VwGH 22.06.1978, 1107/77
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Der Gesetzesstelle des § 46 AVG 1950 kann nicht entnommen werden, daß ein Beweismittel deswegen zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nicht herangezogen werden darf, weil die Person, von der das Beweismittel stammt, in Kenntnis des Beweises durch eine Rechtsverletzung gelangte (Hinweis E , 1061/71). |
Norm | StVO 1960 §20 Abs1; |
RS 2 | Wenn die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit durch Nachfahren mit dem Funkstreifenwagen festgestellt wurde, bedarf es in der Regel keiner weiteren Überprüfung der Geschwindigkeit. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0894/63 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Leibrecht, Onder, Dr. Baumgartner und Dr. Närr als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesgerichtsrat Dr. Gerhard, über die Beschwerde des Dr. KS, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom , Zl. 9.01-8786/2- 1977, betreffend Übertretung der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bundespolizeidirektion Salzburg sprach mit Straferkenntnis vom aus, der Beschwerdeführer habe am um 20.03 Uhr in Salzburg, Eisenbahnkreuzung Plainstraße (stadtauswärts) als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens a) unmittelbar vor der Eisenbahnkreuzung ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt und
b) das an der Kreuzung deutlich sichtbar angebrachte Vorschriftszeichen "Halt vor Kreuzung" nicht beachtet. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach zu
a) § 16 Abs. 2 lit. b der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 und zu b) § 17 Abs. 3 leg. cit. begangen. Gemäß § 54 Abs. 3 des Eisenbahngesetzes 1957 (in der Fassung des Art. III Z. 2 des Verkehrsrecht-Anpassungsgesetzes 1971) wurden gegen den Beschwerdeführer wegen dieser Übertretungen Geldstrafen in der Höhe von je S 1.000,-- somit zusammen S 2.000.,--, verhängt, an deren Stelle im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Ersatzarreststrafen in der Dauer von je drei Tagen, somit zusammen von sechs Tagen, zu treten haben. In der Begründung wurde ausgeführt, daß die im Spruch angelasteten Verwaltungsübertretungen durch die Anzeige eines Sicherheitswachebeamten auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung erwiesen seien. Obwohl nach § 16 Abs. 2 lit. b der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 das Überholen mehrspuriger Kraftfahrzeuge innerhalb von etwa 80 m vor bis unmittelbar nach der Eisenbahnkreuzung verboten sei, habe der Beschwerdeführer einen ebenfalls in diesem Bereich fahrenden Personenkraftwagen überholt. Er habe auch das vor der Eisenbahnkreuzung deutlich sichtbar angebrachte Vorschriftszeichen "Halt vor Kreuzung" nicht beachtet und sei, ohne anzuhalten, in bzw. über die Eisenbahnkreuzung in der Plainstraße gefahren. Unter Androhung der Kontumaz sei der Beschwerdeführer für den zur Durchführung der mündlichen Verhandlung zum Amte geladen worden. Dieser Ladung habe aber der Beschwerdeführer, obwohl er sie am eigenhändig übernommen habe, unentschuldigt nicht Folge geleistet. Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren sei daher ohne sein weiteres Anhören zu finalisieren gewesen. Die festgestellten Verwaltungsübertretungen seien derart schwerwiegend, daß dem Beschwerdeführer die Rechtswohltat der Ermahnung nicht habe zuerkannt werden können.
In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß er bereits am eine ausführliche Stellungnahme abgegeben habe. Er habe damals schon dargelegt, daß er das Fahrzeug vor ihm nicht überholt habe, sondern an diesem vorbeigefahren sei, weil dieses Fahrzeug nicht nur verkehrsbedingt, sondern deswegen angehalten habe, um den Beifahrer aussteigen zu lassen. Da er, als dieses Fahrzeug angehalten habe, ebenfalls sein Fahrzeug angehalten habe, und zwar an einer Stelle mit guter Übersicht, sei es nicht nötig gewesen, beim Übersetzen der Kreuzung sein Fahrzeug nochmals anzuhalten.
