VwGH 17.10.1960, 0989/60
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Als Eingaben in Strafsachen können nur solche angesehen werden, die der Feststellung einer Straftat oder des Täters oder seiner Überführung dienen oder aber solche Eingaben, durch die eine an einem Strafverfahren als Beschuldigter, Angeklagter, Privatankläger, Zeuge uä beteiligte Person irgendeine in der StPO vorgesehene Verfahrenshandlung vornimmt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Porias, Dr. Dorazil, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. JK in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA-VIII-1522-1959, betreffend Stempelgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer richtete am im Namen eines seiner Klienten an das Gendarmeriepostenkommado E. eine Anfrage, in der er sich darauf berief, daß er gegen eine bestimmte Person eine Anzeige wegen des Verdachtes der Veruntreuung erstattet habe. Er sei ohne Nachricht darüber geblieben, in welchem Stadium der Vorerhebungen sich die Sache befände. Er erbat "insbesondere", ihm mitzuteilen, ob der Akt bereits der Staatsanwaltschaft abgetreten worden sei. Vorsichtshalber erklärte er "schon jetzt", sich namens seines Mandanten dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen. Diese ungestempelt überreichte Eingabe wurde dem Gendarmeriepostenkommando E. abgetreten, bei dem ein amtlicher Befund über eine Verkürzung von Stempelgebühren aufgenommen wurde. In der Folge schrieb das zuständige Finanzamt dem Beschwerdeführer für die bezeichnete Eingabe gemäß § 14 TP 6 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267/1957 (GebG), eine Stempelgebühr von S 6,-- und gemäß § 9 dieses Gesetzes eine Erhöhung in gleicher Höhe, zusammen also S 12,-- vor.
Gegen diesen Gebührenbescheid legte der Beschwerdeführer Berufung ein, in der er mit der Behauptung, die Eingabe sei im öffentlichen und nicht im Privatinteresse eingebracht worden, deren Gebührenfreiheit geltend machte.
Mit Bescheid vom wies die Finanzlandesdirektion das Rechtsmittel als unbegründet ab. Sie führte aus, die streitige Eingabe sei nach dem Gebührengesetz 1957 stempelpflichtig und die Befreiungsbestimmung des § 380 StPO komme für die überreichte Schrift nicht in Betracht, weil die Freiheit von der Gebühr nach dieser Rechtsvorschrift nur Eingaben in einem schon eingeleiteten Strafverfahren, und zwar auch nur den daran beteiligten Parteien, zukomme. Im vorliegenden Fall handle es sich aber um eine außerhalb eines Strafverfahrens eingebrachte Anfrage. Ein Strafverfahren habe erst in Gang gesetzt werden sollen. Daß später gegen die Angezeigte tatsächlich ein gerichtliches Verfahren eingeleitet worden sei, habe nicht zur Folge gehabt, daß rückwirkend eine Gebührenbefreiung zuzuerkennen sei. Die Gebührenerhöhung sei eine objektive Folge der Unterlassung der ordnungsgemäßen Gebührenentrichtung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird seinem ganzen Inhalt nach angefochten und in der Beschwerde ausgeführt: Die angefochtene Entscheidung stützte sich darauf, daß eine Gebührenbefreiung gemäß § 380 StPO nur dann gegeben sei, wenn ein schon eingeleitetes Strafverfahren vorliege. