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VwGH 21.11.1961, 1064/61

VwGH 21.11.1961, 1064/61

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Hat der Steuerpflichtige zunächst seinen Gewerbebetrieb verpachtet und veräußert er später gegen Leibrente die Betriebsliegenschaft samt der "Konzession" an den bisherigen Pächter, dann liegt darin eine Geschäftsveräußerung und die Leibrente ist nicht nach § 22 EStG 1953 beim Veräußerer zu besteuern, vielmehr ist zu prüfen, ob ein gewerblicher Veräußerungsgewinn vorliegt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupe als Richter, im Beisein des Finanzoberkommissärs Dr. Zaschek als Schriftführer, über die Beschwerde des J und der M B in G gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. S 29-46/3-I-1961, betreffend Einkommensteuer für 1956, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer hatte im eigenen Haus in G, J-gasse 61, ein Kaffeehaus betrieben. Mit Vertrag vom verpachtete er die ihm zustehende Konzession, die Gasthauslokalitäten und Wohnräume auf fünf Jahre. Der Pachtvertrag sollte, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt wird, weitere fünf Jahre gelten. Gleichzeitig mit dem Abschluss des Pachtvertrages verkaufte er den Pächtern das Geschäftsinventar. Laut Vertrag vom 2. Oktober 196 verkaufte der Erstbeschwerdeführer die Betriebsliegenschaft den bisherigen Pächtern und verpflichtete sich, die Konzession unter der Bedingung zurückzulegen, dass sie den Pächtern im gleichen Umfang verliehen wird. Als Kaufpreis war eine lebenslängliche, wertgesicherte Rente von monatlich S 2600 vereinbart. Der rentenberechtigte Beschwerdeführer war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 57 Jahre alt. In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1953 und 1954 wies er die Einnahmen aus der Verpachtung des Gewerbebetriebes - die weiteren Einkommensteuerakten wurden von der belangten Behörde nicht vorgelegt - als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus. In einer Beilage zur Einkommensteuererklärung für das Jahr 1958 machte er aber geltend, dass die Leibrente nur auf der Veräußerung des Kaffeehausbetriebes beruhe, der er aus gesundheitlichen Gründen habe aufgeben müssen. Die veräußerte Liegenschaft habe zu mehr als 60 v. H. betrieblichen Zwecken gedient. Die gegenständliche Rente sei mithin nur insoweit steuerpflichtig, als sich ein Veräußerungsgewinn ergebe. Da das Finanzamt diesen Standpunkt nicht teilte, sondern die Leibrente gemäß § 22 EStG der Einkommensteuer unterzog, erhob der Beschwerdeführer gegen den Steuerbescheid Berufung. Er machte geltend, dass es sich bei dem Verkauf der Liegenschaft nicht um den Verkauf eines Privathauses, sondern um die Veräußerung von Betriebsvermögen gehandelt habe. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass im Leibrentenvertrag auch von der Gewerbeberechtigung die Rede sei, auf die ein Teil des Kaufpreises (der Rente) entfalle. Die Veranlagung zur Einkommensteuer werde für jedes Kalenderjahr gesondert vorgenommen. Die Behörde könne sich daher nicht darauf berufen, dass der Beschwerdeführer die Leibrente etwa im Jahre 1957 als einkommensteuerpflichtig ausgewiesen habe, zumal er in steuerlichen Dingen unerfahren sei. Das Finanzamt wies die Berufung mit Einspruchbescheid ab. Es ging davon aus, dass der Beschwerdeführer den Gewerbebetrieb bereits mit dessen Verpachtung aufgegeben habe. Deshalb könne von einer Betriebsveräußerung im Zeitpunkt des Verkaufes der Liegenschaft nicht die Rede sein und die Ansicht des Beschwerdeführers, dass die Leibrente als Veräußerungsrente erst dann steuerpflichtig werde, bis die Zahlungen den Wert des veräußerten Betriebsvermögens übersteigen, nicht geteilt werden. Vielmehr handle es sich um eine gemäß § 22 Z. 1 lit. b EStG steuerpflichtige Rente. Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung der Berufungskommission. Er wiederholte die Behauptung, den Betrieb im Jahre 1953 noch nicht übergeben zu haben. Vielmehr habe er diesen mit Rücksicht auf seinen damaligen Gesundheitszustand verpachtet. Die Geschäftseinrichtung habe er nur deshalb veräußert, weil diese fast neu gewesen sei und weil er bei einem längeren Pachtverhältnis mit einer übergroßen Abnützung hätte rechnen müssen. Deshalb habe er sich entschlossen, das Inventar lieber zu veräußern und es für den Fall der Wiederaufnahme des Betriebes auf eigene Rechnung um einen geringeren Preis zurückzuerwerben. Der Beschwerdeführer habe schon vor Jahren einmal den Betrieb aus Gesundheitsrücksichten verpachtet, aber dann wieder aufgenommen. Auch diesmal habe er beabsichtigt, das Unternehmen wieder selbst zu führen, zumal er nahe Verwandte habe, die in demselben Gewerbezweig geschult seien. Aus dem Leibrentenvertrag, bei dessen Abschluss der Beschwerdeführer übervorteilt worden sei, könne nicht gefolgert werden, dass er den Betrieb bereits anlässlich der Verpachtung habe übergeben wollen.

