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VwGH 08.11.1973, 1072/73

VwGH 08.11.1973, 1072/73

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
DSchG 1923 §1 Abs1;
RS 1
Wird ein einzelnes Objekt wegen der ihm allein anhaftenden Eigenschaften unter Denkmalschutz gestellt, dann ist es unerheblich, ob die Umgebung des Gebäudes eine wesentliche Veränderung erfahren hat.

Die Unterschutzstellung erfolgt nicht wegen einer - derzeit als ausschließlicher Grund des Schutzes gesetzlich nicht vorgesehenen -

Ensemblewirkung, sondern wegen des Objektes an sich.
Norm
DSchG 1923 §1 Abs1;
RS 2
Mangelnde Erkennbarkeit des früheren Zweckes eines Gebäudes stellt kein Hindernis für eine Unterschutzstellung dar. Zweckbauten aus früherer Zeit für eine Verwendung, die es heute nicht mehr gibt, sind für Menschen der Gegenwart nicht immer ohne weiteres erkennbar. Dennoch soll aus kulturhistorischen Gründen der Zustand eines solchen Zweckbaues erhalten werden. Eine bloße Erinnerung, etwa durch eine Hinweistafel oder eine Fotografie ist der Erhaltung des Denkmales nicht gleichwertig und gesetzlich nicht vorgesehen. Auch der Verlust der Zweckbestimmung eines Gebäudes bildet kein Hindernis für eine Unterschutzstellung, weil eine solche sogar im Hinblick auf ein einmaliges Ereignis (zB. Geburtshaus einer berühmten Persönlichkeit) aus historischen Gründen gerechtfertigt sein kann (hier: Mauthaus - Wien, Am Tabor 2).
Normen
AVG §43 Abs1;
AVG §7 Abs1 Z4;
BAO §76 impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
RS 3
Eine Befangenheit des Verhandlungsleiters ist nicht anzunehmen, wenn ein Teil des Protokolles über den Lokalaugenschein über die Feststellung von Tatsachen hinausgeht.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Hinterauer, Dr. Knoll, Dr. Zach und Dr. Karlik als Richter, im Beisein des Schriftführers Universitätsassistentin Dr. Stadler, über die Beschwerde der A-KG in W, vertreten durch Dr. Julius Jeannee, Rechtsanwalt in Wien I, Pestalozzigasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vom , Zl. 351-163-III/3/73, betreffend Denkmalschutz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei ist Eigentümerin des Hauses Am Tabor 2 (altes Mautamtsgebäude). Das Bundesdenkmalamt teilte der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom im Sinne der §§ 37 und 45 Abs. 3 AVG 1950 mit, daß es beabsichtige, das Haus Wien 2, Am Tabor 2, wegen seiner künstlerischen und kulturellen Bedeutung gemäß §§ 1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. Nr. 533/1923, unter Denkmalschutz zu stellen.

Die beschwerdeführende Partei sprach sich mit Schreiben vom gegen eine Unterschutzstellung des gegenständlichen Objektes aus und legte ein Gutachten des Professors EW vor. In diesem ist ausgeführt:

"Zur künstlerischen Bedeutung:

Es ist kein Zweifel, daß das Haus Am Tabor 2 ein schönes Haus aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist, sicherlich war das Objekt in der seinerzeitigen vorstädtischen Baulandschaft ein akzentuierender Bestandteil. Diese Baulandschaft ist vollständig verschwunden und hat einer völlig gesichtslosen Umgebung Platz gemacht. Durch die verschiedenen Straßenregulierungen bis heute ist das Haus cirka 1,50 m tief versunken. Umgebung, Veränderung der Lage und fortschreitende Devastierung haben den künstlerischen Wert weitgehend gemindert. Dieses Bauwerk heute als ein isoliertes Kunstwerk zu sehen, ist aus der tatsächlichen Situation nicht erklärbar. Es ist vielmehr festzustellen, daß die gesamträumliche Situation der Umgebung des Objektes dieses zu einer künstlerischen Karikatur degradiert. Das Objekt ist nicht imstande, auch nur noch die Andeutung einer Akzentuierung zu sein. Eine Unterschutzstellung wegen künstlerischer Bedeutung erscheint daher fragwürdig.

