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VwGH 21.02.1984, 0900/80

VwGH 21.02.1984, 0900/80

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2 idF vor 1982/013;
RS 1
Für Reklameanlagen, die das Stadtbild stören, ist die Gebrauchserlaubnis nach § 2 Abs 2 Wr. Gebrauchsabgabegesetz zu versagen. Die Frage, ob eine Reklameanlage das Stadtbild - Gesichtspunkte des Stadtbildes - stört, ist auf Grund eines ausreichenden Befundes durch Sachverständige zu beantworten. Die Äußerung eines Sachverständigen, dem Vorhaben wegen einer Beeinträchtigung der Erdgeschoßzone des Hauses nicht zustimmen zu können, ist unzureichend.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 81/05/0156 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des HK in W, vertreten durch Dr. Helmut Winkler und Dr. Otto Reich-Rohrwig, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 14, gegen den auf dem Beschluß des Berufungssenates der Stadt Wien von beruhenden Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , Zl. MA 64-1210/79, betreffend Versagung einer Gebrauchserlaubnis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.290,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom wurde dem Beschwerdeführer die beantragte Gebrauchserlaubnis, den öffentlichen Gemeindegrund und den darüber befindlichen Luftraum vor dem Hause (Wien), X-Gürtel 9, auf dem Gehsteig durch eine "Warenausräumung von Kleinmöbeln" benützen zu dürfen, versagt.

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem auf dem Beschluß des Berufungssenates der Stadt Wien vom beruhenden Intimationsbescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen.

Nach einer Wiedergabe des Berufungsvorbringens und der angewendeten Gesetzesbestimmungen des § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 führte die belangte Behörde aus, im Sinne dieser zitierten Bestimmungen habe die Behörde das Vorliegen von öffentlichen Interessen, die der Erteilung der Gebrauchserlaubnis entgegenstehen, zu prüfen. Im vorliegenden Fall seien zu diesem Zweck Stellungnahmen der Magistratsabteilungen 19 (Stadtgestaltung) und 46 (Technische Verkehrsangelegenheiten) eingeholt worden. Aus diesen gutächtlichen Äußerungen der Amtssachverständigen, welchen der Berufungswerber nicht mit einem auf gleichem sachverständigen Niveau stehenden Gutachten entgegengetreten sei, ergebe sich, daß öffentliche Interessen, und zwar im speziellen Gesichtspunkte des Stadtbildes, der Erteilung der Gebrauchserlaubnis entgegenstünden. Nach diesem Gutachten werde das Stadtbild durch Warenausräumungen prinzipiell beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung läge nur im Bereich von Marktanlagen, die bereits baulich entsprechend gestaltet seien, nicht vor. Insbesondere sei auch die hier geplante Ausräumung von Kleinmöbeln als störend anzusehen, da eine organische Einfügung dieser Waren in die Portalzone - die Voraussetzung für eine ansprechende Stadtgestaltung - nicht möglich sei. Vielmehr hinterließen auch gut konzipierte Kleinmöbel immer den Eindruck von Übersiedlungsgut und wirkten daher optisch störend. Die im öffentlichen Interesse gelegene Erhaltung eines geordneten Straßenraumes spreche daher gegen die Erteilung der Gebrauchserlaubnis. Die Argumentation des Beschwerdeführers sei im wesentlichen nicht zielführend, da er offensichtlich nur eine ausdrückliche gesetzliche Beschränkung von Warenausräumungen auf bestimmte Straßenzüge bzw. ein gesetzliches Verbot der Ausräumung von Kleinmöbeln als hinlänglichen Versagungsgrund betrachte. Für die Versagung der Gebrauchserlaubnis genüge jedoch das Zutreffen eines im Gesetz allgemein umschriebenen Versagungsgrundes. Die Frage, ob vom Gesichtspunkt des Stadtbildes eine Beeinträchtigung im konkreten Fall tatsächlich vorliege, sei im Ermittlungsverfahren genau geprüft worden, wobei in der zitierten Stellungnahme das Vorliegen einer Beeinträchtigung schlüssig bejaht und begründet worden sei. Die Berufungsbehörde habe sich daher veranlaßt gesehen, diese gutächtliche Stellungnahme ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Dem Beschwerdeführer wäre es freigestanden, entsprechende Beweismittel für seinen Standpunkt, daß keine Störung oder Verunstaltung des Stadtbildes entstehen könne, beizubringen. Die bloße Behauptung allein sei jedoch nicht hinreichend, um die sachverständige Stellungnahme zu entkräften. Das gleiche gelte für die in einer ergänzenden Stellungnahme vorgebrachte Behauptung des Beschwerdeführers, daß die Warenausräumung geradezu zur Belebung des Stadtbildes beitrage und ästhetisch anziehend wirke. Daß vom verkehrstechnischen Standpunkt aus keine Bedenken gegen die Erteilung der Gebrauchserlaubnis bestünden, vermöge nichts an der Entscheidung zu ändern, da eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen in einem Punkt allein bereits die Versagung nach sich ziehen müsse. Da die störenden Auswirkungen auf das Stadtbild auch durch Bedingungen und Auflagen nicht hintangehalten werden könnten, sei in Anwendung des § 2 Abs. 2 des Gebrauchsabgabegesetzes spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwog hat:

Zufolge § 2 Abs. 2 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. für Wien Nr. 13/1982, ist die Gebrauchserlaubnis zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist.

