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VwGH 08.11.1973, 1090/73

VwGH 08.11.1973, 1090/73

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Die Gebührenpflicht eines Schuldscheines (§ 33 TP 8 GebG), in welchem jemand bestätigt, ein Darlehen in bestimmter Höhe erhalten zu haben, entsteht nicht, wenn das Darlehen im Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde noch nicht zugezählt war (Hinweis E , 2257/52, VwSlg 725 F/1953, E , 624/51, VwSlg 775 F/1953, E , 2887/55 und E , 987/65). Denn eine Gebührenpflicht für ein Rechtsgeschäft, das nicht (gültig) zustande kam, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Darlehensvertrag ist ein Realkontrakt, der erst mit der Zuzählung der Valuta zustande kommt.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1086/71 E VS VwSlg 4405 F/1972; RS 4
Normen
RS 2
Gegenstand des Gebührenanspruches ist nicht die Urkunde bzw deren Beweiskraft, sondern das Rechtsgeschäft.

Entscheidungstext

Beachte

Besprechung in:

ÖGZ 1975/18, S 456;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Schima, Dr. Reichel und Dr. Seiler als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Dr. Wimmer, über die Beschwerde der A-Sparkasse in G, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, RA in Graz, Kaiserfeldgasse 15, gegen den Bescheid der FLD für Stmk vom 21. 5. 1973 B 47/1-V/73, betreffend Gebühr von einem Darlehensvertrag, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrags des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, RA Dr. Leo Kaltenbäck und des Vertreters der belangten Behörde, W. Hofrat Dr. AF, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Hinsichtlich der Kosten wird ein abgesonderter Beschluß ergehen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin sicherte zwei Liegenschaftseigentümern zwecks Reparatur eines Hauses Darlehen in Höhe von S 50.000,-- zu. Ohne daß die Darlehensvaluta ausbezahlt worden wäre, unterfertigten die Liegenschaftseigentümer am einen Schuldschein, in dem sie bestätigten, ein Darlehen in der bezeichneten Höhe erhalten zu haben. Die Zuzählung des Darlehens erfolgte erst am . Das FA schrieb der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom unter Bezugnahme auf § 33 TP 8 Abs 1 des Gebührengesetzes 1957 BGBl 267 (GebG) eine Rechtsgebühr in Höhe von S 500,-- vor. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung und wies darauf hin, daß bei Unterfertigung des Schuldscheins die Darlehensvaluta noch nicht zugezählt und daher in diesem Zeitpunkt ein Darlehensvertrag noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Berufung ist von der FLD für Steiermark mit Bescheid vom abgewiesen worden. Diese Entscheidung begründete die Rechtsmittelbehörde vorerst mit der Feststellung, es sei allgemein bekannt, daß bei Darlehen von Kreditinstituten die im Schuldschein enthaltene Erklärung, ein Darlehen erhalten zu haben, von den Darlehenswerbern wegen der auf Grund des Schuldscheins durchzuführenden grundbücherlichen Sicherstellung vor dem Zeitpunkt der Zuzählung des Darlehens abgegeben werden müsse. Trotz Kenntnis dieses Umstands hätten weder die Vertragsparteien noch die Gerichte jemals die volle Beweiskraft eines solchen Schuldscheins bestritten, obwohl der Hinweis des VwGH in seinem Erk v , 1086/71, daß einer solchen Urkunde „keinerlei Parteienvereinbarungen zugrunde lägen“, im Zivilrecht hinsichtlich der Beweiskraft von Schuldurkunden ebenso relevant sein müsse wie im Bereich des GebG, in dem grundsätzlich auch nur Urkunden, die über den Abschluß eines gültig zustande gekommenen Rechtsgeschäfts Beweis machten, die Gebührenpflicht auslösten. Vor allem die Grundbuchsgerichte hätten die ihnen gerichtsbekannte Tatsache der Ausstellung des Schuldscheins vor Zustandekommen des Darlehens als Realvertrag nicht außer Betracht lassen dürfen, da doch gem § 26 Abs 2 des Grundbuchgesetzes Urkunden, wenn es sich um die Erwerbung oder Umänderung eines dinglichen Rechts handle, einen gültigen Rechtsgrund enthalten müßten, was jedoch bei den vor Darlehenszuzählung unterzeichneten Schuldscheinen nicht der Fall wäre, weil diesen nach Ansicht des VwGH keinerlei Parteienvereinbarung zugrunde läge. Gehe man von der jedermann bekannten Tatsache aus, daß bei Darlehen der Kreditinstitute der Schuldschein vor der Darlehenszuzählung ausgestellt werde, dann sei es unmöglich anzunehmen, daß dieser Umstand einzig und allein dem Gesetzgeber bei der Erlassung des