Zur kulturellen Bedeutung:

Die Tatsache, daß es sich bei dem Objekt um das 'alte Mautamts-Gebäude beim einstigen Brückenkopf am Tabor' handelt, wird dann als kulturell bedeutungsvoll verstanden werden können, wenn in irgendeiner Weise die Funktion des seinerzeitigen Mauthauses noch erkennbar wäre. Ein Mauthaus ist aber andererseits kaum etwas anderes als ein Wohnhaus. Wodurch soll also dem Publikum die kulturelle Bedeutung deutlich werden, außer der Tafel mit den drei Fähnchen? Das Haus Am Tabor war ein reines Zweckobjekt, wenn auch ein schönes. Es in den Rang eines isolierten, künstlerischen und kulturellen Monuments zu erheben, widerspricht dem Charakter dieses Objektes. Eine akzentuierende Bedeutung in der städtischen Landschaft, die es heute umgibt, kann es nicht mehr haben. Eine Revitalisierung, ohne die Bauobjekte dieser Art in einem lebendigen Stadtorganismus nicht erhalten werden können - außer es sind einmalige Monumente kann für dieses Objekt kaum gefunden werden. Mit Sicherheit nicht eine solche, die die aufgewendeten Mittel nur annähernd in die Beziehung einer berechtigten Rendite bringt. So bedauerlich es auch in diesem Falle sein mag, muß festgestellt werden, daß der Nutzen der Allgemeinheit, für die eine solche Unterschutzstellung geschieht, wesentlich zu gering erscheint, um die Lasten zu rechtfertigen, die dadurch dem privaten Eigentümer auferlegt werden. Darüber hinaus können durch eine Unterschutzstellung, die keinen ausreichenden Vorteil für die Allgemeinheit darstellt, auch bedenkliche Verletzungen von Rechtsgrundsätzen eintreten."

Das Bundesdenkmalamt stellte mit Bescheid vom fest, daß die Erhaltung des alten Mauthauses in Wien 2, Am Tabor 2, gemäß den §§ 1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes im öffentlichen Interesse gelegen sei. In der Begründung ist ausgeführt, das beschriebene Objekt zeichne sich durch folgende Eigenschaften aus:

Beim zweigeschossigen Eckhaus Taborstraße - Am Tabor handelt es sich um das alte Mautamts-Gebäude beim einstigen Brückenkopf am Tabor. Es stellt eine hufeisenförmige Anlage um einen kleinen Hof dar und stammt aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Fassade der Taborstraßenseite weist acht Fensterachsen, die Seite zum Tabor zehn Fensterachsen auf; in der vierten Achse, von der Ecke gezählt, befindet sich das rustizierte Rundbogentor. Die Einfahrt ist in Form einer Korbbogentonne mit Stichkappen gewölbt. Die Decke des linker Hand liegenden Stiegenhauses ist stuckiert. Im Hof gegenüber der Einfahrt befindet sich ein zweites Stiegenhaus. Sämtliche Fenstern hof- und gassenseitig, besitzen Steingewände mit Sohlbänken. Bei einen Großteil der Erdgeschoßfenster sind die originalen schmiedeeisernen Fenstergitter mit Rautenmuster noch vorhanden. Proportion und Detailformen geben dem Objekt eine künstlerische Bedeutung.

Das Bundesdenkmalamt verwies auf nachfolgende einschlägige Literatur: R. Messner, Die Leopoldstadt im Vormärz, Wien 1962, Seite 69; L. M. Weschel, Die Leopoldstadt bei Wien, Wien 1824, Seite 585; o. A. des unteren Werds oder der heutigen Leopoldstadt, Wien 1812; Österreichische Kunsttopographie, Band XV, H. Hassinger, Kunsthistorischer Atlas, Wien 1916, Seite 98.

