VwGH 05.12.1951, 1009/50
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | BauO Graz 1881 §75; |
RS 1 | Zur Handhabung der Bauordnung für die Stadt Graz ist in erster Instanz der Stadtrat (im wesentlichen gleich wie der nur auf die Erteilung der Baubewilligung abgestellte RS I des allerdings darüber hinaus Abtragungsaufträge betreffenden E vom , 0807/47, VwSlg 410 A/48) und in zweiter und letzter Instanz der Gemeinderat zuständig. (Durch Grazer Gemeindeordnung 1958 statt Stadtrat, Stadtsenat; siehe weiters hiezu BVG Nov 1962) |
Normen | BauO Graz 1881 §83; BauRallg; VVG; |
RS 2 | Die Baubehörde hat eine zur Sicherung oder Instandsetzung einer Baulichkeit aufgetragene Leistung inhaltlich derart zu bestimmen, dass der Bescheid einer Vollstreckung durch Ersatzvornahme zugänglich ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Ehrhart und die Räte Dr. Werner, Dr. Borotha, Dr. Vejborny und Dr. Hrdlitzka als Richter, im Beisein des Landesregierungsrates Dr. Riemer als Schriftführer, über die Beschwerde des CS G gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 3 - 338 S a 2/1 - 1950, betreffend Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages, betreffend Sicherung einer einsturzgefählichen Terrassenmauer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Stadtmagistrat Graz Baupolizeiamt hatte bei der am durchgeführten Verhandlung an Ort und Stelle festgestellt, dass für die auf der im Eigentume des Beschwerdeführers stehenden Liegenschaft in Graz, S-gasse 25, befindliche Terrassenstützmauer infolge Verbruches des im Bereiche der Grundstücke 565, 586, 564 und 587 angelegten Luftschutzstollens Einsturzgefahr besteht. Gemäß § 83 der Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz wurde daraufhin der Beschwerdeführer bescheidmäßig beauftragt durch einen befugten "Werkmeister" vorschriftsmäßig und unter Beachtung aller erforderlichen Sicherungsvorkehrungen folgende Maßnahmen zu treffen:
1. der Gefahrenbereich ist zu untersuchen und sind die als erforderlich erkannten Sicherungsmaßnahmen unaufgefordert im Einvernehmen mit den Anrainern zu treffen.
2. Der Gefahrenbereich ist gegen Zutritt Unbefugter mit geeigneten Mitteln abzusperren und ist mittels Anschlag auf gut sichtbaren Stellen auf die Gefahr aufmerksam zu machen.
3. Die Durchführung der zu treffenden Maßnahmen ist dem Baupolizeiamt zu melden.
Der gegen Punkt 1 des Bescheides eingebrachten Berufung wurde von Amte der Steiermärkischen Landesregierung keine Folge gegeben (Beschein vom ).
In der vorliegenden Beschwerde wird der Berufungsbescheid als inhaltlich gesetzwidrig und auf einem mangelhaften Verfahren beruhend bezeichnet. Die inhaltliche Gesetzwidrigkeit wird in der Undurchführbarkeit des Auftrages infolge der Vermauerung der Stolleneingänge durch die Stadtgemeinde und infolge der Unmöglichkeit des Betretens der Einbruchstelle vom Garten aus wegen der damit verbundenen Lebensgefahr erblickt. Die Verfahrensmängel wären in der mangelhaften Erhebung über die Durchführbarkeit der Arbeiten, die eine Einwilligung der Anrainer voraussetzen, gelegen. Gerügt wird endlich, dass sowohl der erstinstanzliche Bescheid als auch der angefochtene Berufungsbescheid eine der Vorschrift des § 58 AVG Rechnung tragende Begründung vermissen lassen.