GebG, das ganz allgemein die Gebührenpflicht von Darlehen anordne, unbekannt gewesen sei. Müsse dem Gesetzgeber aber die Kenntnis dieser Tatsache zugebilligt werden, dann sei die Auslegung unhaltbar, die zu dem Ergebnis führe, daß alle Darlehen von Kreditinstituten keiner Gebühr unterlägen, weil im Zeitpunkt der Schuldscheinausstellung noch kein gültiges Rechtsgeschäft vorläge, bei oder nach Zustandekommen des Rechtsgeschäfts aber keine Urkunde mehr ausgefertigt werde. Entspreche eine solche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers, dann wären die meisten Befreiungen des § 33 TP 8 Abs 2 GebG ebenso wie zahlreiche Gebührenbefreiungen in anderen Gesetzen inhaltslos und der Gesetzgeber hätte es nicht nötig gehabt, diese Bestimmungen überhaupt erst zu schaffen. Daß die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin unhaltbar sei, zeige sich auch daraus, daß der Gesetzgeber eine Novelle zum Wohnbauförderungsgesetz 1968 beschlossen habe, wonach gem § 35 dieses Gesetzes nunmehr auch die nach Maßgabe eines Finanzierungsplans zur Finanzierun geförderten Bauvorhaben gewährten Darlehen von der Rechtsgebühr befreit seien. Diese Befreiung wäre völlig unverständlich, wenn der Gesetzgeber die Auslegung billigen würde, daß Darlehen der Kreditinstitute wegen der vor der Zuzählung erfolgten Beurkundung ohnehin keiner Gebühr unterliegen könnten. Eine Auslegung des Gesetzes, die zwingend zu dem Ergebnis führe, der Gesetzgeber habe etwas Unvernünftiges angeordnet, widerspräche den fundamentalen Auslegungsregeln des § 6 ABGB, wonach einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden dürfe, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchte. Nach dieser Auslegungsregel müsse nicht nur auf den Zusammenhang zwischen den Worten des einzelnen Gesetzessatzes, sondern auch auf den Zusammenhang mit allen übrigen Gesetzessätzen der Rechtsordnung schlechthin Bedacht genommen werden. Im übrigen könne eine Auslegung nicht als dem Willen des Gesetzgebers entsprechend angesehen werden, wenn diese Auslegung demselben die Kenntnis der von ihm selbst geschaffenen Rechtsordnung abspreche. Den Grundsätzen des § 6 ABGB werde eine Auslegung des GebG, die die Gebührenpflicht eines vor der Zuzählung beurkundeten Darlehens eines Kreditinstituts verneine, möge diese Auslegung auf Grund der ihr zugrunde gelegten Prämisse zunächst durchaus vernünftig erscheinen, nicht gerecht, weil sie im System der gesamten Rechtsordnung keinen Platz finde. Wären in den Fällen der vorliegenden Art Schuldscheine keine rechtsbezeugenden Urkunden, dann könnten sie, wie schon ausgeführt worden sei, nicht die Grundlage für die Eintragung des Pfandrechts im Grundbuch bilden und es wäre sinnlos, daß der Pfandgläubiger sich vor Zuzählung des Darlehens einen Schuldschein ausstellen lasse, weil diesfalls weder der Darlehensschuldner noch die Gerichte verhalten wären, einen solchen Schuldschein als Beweisurkunde anzuerkennen. Würden in allen übrigen Bereichen der Rechtsordnung die vor Darlehenszuzählung ausgestellten Schuldscheine als Beweisurkunden anerkannt, dann würde es dem Auslegungsgrundsatz des § 6 ABGB widersprechen, einen solchen Schuldschein allein im Bereiche des GebG nicht als rechtsbezeugende Urkunde zu werten. Aus diesem Grund ergebe sich die Notwendigkeit einer Überprüfung der von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Auslegung dahin gehend, ob die dieser Auslegung zugrunde liegende Prämisse, wonach unter einer rechtsbezeugenden Urkunde ausnahmslos nur eine solche zu verstehen sei, die zeitfolgemäßig nach dem Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts ausgestellt werde, zutreffend sei. Es sei zweifellos richtig, daß das GebG an sich ein formales Gesetz sei. Dies schließe jedoch nicht aus, daß unter besonderen Umständen nicht auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise Platz zu greifen hätte. Der VwGH selbst habe im GebG die wirtschaftliche Betrachtungsweise jedenfalls nicht ohne weiteres ausgeschlossen. So sei im Erk v , 1182/54 allgemein erklärt worden, daß das Steuerrecht und auch das Recht über die Rechtsgeschäftsgebühren wirtschaftliche Vorgänge zur Grundlage habe und daß aus diesem Gesichtspunkt heraus sich für diese Rechtsgebiete Abweichungen von den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts ergeben, die in den Steuergesetzen selbst durch ausdrückliche Bestimmungen niedergelegt seien. Derartige Vorschriften seien vor allem