In der weiteren Bescheidbegründung führte das Bundesdenkmalamt aus, die vorstehend angeführte Beschreibung des Objektes erweise eindeutig seinen Denkmalcharakter im Sinne des § 1 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes. Bei der Bestreitung dieses Denkmalcharakters durch die beschwerdeführende Partei stütze sie sich vornehmlich auf das Gutachten des Prof. W. Dieser bestreite keineswegs die ästhetischen Qualitäten des Gebäudes, vermeine jedoch, "daß die gesamträumliche Situation der Umgebung des Objektes dieses zu einer künstlerischen Karikatur degradiert". Nach seiner Ansicht "war das Objekt in der seinerzeitigen vorstädtischen Baulandschaft ein akzentuierender Bestandteil". Dem sei allerdings entgegenzuhalten, daß das Mauthaus bei seiner Errichtung zu Anfang des 18. Jahrhunderts und noch viel später mit seinen Nebengebäuden völlig frei in der damals noch ländlichen Gegend an der noch unregulierten Donau gestanden ist. Dies sei beispielsgreise aus der Scenographie (Vogelschau) von Josef Daniel Huber (1769 - 1774) ersichtlich. Mit dem allmählichen Wachstum der Leopoldstadt und dem großstädtischen Ausbau des 2. Bezirkes nach der Donauregulierung am Ende des vorigen Jahrhunderts habe sich die Umgebung des Gebäudes völlig verändert, in mancher Hinsicht sicherlich nicht zum Vorteil, doch gewinne diese Umgebung gerade durch das Haus, eben weil es an die frühere Situation erinnere, einen bestimmten Reiz. Es könne nicht bestritten werden, daß die lang dauernde Vernachlässigung des Gebäudes seinen ästhetischen oder künstlerischen Wert gemindert habe, jedoch keineswegs in solchem Maß, daß das Haus deshalb nicht mehr als Denkmal anzusprechen sei. Wenn weiters behauptet werde, das Haus sei ein reines Zweckobjekt gewesen und als Mauthaus "kaum etwas anderes als ein Wohnhaus", seine kulturelle Bedeutung sei somit für das Publikum nicht mehr erkennbar, so könne mit diesem Argument dem Gebäude schwerlich die kulturelle Bedeutung abgesprochen werden. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Denkmals besage, das die Öffentlichkeit, das ist die Allgemeinheit, der Staat, ein Interesse daran habe, die aus der Vergangenheit überlieferten Zeugnisse seiner Geschichte und seiner Kultur zu bewahren. Dabei ist es unerheblich, ob dem einzelnen Betrachter oder einem bestimmten Kreis von Menschen diese kulturellen Werte sichtbar, bzw. bewußt werden. So sei für den Laien bzw. für das breite Publikum im allgemeinen die ursprüngliche Funktion - und damit nach Auffassung der Partei die kulturelle Bedeutung nur bei Sakralbauten, Wehrbauten oder spezifischen Nutzbauten, wie etwa einer Mühle, ohne weiteres erkennbar. Schon bei manchen Repräsentationsbauten aus früheren Jahrhunderten werde sich dem Laien die ursprüngliche Funktion nicht ohne zusätzliche Belehrung erschließen. Sicherlich würden viele Menschen das Haus Am Tabor 2 mit besonderem Interesse betrachten, wenn sie durch eine Tafel erfahren, daß dies die Maut am einstigen jahrhundertealten Donauübergang nach Wien gewesen ist.

Die übrigen Einwände, nämlich der Bauzustand des Objektes, die Unwirtschaftlichkeit der Sanierung sowie die verkehrsbehindernde Lage des Objektes, seien auf Grund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung der Frage einer Unterschutzstellung nicht zu berücksichtigen, da sie am Wesen des durch das Denkmalschutzgesetz normierten Denkmalschutzes vorbeigingen (Hinweis auf die Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse vom , Zl. 521/56, und vom , Zl. 1377/64). Damit steht fest, daß das in Rede stehende Objekt künstlerische und kulturelle Bedeutung besitze, sohin als Denkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes zu betrachten sei. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieses Denkmals sei damit begründet, daß es das letzte noch erhaltene Mauthaus Wiens aus dem 18. Jahrhundert darstellt. Es bezeuge in seiner Form die kulturelle Haltung der Barockzeit, die auch ärarische Gebäude nicht nur nach funktionellen, sondern auch nach künstlerischen Gesichtspunkten zu gestalten wußte. Durch seine Lage sei es auch als siedlungsgeschichtliches Dokument zu betrachten, da es die Situation an dem jahrhundertelang bestehenden Brückenkopf Am Tabor kennzeichne. Es handle sich somit um ein Denkmal, bei dem sich künstlerische und kulturelle Bedeutung überlagerten. Das Gebäude sei seit jeher Eigentum des Staates gewesen und somit bis zu seiner ohne Wissen und Zustimmung des Bundesdenkmalamtes erfolgten Veräußerung als Denkmal ex lege unter Denkmalschutz gestanden.

