VwGH 04.12.1967, 1035/67
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | StVO 1960 §5 Abs9 VStG §64 |
RS 1 | Die Kostenregelung des § 5 Abs 9 StVO ist für die Honorierung von Gutachten, die erst im Zuge des Berufungsverfahrens erstattet wurden, nicht anwendbar. |
Normen | VStG §64 Abs3 VStG §66 Abs1 |
RS 2 | Die Kosten des Strafverfahrens, zu denen auch die Barauslagen für Sachverständigen-Gutachten gehören, sind auch dann von der Behörde zu tragen, wenn das Strafverfahren von der Berufungsbehörde eingestellt wird, ungeachtet des Umstandes, dass der Bfr die Einholung des Gutachtens beantragt und durch die Einholung des Gutachtens Verjährung eingetreten ist. |
Normen | |
RS 3 | Eine Einstellung de Strafverfahrens im Sinne des § 66 Abs 1 VStG kann auch von der Berufungsbehörde verfügt werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Chamrath, und die Hofräte Dr. Dolp, Dr. Kadecka, Dr. Schmid und Dr. Schmelz als Richter, im Beisein des Schriftführers, Administrationsrates Dohnal, über die Beschwerde des HA in B, vertreten durch Dr. Walter Wohlrab, Rechtsanwalt in Kufstein., Pirmoser Straße 7, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. II b-492/2-67, betreffend Vorschreibung der Bezahlung der Kosten eines Gutachtens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, insoweit mit ihm die Begleichung der Kosten eines Honorars vorgeschrieben wurde.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.650,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein verhängte mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer Geldstrafen von S 5.000,--, S 300,-- und S 200,-- wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO). Dagegen brachte der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung ein, worauf die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid das bekämpfte Straferkenntnis gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG 1950 behob und das Strafverfahren einstellte. Gleichzeitig schrieb die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Bezahlung der Kosten für das von ihm selbst beantragte Sachverständigengutachten des Univ.Prof. Dr. H. vor. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Einstellung des Strafverfahrens zu erfolgen hatte, weil Verjährung eingetreten sei. Die Behörde hatte sich daher mit der Schuldfrage nicht mehr zu befassen. Nicht verbunden mit der Einstellung des Strafverfahrens sei aber der aufrechte „Privatanspruch“ des Sachverständigen auf Honorierung des vom Beschwerdeführer selbst verlangten Fachgutachtens, durch dessen Einholung dem Beschwerdeführer die Wohltat der gesetzlichen Verjährung des Strafanspruches zugute gekommen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der „Gesetzwidrigkeit“ des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.
Die Beschwerde ist begründet.
Die belangte Behörde bezog sich in ihrer Entscheidung über die Kostenvorschreibung auf keine gesetzliche Bestimmung. Vorschriften über die Verpflichtung zur Tragung von Kosten durch die Parteien enthalten, soweit sie für den Beschwerdefall in Betracht gezogen werden können, die §§ 5 Abs. 9 StVO und 76 AVG 1950. Erstere Rechtsvorschrift bestimmt, daß die Kosten der Untersuchung vom Untersuchten zu tragen sind, wenn bei einer Untersuchung nach Abs. 2 oder Abs. 4 des § 5 StVO eine Alkoholbeeinträchtigung festgestellt worden ist. Diese Bestimmung findet aber im Beschwerdefall schon deshalb keine Anwendung, weil das in Rede stehende Gutachten nicht „bei einer Untersuchung nach Abs. 2 oder 4“ erstellt wurde, also nicht anläßlich der Untersuchung der Atemluft oder nachdem der Beschwerdeführer durch Organe der Straßenaufsicht einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorgeführt worden war. Vielmehr wurde das Gutachten erst auf Grund eines in der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis gestellten Antrages abgegeben.
Möglicherweise schwebten aber der belangten Behörde die Bestimmungen des § 76 Abs. 1 und 2 AVG vor. Diese Rechtsvorschrift findet im vorliegenden Falle auch nicht Anwendung, da, wie der Beschwerdeführer mit Recht ausführt, im Beschwerdefall die Spezialvorschrift des § 66 Abs. 1 VStG zu berücksichtigen ist. Nach dieser Gesetzesstelle sind die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen, wenn ein Strafverfahren eingestellt oder eine verhängte Strafe infolge Berufung oder Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben wird. Unter Kosten des Strafverfahrens sind zufolge § 64 Abs. 3 VStG auch die im Strafverfahren erwachsenen Barauslagen zu verstehen. Unter den Begriff Barauslagen fällt das Honorar eines im Zuge eines Strafverfahrens beigezogenen Sachverständigen wie im Beschwerdefall das Honorar für das Gutachten des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. H. Daran ändert auch der von der belangten Behörde offenbar als entscheidend angesehene Umstand nichts, daß dieses Gutachten, wie schon erwähnt, über Antrag des Beschwerdeführers eingeholt wurde oder daß infolge der Einholung des Gutachtens Verjährung eingetreten ist. Maßgebend ist vielmehr, daß der Behörde die Barauslagen entstanden sind, das heißt, daß der Auftrag für die Erstellung des Gutachtens von der Behörde erteilt wurde, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sich die Behörde auf einen Antrag des Beschuldigten berufen konnte oder ob die Behörde das Gutachten von Amts wegen beschaffte und daß das Strafverfahren eingestellt wurde. Die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretene Rechtsansicht, aus der im § 66 Abs. 1 VStG enthaltenen Gegenüberstellung - Einstellung des Strafverfahrens und Aufhebung einer, verhängten Strafe infolge Berufung oder Wiederaufnahme des Verfahrens - ergebe sich, daß unter Einstellung im Sinne dieser Gesetzesstelle die Beendigung des Strafverfahrens durch die Behörde erster Instanz aus dem Grunde einer zumindest nicht nachweisbaren Übertretung, im anderen Falle die Behebung eines bereits erfolgten Schuldspruches aus wenigstens dem gleichen meritorischen Grunde gemeint sei, findet im Gesetz keine Stütze. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG), ist die Berufungsbehörde berechtigt, den bekämpften Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Daraus folgt, daß die Berufungsbehörde bei Zutreffen der Voraussetzungen (§ 45 Abs. 1 VStG) nicht gehindert ist, ein Strafverfahren auch einzustellen. Mit Rücksicht auf die Spezialbestimmung des § 66 Abs. 1 VStG hätte demnach die belangte Behörde bei Einstellung des Strafverfahrens die Bezahlung der Kosten des Gutachtens dem Beschwerdeführer nicht vorschreiben dürfen. Ob der Beschwerdeführer in Verkennung der Rechtslage zunächst die Kosten des Strafverfahrens bezahlt hat, ist rechtlich bedeutungslos für die Beantwortung der gegenständlichen Frage.
Da sohin die belangte Behörde den Bescheid ohne gesetzliche Grundlage erlassen hat, war dieser wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die Kosten stützen sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965. Die im Kostenverzeichnis aufscheinende Umsatzsteuer war der belangten Behörde nicht vorzuschreiben, da die Kosten mit dem zugesprochenen Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand abgegolten sind.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 7238 A/1967 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1967:1967001035.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-53689