VwGH 20.12.1963, 1072/63
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | |
RS 1 | Die Ablöse eines beim Erwerb einer Liegenschaft bereits bestehenden Fruchtgenußrechtes gegen Leistung einer Leibrente an die ehemalige Verkäuferin ist unter dem Titel "nachträgliche Anschaffungskosten" bei der zum Betriebsvermögen gehörigen Liegenschaft zu aktivieren; die Leibrentenschuld ist zu passivieren und die geleisteten Leibrenten sind von dieser Schuld abzubuchen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Koprivnikar, Dr. Schimetschek, und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzoberkommissärs Dr. Walter, über die Beschwerde der Spar- und Darlehenskasse NN, registrierte Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung, in XY gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 80 - 5/1963, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1959 und 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Spar- und Darlehenskasse hat in den Jahren 1950 bis 1958 nach und nach die Miteigentumsanteile an der Liegenschaft D., E-gasse 2, von Maria H. erworben. Die Liegenschaft war laut Einantwortungsurkunde vom mit dem lebenslänglichen Fruchtgenußrecht für Maria H. (geboren 1873) belastet. Vom Fruchtgenuß war auch die unbebaute Grundparzelle 6820 (Ausmaß 10 a 12 m2) erfaßt. Die Beschwerdeführerin, die die Zustimmung der Nutzungsberechtigten, auf der erwähnten Grundparzelle einen Erweiterungsbau ihres Gebäudes zu errichten, nicht erlangen konnte, brachte gegen diese eine auf § 516 ABGB gestützte Klage ein. In der Streitverhandlung vom verzichtete die beklagte Partei auf das ihr an dem erwähnten Grundstück zustehende lebenslängliche Fruchtgenußrecht, während die Beschwerdeführerin die Verpflichtung einging, der Beklagten ab dem auf Lebensdauer monatlich eine Rente von S 3.000,-- zu bezahlen. Die Zahlungsverpflichtung sollte auch für den Fall erlöschen, daß über das Vermögen der Beklagten das Konkurs- oder das Ausgleichsverfahren eröffnet wird. Anläßlich einer im Jahre 1962 vorgenommenen Betriebsprüfung sah der Prüfer die Ablöse für das Fruchtgenußrecht als zusätzlichen Kaufpreis an und aktivierte diesen gemäß § 16 BewG im Hinblick auf das Alter der Nutzungsberechtigten mit dem dreifachen Betrag der jährlichen Rentenleistungen. Gleichzeitig sei aber ein Schuldposten in der vollen Höhe zu bilden und die Rentenzahlung von diesem abzusetzen. Füglich schlug der Prüfer die von der Beschwerdeführerin als Betriebsausgabe behandelte Rente im Jahre 1959 mit dem Betrag von S 7.500,-- und im Jahre 1960 mit S 36.000,-- dem Gewinn hinzu.
Die Beschwerdeführerin brachte gegen die für die erwähnten Jahre vom Finanzamt auf Grund der Betriebsprüfung erlassenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbescheide Berufung ein. Diese wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die von der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung, es handle sich bei der Ablöse des Fruchtgenußrechtes wirtschaftlich gesehen nur um eine Miete, sei schon deshalb unhaltbar, weil die Beschwerdeführerin in kein gültiges Bestandverhältnis zwischen der Fruchtgenußberechtigten und einer dritten Person eingetreten sei und dieser etwa eine Ablöse bezahlt habe. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin der Fruchtgenußberechtigten eine laufende Ablöse bezahlt. Die Frage aber, ob die Beschwerdeführerin durch die Bezahlung der Leibrente für den Verzicht auf das Fruchtgenußrecht ein Wirtschaftsgut erworben habe, sei zu bejahen. Die Fruchtgenußberechtigte habe das Recht besessen, Bestandverträge mit Dritten abzuschließen. Im Hinblick darauf sei aber die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Verwertung des gegenständlichen Grundstückes so eingeschränkt worden, daß es für sie wirtschaftlich wertlos gewesen sei. Diese Werteinbuße sei wohl auch im Kaufpreis berücksichtigt worden. Durch die Ablöse des Fruchtgenußrechtes sei erst "der wirtschaftlich richtige Preis" zustandegekommen. Mithin könnten diese Zahlungen nicht als Gegenleistung auf Grund eines behaupteten Bestandverhältnisses, sondern nur als zusätzlicher Kaufpreis angesehen werden. Zu den Anschaffungskosten eines Grundstückes seien im Sinne des § 6 EStG alle unmittelbaren und mittelbaren Aufwendungen zu rechnen, die zur Beschaffung des uneingeschränkten Eigentums erforderlich seien.