Wie der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde die angestrebte Gebrauchserlaubnis deshalb versagt, weil ihr Gesichtspunkte des Stadtbildes entgegenstünden. Hiebei stützte sie sich auf die oben wiedergegebene gutächtliche Äußerung der Magistratsabteilung 19.

Dadurch, daß die belangte Behörde die in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene gutächtliche Stellungnahme ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat, hat sie zwar nicht - wie der Beschwerdeführer meint - ganze Personengruppen oder auch Warengruppen schlechthin von der Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nach dem Gebrauchsabgabegesetz 1966 ausgeschlossen und hiedurch den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Jedoch erweist sich der angefochtene Bescheid aus folgenden Gründen mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Zuge eines behördlichen Verfahrens festzustellen, ob einer beantragten Gebrauchserlaubnis Gesichtspunkte des Stadtbildes entgegenstehen. Diese Feststellung ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige. Dem Sachverständigen obliegt es hiebei, auf Grund seines Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Auf Grund des Sachverständigengutachtens hat sodann die Behörde als erwiesen anzunehmen, ob die beantragte Gebrauchserlaubnis eine diesbezügliche Wirkung entfaltet oder ob dies nicht der Fall ist. Äußerungen, die nur unüberprüfbare Behauptungen enthalten und nicht die Erwägungen aufzeigen, auf Grund deren der Sachverständige zu seinem Gutachten gelangt ist, können nicht als taugliches Gutachten eines Sachverständigen angesehen werden (vgl. etwa Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 6884/A, vom , Slg. N. F. Nr. 7008/A, und vom , Zl. 81/05/0156, u. a.).

Überprüft man unter diesen Gesichtspunkten das bisher durchgeführte Verwaltungsverfahren, dann zeigt sich, daß im erstinstanzlichen Verfahren von der Magistratsabteilung 19 im wesentlichen lediglich die Behauptung aufgestellt wurde, Warenausräumungen auf öffentlichem Gut stellten vom Standpunkt der Stadtbildpflege einen Fremdkörper im Straßenbild dar und seien dadurch geeignet, das örtliche Straßenbild zu verunstalten. Eine nähere Begründung für diese Auffassung wurde nicht geliefert und ein im Sinne der obzitierten Rechtsprechung geforderter Befund wurde überhaupt nicht erstellt. Auch der im zweitinstanzlichen Verfahren neuerlich eingeholten gutächtlichen Stellungnahme der Magistratsabteilung 19 kann kein Befund entnommen werden. Die oben wiedergegebenen Ausführungen der Magistratsabteilung 19, daß Warenausräumungen prinzipiell - ausgenommen im Bereiche von Marktanlagen - das Stadtbild beeinträchtigten und ausgeräumte Kleinmöbel immer störend seien, weil sie nicht organisch in die Portalzone eingefügt werden könnten und den Eindruck von Übersiedlungsgut hinterließen, stellen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kein ausreichend begründetes Gutachten dar.

Da die belangte Behörde sich mit diesen unzureichenden Äußerungen von Sachverständigen begnügte, hat sie das durchgeführte Verwaltungsverfahren mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet, fehlt doch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes schon eine hinreichende Befundaufnahme. Die Sachverständigen haben zwar ihrer Meinung Ausdruck verliehen, daß die geplante Ausräumung von Kleinmöbeln geeignet sei, das Stadtbild zu stören, ein schlüssiger Beweis wird dadurch jedoch für den konkreten Verfahrensgegenstand nicht erbracht. Bei einer solchen Situation kann dem Beschwerdeführer nicht zu Recht vorgeworfen werden, er hätte zur Widerlegung der Sachverständigenäußerungen ein Privatgutachten vorlegen müssen. Dies wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn die belangte Behörde sich bei der Beurteilung der Frage der möglichen Beeinträchtigung des Stadtbildes auf ein vollständiges, schlüssiges Gutachten im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte stützen können.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 aufzuheben.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 Abstand genommen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 sowie Art. I und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2 idF vor 1982/013;
Schlagworte
Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet
Gutachten Parteiengehör
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1984:1980000900.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-53444