VwGH 16.06.1954, 1108/53
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Ein Schriftstück, das dem Empfänger die rechtliche Durchsetzung des Anspruches auf Verzinsung und Rückzahlung eines Darlehens ermöglicht, ist ohne Rücksicht auf die Schreibweise und die Absicht des Verfassers eine rechtsbezeugende Urkunde iSd GebG. Die Gebührenpflicht für ein von mehreren Darlehensgebern gewährtes Darlehen tritt schon dann ein, wenn nur einem der Gläubiger eine Bestätigung über das Darlehen ausgehändigt wird. Wer den Empfang eines Darlehens urkundlich bestätigt hat, darf zur Gebühr nach § 33 TP 8 GebG, nicht als Aussteller der Urkunde, sondern nur als Haftender nach § 30 GebG herangezogen werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Heiterer - Schaller und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Naderer als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des CS in W gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VIII - 1601/1952, betreffend Gebühr von einem Darlehensvertrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Schwestern L und MB hatten gegen LP einen Anspruch auf Rückstellung der ihnen entzogenen Liegenschaft E.Z. 128 der Kat.Gem. X nach dem Dritten Rückstellungsgesetze geltend gemacht. Laut dem vor der Rückstellungskommission am abgeschlossenen Rückstellungsvergleich trat der Antragsgegner seine Forderung auf Erstattung des seinerzeit bezahlten Kaufpreises an MS ab. Die Antragstellerinnen verzichteten auf Abrechnung von Erträgnissen und übertrugen die Liegenschaft in Anrechnung auf den zu erstattenden Kaufpreis und gegen Bezahlung eines Betrages von 55.000 S an MS. Im Zuge von Erhebungen, die das Finanzamt wegen einer allfälligen Schenkungssteuerpflicht für die Überlassung der Hälfte des Betrages von 55.000 S durch MB an LB angestellt hatte, teilten die Genannten der Finanzbehörde mit, LB habe den Betrag von 27.500 S von MB als Darlehen erhalten. LB habe dann den nach Bezahlung verschiedener Kosten verbliebenen Restbetrag von 44.000 S dem Beschwerdeführer gegen Bezahlung von Zinsen geliehen. In den Akten befindet sich ein Schreiben des Beschwerdeführers an LB vom , mit dem er bestätigt, von ihr und ihrer Schwester ein Darlehen von 44.000 S erhalten zu haben und dieses mit 10 % jährlich zu verzinsen. In dem Schreiben bringt er weiter zum Ausdruck, mit der Bezahlung von Zinsen den Darlehensgeberinnen wirtschaftlich beistehen zu wollen.
Das Finanzamt hat gegen den Beschwerdeführer einen Bescheid über eine Gebühr nach § 33 Tarifpost 8 des Gebührengesetzes, BGBl. Nr. 184/1946 (GebG), in der Höhe von 440 S und über eine Gebührensteigerung in gleicher Höhe wegen Nichtanzeige des gebührenpflichtigen Rechtsgeschäftes erlassen. Der Beschwerdeführer erklärte in der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung, er habe zwar mit dem Brief vom den Empfang eines Darlehens bestätigt, für einen Brief könne aber eine Gebühr nur dann vorgeschrieben werden, wenn dies ausdrücklich in dem Gebührentarif nach § 33 GebG vorgesehen sei. Dies treffe jedoch nach der für Darlehensverträge maßgeblichen Tarifpost 8 nur für Urkunden, nicht aber für formlose Briefe zu. Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Einspruchsbescheid abgewiesen und der Beschwerdeführer die Entscheidung der Finanzlandesdirektion beantragt hatte, erging der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Berufungsbescheid. Die Finanzlandesdirektion Wien wies die Berufung als unbegründet ab. Sie ging hiebei davon aus, dass der Darlehensvertrag durch eine mündliche Vereinbarung zustande gekommen sei. Das vom Beschwerdeführer an LB gerichtete Schreiben enthalte alle wesentlichen Punkte eines Darlehensvertrages, es sei vom Beschwerdeführer unterfertigt und es sei auch der Darlehensgeberin ausgehändigt worden. Es handle sieh also um ein Schriftstück, das geeignet sei, als Beweismittel über das abgeschlossene Rechtsgeschäft zu dienen. Dies genüge, um es als Urkunde im Sinne des Gebührengesetzes zu qualifizieren. Darauf, ob das Schriftstück zu Beweiszwecken verfasst worden sei komme es nicht an. Da im § 33 Tarifpost 8 GebG die über einen Darlehensvertrag errichteten Urkunden nur beispielsweise aufgezählt seien, müsse jede Erklärung des Verpflichteten über eine Darlehensschuld gegenüber dem Darlehensgeber als Urkunde über einen Darlehensvertrag der Gebühr unterworfen werden. Gebührenfreiheit bestehe nach § 15 Abs. 2 GebG - abgesehen von einer anderweitigen Regelung im Gebührentarif - nur für Rechtsgeschäfte, die durch den Austausch von Briefen zustande kommen. Dagegen sei ein alle Merkmale eines Rechtsgeschäftes enthaltender, dem anderen Vertragspartner ausgehändigter Brief nach § 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b GebG gebührenpflichtig. Wenn ein gebührenpflichtiges Rechtsgeschäft der Finanzbehörde nicht angezeigt werde, so müsse nach der zwingenden Vorschrift des § 9 GebG in der Fassung der Novelle 1952 eine Gebührensteigerung im Ausmaße von mindestens der einfachen Gebühr vorgeschrieben werden.