in den §§ 5 und 6 Steueranpassungsgesetz enthalten gewesen. Diese Bestimmungen würden heute den Bestimmungen der §§ 21 und 22 BAO enteprechen, die als typische Bestimmungen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise anzusehen seien. Der VwGH habe somit selbst im Bereiche des GebG die wirtschaftliche Betrachtungsweise als maßgeblich anerkannt. Hieven sei er auch bisher nicht abgegangen; so sei beispielsweise im Erk v , 1682/54 erklärt worden, daß schon aus rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise - somit also nicht aus rechtlichen Erwägungen - kein vernünftiger Grund gegeben sei, zwei bestimmt bezeichnete Fälle gebührenrechtlich verschieden zu behandeln. Daß im GebG eine wirtschaftliche Betrachtungsweise dort berechtigt sei, wo ohne sie kein vernünftiges Auslegungsergebnis erzielbar wäre, erscheine im übrigen deshalb nicht unbegründet, weil das GebG das Rechtsgeschäft und nicht - dem System des Urkundensteuerrechts folgend - die ohne Bedachtnahme auf das Rechtsgeschäft errichtete Urkunde zum Gegenstand der Abgabenerhebung mache. Auch im vorliegenden Fall fehle ein vernünftiger Grund, einen vor Zuzählung eines Bankdarlehens errichteten Schuldschein, dem ansonst allgemeine Beweiskraft zuerkannt werde, nur im GebG die Eigenschaft einer rechtsbezeugenden Urkunde abzusprechen. Daß in diesen Fällen auch in gebührenrechtlicher Sicht eine rechtsbezeugende Urkunde vorliege, ergebe sich daraus, daß es zumindest in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht von entscheidender Bedeutung sei, in welcher zeitlichen Reihenfolge der Tatbestand der Errichtung einer Urkunde über ein Rechtsgeschäft verwirklicht werde. Werde ein Schuldschein vor der Darlehenszuzählung ausgefertigt, dann trete ein Schwebezustand ein, der im Zeitpunkt der Realisierung des Rechtsgeschäfts dergestalt beendet werde, daß ab diesem Zeitpunkt der Schuldschein als eine mit allen rechtlichen Wirkungen ausgestattete rechtsbezeugende Urkunde anzusehen sei. Von besonderer Bedeutung für die Entscheidung der gegenständlichen Rechtsfrage sei jedoch der bisher auch vom VwGH nicht berücksichtigte Umstand, daß bei Darlehen von Sparkassen der Darlehensbetrag erst nach Unterfertigung eines Schuldscheins und der auf Grund dieser durchzuführenden Pfandrechtseintragungen auszuzahlen sei. In der Sparkassenmustersatzung 1941, die mit Anordnung des Reichswirtschaftsministers v , IV Kred 5068/41, als eine auf der Stufe eines Gesetzes stehende Norm eingeführt worden sei und die nach Maßgabe des Rechts- bzw Behördenüberleitungsgesetzes weiterhin in Kraft stehe, sei der Vorgang der Vergabe von Darlehen geregelt. § 24 B 1 sehe die Gewährung von hypothekarisch sichergestellten Darlehen und Krediten (C 1 und VII Abs 2) vor. Bereits hier falle auf, daß klar zwischen Darlehen und Krediten unterschieden werde und dementsprechend Regelungen getroffen worden seien. Abschnitt C I regle die Hypothekardarlehen. Unter Abs 5 sei ausdrücklich angeordnet, daß der Darlehensbetrag erst nach Erfüllung bestimmter Bedingungen ausgezahlt werden dürfe. Zu diesen Bedingungen gehöre nach der lit b die Unterzeichnung einer einverleibungsfähigen Urkunde, in der sich der Schuldner zur Rückzahlung und Verzinsung des Darlehens verpflichte. Nach lit c müßten vor Auszahlung des Darlehensbetrags sämtliche mit der Sparkasse vereinbarten bücherlichen Eintragungen in die öffentlichen Bücher vollzogen sein. Berücksichtige man diese gesetzliche Bestimmung, dann werde es klar, daß ein vor Zuzählung des Darlehens errichteter Schuldschein schon deshalb vollen Beweis erbringe und den Forderungen einer einverleibungsfähigen Urkunde entspreche, weil der Gesetzgeber selbst einem solchen Schuldschein ausdrücklich die Eigenschaft einer rechtsbezeugenden Urkunde zuerkenne. Die Wirksamkeit dieser gesetzlichen Anordnung gelte nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung auch im Bereiche des GebG. Was der Gesetzgeber - zwingenden - wirtschaftlichen Notwendigkeiten folgend - in der Sparkassenmustersatzung angeordnet habe, entspreche dem Ergebnis einer auch ohne diese Anordnung sinnvollen Auslegung der Bestimmungen des GebG in Verbindung mit §§ 21 und 22 BAO. Aus allem zeige sich, daß der Gesetzgeber beim Darlehen die sich aus dem Wesen des Realvertrags ergebenden Rechtsfolgen hinsichtlich der Ausstellung beweiskräftiger und demnach auch die Gebührenpflicht auslösender Urkunden nicht mehr als rechtlich relevant ansehe.

