VwGH 13.05.1980, 1038/78
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §70 Abs3 letzter Satz; AVG §73 Abs2; BauO Wr §9 Abs4; BauO Wr §9 Abs6; BauO Wr §9 Abs7; B-VG Art111; VwGG §34 Abs1; |
RS 1 | Hat die im Devolutionsweg zuständig gewordene Bauoberbehörde für Wien die Bebauungsbestimmungen gemäß § 9 Abs 4 der WrBauO bekannt gegeben, so ist der hierüber ergangene Bescheid vor dem VwGH anfechtbar. Die im § 9 Abs 7 der BauO für Wien enthaltene Regelung über die Unzulässigkeit einer abgesonderten Berufung steht dem nicht entgegen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dworak, über die Beschwerde der X-Wohnungseigentums-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B III-28/77, betreffend Bekanntgabe von Bebauungsbestimmungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Eingabe vom unter Berufung auf § 9 Abs. 1 der Bauordnung für Wien beim Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 36) die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen für die Liegenschaften EZ. 361 und 363, beide des Grundbuches über die Katastralgemeinde Z. Mit Schreiben vom teilte der Wiener Magistrat der Beschwerdeführerin daraufhin mit, daß die Fluchtlinien infolge einer bevorstehenden Änderung des im Gegenstand maßgebenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan zur Zeit nicht bekanntgegeben werden könnten und sich daher im Sinne des § 9 Abs. 6 der Bauordnung für Wien die im Gesetz zunächst mit vier Wochen festgesetzte Bekanntgabefrist um weitere zwei Monate verlängere. Da auch diese Nachfrist von der Behörde erster Instanz ungenützt verstrichen ist, ging in der Folge auf Grund eines von der Beschwerdeführerin gesetzmäßig gestellten Devolutionsantrages in der Sache die Entscheidungspflicht auf die Bauoberbehörde für Wien als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über (vgl. § 9 Abs. 6 der Bauordnung für Wien in Verbindung mit § 73 Abs. 2 AVG 1950 sowie Art. 111 B-VG im Zusammenhalt mit § 138 der Bauordnung für Wien).
Mit dem nun in Beschwerde gezogenen Bescheid vom gab die Bauoberbehörde für Wien der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf ein dem Bescheid angeschlossenes Plandokument die Bebauungsbestimmungen für die in den eingangs angeführten Einlagezahlen inliegenden Grundstücke Nr. 2021/1 und 2021/2 wie folgt bekannt:
"Die Baulinie ist durch die Linie A-B-C für die 15,17 m breite S-gasse, C-D für die 15,17 m breite E-straße gegeben.
Nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 BO ist die in Plan gelb angelegte Grundfläche, nämlich von Gst. 2021/2 in EZ. 363 des Grundbuches derselben KG rund 10 m2, in das öffentliche Gut zu übertragen.
Die endgültige Höhenlage des Gehsteiges ist durch den Bestand gegeben.
Die durch den Bebauungsplan festgesetzten Baufluchtlinien und Grenzlinien sind im beiliegenden Plan festgehalten.
Aus dem Bebauungsplan ergibt sich für die Liegenschaft:
Betriebsbaugebiet, Bauklasse IV, geschlossene Bauweise."
Diesen Angaben folgen im Spruch des Bescheides der Bauoberbehörde Hinweise auf Bebauungsbeschränkungen bezüglich der Errichtung von Erkern, Loggien und Balkonen sowie auf die im § 12 der Bauordnung für Wien verankerte Verpflichtung, vor Beginn der beabsichtigten Bauführung die Aussteckung der Baulinien und der Höhenlagen zu beantragen. Der restliche Spruchteil bezieht sich auf die Vorschreibung einer Verwaltungsabgabe.
