VwGH 22.01.1974, 0899/73
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauRallg impl; LBauO Tir §56; LBauO Tir §61 Abs2; |
RS 1 | Bei einem Abbruchauftrag handelt es sich um keinen antragsbedürftigen Verwaltungsakt. Es liegt vielmehr eine baupolizeiliche Maßnahme nach § 61 Abs 2 der Tiroler Landesbauordnung vor, die der gesetzlichen Verpflichtung des Bürgermeisters zur amtswegigen Bauaufsicht gemäß § 56 dieses Landesgesetzes entspricht. Auf die Anrainer, die allenfalls als Anzeiger auftreten und deren verfahrensrechtliche Stellung im Bau- und Benützungsbewilligungsverfahren ist dabei nicht Bedacht zu nehmen. Im öffentlichen Recht gibt es keine Verjährung, soferne ein Gesetz nichts anderes ausdrücklich bestimmt. Aus den §§ 56 und 61 Abs 2 Tiroler Landesbauordnung ergibt sich keine Befristung für die in diesen Bestimmungen festgelegten Rechte oder Pflichten des Bürgermeisters. |
Normen | BauRallg ; LBauO Tir §45; |
RS 2 | Eine erteilte Baubewilligung vermag den Bestand eines errichteten Gebäudes nur dann zu gewährleisten, wenn der Bau bewilligungsgemäß ausgeführt wurde. Hiefür ist es jedoch in erster Linie maßgebend, ob das Projekt auch in der Situierung ausgeführt wurde, die es nach dem Lageplan erhalten sollte. Der Lageplan bildet, wie die übrigen das Projekt erläuternden Pläne - einen integrierenden Bestandteil des Baubewilligungsbescheides. |
Norm | LBauO Tir §58; |
RS 3 | Aus einer Benützungsbewilligung kann kein Recht auf die Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes abgeleitet werden (Hinweis E , 2162/65, VwSlg 7265 A/1968). |
Norm | GdO Tir 1966 §46; |
RS 4 | Ausführungen zur Rechtslage nach Aufhebung des 2.Satzes des § 46 TGO 1966 durch den VfGH. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
0900/73
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Leibrecht, Dr. Liska und Dr. Salcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Universitätsassistentin Dr. Stadler, über die Beschwerde der JD, in S. vertreten durch Dr. Hans Brugger, Rechtsanwalt in Schwaz, Franz-Josef-Straße 24, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-404-12/72 (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Schwaz, vertreten durch den Bürgermeister), betreffend die Erteilung eines Abbruchauftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer suchte am unter Vorlage von Bauplänen beim Gemeindeamt in Schwaz um die Erteilung der baupolizeilichen Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhausneubaues auf dem Grundstück Nr. nn/15 der Katastralgemeinde Schwaz an. Auf dem Lageplan ist der Grundriss des Hauses als Quadrat dargestellt. Aus den Bauplänen (Grundrissen und Ansichten) geht jedoch hervor, dass an der nordöstlich gelegenen Seite des Hauses der über einige Stufen erreichbare Eingang in das Haus durch einen bis zur Decke des Erdgeschosses reichenden Anbau (Windfang) geschützt ist. Bei der über dieses Ansuchen durchgeführten Bauverhandlung erklärten die Anrainer, darunter auch der offenbar in Vertretung seiner Ehefrau OE erschienene EE, "gegen das geplante Bauvorhaben bei Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen keine Einwendungen zu erheben. Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister von Schwaz unter baupolizeilichen Bedingungen die begehrte Baubewilligung. Unter diesen Vorschreibungen wird die Einhaltung von Seitenabständen nicht erwähnt. Auf Grund des § 58 der Tiroler Landesbauordnung (TLBO) erteilte der Bürgermeister von Schwaz mit seinem Bescheid vom dem Beschwerdeführer die Benützungsbewilligung für das von ihm errichtete Haus. Die Vornahme von Ergänzungsarbeiten, das Geländer der Kellertreppe, den Balkon und den Kanalanschluss betreffend, wurde dem Beschwerdeführer hiebei aufgetragen.
Am richteten E und O E, von denen letztere die Eigentümerin des an das Grundstück des Beschwerdeführers nordöstlich anrainenden Grundstückes Nr. nn/14 ist, an das Stadtbauamt von Schwaz ein Schreiben, in dem sie darüber Beschwerde führten, dass der Beschwerdeführer bei Ausführung seines Bauvorhabens einen ursprünglichen Bauplan nicht vorgesehen gewesenen Zubau aus Mauerwerk errichtet habe, welcher bis zirka 2.50 m an die Grundgrenze heranreiche. Die Einschreiter ersuchten um Überprüfung der Angelegenheit und verlangten die Entfernung dieses Baues. Daraufhin teilte der Bürgermeister von Schwaz dem E und der O E im Schreiben vom mit, dass der vom Beschwerdeführer ausgeführte Zubau beim Eingang des Hauses im seinerzeit eingereichten und genehmigten Bauplan vorgesehen gewesen sei. Gleichzeitig wurde der genannten Anrainerin und ihrem Ehemann der Bescheid über die Erteilung der Benützungsbewilligung mit dem Hinweis zugestellt, dass sie dagegen fristgerecht "Einspruch" erheben könnten.