Es sei aber auch das Begehren der Beschwerdeführerin, die Aktivierung nur nach den in den Jahren 1959 bis 1961 tatsächlich geleisteten Rentenzahlungen vorzunehmen, nicht begründet. Der Hinweis auf § 16 Abs. 3 BewG gehe fehl, weil diese Bestimmung auf Personen, die über 80 Jahre alt seien, nicht angewendet werde. Übrigens sei sie im Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerrecht überhaupt nicht anzuwenden. Vielmehr sei bei der Erfassung der zusätzlichen Anschaffungskosten der Zeitpunkt der Ablösung des Fruchtgenußrechtes () und die Tatsache, daß die Berechtigte zu dieser Zeit bereits 86 Jahre alt war, zugrunde zu legen gewesen. Es habe sich die Übung herausgebildet, in einem solchen Fall nach § 16 Abs. 2 BewG vorzugehen, sodaß vorliegend nur das Dreifache der einjährigen Nutzung anzunehmen gewesen sei. Übrigens würde auch nach versicherungsmathematischen Grundsätzen der Leibrente mit dem 3,937-fachen der jährlichen Rente anzusetzen sein.
Das Vorliegen eines niedrigeren Teilwertes sei von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden. Auch müßte bei Schulden im Hinblick auf § 6 EStG der Höchstwert angesetzt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerde geht von der Annahme aus, daß die Belastung eines Grundstückes mit einem Fruchtgenußrecht eine Minderung seines Wertes um die Zinsen nach sich ziehe, die das in dem Grundstück verkörperte Kapital während der mutmaßlichen Dauer des Fruchtgenusses abwerfen würde. Ein Erwerber eines solchen Grundstückes würde daher eine Abzinsung des Fruchtgenußrechtes vornehmen und den Kaufpreis um den Abzinsungsbetrag mindern. Für den Fall, daß auf dem Grundstück ein Gebäude errichtet sei, werde noch die auf die Dauer des Fruchtgenusses entfallende Entwertung als preismindernd angesehen. Wenn aber der Grundeigentümer das Grundstück selbst nutzen wolle und dafür dem Fruchtgenußberechtigten "das bezahlt, was jeder andere auch an den Fruchtgenußberechtigten bezahlen würde", so liege "ein Leistungsaustausch im normalen Geschäftsverkehr" vor und könne von einer Aktivierungspflicht keine Rede sein. Diese Ausführungen zeigen, daß die Beschwerdeführerin nicht allein die Rechtslage verkennt, sondern den ihr bekannten Sachverhalt in einer ihrem Standpunkt entsprechenden Weise umzudeuten bestrebt ist. Hat doch die Beschwerdeführerin nicht die von der Fruchtgenußberechtigten vorgenommene Nutzung selbst auszuüben beabsichtigt, sondern sie hat das Hindernis, das der beabsichtigten Bauführung im Wege stand, durch die Ablöse des Fruchtgenußrechtes beseitigt. Das Fruchtgenußrecht als solches hinderte sie, obschon sie Eigentümerin des Grundstückes war, von ihrem Eigentumsrecht zweckmäßig Gebrauch zu machen, nämlich auf der Liegenschaft ein Sparkassengebäude zu errichten. Mithin geht auch der Einwand, die Beschwerdeführerin habe durch die Übernahme der Leibrentenverpflichtung "nichts erworben", fehl. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin mit dem Verzicht auf das Fruchtgenußrecht die Befreiung des Grundstückes von einer rechtlichen Last erreicht, deren wirtschaftliche Bedeutung besonders in der gegen die Fruchtgenußberechtigte nach § 516 ABGB eingebrachten Klage und schließlich in der Höhe der von der Beschwerdeführerin übernommenen Leibrentenverpflichtung zum Ausdruck kommt. Das Fruchtgenußrecht der Frau H. hat unbestrittenerweise schon im Zeitpunkt des Erwerbes des Grundstückes bestanden. Mit seinem Wegfall hat sich der Wert des Grundstückes um so viel erhöht, als der Wert der übernommenen Leibrente beträgt. Es ist nämlich davon auszugehen, daß im Geschäftsverkehr dem Berechtigten für die Aufgabe eines Rechtes nicht mehr bezahlt wird, als die wirtschaftliche Belastung des Verpflichteten ausmacht. Da die Beschwerdeführerin das Grundstück von Frau H. erworben hat