VwGH 06.07.1956, 0954/54
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Es ist mit dem im § 2 UStG geprägten Begriff des "Unternehmers" schwer vereinbar, einen "Arzt" iSd § 2 Abs 2 ÄrzteG, der lediglich zur unselbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes in öffentlichen und gleichgestellten Krankenanstalten unter Anleitung und Aufsicht des Abteilungsleiters berechtigt und den Anweisungen der Anstaltsleitung unterworfen ist, in Ansehung eben dieser "ärztlichen" Tätigkeit in einer solchen Krankenanstalt, mag sie sich auch als Assistenzdienst bei Operationen darstellen, als selbständig und somit für die Sonderentlohnung seines Assistenzdienstes umsatzsteuerpflichtig anzusehen. Hingegen ist ein "Arzt" hinsichtlich des für die Vertretung von praktischen Ärzten bezogenen Entgeltes eindeutig Unternehmer iSd § 2 UStG anzusehen, denn er ist ebenso selbständig in der Ausübung des freien Berufes wie der praktische Arzt und nicht in dessen Unternehmen eingegliedert, auch wenn er zu einer Vertretung gar nicht berechtigt sein sollte. Er bezieht die Entlohnung auch nicht von der Spitalsleitung, gleichgültig ob man diese als seinen Dienstgeber ansehen mag oder nicht, sondern vom vertretenen Arzt als Entgelt für seine Vertreterleistung. Es liegt hier also ein Leistungstausch zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen vor, wobei der Vertreter seine Leistung als selbständiger Unternehmer erbringt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Rat Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek und Dr. Eichler als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. OR in V gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 13/58 - BK - 53, betreffend Umsatzsteuer für 1951, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Hermann Stowasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit die sogenannten Assistenzgebühren der Umsatzsteuer unterzogen wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Ein Kostenzuspruch findet nicht statt
Begründung
Der Beschwerdeführer ist als "Arzt" im Sinne des § 2 Abs. 2 des Ärztegesetzes (BGBl. Nr. 92/1949), also als lediglich zur unselbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes in öffentlichen und sonstigen vom Bundesministerium für soziale Verwaltung zugelassenen Krankenanstalten unter Anleitung und Aufsicht der Abteilungsleiter berechtigte Person, im Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus der Stadtgemeinde V. beschäftigt gewesen. Laut Lohnzettel des Krankenhauses hat er im Jahre 1951 neben seinen laufenden und einmaligen Lohnbezügen auch "Assistenzgebühren" (Arzthonorare) in Höhe von 4.163 S ausbezahlt erhalten und nach seiner eigenen Einkommensteuererklärung weitere 1.510 S für die Vertretung von praktischen Ärzten eingenommen. Das Finanzamt hat zu den "Arzthonoraren" den sogenannten "Rücklaß" in Höhe von einem Viertel der ausbezahlten Beträge hinzugeschlagen und die Summe zusammen mit den Vertretungsgebühren der Umsatzsteuer unterzogen. Der Beschwerdeführer hat gegen den Steuerbescheid Berufung erhoben und geltend gemacht, daß sowohl die sogenannten "Arzthonorare" als auch die Vertretungsgebühren Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit seien, da er gar nicht die Berechtigung besitze, die ärztliche Praxis selbständig auszuüben. Er habe weder auf die Höhe noch auf die Verteilung der Honorareingänge, bei denen es sich richtig um Assistenzgebühren handle, irgendeinen Einfluß, sondern stehe ausschließlich in einem lohnsteuerpflichtigen Dienstverhältnis zum Krankenhaus und habe selbstverständlich auch die Pflicht, über Weisung des jeweiligen Chefs bei Operationen zu assistieren. Es gehöre zu den Betriebsgepflogenheiten, daß die in Ausbildung begriffenen Ärzte gewisse Anteile an den von der Spitalsverwaltung dem Patienten als Assistentengebühr vorgeschriebenen Beträgen erhalten. Der zumeist auf der Chirurgie beschäftigte Arzt erhalte einen höheren Anteil, der Rest werden auf die übrigen "Ärzte" gleichmäßig verteilt, und zwar ganz ohne Rücksicht darauf, ob sie im betreffenden Monat oft oder gar nie assistiert haben. Das Krankenhaus behalte zwar von diesen Assistenzgebühren keine Lohnsteuer ein, darauf aber lasse sich noch nicht die Umsatzsteuerpflicht ableiten. Es seien ohnedies zwei andere Umsatzsteuerbeträge vorhanden, nämlich "der betreffende liquidierende Primararzt hinsichtlich der Honorare abzüglich 20 % Rücklaß an das Krankenhaus und das Krankenhaus selbst hinsichtlich des Rücklasses und der vollen Assistenzgebühren". Bei den "Vertretergebühren" handle es sich gleichfalls um Dienst- oder Lohnbezüge, der Arbeitgeber sei hier der praktische Arzt, den der Beschwerdeführer über Auftrag seines Krankhauschefs vertreten habe. Die Entlohnung für diese Vertretertätigkeit habe in einem Tagessatz von S 40 und der vollen Verpflegung bestanden. Auch hier habe der Beschwerdeführer in geldlicher Beziehung mit den Patienten nichts zu tun gehabt. Umsatzsteuerträger sei also der praktische Arzt, den er vertreten habe. Übrigens scheine die Vertretung eines "praktischen Arztes" durch einen in Ausbildung begriffenen Arzt auch im Krankhaus gewisse Bedenken erregt zu haben, weshalb sie im Jahre 1952 auch nicht mehr vorgekommen sei.