Auf Grund der Berufung der beschwerdeführenden Partei ordnete die belangte Behörde für einen Lokalaugenschein an. In dem darüber aufgenommenen Protokoll ist angeführt, die Baubeschreibung im Bescheid des Bundesdenkmalamtes habe sich als richtig herausgestellt. Die Ausstattung (Türen, Fenster, Gitter) seien zu einem beachtlichen Teil noch im Original vorhanden. Von der beschwerdeführenden Partei sowie vom Vertreter der Magistratsabteilung 36 sei die Schadhaftigkeit des Gebäudes in den Vordergrund gestellt worden. Auf Grund der Aktenunterlagen der genannten Magistratsabteilung würde die Renovierung des Objektes nach dem Stand 1971 600.000,-- S kosten. Schäden bestünden vor allem bei einer Reihe von Dippelbäumen. Die Dachhaut sei gut und offenbar vor nicht allzu langer Zeit überholt worden. Senkungsrisse seien vorhanden, aber nach Ansicht des Vertreters der Magistratsabteilung 36 nicht von einem Ausmaß, das unmittelbar zur Besorgnis Anlaß geben könnte; die Anbringung von Spionen während etwa zweier Jahre könnte erst zeigen, ob eine solche Besorgnis nicht vielleicht doch am Platz wäre. Nach Ansicht des Vertreters der Magistratsabteilung 36 bestünden wohl große zu reparierende Schäden, die aber nicht von solcher Art seien, daß etwa außerordentliche technische Sanierungsmethoden zu ihrer Behebung nötig seien. Der selbe Vertreter habe darauf hingewiesen, daß die Renovierung des Hauses einen 57,5-fachen Mietzins für die Parteien mit sich bringen würde, da der Friedensmietzins lediglich 1.586,-- monatlich betrage. Der Eigentümer des im gegenständlichen Objekt untergebrachten Süßwarenerzeugungsbetriebes habe seine Bereitschaft erklärt, das Objekt zu kaufen und auf eigene Kosten instandzusetzen. Als problematisch hätten der Vertreter der Magistratsabteilung 36 und vor allem ein anwesender Bezirksrat die Verkehrssituation bezeichnet. Dazu sei an Ort und Stelle festgestellt worden, daß die Erlassung (Beibehaltung) eines Halteverbotes an der gegenständliche Stelle, ferner die Arkadierung des Hauses für Fußgänger (vom Landeskonservator für Wien als durchaus vertretbar bezeichnet) und die Auflassung des Gehsteiges an dieser Stelle bereits zu einer fühlbaren Verkehrsverbesserung führen würde, so daß den Autofahrern an dieser Stelle eine Fahrbahn zur Verfügung stehen würde, die nur um weniges enger wäre, als die ihnen ansonsten in der Taborstraße zur Verfügung stehende Fahrbahn, welche ohnehin links und rechts von parkenden Autos eingeengt werde. Abschließend wurde im Protokoll festgestellt, daß auf Grund des Lokalaugenscheines gesagt werden könne, daß die Bedeutung des gegenständlichen Hauses wohl in seiner künstlerischen Qualität (vor allem im Inneren), aber noch stärker in seiner historisch-kulturellen Einmaligkeit als letztes erhaltenes Mauthaus Wiens zu sehen sei.