Gegen diese Entscheidung der FLD für Steiermark vom richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde, über die der VwGH nach Durchführung der von den Parteien beantragten Verhandlung erwogen hat:

Gem § 33 TP 8 Abs 1 GebG unterliegen Darlehensverträge einer Rechtsgebühr. Nach § 15 Abs 1 GebG sind Rechtsgeschäfte nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird. Daraus ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß nicht die Urkunde, sondern das Rechtsgeschäft Gegenstand der Gebührenanforderung ist. Deshalb ist in jedem Gebührenfall zu prüfen, ob ein „Rechtsgeschäft“ beurkundet wird. Da der Darlehensvertrag (§ 983 ABGB) ein Realkontrakt ist, dh (erst) entsteht, „wenn jemandem verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, daß er zwar wirklich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit ebensoviel von derselben Gattung und Güte zurückgeben soll“, stellt der Schuldschein im Streitfall keine Urkunde über ein Rechtsgeschäft dar. Davon ausgehend war daher im Beschwerdefall, weil im Zeitpunkt der Errichtung des „Schuldscheins“ noch kein Darlehensvertrag zustande gekommen war, eine Gebührenschuld nicht entstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das hg Erk eines verstärkten Senats v 1086/ ff/71 hingewiesen. An seiner in diesem Erk eingehend begründeten Rechtsansicht hält der VwGH auch aus Anlaß des vorliegenden Rechtsfalls fest. Denn die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und in der von dieser im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift ins Treffen geführten Argumente sind keineswegs überzeugend. Wenn nämlich die belangte Behörde mit dem Hinweis darauf, daß das Grundbuchsgericht den streitigen Schuldschein als rechtsbezeugende Urkunde angesehen und demgem die grundbücherliche Sicherstellung des erst am zugezählten Darlehens durch Einverleibung der Hypothek verfügt hat, abzuleiten versucht, daß dem streitigen Schuldschein der Charakter einer rechtsbezeugenden Urkunde beigemessen wurde, so geht dies bei der dargelegten Rechtslage am Kern der Sache vorbei. Denn nochmals sei hervorgehoben, daß nicht die Urkunde bzw deren Beweiskraft, sondern das Rechtsgeschäft Gegenstand des Gebührenanspruchs ist (vgl das hg Erk v Slg 1399(F)). Die Beurkundung eines bereits abgeschlossenen oder gleichzeitig mit der Errichtung der Urkunde wirksam werdenden Rechtsgeschäfts ist lediglich die Bedingung, durch die die Gebührenschuld für das Rechtsgeschäft entsteht (vgl das hg Erk v Slg 775(F)). Der VwGH hat über dies verschiedentlich (so zB in dem oben zitierten Erk) die Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht, daß das strenge Urkundenprinzip im Hinblick auf § 17 Abs 2 GebG nicht für den dritten Abschnitt des GebG gilt und daß daher, wenn bewiesen wird, daß das „beurkundete Rechtsgeschäft“ nicht zustande gekommen ist, keine Gebührenpflicht für eine Urkunde, über ein nicht zustande gekommenes Rechtsgeschäft entsteht. Daher ist es für die gebührenrechtliche Behandlung des vorliegenden Beschwerdefalls ohne. Bedeutung, daß das Grundbuchsgericht der streitigen Urkunde volle Glaubwürdigkeit beigemessen hat, wenn sich im Gebührenverfahren herausstellt, daß ein gültiges gebührenpflichtiges Rechtsgeschäft trotz Beurkundung nicht zustande gekommen ist.