In ihrer gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin dadurch in ihren Rechten verletzt, daß einerseits die Behörde erster Instanz (ungeachtet der Selbstbindung an die durch ihre Mitteilung vom bewirkte Verlängerung der Frist für die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen) gleichwohl säumig geworden ist und die Beschwerdeführerin solcherart daran gehindert wurde, schon früher einen Devolutionsantrag zu stellen, und andererseits mit dem nun angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde die Bebauungsbestimmungen gemäß dem zur Zeit der Erlassung dieses Bescheides geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vom und nicht nach Maßgabe des im Zeitpunkt des Ablaufes der Zweimonatsfrist im Sinne des § 9 Abs. 6 der Bauordnung für Wien gestandenen, für die Beschwerdeführerin erheblich günstigeren Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes bekanntgegeben wurden. Der sich für die Beschwerdeführerin hieraus ergebende Nachteil sei darin begründet, daß der frühere Plan für die gegenständlichen Grundstücke die Widmung "Wohnbaugebiet" vorgesehen habe, während der von der belangten Behörde herangezogene neue Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die Widmung "Betriebsbaugebiet" aufweise. Diese Widmungsänderung bedeute angesichts der mit ihr Hand in Hand gehenden Minderung des Verkehrswertes der betroffenen Liegenschaften eine wesentliche Beeinträchtigung der Interessenlage der Beschwerdeführerin. Zugleich mit ihrem Antrag, den vor dem Verwaltungsgerichtshof mittels Beschwerde bekämpften Bescheid aufzuheben, regt die Beschwerdeführerin an, im Sinne des Art. 140 B-VG eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 6 der Bauordnung für Wien beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Sie begründet diese Anregung damit, daß die bezogene Gesetzesstelle eine Verlängerung der Vierwochenfrist zur Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen dann gestatte, wenn diese Bekanntgabe nicht möglich ist, nicht zugleich aber auch erkennen lasse, welche Gründe es der Behörde erlauben, mit einer Nachfristsetzung vorzugehen. Insoweit mangle es der angeführten Regelung an einer zureichenden Determinierung.
In dem über diese Beschwerde eingeleiteten Vorverfahren legte die Bauoberbehörde für Wien die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 1 lit. d der Bauordnung für Wien hat der Bauwerber u.a. einem Ansuchen um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines bewilligungspflichtigen Neubaues auch die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen, über welche gemäß § 9 Abs. 4 leg. cit. ein Bescheid zu erlassen ist, anzuschließen. Nach § 9 Abs. 6 sind die Bebauungsbestimmungen binnen vier Wochen nach Einbringung des hierauf abzielenden Antrages bescheidmäßig bekanntzugeben; wenn dies nicht möglich ist, sind dem Antragsteller innerhalb dieser Frist die Gründe der Verzögerung und eine Nachfrist, die zwei Monate nicht überschreiten darf, mitzuteilen. Der Abs. 7 des § 9 der Bauordnung für Wien bestimmt schließlich unter anderem, daß gegen einen Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen eine abgesonderte Berufung nicht zulässig ist. Eine Berufung kann nur mit der Berufung gegen einen Bescheid verbunden werden, der sich auf die Bekanntgabe oder auf die Verweigerung der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen stützt.
Auf dem Boden dieser Rechtslage hatte sich der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren bei Prüfung des Zutreffens der Prozeßvoraussetzungen zunächst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die im § 9 Abs. 7 der Bauordnung für Wien vorgesehene, eben dargestellte Rechtsmittelbeschränkung nicht etwa zur Folge habe, daß im Falle einer (positiven) Bekanntgabe von Bebauungsbestimmungen die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges im Baubewilligungsverfahren erhoben werden könne. Entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift u.a. unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 4145, als vertretbar angesehenen, in diese Richtung weisenden Ansicht, ist der Verwaltungsgerichtshof der Meinung, daß die gestellte Frage für den Beschwerdefall schon deshalb zu verneinen ist, weil die im § 9 Abs. 7 der Bauordnung für Wien verankerte Beschränkung des Berufungsrechtes bei der hier gebotenen strikten Auslegung dann jedenfalls nicht in Betracht kommen kann, wenn über den Antrag auf Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen die im Devolutionswege zuständig gewordene sachlich in Betracht kommende Oberbehörde entschieden hat und deren Bescheide - wie hier im Falle der Bauoberbehörde für Wien - allgemein durch eine weitere Berufung nicht mehr anfechtbar sind (vgl. in diesem Sinne auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 3095). Bei einem derartigen Sachverhalt kann weder aus § 9 Abs. 7 noch aus einer anderen Bestimmung der Wiener Bauordnung abgeleitet werden, daß in einer dem Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zuwiderlaufenden und daher verfassungswidrigen Weise in Ansehung von Bescheiden der nach Art. 111 B-VG eingerichteten Bauoberbehörde für Wien eine Einschränkung der Rechtskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof gegeben sei. Daß sich auch aus dem von der belangten Behörde herangezogenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 4145/1962 kein dem entgegenstehendes Argument gewinnen läßt, geht allein daraus hervor, daß sich die dort behandelte Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen einen Fluchtlinienbekanntgabebescheid des Magistrates der Stadt Wien, also einen erstinstanzlichen Bescheid, und nicht gegen einen Bescheid der Bauoberbehörde gerichtet hat. Demgemäß erweist sich die vorliegende Beschwerde daher als zulässig.
