VwGH 05.07.1973, 0929/72
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | UStG 1959 §4 Abs1 Z10; |
RS 1 | Es ist verfehlt, das Entgelt für die Überlassung eines (Duschräume, Toiletten, luftgetragene Halle, Platzbefestigung, Netze udgl) zwecks Ausübung des Tennisspieles zur Gänze als umsatzsteuerpflichtig anzusehen. Die Platzmieter schliessen mit dem Vermieter vielmehr einen gemischten Vertrag, der zwei wesentliche Elemente umfasst: die eines Bestandvertrages über Grundstücke und die darüber hinausgehende Vermietung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen iSd § 4 Abs 1 Z 10 zweiter Satz UStG. In einem solchen Fall ist das vom Vermieter vereinnahmte Entgelt ("Platzmiete") - allenfalls im Wege einer Schätzung - in einen Umsatzsteuerpflichtigen und einen Umsatzsteuerfreien Teil zu zerlegen (Hinweis E , 1756/71). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Dr. Reichel und Dr. Draxler als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde des HG und des Dkfm. HS in W, vertreten durch Dr. Romeo Nowak, Rechtsanwalt in Wien VIII, Lerchenfelderstraße 36, gegen den Bescheid der FLD f Wien, NÖ u Bgld (Berufungssenat VI) v GA VI-2377/3/1971, betreffend Umsatzsteuer 1968 und 1969, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (FLD f Wien, NÖ u Bgld) hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beiden Beschwerdeführer betreiben - ihren Angaben in den Umsatzsteuererklärungen zufolge - in der Rechtsform einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht eine "Tennisplätze Vermietung" in W. Sie hatten in den Streitjahren die vereinnahmten Entgelte zur Gänze dem Regelsteuersatz des § 7 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1959 BGBl 1958/300 (UStG 1959) unterzogen und darin folgte ihnen auch das FA bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 1968. Mit Schreiben v wandten sich die Beschwerdeführer jedoch an das BMF mit der Bitte um Erteilung einer rechtsverbindlichen Auskunft, da sie der Meinung seien, bei der Vermietung von Tennisplätzen könnten maximal 10 vH der vereinnahmten Entgelte der Umsatzsteuer unterworfen werden, während die restlichen 90 vH (gem § 4 Abs 1 Z 10 UStG 1959) steuerfrei seien, komme doch der Überlassung von Grund und Boden an die Spieler eine viel größere Bedeutung zu als der Beistellung von Garderoberäumlichkeiten und Duschanlagen.
Eine Erledigung des erwähnten Anbringens ist nach der Aktenlage nicht erfolgt, doch führte das FA in der Folge im Unternehmen der Beschwerdeführer eine Betriebsprüfung durch, in deren Verlauf auch der Zweitbeschwerdeführer vernommen wurde. Aus diesem Anlaß stellte er den Antrag, für den Fall der Wiederaufnahme des Verfahrens (offenbar das Jahr 1968 betreffend) die vereinnahmten Entgelte aus der Tennisplatzvermietung zur Gänze umsatzsteuerfrei zu belassen, da sich die Überlassung der Umkleidekabinen und Duschanlagen als "eine unselbständige Nebenleistung im Rahmen der Überlassung der Spielflächen" darstelle. Ferner gab der Zweitbeschwerdeführer noch an, daß ab der Saison 1969/70 auch eine luftgetragene Halle aufgestellt worden se, um das Tennisspiel auf einem Platz auch im Winter zu ermöglichen.
Demgegenüber vertraten die Prüfer in ihrem über das Ergebnis der Betriebsprüfung verfaßten Bericht die Meinung, die in Rede stehenden Umsätze könnten weder zu 90 vH, geschweige denn zur Gänze steuerfrei belassen werden. Die Beschwerdeführer hätten nämlich in dieser Angelegenheit bereits gegen den Umsatzsteuerbescheid 1961 ein Rechtsmittel eingelegt (diese Aktenstücke finden sich in den von der belangten Behörde dem VwGH vorgelegten Verwaltungsakten allerdings nicht vor), doch sei ihre Berufung mit Bescheid vom abgewiesen worden (auch dieser Bescheid befindet sich nicht in den Verwaltungsakten). Seither habe sich an der Art der Leistung den Kunden gegenüber "im Wesentlichen" nichts geändert, und durch die Errichtung der Lufttragehalle trete ab Oktober 1969 "die zur Verfügungstellung von Betriebsanlagen" noch mehr in den Vordergrund.
Da andere Gründe eine Wiederaufnahme des Verfahrens erforderlich machten, erließ das FA für das Jahr 1968 einen neuen Umsatzsteuerbescheid und versagte darin - ebenso wie im gleichzeitig erlassenen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1969 - die von den Beschwerdeführern in Anspruch genommene Umsatzsteuerfreiheit zur Gänze.