Die Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt im vorliegenden Fall von zwei Momenten ab: 1. ob der Stadtmagistrat Graz, der als Baubehörde erster Instanz den baupolizeilichen Auftrag erteilt hatte, zu einer solchen Verfügung zuständig war, und 2. ob die Steiermärkische Landesregierung die Zuständigkeit zum Abspruch über die gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingebrachte Berufung besessen hat. In dieser Hinsicht ist folgendes zu sagen: Nach der Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz oblag dem Stadtrat in erster Instanz die Handhabung der Bauordnung (§75). Ihm stand es auch zu, Aufträge nach § 83 zur Beseitigung von Baugebrechen zu erlassen. Wie die Akten des Verwaltungsverfahrens zeigen, ist die erstinstanzliche Verfügung nicht vom Stadtrat erlassen worden, sondern vom Stadtmagistrat (Baupolizeiamt). Nun ist allerdings zu beachten, dass gegenwärtig die Frage, welche Behörde die Bauordnung in erster Instanz zu vollziehen hat, und wie der Rechtsmittelzug gestaltet ist, nicht mehr nach den Bestimmungen der Bauordnung beurteilt werden darf, sondern nach der Gemeindeordnung für die Stadt Graz (Gesetz vom 8. Dezember 1869, LGBl. Nr. 47, einschließlich der dazu ergangen Novellen). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Bestimmungen der österreichischen Bauordnungen über die Zuständigkeit der Baubehörden durch die Verordnung vom , DRGBl. I s. 485, über baupolizeiliche Zuständigkeiten in den Reichsgauen der Ostmark mit aufgehoben wurden, des weiteren, dass diese Verordnung durch das vorläufige Gemeindegesetz vom , StGBl. Nr. 66, beseitigt wurde (vgl. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 97A). Diese Beseitigung hatte aber nicht zur Folge, dass die seinerzeit aufgehobenen Bestimmungen der österreichischen Bauordnungen über die Zuständigkeit zur Vollziehung wieder in Wirksamkeit getreten wären. Für den Bereich der Bauordnung für die Stadt Graz ergibt sich aus diesen Erwägungen, dass zu ihrer Handhabung, solange die baubehördliche Zuständigkeit nicht durch einen eigenen Gesetzgebungsakt neu geregelt ist, diejenigen Behörden zuständig sind, welche in den Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Gemeinden zu entscheiden haben. Dies sind nach dem Statut für die Stadt Graz in erster Rechtsstufe der Stadtrat (§ 62) - dies stellte bereits das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 410(A) fest - und in zweiter Rechtsstufe der Gemeinderat (§ 46 Abs. 1 im Zusammenhang mit § 71).
Im vorliegenden Fall hat, wie sich aus der Darstellung des Sachverhaltes ergibt, in erster Instanz bereits eine unzuständige Behörde abgesprochen, der Stadtmagistrat an Stelle des Stadtrates. Infolgedessen hätte die belangte Landesregierung die Entscheidung behoben und die Angelegenheit zur Entscheidung an den Stadtrat verweisen müssen. Da sie dies nicht getan, vielmehr eine Sachentscheidung gefällt hat, ist der Bescheid mit inhaltlicher Gesetzwidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid musste daher aufgehoben werden (§42 Abs. 2 lit. a VwGG).
Bemerkt wird, dass die Art der Handhabung des § 83, wie sie im Beschwerdefall geschehen ist, mit dem Gesetz nicht im Einklang steht. Es ist Sache der Baubehörde, den Umfang der dem beauftragten Eigentümer obliegenden Leistungen im Bescheide genau festzulegen. Tut sie dies, dann wird sie auch genötigt sein, sich vor Erlassung des Bescheides ein Bild über die technische Möglichkeit und die tatsächliche Durchführbarkeit der notwendigen Arbeiten zu machen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Gegenschrift, die die belangte Behörde erstattet hat, führt gerade zu diesem Punkte aus, dass das, was der Beschwerdeführer bewerkstelligen soll, im einzelnen nicht vorgeschlagen werden konnte, da die zu treffenden Maßnahmen von dem Ergebnis der Untersuchung abhängen werden. Ist aber die Situation so, dass die belangte Behörde die Ursache oder den Umfang des Gebrechens nicht durch den blossen Augenschein feststellen und sich auch kein Bild machen kann, was seitens des Eigentümers der Baulichkeit vorzukehren ist, dann hat sie vorerst den Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist zur Untersuchung und Vorlage eines Befundes zu verhalten. Mit der Erteilung weiterer Aufträge hat sie bis zur Vorlage des Befundes zuzuwarten. Nach Maßgabe des Befundes wird sie sodann die weiteren Sicherungsmaßnahmen bzw. Instandsetzungsmaßnahmen aufzutragen haben. Bei einem solchen Vorgehen wird die Baubehörde auch in der Lage sein, die aufgetragene Leistung auch inhaltlich derart zu bestimmen, daß der Bescheid einer Vollstreckung durch Ersatzvornahme zugänglich ist. Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO Graz 1881 §75; BauO Graz 1881 §83; BauRallg; VVG; |
Sammlungsnummer | VwSlg 2356 A/1951 |
Schlagworte | Baupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1951:1950001009.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-53619