In der Sache selbst ist zwar die Beschwerdeführerin mit ihrem Hinweis darauf im Recht, daß sich zwischen der Einbringung ihres Antrages auf Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen und seiner bescheidmäßigen Erledigung durch die im Devolutionsantrag zuständig gewordene belangte Behörde insoweit eine - ihre wirtschaftlichen Interessen möglicherweise nachteilig berührende - Änderung in den Bescheidgrundlagen ergeben hat, als der angefochtene Bescheid auf dem im Zeitpunkt seiner Erlassung geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vom beruht und dementsprechend die Widmung der strittigen Liegenschaften, wie sie zur Zeit der Antragstellung oder des Ablaufes der Nachfrist (§ 9 Abs. 6 BO) bestanden hat, außer Betracht läßt. Allein daraus kann jedoch deshalb noch nicht auf die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geschlossen werden, weil es sich bei Bescheiden über die Bekanntgabe von Bebauungsbestimmungen nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. hiezu u. a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2140/55, vom , Slg. 5768/A, und vom , Slg. 7223/A, das schon zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 3095, ferner die Ausführungen bei Krzizek, System des Österreichischen Baurechts, Bd. I, Wien 1972, S. 286 ff) schon wegen der sich aus § 11 Abs. 1 der Bauordnung für Wien ergebenden (wenn auch befristeten) Selbstbindung der Behörde um rechtsgestaltende Verwaltungsakte handelt und - mangels einer hier nicht gegebenen gesetzlichen Sonderregelung - für die Rechtmäßigkeit solcher Akte die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung gegebene Rechtslage maßgebend ist (vgl. das auf dem Beschluß eines verstärkten Senates fußende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 9315/A, sowie Krzizek, a.a.O., S. 287 ).
Bei diesem Ergebnis kann es der belangten Behörde nicht als Rechtswidrigkeit angelastet werden, wenn sie dem angefochtenen Bescheid allein den zur Zeit der Bescheiderlassung in Geltung gestandenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan zugrunde gelegt und bei der beantragten Bekanntgabe der maßgebenden Bebauungsbestimmungen frühere Widmungen der betroffenen Liegenschaften außer Betracht gelassen hat. Daraus aber folgt, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG 1965) in ihren Rechten nicht verletzt worden ist.
Zu der von der Beschwerdeführerin angeregten Antragstellung im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG sah sich der Verwaltungsgerichtshof deshalb nicht veranlaßt, weil § 9 Abs. 6 der Bauordnung für Wien - namentlich bezüglich der dort enthaltenen Wendung "wenn dies nicht möglich ist" - nach den oben entwickelten rechtlichen Erwägungen für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht von präjudizieller Bedeutung war.
Gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 war die vorliegende Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. B Z. 4 und 5 der Verordnung vom , BGBl. Nr. 542, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §70 Abs3 letzter Satz; AVG §73 Abs2; BauO Wr §9 Abs4; BauO Wr §9 Abs6; BauO Wr §9 Abs7; B-VG Art111; VwGG §34 Abs1; |
Schlagworte | Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1978001038.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-53701