In ihrer gegen diese Bescheide erhobenen Berufung hielten die Beschwerdeführer ihr ursprüngliches Begehren, die Umsätze der Streitjahre vollständig steuerfrei zu belassen, nicht weiter aufrecht. Sie verwiesen darauf, daß im Hotelgewerbe bei der Vermietung von Zimmern eine Pauschalregelung getroffen worden sei, wonach 80 vH der vereinnahmten Entgelte steuerfrei bleiben könnten. Sie stellten den Berufungsantrag, in ihrem Fall analog vorzugehen. Der Schwerpunkt ihrer gewerblichen Tätigkeit liege in der Ermöglichung, Tennis zu spielen, während das gebotene Service (Umkleideräume, Toiletten, Duschanlagen) eine dem Tennisspiel untergeordnete Nebenleistung beinhalte. Wäre es doch selbstverständlich, daß ein Unternehmer seinen Gästen den Aufenthalt in der Sportanlage so angenehm wie möglich gestalte. Auch im Hotelgewerbe habe es sich aus Konkurrenzgründen ergehen, daß die Nebenleistungen immer größer würden, ohne daß man die erwähnte Regelung bei der Umsatzbesteuerung geändert habe. Im übrigen bestehe in der Bundesrepublik Deutschland schon seit Jahren kein Zweifel mehr, daß Entgelte aus der Vermietung von Tennisplätzen - sei es saison- oder bloß stundenweise - nicht der Umsatzsteuer unterzogen werden dürften.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das FA das Rechtsmittel als unbegründet ab und hielt den Beschwerdeführern entgegen, daß bei der Vermietung von Tennisplätzen es den Spielern doch nicht um das Grundstück ginge, sondern um die Miete einer kompletten Betriebsanlage, die die Bodenbeschichtung, Spielfeldmarkierung, Netze, Umzäunung udgl umfasse. Dazu kämen die schon erwähnten Nebenleistungen und der Umstand, daß selbst die Überlassung der Plätze an Dauermieter (saison- oder monatsweise) keine "echte" Vermietung sei, denn auch diese Mieter hätten ihren Platz nicht für sich allein zur Verfügung, sondern müßten ihn mit anderen Mietern - wenn auch zu verschiedenen Zeiten - teilen. Somit sei eine einheitliche Leistung, die Vermietung einer Betriebsanlage, gegeben, die nicht in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil getrennt werden könne.
Diese Berufungsvorentscheidung gehört allerdings nicht mehr dem Rechtsbestand an, weil die Beschwerdeführer den Antrag stellten, ihre Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.
Mit Bescheid vom hat sodann der Berufungssenat VI der FLD f Wien, NÖ u Bgld das Rechtsmittel endgültig abgewiesen. In der Begründung der Berufungsentscheidung ist der Senat im wesentlichen der Auffassung des FA gefolgt, daß den Mietern der Tennisplätze eine komplette Betriebsanlage zur Verfügung gestellt werde. Zur zweckdienlichen Benützung derselben müsse eine beträchtliche Anzahl von Vorrichtungen und Anlagegütern neben den Grundstücksteilen selbst zur Verfügung gestellt werden, wie zB eine hohe Umzäunung des Platzes, der mit einer entsprechenden Bodenauflage, mit Spielfeldmarkierungen und Netzen versehen sein müsse, ferner eingerichtete Umkleidekabinen, Toilette- und Duschanlagen. Es liege somit nicht die Vermietung von Grundstücken vor, da Grundstücke ohne die genannten Vorrichtungen für die Tennisspieler unbrauchbar seien, sondern die Vermietung einer einheitlichen Betriebsanlage, wobei das Element des Bestandvertrags als unwesentlichster Teil der erbrachten Leistungen erscheine. Ein Großteil der zur Verfügung gestellten Vorrichtungen möge zwar bürgerlich-rechtlich Zugehör des Grundstücks sein, bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung seien jene aber als Teile einer Betriebsanlage iS des § 4 Abs 1 Z 10 zweiter Satz UStG 1959 zu betrachten. Im übrigen hätten die Beschwerdeführer selbst nicht behauptet, der Sachverhalt habe sich seit ihrer Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1961 geändert, vielmehr hätten sie nur auf die Pauschalregelung im Hotelgewerbe und auf die Umsatzsteuerfreiheit in Deutschland verwiesen. Demgegenüber habe durch die Aufstellung der Lufttragehalle die Ansicht des FA eine Erhärtung erfahren, weil dadurch die "ertragsmäßige Verwertung" des Tennisplatzes erheblich verbessert worden sei und deshalb die Verpachtung des Grundstücks noch weiter in den Hintergrund rücke. Abgesehen davon könne die Verwaltungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Auslegungsregel für das österreichische Umsatzsteuerrecht gelten.