In ihrer Stellungnahme zu diesem Protokoll bemängelte die beschwerdeführende Partei zunächst, der Verhandlungsleiter habe mit der erwähnten abschließenden Feststellung bereits die Entscheidung vorweggenommen, weshalb die Objektivität nicht mehr gewährleistet sei. Ferner führte sie aus, die Renovierungsarbeiten würden einen Millionenaufwand erfordern, die Verkehrssituation könne nur durch die Abtragung des Hauses wesentlich verbessert werden und die Kaufabsicht des Eigentümers des Süßwarenbetriebes sei rechtlich bedeutungslos.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 13 des Denkmalschutzgesetzes und mit § 4 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 205, keine Folge und bestätigte den Bescheid des Bundesdenkmalamtes vollinhaltlich. In der Begründung führte sie aus, das Bundesdenkmalamt habe das gegenständliche Haus sowohl aus künstlerischen als auch aus kulturellen Gründen, nämlich als letztes erhaltenes Mauthaus in Wien, unter Schutz gestellt. Die künstlerische Wirkung sei durch Vernachlässigung der Instandhaltung, aber auch durch eine Veränderung der Umgebung (größere Häuser, Hebung des Staßenniveaus) besonders im Äußeren beeinträchtigt. Der Lokalaugenschein habe aber nicht die Ansicht des Prof. W bestätigt, daß das Haus infolge der Veränderung der Umgebung zu einer "künstlerischen Karikatur" geworden sei. Die belangte Behörde sehe im gegenständlichen Haus erst in zweiter Linie ein künstlerisches Denkmal. Vielmehr handle es sich um ein geschichtlich-kulturelles Denkmal von größter Wichtigkeit, da es sich um das letzte erhaltene Mauthaus Wiens handle. Es stelle in seinem noch in vielem original erhaltenen Bauzustand ein einmaliges Dokument eines Mauthauses dar, das als reiner Zweckbau gleichzeitig bemerkenswerte künstlerische Akzentuiertheit aufweise. Gerade der Umstand, daß anläßlich des Lokalaugenscheins von verschiedenen Teilnehmern behauptet wurde, in der Bevölkerung halte sich hartnäckig das Gerücht, das gegenständliche Gebäude sei einmal das Jagdschloß der Kaiserin Maria Theresia gewesen, beweise, wie notwendig die Erhaltung dieses Objektes sei, um damit zu dokumentieren, in welcher Form Zweckbauten des 18. Jahrhunderts oftmals errichtet wurden. Die Berufung habe gegen die Tatsache der Einmaligkeit nichts vorzubringen gehabt. Die Berufungsausführung, es genüge wohl, durch eine Tafel daran zu erinnern, daß hier einmal ein Mauthaus gestanden sei, oder die Ausführungen, die Bevölkerung wisse ohnehin nicht Bescheid um die einstmalige Verwendung dieses Hauses, gehe am Wesen des Denkmalschutzes vorbei, der die Erhaltung künstlerischer, geschichtlicher und sonstiger kultureller (Original-) Denkmale bezwecke.

Hinsichtlich der der Kosten sei die belangte Behörde davon überzeugt, daß der beim Lokalaugenschein genannte Betrag von S 600.000,-- sogar zu hoch gegriffen sei; auch nach Einsicht in den Akt der Magistratsabteilung 36 (Abbruchsauftrag) sei die belangte Behörde von der absoluten Notwendigkeit der Durchführung derart umfangreicher Renovierungsarbeiten nicht unbedingt überzeugt. Diese Frage sei aber für das Verfahren nach dem Denkmalschutzgesetz rechtlich nicht relevant. Zur Verbesserung der Verkehrssituation seien während des Lokalaugenscheines Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt worden. Abschließend stellte die belangte Behörde fest, dem künstlerisch beachtlichen Objekt komme als letztem und überdies noch in großen Teilen original erhaltenem ehemaligen Mauthaus so große künstlerische, aber noch mehr geschichtlich-kulturelle Bedeutung zu, daß seine Erhaltung unbedingt im öffentlichen Interesse gelegen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird, erwogen:

In ihrer Rechtsrüge bemängelt die beschwerdeführende Partei zunächst, die belangte Behörde habe zu Unrecht in dem Bauwerk ein isoliertes Kunstwerk gesehen, weil die Baulandschaft der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, innerhalb welcher das Objekt ein akzentuierender Bestandteil gewesen sei, heute völlig verschwunden sei. Die heutige Umgebung, Veränderung der Lage, fortschreitende Devastierung hätten den künstlerischen Wert zunichte gemacht. Darauf ist der beschwerdeführenden Partei zu erwidern, daß mit dem angefochtenen Bescheid ein einzelnes Objekt wegen der ihm allein anhaftenden Eigenschaften unter Denkmalschutz gestellt wurde, weshalb es unerheblich ist, ob die Umgebung des Gebäudes wesentliche Veränderung erfahren hat. Die Unterschutzstellung ist nicht wegen einer - derzeit als ausschließlicher Grund des Schutzes gesetzlich gar nicht vorgesehenen - Ensemblewirkung, sondern wegen des Objektes an sich erfolgt. Die behauptete Devastierung bezieht sich nach dem Ergebnis des Lokalaugenscheines ausschließlich auf das äußere Erscheinungsbild, jedoch nicht auf die Einzelheiten, für die die künstlerische Bedeutung - die im übrigen nach dem angefochtenen Bescheid nur zum Teil Ursache der Unterschutzstellung waren - unbestrittenermaßen nicht verloren gegangen ist.

Mangelnde Erkennbarkeit des früheren Zweckes des Gebäudes, auf welche die beschwerdeführende Partei hinweist, stellt kein Hindernis für eine Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz dar. Zweckbauten aus früherer Zeit für eine Verwendung, die es heute nicht mehr gibt, sind für Menschen der Gegenwart nicht immer ohne weiteres erkennbar. Dennoch soll aus kulturhistorischen Gründen der Zustand eines solchen Zweckbaues erhalten werden. Eine bloße Erinnerung, etwa durch eine Hinweistafel oder eine Fotographie ist der Erhaltung des Denkmales nicht gleichwertig und daher im Denkmalschutzgesetz nicht vorgesehen. Auch der Verlust der Zweckbestimmung eines Gebäudes bildet kein Hindernis für eine Unterschutzstellung, weil eine solche sogar im Hinblick auf ein einmaliges Ereignis (z.B. Geburtshaus einer berühmten Persönlichkeit) aus historischen Gründen gerechtfertigt sein kann.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid nicht nur mit der Frage der künstlerischen und kulturhistorischen Bedeutung des gegenständlichen Objektes auseinandergesetzt, sondern auch zur Frage der öffentlichen Interessen Stellung genommen. Sie hat hiebei die Erhaltungswürdigkeit des letzten noch vorhandenen Mauthauses vom Standpunkt öffentlicher Interessen höher eingeschätzt als die Verkehrsinteressen, für die anläßlich des Lokalaugenscheins eine Lösung unter Wahrung der Denkmalschutzinteressen angeboten und auch für realisierbar erklärt wurde. Daß sich die belangte Behörde, wie die beschwerdeführende Partei behauptet, über das Gutachten des Prof. W hinweggesetzt habe, ohne diesen oder einen anderen Sachverständigen zur Schutzwürdigkeit des gegenständlichen Bauwerkes zu hören, ist unzutreffend. Die belangte Behörde hat das Gutachten des Prof. W nur insoweit außer Betracht gelassen, als es sich auf nicht entscheidungswesentliche Umstände (etwa Baulandschaft) bezieht.

Was schließlich den Vorwurf der mangelnden Objektivität der einschreitenden Instanz anbelangt, die dadurch gegeben sei, daß der Verhandlungsleiter beim Lokalaugenschein der Entscheidung der belangten Behörde vorgegriffen habe, so ist der beschwerdeführenden Partei zu erwidern, daß war der letzte Absatz des Protokolles über den Lokalaugenschein über die Feststellung von Tatsachen hinausgeht, deshalb aber eine Befangenheit des Verhandlungsleiters nicht anzunehmen ist. Die übrigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens reichen durchaus hin, die künstlerische und kulturhistorische Bedeutung des Bauwerkes festzustellen, so daß der erwähnte Umstand keinen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führen könne.

Da die Beschwerdeausführungen nicht geeignet waren, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, erwies sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Ausspruch über der Aufwandersatz stützt sich auf § 47 Abs. 1 und § 48 Abas. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. 1 B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 427.

Wien, am

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AVG §43 Abs1;
AVG §7 Abs1 Z4;
BAO §76 impl;
DSchG 1923 §1 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
Sammlungsnummer
VwSlg 8493 A/1973
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Befangenheit offenbare Unrichtigkeiten
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1973:1973001072.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-53805