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VwGH 07.03.1956, 0901/54

VwGH 07.03.1956, 0901/54

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Nicht nur rechtserzeugende, sondern rechtsbezeugende Urkunden lösen die Gebührenpflicht aus.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2257/52 E VwSlg 725 F/1953 RS 3
Norm
RS 2
Inhalt eines Zusatzes oder Nachtrages ist aber bei Änderungen, die nicht als Neuerungsverträge zu werten sind, nur die Begründung der ZUSÄTZLICHEN Rechte und Pflichten, nicht auch der Inhalt des von der Änderung betroffenen ursprünglichen Rechtsgeschäftes.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1200/51 E VS VwSlg 560 F/1952 RS 3
Normen
RS 3
Ein und dasselbe Rechtsgeschäft kann mehrfach der Gebühr unterliegen, wenn darüber im Laufe der Zeit eine rechtserzeugende und eine rechtsbezeugende Urkunde oder mehrere rechtsbezeugende Urkunden errichtet werden (Hinweis E , 2257/52 VwSlg 725 F/1953).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Rat Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Wasniczek, Dr. Porias, Dr. Schirmer und Dr. Dorazil als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde der Firma G & Co in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 892-IVb/1953, betreffend Gebühr von einem Bestandvertrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Am wurde zwischen der Beschwerdeführerin und RB eine schriftliche "Punktation" errichtet, derzufolge die Beschwerdeführerin der RB einen Grundstücksanteil von 1473 m2 um den Betrag von 2 S pro m2 und den Monat auf drei Jahre vermietete. In der Punktation, die nur von einem Magister W "per procura" unterzeichnet ist, ist festgehalten, dass innerhalb eines halben Jahres "ein detaillierter Bestandvertrag" werde errichtet werden. Das Finanzamt schrieb der Beschwerdeführerin von diesem in der Punktation beurkundeten Vertrag eine Gebühr von 1 % aus der Bemessungsgrundlage von (3 x 12 x 2 x 1473 S =) 106.056 S vor. Der Gebührenbescheid wurde nicht angefochten.

Am wurde zwischen der Beschwerdeführerin und RB ein schriftlicher Bestandvertrag abgeschlossen, der von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist. In Punkt I dieses Vertrages wurde festgehalten, dass der in einem abgeschlossenen Lageplan bezeichnete Teil einer Fabriksliegenschaft im Gesamtbodenausmass von 1488,5 m2 den Bestandgegenstand bilde. Es handle sich um den gleichen Bestandgegenstand, der bereits in der Punktation angeführt worden sei. Der geringe ziffernmässige Unterschied im Gesamtbodenausmass sei nur eine Richtigstellung infolge neuerlicher Vermessung. Der Bestandzins wurde wieder mit 2 S pro Quadratmeter und Monat, also mit monatlich 2.977 S vereinbart. Es wurde festgehalten, dass die in der Punktation vereinbarte Bestanddauer am endige. Von diesem Vertrag schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin abermals eine 1 %ige Gebühr aus dem Betrage von (3 x 12 x 2.977 =) 107.172 S vor.

Die Beschwerdeführerin berief. Gegenstand der Gebühr sei nicht die Urkunde, sondern das Rechtsgeschäft. Das Rechtsgeschäft sei aber dasselbe, das bereits der Punktation zugrunde gelegen sei. Die Gebühr könne also nicht zweifach vorgeschrieben werden. Der Vorschrift des § 25 des Gebührengesetzes (BGBl. Nr. 184/1946, GG) sei dadurch genügt, dass im Bestandvertrag auf die seinerzeitige Punktation und auf deren Gebührenanzeige hingewiesen wurde.