Gegen diesen Bescheid des Berufungssenats VI der FLD f Wien, NÖ u Bgld v richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde.
Der VwGH hat darüber erwogen:
Gem § 4 Abs 1 Z 10 UStG 1959 sind von den unter § 1 leg. cit fallenden Umsätzen die Verpachtungen und Vermietungen von Grundstücken, von Berechtigungen, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, und von staatlichen Hoheitsrechten, die sich auf die Nutzungen von Grund und Boden beziehen, steuerfrei. Steuerpflichtig ist jedoch die Verpachtung und Vermietung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind.
Während das Umsatzsteuerrecht im allgemeinen weitgehend vom Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beherrscht wird, ist für die Frage, ob ein Pachtverhältnis oder Mietverhältnis vorliegt, das bürgerliche Recht maßgebend. Die Begriffe "Verpachtung" und "Vermietung" sind daher für die Auslegung dieser Befreiungsbestimmung dem bürgerlichen Recht zu entnehmen. Nach §§ 1090 ff ABGB wird ein Bestandvertrag, dh ein Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, ein Mietvertrag genannt, wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt. Er wird zum Pachtvertrag, wenn die unverbrauchbare Sache aber nur durch Fleiß und Mühe genutzt werden kann. Unterpacht- und Untermietverträge sind in der Frage der Steuerfreiheit den Pacht- und Mietverträgen gleichzuhalten. Bildet die Verpachtung oder Vermietung eines Grundstücks nicht allein den Gegenstand einer vertragsmäßigen Unternehmerleistung, dann kann die Befreiungsbestimmung nur für den Teil des Entgelts, der auf die Verpachtung oder Vermietung entfällt, in Anspruch genommen werden (vgl das hg Erk v , 2260/61, von welchem den Parteien gem Art 14 Abs 4 der hg GO BGBl 1965/45 auf Antrag eine Ausfertigung zugesendet werden wird, und das Erk dieses Gerichtshofs v Slg 3702(F)).
Im vorliegenden Fall hat nun die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Rechtsmeinung ausgesprochen, daß nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Überlassung des Grundstücks soweit zurücktrete, sodaß das Element des Bestandvertrags "als unwesentlichster" Teil der erbrachten Leistungen erscheine. Ein Großteil der zur Verfügung gestellten Vorrichtungen sei - unbeschadet einer möglichen bürgerlichrechtlichen Zuordnung dieser Vorrichtungen zum Zugehör des Grundstücks - umsatzsteuerrechtlich als Teil einer Betriebsanlage iS des § 4 Abs 1 Z 10 UStG 1959 anzusehen. Deshalb greife die Begünstigung durch diese Rechtsvorschrift im Streitfall nicht ein.
Dieser Rechtsansicht der belangten Behörde vermag sich der GH nicht anzuschließen. Er hat sich vielmehr in einem ähnlichen Falle, die entgeltliche Überlassung von Zeltplätzen auf einem Campingplatz betreffend, in seinem Erk v , 1756/71 (auf das unter neuerlicher Erinnerung an Art 14 Abs 4 der hg GO verwiesen wird) zur Rechtsmeinung bekannt, daß ein Vertrag, in dem einerseits das Recht zur Aufstellung eines Zeltes und anderseits das Recht zur Benutzung verschiedenster Einrichtungen (Wasch- und Duschanlagen, Toiletten, asphaltierte Plätze, Seebad usw) gegen ein einheitliches Entgelt eingeräumt werde, als ein gemischter Vertrag anzusehen sei, der zwei wesentliche Elemente umfasse: die eines Bestandvertrags über Grundstücke und die darüber hinausgehende Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen iS des § 4 Abs 1 Z 10 zweiter Satz UStG 1959. Dies muß aber umsomehr im vorliegenden Falle gelten, wo es den Platzmietern - wie die Beschwerdeführer zutreffend hervorheben - doch in erster Linie um die Überlassung eines Grundstücks zur Ausübung des Tennisspiels geht und erst in zweiter Linie um die Benutzung der Einrichtungen, die die Beschwerdeführer geschaffen haben, um die Anziehungskraft ihrer Tennisplätze zu erhöhen.
Mithin hat die belangte Behörde geirrt, wenn sie die in Rede stehenden Entgelte zur Gänze als umsatzsteuerpflichtig angesehen hat, anstatt sie - gegebenenfalls im Weg einer Schätzung gem § 184 BAO - in steuerfreie und steuerpflichtige zu trennen.
Der angefochtene Bescheid war daher als mit der Rechtslage nichtvereinbar gem § 42 Abs 2 lit a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit deines Inhalts aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die V d BK v BGBl 427. Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | UStG 1959 §4 Abs1 Z10; |
Sammlungsnummer | VwSlg 4562 F/1973 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1973:1972000929.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-53492