Über eine allgemein gehaltene Anfrage des Finanzamtes hat die Krankenanstalt mitgeteilt, daß sie über die sogenannten besonderen Gebühren gesondert Rechnung lege, und zwar sowohl für ihren Teil als auch für den dem Primararzt und den Assistenzärzten zukommenden Teil unter Anführung des Namens dieser Ärzte. Die Rechnungen zergliederten sich in Verpflegsgebühren, Honorarsätze, wobei der Name des verrechnenden Arztes eingesetzt werde sowie in Sachaufwandskosten und Kosten für Röntgen, Therapie, Labor usw. Der Patient oder irgendeine interessierte Stelle könnten aus den Rechnungen jederzeit unschwer feststellen, welche Gebühren vom Arzt und welche vom Krankenhaus verrechnet wurden.
Die belangte Behörde hat nunmehr der Berufung keine Folge gegeben. Zur Begründung ihres Bescheides führte sie im wesentlichen aus, aus der Anfragebeantwortung des Krankenhauses gehe zwar nicht eindeutig hervor, ob in der Rechnung neben dem Namen des Primararztes auch der Name des Assistenzarztes aufscheine, aber selbst wenn dies nicht der Fall sei, lägen doch umsatzsteuerpflichtige Einkünfte des assistierenden Arztes vor, da er keinesfalls in einem Dienstverhältnis zum Primararzt stehe. Daß der Beschwerdeführer nach dem Ärztegesetz seinen Beruf nur unselbständig ausüben dürfe, bedeute dabei kein Hindernis, da die steuerliche Beurteilung von der "standesmäßigen" nicht abhängig sei. Soweit Fehlen eines Leistungsaustausches eingewendet wird, wird darauf verwiesen, daß die Assistenzgebühren immerhin "ohne Zweifel ein besonderes Entgelt für eine besondere Leistung waren". Es sei daher nach Meinung des Berufungssenates "die Voraussetzung eines Leistungsaustausches gegeben, da offenbar eine vollkommene Übereinstimmung der Leistungen nicht vorzuliegen braucht". Entscheidend für die umsatzsteuerliche Beurteilung des vorliegenden Falles sei, wie die besonderen Gebühren den Patienten in Rechnung gestellt wurden. Dagegen könne der Steuerpflichtige nicht einwenden, daß er auf die Verrechnungsart durch das Krankenhaus keinen Einfluß habe, zumal nicht behauptet werden könne, daß die Verrechnung "den tatsächlichen Gegebenheiten widersprochen hätte". Was die Vertretergebühren anlange, sei der Vertreter eines praktischen Arztes in seiner Tätigkeit ebenso selbständig wie dieser und nicht etwa dessen Angestellter, da ein ärztliches Angestelltenverhältnis in derartigen Fällen sogar unstatthaft sei.
Mit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof werden im wesentlichen die bereits im Rechtsmittelverfahren vorgebrachten Einwendungen wiederholt. Ergänzend wird ausgeführt, daß Ministerialerlässe, auf die sich die belangte Behörde stütze, nicht Recht schaffen können. Übrigens sei es für die Beurteilung des vorliegenden Falles völlig unerheblich, welche Verrechnungsart angewendet wurde, denn der Beschwerdeführer als "Arzt" habe weder Honorar noch sonstige Gebühren einzuheben, im gebührten nur Lohnbezüge, wozu auch die Assistenzgebühr gehöre, sein Arbeitgeber habe ihm auch niemals Liquidationsrechte eingeräumt. Was der Beschwerdeführer nicht tun dürfe, könne aber selbstverständlich auch das Krankenhaus nicht in dessen Namen und auf dessen Rechnung tun. Der praktische Vorgang, den die belangte Behörde nicht entsprechend erhoben habe, sei der, daß der Patient den 20 %igen Rücklaß vom Primarhonorar aus der Rechnung nicht ersehe. Das Krankenhaus stelle daher "aus eigenem" einen gleich hohen Betrag als Assistenzgebühr in Rechnung und setze entweder den Namen des Assistenzarztes oder eines zur Assistenz befohlenen, noch in Ausbildung begriffenen Arztes bei. Wenn so als Assistenzgebühr zum Beispiel 200 S in Rechnung gestellt würden, behalte davon das Spital 20 %, also 40 S als Rücklaß zurück, von den verbleibenden 160 S bekomme die Hälfte, also 80 S der Assistenzarzt, die andere Hälfte werde an 10 in Ausbildung begriffene "Ärzte" verteilt, sodaß auf jeden 8 S entfielen, ohne Rücksicht darauf, "wer gerade zufällig auf der Rechnung steht". Es sei also völlig unbegründet zu behaupten, daß 200 S im Namen und auf Rechnung des "Arztes" eingegangen seien, wenn er davon nur 8 S und diese nur freiwillig vom Spital erhalte.