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung seien aber Eingaben in Strafsachen von der Gebühr befreit. Eine solche Strafsache liege aber bereits dann vor, wenn eine Anzeige bei einer Behörde, in deren Wirkungsbereich die Behandlung von Strafsachen fällt, einlangt, und nicht erst, wenn die Behörde auf Grund dieser Anzeige irgendwelche Schritte unternimmt. Der Beginn der Strafsache und die Einleitung einer Strafuntersuchung dürften nicht vermengt werden. Die Einleitung einer Strafuntersuchung sei erst der etwaige zweite Schritt der Behörde. Es müsse darauf hingewiesen werden, daß zweifellos auch eine Strafanzeige Bestandteil des Strafaktes sei, und damit die "prima causa" einer Strafsache darstelle. Andernfalls würde eine nach § 90 StPO eingestellte Sache keine Strafsache darstellen. Das würde dazu führen, daß jede Strafanzeige gestempelt werden mußte, da bei ihrer Erstattung noch kein Strafverfahren eingeleitet sei. Dies sei jedoch nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen. Im Streitfalle sei bereits ein Strafverfahren anhängig gewesen. Auch habe der Beschwerdeführer die Eingabe im Vollmachtsnamen seines Klienten in dessen Eigenschaft als Privatbeteiligter überreicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer stützt sich auf die Bestimmung des § 380 StPO derzufolge, sofern die besonderen Vorschriften über die Gerichtsgebühren nichts anderes bestimmen, in Strafsachen keine Gebühren zu entrichten sind. Als Eingaben in Strafsachen können nun nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nur Eingaben angesehen werden, die der Feststellung einer Straftat oder des Täters oder seiner Überführung dienen, oder aber solche Eingaben, durch die eine an einem Strafverfahren als Beschuldigter, Angeklagter, Privatankläger, Privatbeteiligter, Zeuge oder Sachverständiger u. a. beteiligte Person irgendeine in der Strafprozeßordnung vorgesehene Verfahrenshandlung vornimmt. Die Eingabe des Beschwerdeführers vom enthält zunächst eine Anfrage über das Schicksal einer vom Beschwerdeführer namens eines Klienten erstatteten Strafanzeige. Insoweit kann sie nach dem oben Gesagten nicht als eine Eingabe in einer Strafsache gewertet werden, zumal die Organe der Gerichtsbarkeit auch nicht verpflichtet sind, außenstehenden Personen Auskünfte über den Stand einer strafgerichtlichen Voruntersuchung (Vorerhebung) zu erteilen. Darüber hinaus enthält die streitige Eingabe auch die Erklärung, daß sich der vom Beschwerdeführer vertretene Klient dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen wünscht. Die streitige Eingabe wäre nun an sich von einer Stempelgebühr befreit, wenn sie nur diese Erklärung enthalten würde, weil durch die Rechte nach der Strafprozeßordnung geltend gemacht werden. Die Freiheit von der Gebühr für eine Eingabe geht jedoch verloren, wenn darin unter mehreren Begehren auch nur eines von der Gebühr getroffen wird, weil sich die Gebühr nach dem gesamten Inhalte der Eingabe zu richten hat. Die Anfrage nach dem Stande der gerichtlichen Untersuchung war im vorliegenden Falle nun unbestrittenermaßen eine Eingabe einer Privatperson. Sie war an ein Organ einer Gebietskörperschaft (Gendarmerieposten) gerichtet und betraf eine Angelegenheit des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises dieses Organes (Mithilfe bei der Strafverfolgung). Sie berührte aber auch das Privatinteresse des Einschreiters, der sich über den Stand der Angelegenheit zu unterrichten wünschte. Damit waren aber, da im vorliegenden Fall auch keine der Befreiungsbestimmungen des § 14 TP 6 Abs. 5 GebG 1957 in Betracht kam, die Voraussetzungen für die Stempelpflicht der Eingabe des Beschwerdeführers vom gegeben. Unbestritten ist, daß diese Eingabe im Zeitpunkt ihrer Überreichung nicht gestempelt, die Gebührenschuld in diesem Zeitpunkte also noch nicht getilgt war. Demnach war das Finanzamt ohne weiteres auch berechtigt, dem Beschwerdeführer gemäß § 9 GebG eine Gebührenerhöhung vorzuschreiben, die im übrigen das gesetzliche Ausmaß nicht überschritten hat.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war demgemäß abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1960:1960000989.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-53575