Der Beschwerdeführer stützt sich in seiner gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion Wien beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde darauf, dass eine Urkunde über den Darlehensvertrag nicht errichtet worden sei. Er habe den Brief an Frau LB nur verfasst, um ihr in einem Ermittlungsverfahren, das vom Finanzamt wegen einer Schenkungssteuerpflicht geführt worden sei, ein Beweismittel zu liefern. Es sei jedoch nicht beabsichtigt gewesen, den Abschluss des Darlehensvertrages zu beurkunden. Auch fehle einem im familiären Tone gehaltenen Brief die äußere Form, die die "Errichtung einer Urkunde" erheische. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, er habe das Darlehen von beiden Schwestern B empfangen. Der Brief sei jedoch nur an LB gerichtet gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Den Gebühren nach Abschnitt III GebG unterliegen nach § 15 Abs. 1 GebG Rechtsgeschäfte, über die eine Urkunde errichtet wird. Gegenstand der Gebühr ist also das Rechtsgeschäft. Der Eintritt und der Umfang der Gebührenpflicht richtet sich nach der über das Rechtsgeschäft errichteten Urkunde. Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass der Beschwerdeführer mit L und MB mündlich einen Darlehensvertrag abgeschlossen hat, der Beschwerdeführer bestreitet aber, dass über das Darlehen eine Urkunde errichtet worden sei. Der Beschwerdeführer hat an LB ein Schreiben gerichtet, in dem er die Empfangnahme eines bestimmten Betrages bestätigt und sich zu einer Verzinsung in bestimmter Höhe verpflichtet. Nun kommt es auf die Schreibweise, in der der Brief abgefasst ist, ebensowenig an wie auf die Absicht des Verfassers, ob er ein Rechtsgeschäft bezeugen wollte oder nicht. Auch schreibt das Gebührengesetz keine besonderen Förmlichkeiten vor, die bei der Abfassung des Schreibens zu beachten gewesen wären, um ihm den Charakter einer Urkunde zu verleihen. Aus dem Gebrauch des Wortes "errichten" in der in Rede stehenden Gesetzesstelle, lassen sich besondere Formerfordernisse für die Abfassung einer Urkunde nicht ableiten. Für die Gebührenpflicht kommt es vielmehr nur auf den Inhalt des Schriftstückes an. Der Inhalt des Schriftstückes ist im vorliegenden Falle geeignet, der Empfängerin die rechtliche Durchsetzung des Anspruches auf Verzinsung und schließlich auf die Rückzahlung eines bestimmten Betrages zu ermöglichen. Es liegt also eine rechtsbezeugende Urkunde im Sinne des Gebührengesetzes vor. Das beurkundete Rechtsgeschäft ist - das wird nicht bestritten - ein Darlehensvertrag, also ein einseitig verbindliches Rechtsgeschäft. Nach § 16 Abs. 1 Z. 2 a GebG entsteht die Gebührenpflicht bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde nur von dem unterzeichnet wird, der sich verbindet, im Zeitpunkt der Aushändigung an den Berechtigten oder an dessen Vertreter. Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe das Darlehen von beiden Schwestern B erhalten, das streitgegenständliche Schreiben aber nur an B gerichtet. Nun hat MB dem Finanzamt erklärt, sie habe den Betrag von 27.500 S LB geliehen und diese habe den gesamten, auf Grund des Rückstellungsvergleiches erhaltenen Betrag (nach Deckung von Spesen) dem Beschwerdeführer als Darlehen übergeben. Es war deshalb davon auszugehen, dass nur LB dem Beschwerdeführer als Darlehensgeberin gegenübergetreten ist. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe die Darlehensaufnahme beiden Darlehensgeberinnen bestätigt, ist also schon davon abgesehen unbegründet, dass die Gebührenpflicht für ein von mehreren Darlehensgebern gewährtes Darlehen schon dann eintritt, wenn nur einem der Gläubiger eine Bestätigung über das Darlehen ausgehändigt wird. Die Beschwerde ist deshalb, soweit sie gegen die Gebührenpflicht des Darlehensvertrages gerichtet ist, unbegründet.
Nach § 28 Abs. 1 Z. 2 GebG ist aber bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften derjenige gebührenpflichtig, in dessen Interesse die Urkunde ausgestellt ist. Dies ist die Person, der die Urkunde zum Beweise des abgeschlossenen Rechtsgeschäftes dient, im vorliegenden Falle LB, an die der Beschwerdeführer den Brief vom gerichtet hat. Der Beschwerdeführer hätte zwar nach § 30 GebG als Haftender, durfte aber nicht als Aussteller der Urkunde zur Gebühr nach § 33 Tarifpost 8 GebG herangezogen werden. Er hat dies auf einen an ihn nach § 41 VwGG 1952 gerichteten Vorhalt in Ergänzung seines Beschwerdevorbringens geltend gemacht. Der angefochtene Bescheid, der rechtsirriger Weise von einer persönlichen Gebührenpflicht des Beschwerdeführers ausgeht, musste deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 aufgehoben werden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2257/52. Auf Artikel 19 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung wird Bezug genommen).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 965 F/1954; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1954:1953001108.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-53917