Die Vertretungen habe der Beschwerdeführer als "Arzt" im Auftrag seiner unmittelbaren Vorgesetzten im Spital durchgeführt, selbständig hätte er die Vertretungen gar nicht übernehmen können, da er ja Krankenhausangestellter sei und über seine Zeit nicht frei verfügen könne. Für die Zeit der Vertretung sei ihm von seinem Gehalt eine entsprechende Quote abgezogen worden, dafür habe er für seine Leistung im Rahmen einer fremden Praxis vom vertretenen praktischen Arzt einen Taglohn von 40 S und die Kost bekommen.
Der Gerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes vom , DRGBl. I S. 942, (UStG) unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer in Inland im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Unternehmer ist nach § 2 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen ... einem
Unternehmen derartig eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind.
Nun ist es schon mit dem im § 2 UStG geprägten Begriff des "Unternehmers" schwer vereinbar, einen "Arzt" im Sinne des § 2 Abs. 2 des Ärztegesetzes, der lediglich zur unselbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes in öffentlichen und gleichgestellten Krankenanstalten unter Anleitung und Aufsicht des Abteilungsleiters berechtigt und den Anweisungen der Anstaltsleitung unterworfen ist, in Ansehung eben dieser "ärztlichen" Tätigkeit in einer solchen Krankenanstalt, mag sie sich auch als Assistenzdienst bei Operationen darstellen, als selbständig und somit für die Sonderentlohnung seines Assistenzdienstes umsatzsteuerpflichtig anzusehen. Abgesehen davon ist aber das abgeführte Verfahren in dieser Hinsicht mangelhaft, denn die belangte Behörde hat nicht einmal erhoben, ob hier überhaupt ein Leistungsaustausch zwischen Patienten und "Arzt" angenommen werden kann, obwohl der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren behauptet hatte, daß die strittigen sogenannten "Assistenzgebühren" auch dann ausbezahlt werden, wenn der "Arzt" bei der betreffenden Operation überhaupt nicht mitgewirkt hat. Sie hat weiter nicht erhoben, ob die von ihr verwertete Auskunft der Spitalsleitung über die Gebühr der "Assistenzärzte" auch auf die hier strittige Gebühr der "Ärzte" nach § 2 Abs. 2 des Ärztegesetzes zutrifft. Der Bescheid der belangten Behörde mußte daher, soweit er über die Umsatzsteuerpflicht der sogenannten Assistenzgebühr abspricht, gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Hingegen muß der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben, soweit sie sich gegen die Einbeziehung des für die Vertretung von praktischen Ärzten bezogenen Entgeltes in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage wendet. Hier ist nämlich der Vertretene eindeutig Unternehmer im Sinne des § 2 UStG, der Beschwerdeführer als sein Vertreter ist aber nicht dessen Angestellter; er ist ebenso selbständig in der Ausübung des freien Berufes wie der praktische Arzt und nicht in dessen Unternehmen eingegliedert, auch wenn er zu einer Vertretung gar nicht berechtigt sein sollte. Er bezieht die Entlohnung auch nicht von der Spitalsleitung, gleichgültig ob man diese als seinen Dienstgeber ansehen mag oder nicht, sondern vom vertretenen Arzt als Entgelt für seine Vertreterleistung. Es liegt hier also ein Leistungstausch zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen vor, wobei der Vertreter seine Leistung als selbständiger Unternehmer erbringt. In diesem Umfang besteht also die Umsatzsteuerpflicht nach den §§ 1 und 2 UStG, weil nach diesen Gesetzesstellen als berufliche Unternehmertätigkeit jede selbstständige nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gilt. In diesem Belange war die Beschwerde daher nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof konnten dem Beschwerdeführer aus den Gründen nicht zugesprochen werden, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom , Slg. Nr. 381/F, dargelegt hat.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 1463 F/1956; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1956:1954000954.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-53525