Die Berufungsbehörde ergänzte das Ermittlungsverfahren durch Einholung von Stellungnahmen des Meldungslegers (einschließlich einer Skizze über den Tatort, in dem auch der Standort des Funkstreifenwagens eingezeichnet war, von dem aus der Meldungsleger die Verwaltungsübertretungen feststellte) und durch Einvernahme der im Personenkraftwagen des Beschwerdeführers mitfahrenden Gattin des Beschwerdeführers als Zeugin. In der abschließenden Stellungnahme wendete der Beschwerdeführer ein, daß nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Meldungsleger gegen die Bestimmung des § 24 Abs. 1 lit. c StVO (1960) verstoßen habe, weil dessen Fahrzeug innerhalb der "Fünfmeterzone" abgestellt gewesen sei. Unter dieser Voraussetzung wäre die Verwendung der Aussage des Meldungslegers unzulässig gewesen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, so etwa nach dem Erkenntnis vom , Zl. 1913/67, sei nämlich das aus einer strafbaren Handlung - im konkreten Fall eines Verstoßes gegen § 24 Abs. 1 lit. c StVO - gewonnene Beweismittel unzulässig und dürfe von der Behörde nicht verwendet werden.
Mit Bescheid vom gab der Landeshauptmann von Salzburg der Berufung keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis der ersten Instanz mit der Maßgabe, daß der Beschwerdeführer die ihm unter lit. a dieses Erkenntnisses angelastete Übertretung des § 16 Abs. 2 lit. b der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 dadurch begangen habe, daß er im Bereich von etwa 80 m vor bis unmittelbar nach der Eisenbahnkreuzung ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt habe. Zunächst sei festzustellen, so wurde in der Begründung ausgeführt, daß sich knapp vor dem schienengleichen Eisenbahnübergang die Straßenkreuzung Plainstraße-August-Gruber-Straße-Erzherzog-Eugenstraße befinde. Wie aus der vom Meldungsleger vorgelegten Tatortskizze hervorgehe, sei das Polizeifahrzeug zur Tatzeit in der Erzherzog-Eugenstraße knapp vor der Einmündung in die Kreuzung Plainstraße-August-Gruber-Straße-Erzherzog-Eugenstraße abgestellt gewesen. Es bestehe kein Anlaß, die diesbezüglichen Angaben des unter Diensteid stehenden Meldungslegers in irgendeiner Weise zu bezweifeln. Schlüssige Anhaltspunkte dafür, daß das Fahrzeug an der angegebenen Stelle vorschriftsmäßig (richtig wohl vorschriftswidrig) abgestellt gewesen sei, seien nicht hervorgekommen. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, vermöge dies nichts daran zu ändern, daß die von den Polizeibeamten von diesem Standort aus gewonnenen Feststellungen für das gegenständliche Verwaltungsverfahren verwertbar seien. In diesem Zusammenhang werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1061/71, verwiesen, in dem der Verwaltungsgerichtshof eine zum Erkenntnis vom , Zl. 1913/67, genau gegenteilige Ansicht vertreten habe. Im Hinblick auf die vorgelegte Tatortskizze erschienen die Angaben des Meldungslegers durchaus glaubwürdig, daß vom Standort des Polizeifahrzeuges die Fahrstrecke des Beschwerdeführers über einen Bereich von ca. 30 m vor bis ca. 30 m nach der Eisenbahnkreuzung ungetrübt einsehbar gewesen sei und daß die Polizeibeamten von diesem Standort aus die Nichtbeachtung des Vorschriftszeichens "Halt vor Kreuzung" durch den Beschwerdeführer in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise habe feststellen können. Wenn man sich weiters vor Augen halte, daß ein sich der dortigen Eisenbahnkreuzung nähernder Personenkraftwagenlenker zwecks Beachtung des Vorschriftszeichens "Halt vor Kreuzung" nur eine relativ niedere Geschwindigkeit habe einhalten können, so bestünden aber auch keine Bedenken hinsichtlich der weiteren Feststellung der Polizeibeamten, wonach der Beschwerdeführer in dem von ihnen einsehbaren 30 m-Bereich vor der Eisenbahnkreuzung ein mehrspuriges Kraftfahrzeug (nämlich einen Personenkraftwagen) überholt habe. Ein Wahrnehmungsirrtum der Polizeibeamten in der Richtung, daß sie ein Überholen des Beschwerdeführers unmittelbar vor der Eisenbahnkreuzung mit dem Vorbeifahren des Beschwerdeführers mit (richtig an) einem bereits vor der Eisenbahnkreuzung stehenden Personenkraftwagen verwechselt hätten, sei auf Grund des von den Straßenaufsichtsorganen gewählten Standortes mit völliger Sicherheit auszuschließen. Bei der gegebenen Beweislage sei aber die Verantwortung des Beschwerdeführers nicht ausreichend, um die "eigendienstlichen" Wahrnehmungen der in Ausübung ihres Dienstes befindlichen und unter Androhung von dienst- und strafrechtlichen Folgen zur Angabe der Wahrheit verpflichteten Polizeibeamten zu widerlegen. Auch die Aussage der Gattin des Beschwerdeführers vermöge die Glaubwürdigkeit der Polizeibeamten nicht zu erschüttern, zumal sie die Angaben des Beschwerdeführers nur in