Die Finanzlandesdirektion wies die Berufung ab. Gegenstand der Gebühr sei nur ein gültig beurkundetes Rechtsgeschäft. Sei aber ein Rechtsgeschäft zustandegekommen, dann sei die Gebührenpflicht von der Beurkundung abhängig, wobei jede Beurkundung grundsätzlich gebührenpflichtig sein müsse. Nach § 25 GG unterliege sogar jede Gleichschrift einer Urkunde - abgesehen von den Ausnahmsbestimmungen nach den Absätzen 2 und 3 dieser Gesetzesstelle - für sich den festen und den Hundertsatzgebühren. Umsomehr müsse von mehreren verschiedenen Beurkundungen eines Rechtsgeschäftes jedes für sich der Beurkundung unterliegen. Mit Recht habe daher das Finanzamt sowohl die seinerzeitige Punktation als auch die förmliche Urkunde der Gebühr unterworfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, die gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion bei ihm erhoben wurde, erwogen:

Der Rechtsgeschäftsgebühr unterliegen nach § 15 Abs. 1 GG (in der Fassung nach der Novelle BGBl. Nr. 107/1952) Rechtsgeschäfte, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, dass in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt wird. Da § 33 Tarifpost 5 GG, der die Gebühren von Bestandverträgen regelt, für diese Gattung von Rechtsgeschäften keine abweichende Vorschrift enthält, ist also auch ein Bestandvertrag nur dann gebührenpflichtig, wenn darüber eine Urkunde errichtet wird. Die Gebührenpflicht eines Rechtsgeschäftes wird aber nicht nur durch rechtserzeugende, sondern auch durch rechtsbezeugende Urkunden ausgelöst, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 725 (F), dargelegt hat. So kann es kommen, dass ein und dasselbe Rechtsgeschäft mehrfach der Gebühr unterliegt, wenn darüber im Laufe der Zeit eine rechtserzeugende und eine rechtsbezeugende Urkunde oder mehrere rechtsbezeugende Urkunden errichtet werden. Nach § 25 GG unterliegt sogar von mehreren Gleichschriften derselben Urkunde jede Gleichschrift für sich selbständig der Gebühr, wenn nicht eine der in den Abs. 2 und 3 dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Ausnahmen zutrifft. Abs. 3 der von Urkunden in Notariatsaktform handelt, scheidet im vorliegenden Fall aus, aber auch die von der Beschwerdeführerin offenbar als anwendbar angesehene Ausnahmevorschrift des Abs. 2 kommt im vorliegenden Fall nicht zum Zug. Denn dort ist eine Erleichterung nur für den Fall vorgesehen, dass mehrere Gleichschriften einer Urkunde innerhalb einer Frist von 8 Tagen nach Entstehung der Gebührenschuld gleichzeitig dem Finanzamt vorgelegt werden. Im gegebenen Falle handelt es sich aber nicht um Gleichschriften derselben Urkunde, sondern um zwei voneinander verschiedene Schriften, von denen die spätere genau ein Jahr nach Ausstellung der früheren errichtet wurde.

Gemäss § 21 GG sind aber Zusätze und Nachträge bereits voll ausgefertigten Urkunden nach Massgabe ihres Inhaltes selbständig gebührenpflichtig. Das bedeutet, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 560 (F), dargelegt hat, dass bei Änderungen, die nicht als Neuerungsverträge zu werten sind, nur die Begründung der zusätzlichen Rechte und Pflichten Gegenstand der Gebühr vom Zusatz oder Nachtrag sein kann. Im vorliegenden Fall geht es aus dem Inhalt der Urkunde vom hervor, dass damit gegenüber dem ursprünglichen Vertrag, wie er in der "Punktation" niedergelegt ist, nur Änderungen im Ausmasse des Bestandgegenstandes und damit des Bestandzinses festgelegt weden. Sowohl das Ausmass der in Bestand gegebenen Grundfläche als auch das Ausmass des Bestandzinses erfährt dadurch eine geringfügige Erhöhung. Somit hätte, da es sich im vorliegenden Fall offensichtlich nicht um einen Neuerungsvertrag handelt, nur diese Erhöhung zum Gegenstand einer Gebührenvorschreibung gemacht werden können. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, musste der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1956:1954000901.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-53445