Aber auch der Hinweis der belangten Behörde auf § 21 BAO geht ins Leere. Für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist nämlich dort kein Raum, wo sich die Abgabepflicht an die Beurkundung eines „Rechtsgeschäfts“ knüpft. (vgl die Erk v , 1267/71 u v , 1229, 1230/71).

Der VwGH verkennt nicht, daß es im Wirtschaftsleben gang und gäbe ist, daß die Zuzählung der Darlehensvaluta von der zeitlich oft lange vorausliegenden Ausstellung eines Schuldscheins abhängig gemacht wird. Doch vermag im Hinblick auf § 15 Abs 1 und § 17 Abs 2 GebG eine bestimmte Praxis im Wirtschaftsleben keine neuen gesetzlichen Gebührentatbestände zu schaffen, daß also etwa bereits vor Abschluß eines Rechtsgeschäfts ausgestellte Urkunden einen Gebührenanspruch zur Entstehung bringen könnten. Auf diese Weise würde nämlich die Urkunde und nicht das Rechtsgeschäft zum Angelpunkt gebührenrechtlicher Betrachtung werden.

Wenn die belangte Behörde vermeint, daß die von der beschwerdeführenden Partei und auch vom VwGH vertretene Rechtsansicht zur Aushöhlung des Gebührentatbestands des § 33 TP 8 führte und daß dadurch die überwiegende Zahl der Darlehensgewährungen gebührenfrei bliebe, so muß ihr entgegengehalten werden, daß sie mit diesem keineswegs juristischen Argument die Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheids nicht zu stützen vermag. Die Bestimmung des § 33 TP 8 leg cit bleibt für alle jene Fälle, auch wenn sie selten sein sollten, aufrecht, in denen der Schuldschein eine rechtsbezeugende Urkunde bildet. Die Häufigkeit des Anwendungsfalls kann auf die Auslegung einer Rechtsvorschrift keinen Einfluß haben.

Die belangte Behörde weist schließlich auf die zahlreichen Gebührenbefreiungsbestimmungen hin (wie etwa den § 2 lit a des Bundesgesetzes vom BGBl 1949/24 betr die Gewährung von Gebührenbefreiungen für Anleihen von Gebietskörperschaften, den § 14 Abs 1 des Wohnungsverbesserungsgesetzes BGBl 1969/426 und schließlich den § 35 des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 idF BGBl 1972/232), die bei Aufrechterhaltung des oben dargelegten Rechtsstandpunkts inhaltslos würden, weil es gerade in diesen Gebührenfällen die Regel bedeute, daß Schuldscheine bereits vor der Zuzählung der Darlehensvaluta ausgestellt würden. Sie hält dafür, daß es der Gesetzgeber nicht notwendig gehabt hätte, Befreiungsbestimmungen zu schaffen, deren es gar nicht bedurft hätte, woraus vernünftigerweise zu schließen sei, daß auch vor Zuzählung der Darlehensvaluta ausgestellte Schuldscheine gebührenpflichtig sein müßten. Der Gerichtshof verschließt sich nicht diesem Argument, hält ihm aber entgegen, daß zutreffendenfalls darin ein unlösbarer Widerspruch zu § 16 Abs 1 Z 2 GebG zutage treten würde.

An dieser Stelle wird festgelegt, daß die Gebührenschuld bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften - wie dem Darlehen - (wenn die Urkunde im Inland errichtet wurde), entsteht,

a) wenn die Urkunde nur von dem unterzeichnet wird, der sich verbindet, im Zeitpunkt der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den Berechtigten oder dessen Vertreter,

b) wenn die Urkunde auch von dem Berechtigten unterzeichnet wird, im Zeitpunkt der Unterzeichnung.

Da die Gebührenschuld ein Rechtsgeschäft voraussetzt, das in Fällen wie dem vorliegenden noch gar nicht vorliegt, würde die Rechtsauffassung der belangten Behörde dazu führen, daß die Gebührenschuld bereits entstünde, bevor noch der gebührenpflichtige Tatbestand vollendet wäre, eine Folge, die schlechthin abzulehnen ist, oder es würde die Gebührenschuld überhaupt nicht entstehen, weil es neben der Regelung im § 16 Abs 1 Z 2 GebG keine andere Norm gibt, die den Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld in Fällen wie dem vorliegenden anders festlegt.

Da die belangte Behörde somit durch ihre Entscheidung das Gesetz verletzt hat, war die Beschwerde begründet und der angefochtene Bescheid gem § 42 Abs 2 lit a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Abspruch über die beantragten Kosten wird einem abgesonderten Beschluß vorbehalten.

Wien, am

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Fundstelle(n):
EAAAF-53861

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