globaler Weise bestätigt und keine Schilderung des Sachverhaltes aus eigener Sicht heraus gegeben habe. Die dem Beschwerdeführer im Straferkenntnis der ersten Instanz unter lit. a zur Last gelegte Verwaltungsübertretung sei "im Hinblick auf den genauen Inhalt der Bestimmungen des § 16 Abs. 2 lit. b EKVO 1961" abzuändern gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid ausschließlich deswegen als rechtswidrig, weil er auf ein unzulässiges Beweismittel gestützt sei, tritt aber den von der belangten Behörde der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen nicht entgegen. Der Beschwerdeführer meint nur, auch die belangte Behörde nehme als erwiesen an, daß der Funkstreifenwagen, aus dem die Polizeibeamten die "Verkehrsübertretung" beobachtet haben, rechtswidrig entgegen der Vorschrift des § 24 StVO abgestellt gewesen sei. Daher hätten ihre Beobachtungen als unzulässige Beweismittel im Verwaltungsstrafverfahren nicht verwendet werden dürfen. Mit dieser Frage habe sich der Verwaltungsgerichtshof anläßlich eines Falles, bei dem eine Geschwindigkeitsüberschreitung durch ein nachfahrendes Polizeifahrzeug, welches ebenfalls mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, ausführlich auseinandergesetzt. Er sei dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß Beweismittels, die aus einer strafbaren Handlung gewonnen werden, nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1913/67).
Der Beschwerdeführer ist damit nicht im Recht. Gemäß § 46 AVG 1950, der gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dieser Gesetzesstelle kann nicht entnommen werden, daß ein Beweismittel deswegen zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nicht herangezogen werden darf, weil die Person, von der das Beweismittel stammt, in Kenntnis des Beweises durch eine Rechtsverletzung gelangte. So ist der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Meinung des Beschwerdeführers in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß es in der Regel keiner weiteren Überprüfung der Geschwindigkeit bedarf, wenn die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit durch Nachfahren mit dem Funkstreifenwagen und Ablesen des darin befindlichen Geschwindigkeitsmessers festgestellt wird (vgl. z.B. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 894/63, vom , Zl. 369/66, und vom , Zl. 1161/75, auf die ebenso wie hinsichtlich der in weiterer Folge zitierten, nicht veröffentlichten hg. Erkenntnisse unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird). Im Erkenntnis vom , Zlen. 2553, 2554/76, hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich ausgesprochen, daß es sich hiebei um ein zulässiges Beweismittel handelt. Auch aus dem Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1913/67, dem im übrigen nicht die Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch ein nachfahrendes Polizeifahrzeug, sondern eine gesetzwidrige Blutabnahme zugrundegelegen ist, kann für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon im Erkenntnis vom , Zl. 1061/71, ausgeführt, daß auch dann, wenn eine Person die Zustimmung zur Blutabnahme nicht gegeben hat, das Ergebnis dieser Blutabnahme dennoch nach den Bestimmungen des § 46 AVG 1950 als Beweismittel zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes herangezogen werden kann; insoweit allerdings nicht in gegenteiliger Ansicht zu dem vom Beschwerdeführer herangezogenen Erkenntnis vom , Zl. 1913/67. Denn wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 1021/76, ausführlich darlegte, erfolgte damals die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht deshalb, weil sich die belangte Behörde auf das Ergebnis einer Blutuntersuchung gestützt habe, die ohne Zustimmung des damaligen Beschwerdeführers unzulässigerweise durchgeführt worden war, sondern wegen einer möglichen Verwechslung der Blutprobe. In dem zuletzt angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, daß ein Beweismittel, welches durch eine Rechtsverletzung zustande gekommen ist, gemäß § 46 AVG 1950 zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes herangezogen werden darf. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, im Beschwerdefall von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, die der Beschwerdeführer zu Unrecht auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1913/67, stützt, liegt somit nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 in der vorzitierten Fassung in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze, BGBl. Nr. 542/1977, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Feststellen der Geschwindigkeit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1978:1977001107.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-53916