, 1960 und 1961 wegen inländischer Verpflichtungen immer wieder nach Österreich zurückgekehrt sei.
Nach der Aktenlage ist jedoch offensichtlich, daß sich der Beschwerdeführer im Jahre 1959 auch in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder aufgehalten, dort ebenso seinen Beruf ausgeübt und dort - wie von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zugegeben wurde - höhere Einkünfte als in Österreich erzielt hat. Die belangte Behörde erklärt auch, daß er zur Bundesrepublik stärkere wirtschaftliche Bindungen als zu Österreich habe. Was die belangte Behörde als Beweis dafür anführt, daß der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe, trifft demnach entsprechend der Aktenlage ebenso für die Bundesrepublik zu. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 EStG. 1953 kann jedoch ein Steuerpflichtiger für denselben Zeitraum nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die belangte Behörde zeigte nicht auf, daß der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt habe, weil sie für das Jahr 1959 eine nicht nur vorübergehende Bindung zu Österreich nicht feststellen konnte. Sie hätte sich aber insbesondere mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, daß er in München für dauernd Wohnung genommen habe, daß er dort ein Grundstück zu kaufen beabsichtigte, daß er sich dort verlobt habe, daß sein Kraftwagen in München zugelassen sei, vor allem aber daß er von seinen Auslandsaufenthalten jeweils nicht nach Österreich, sondern in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt sei. Die belangte Behörde unterließ es jedoch, sich mit diesem Vorbringen zu befassen, weil sie von der Ansicht ausging, ein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich sei schon dadurch nachgewiesen, daß der Beschwerdeführer sich immer wieder in Österreich aufgehalten, dort seinen Beruf ausgeübt und erhebliche Einkünfte erzielt habe. Darin verkannte sie jedoch die Rechtslage.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof konnte infolgedessen davon absehen, auf die weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers einzugehen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | BAO §26 Abs2; |
Sammlungsnummer | VwSlg 3021 F/1964 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1964:1963001113.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-53932