Die Berufungskommission wies die Berufung ab. Die Beschwerdeführer hätten die Einnahmen aus dem Pachtverhältnis ungeachtet der Veräußerung des gesamten Gasthausinventars selbst immer als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Einkommensteuer erklärt. Gegenstand des Leibrentenvertrages sei nur das Grundstück gewesen. Dieses habe im Zeitpunkt des Verkaufes zum Grundvermögen des Beschwerdeführers gehört, der schon damals keinen Gewerbebetrieb mehr geführt habe. Die Leibrente sei die Gegenleistung für den Verkauf der Liegenschaft und deshalb gemäß § 22 Z 1 lit. b EStG einkommensteuerpflichtig. Die Behauptung, dass der Beschwerdeführer beim Abschluss des Leibrentenvertrages übervorteilt worden sei, sei im gegebenen Zusammenhang unbeachtlich.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben. Sie rügen als Verfahrensmangel, dass die Pächter zu der Frage, ob der Erstbeschwerdeführer den Betrieb schon im Zeitpunkt der Verpachtung habe aufgeben wollen, nicht gehört worden seien. Auch die zeitliche Begrenzung der Verpachtung und die Gründe, weshalb das Inventar verkauft wurde, seien nicht erörtert worden. Erhebungen hätten aber ergeben, dass es sich bei der veräußerten Liegenschaft ausschließlich um eine Betriebsliegenschaft gehandelt habe, die ohne Zurücklegung der Konzession unanbringlich gewesen sei. Im übrigen macht die Beschwerde wiederum geltend, dass die anlässlich der Veräußerung des Gewerbebetriebes vereinbarte Rente nur insoweit einkommensteuerpflichtig sein könne, als sie einen Gewinn aus Gewerbebetrieb darstelle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Der Streit geht darum, ob der Beschwerdeführer mit dem Vertrag vom seinen Gewerbebetrieb gegen Entrichtung einer Leibrente veräußert hat oder ob bloß der Verkauf einer Liegenschaft Gegenstand des Leibrentenvertrages war. Im ersten Falle käme die Versteuerung eines allfälligen Veräußerungsgewinnes nach § 16 EStG im zweiten Fall die Versteuerung der Rente nach § 22 Z. 1 lit. b EStG in Betracht. Der angefochtene Bescheid geht davon aus, dass "Gegenstand des Leibrentenvertrages" die Veräußerung einer Liegenschaft gewesen sei. Diese Feststellung der belangten Behörde ist jedoch aktenwidrig. Sie verschweigt, dass der Leibrentenvertrag unter Punkt 6 die Zurücklegung der Berechtigung zum Betrieb des Gast- und Schankgewerbes unter der Bedingung vorsieht, dass die Konzession den Käufern verliehen wird. Eine wesentliche Grundlage für die Ausübung des Gewerbebetriebes wird also den Käufern erst mit der im Leibrentenvertrag vereinbarten Zurücklegung der Konzession übertragen. Demgegenüber kann der Angabe des angefochtenen Bescheides, dass der Beschwerdeführer den Gewerbebetrieb bereits am , nämlich mit der Wirksamkeit des Pachtvertrages aufgegeben habe, nicht gefolgt werden. Die belangte Behörde stützt sich allein darauf, dass der Beschwerdeführer die Pachteinnahmen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Einkommensteuer erklärt habe. Die steuerrechtliche Beurteilung eines Tatbestandes ist aber von der Finanzbehörde selbst vorzunehmen. Es geht nicht an, sich zur Stützung der Behauptung, der Betrieb sei schon im Jahre 1953 aufgegeben worden, nur darauf zu berufen, der Beschwerdeführer habe die Einnahmen aus der Verpachtung als Einkünfte im Sinn des § 21 EStG erklärt. Das Finanzamt hat zwar im Einspruchsbescheid zur Frage der Betriebsaufgabe etwas ausführlicher Stellung genommen. Es hat Krankheitsgründe für den gesamten Verkauf des Inventars ins Treffen geführt. Dieser Begründung ist aber der Beschwerdeführer mit der einleuchtenden Einwendung begegnet, dass die Gasthauseinrichtung fast neu war und dass er eine Übereignung an die Pächter einer bloßen Verpachtung vorgezogen habe, um nicht durch einen übermäßigen Gebrauch der Einrichtungsgegenstände benachteiligt zu werden.

Weiter hat er geltend gemacht, dass er den Betrieb unter Umständen wieder selbst hätte führen können, weil ihm nahe Verwandte (Neffen und Nichten), die die nötige Berufsausbildung besitzen zur Seite stehen könnten. Es stand also trotz des (erst in der Gegenschrift der belangten Behörde hervorgehobenen) Alters und der Kränklichkeit des Beschwerdeführers durchaus im Bereich der Möglichkeit, dass das Pachtverhältnis nicht fortgesetzt werden würde. Hierauf deutet auch Ziffer 3 des Pachtvertrages hin, wo ein allfälliger Rücktritt vom Kauf des Inventars und eine Erstattung des Kaufpreises vorgesehen ist. Nach der Aktenlage handelt es sich um den typischen Fall der Übergabe eines Gewerbebetriebes, der zunächst dem künftigen Erwerber verpachtet und erst wenn die nötige Vertrauensgrundlage zwischen der Vertragspartnern geschaffen ist, verkauft wird. Der angefochtene Bescheid, der eine Betriebsübergabe schon mit der Verpachtung annimmt, beruht nicht nur auf einer aktenwidrigen Feststellung, sondern er setzt sich auch mit dem Parteivorbringen nicht genügend auseinander und beurteilt die Sachlage unrichtig, indem er in dem Leibrentenvertrag nur die Veräußerung einer privaten Liegenschaft erblickt. Da die belangte Behörde somit eine Steuerpflicht nach § 22 Z. 1 EStG zu Unrecht angenommen hat, musste ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 2537 F/1961;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1961:1961001064.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-53775