und deren Fruchtgenußrecht schon auf Grund einer früheren Eintragung auf dieser Liegenschaft einverleibt war, ist die belangte Behörde denkfolgerichtig davon ausgegangen, daß es sich bei der von der Beschwerdeführerin durchgesetzten Lastenfreistellung um nachträgliche Anschaffungskosten handelt. Der angefochtene Bescheid erblickt die wirtschaftliche Bedeutung eines Fruchtgenußrechtes zutreffend darin, daß ja auch das Recht der Vermietung durch den Fruchtgenußberechtigten inbegriffen ist. Hieraus ergeben sich im Hinblick auf die Mietengesetzgebung so weitreichende Einschränkungen in der Verwendbarkeit des Grundstückes, daß dieses für den Eigentümer nahezu wertlos wird. Es ist daher auch der daraus gezogene Schluß bedenkenfrei, daß mit der Ablöse der Belastung erst der wirtschaftlich richtige Preis nachträglich bezahlt wurde, wobei selbstverständlich Änderungen des Geldwertes, die zwischen dem Erwerb des Grundstückes und dem Wegfall der Belastung eingetreten sind, in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben müssen. Unter dem von der belangten Behörde richtig dargestellten Gesichtspunkt, daß es sich vorliegend um nachträgliche Anschaffungskosten für das gegenständliche Grundstück handelt, versagt auch der Einwand der Beschwerde, daß mit der Ablöse kein Wirtschaftsgut erworben worden sei. Die Beschwerde ist aber auch insoweit nicht begründet, als sie sich gegen die Bewertung der Leibrentenverpflichtung wendet. Frau H. war bei Abschluß des gerichtlichen Vergleiches, mit dem sie auf das Fruchtgenußrecht an der Grundparzelle 6820 verzichtet hat, bereits 86 Jahre alt. Der angefochtene Bescheid führt aus, daß bei diesem Alter der Leibrentenanspruch der Berechtigten nach versicherungsmathematischen Grundsätzen mit dem 3,937-fachen der Jahresrentenleistung zu berechnen sei. Gegen diese Feststellung erhebt die Beschwerde keine Einwendungen. Vorliegend handelt es sich um die Besteuerung für die Jahre 1959 und 1960. In den betreffenden Bilanzen war daher die Leibrentenschuld mit dem nach dem Alter der Rentenberechtigten kapitalisierten Wert der Rente anzusetzen, und sie war nur um die jeweils bis zum Bilanzstichtag geleisteten Rentenzahlungen zu verringern. Dies ergibt sich schon daraus, daß für die Bewertung von Aktiven und Passiven, die am Bilanzstichtag obwaltenden, nicht die im späteren Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz gegebenen Umstände entscheidend sind. Es ist schon deshalb müßig, darüber zu streiten, ob bei der Ermittlung des Barwertes der Leibrente die Bestimmungen des § 16 Abs. 2 BewG hilfsweise - einer ständigen Übung entsprechend - herangezogen werden durften, weil sich bei dieser Art der Bewertung ein niedrigerer Betrag, nämlich nur das Dreifache der jährlichen Rentenleistung, als Rentenstammwert ergeben hat.
Schließlich macht die Beschwerde noch geltend, daß die Bewertung höchstens mit den tatsächlich gezahlten Renten vorzunehmen gewesen sei. Im Zeitpunkt der Wertermittlung sei nämlich bekannt gewesen, daß Frau H. bereits im Jahre 1961 gestorben sei. Mit diesem Einwand übersieht aber die Beschwerde, daß es sich vorliegend um die Besteuerung für die Jahre 1959 und 1960 handelt. Der bereits vor dem Ablauf von drei Jahren eingetretene Tod der Leibrentenberechtigten wirkte sich für das Jahr 1961 als Minderung der Leibrentenschuld, also gewinnerhöhend aus. Mithin hat die belangte Behörde die Behandlung der Leibrentenzahlung als Betriebsausgabe mit Recht verweigert. Der vorliegenden Beschwerde mußte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 der Erfolg versagt werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | |
Sammlungsnummer | VwSlg 2996 F/1963 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1963:1963001072.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-53802