In der Folge erhob O E, vertreten durch einen Rechtsanwalt, gegen die Benützungsbewilligung vom Berufung, in der sie die Verletzung des Seitenabstandes durch den Zubau geltend machte. Sie wies darauf hin, dass der Lageplan für die Prüfung der Einhaltung des Seitenabstandes maßgebend sei. Dieser habe keinen Zubau ausgewiesen und so habe für ihren Vertreter bei der Bauverhandlung (gemeint ist offenbar E E, der an der Bauverhandlung teilgenommen hatte) kein Interesse bestanden, die übrigen Baupläne einzusehen. Die Benützungsbewilligung hätte daher nur unter der Bedingung erteilt werden dürfen, dass der Zubau abzubrechen sei, soweit er den Nachbarabstand von 4 m zu ihrer Grundgrenze überschreite.
Auf das schriftliche Verlangen des die Anrainerin O E damals vertretenden Rechtsanwaltes stellte der Bürgermeister diesem mit Schreiben vom auch den Baubewilligungsbescheid vom zu. Dagegen erhob O E ebenfalls Berufung, die sie in derselben Weise wie das Rechtsmittel gegen den Benützungsbewilligungsbescheid begründete. Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz wies mit Bescheid vom beide Berufungen als unzulässig zurück. Dies erfolgte hinsichtlich der Berufung gegen den Bescheid über die Erteilung der Benützungsbewilligung mit der Begründung, der Anrainerin komme in diesem Verfahren Parteistellung und damit auch das Berufungsrecht nicht zu. Die Zurückweisung der Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid wurde damit begründet, dass die damalige Rechtsmittelwerberin nach Auffassung der Berufungsbehörde sich auch um die Baupläne hätte kümmern müssen, die mit dem Lageplan eine Einheit und gemeinsam mit letzterem einen wesentlichen Bestandteil des Baubewilligungsbescheides gebildet hätten. Die Anrainerin habe sich durch die bei der Bauverhandlung erklärte Zustimmung ihrer Rechte, Einwendungen zu erheben, verschwiegen und könne dies durch die allgemeine Klausel, dass die Zustimmung nur unter der Bedingung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erteilt werde, nicht hinfällig machen. Gegen diesen Bescheid erhob O E gleichfalls Berufung. Diese wurde mit dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom im wesentlichen aus den Erwägungen der Unterinstanz als unzulässig zurückgewiesen.
Nun stellte die genannte Anrainerin durch ihren Rechtsvertreter bei der Gemeinde Schwaz den "Antrag", mit Rücksicht darauf, dass der Beschwerdeführer nicht in Übereinstimmung mit dem Bauplan gebaut habe, gegen den Beschwerdeführer ein Strafverfahren einzuleiten und die Abtragung des Bauwerkes, soweit es nicht den gesetzlichen Nachbarabstand von 4 m einhalte, zu verfügen. Der Bürgermeister von Schwaz erließ am einen Bescheid, mit welchem dem Beschwerdeführer der Auftrag erteilt wurde, bis den nordöstlichen Seitenanbau (Windschutz) am Hause X-straße 10 so weit zu entfernen, dass der Mindestgrenzabstand von 4 m zur Nachbarparzelle nn/14 eingehalten werde. In einer dem Spruch dieses Bescheides vorangestellten Sachverhaltsdarlegung wurde ausgeführt, im Bauplan, der einen Bestandteil des Baubewilligungsbescheides bilde, sei die Errichtung des Vorbaues an der Nordseite des Hauses in Form eines Windfanges vorgesehen gewesen. Der Lageplan weise diesen Vorbau nicht aus. Das Gebäude habe aber, nach diesem Lageplan von der Grenze der Nachbarparzelle nn/14 einen Abstand von 6 m. Unter dieser Voraussetzung wäre auch bei Anbau eines 1.50 m breiten Vorbaues der vorschriftsmäßige Grenzabstand von 4 m eingehalten worden. Tatsächlich habe aber der Beschwerdeführer das Hauptgebäude bis auf 4 m an die genannte Nachbargrenze herangebaut und dazu noch den Vorbau mit 1.50 m Breite festgelegt, sodass der Grenzabstand nur mehr 2.50 m betrage. In der Begründung des Bescheides wird darauf verwiesen, dass im gegenständlichen Siedlungsgebiet auf Grund des gültigen Bauplanes offene, bzw. Gruppenbauweise bestehe. Daher sei nach § 8 TLBO ein Mindestabstand von 4 m einzuhalten. Hätte der Beschwerdeführer - wie im Lageplan vorgesehen - gebaut, wäre auch unter Berücksichtigung des Vorbaues der gesetzliche Abstand gewahrt geblieben. Die Abweichung vom Plan habe nach § 61 TLBO berücksichtigt und die Abtragung verfügt werden müssen, weil die Eigentümerin des Grundstückes. Nr. nn/14 durch den derzeitigen Zustand in ihren Rechten verletzt werde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der im wesentlichen in der vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wiederholten Begründung. Dieser Berufung gab der Stadtrat der Gemeinde Schwaz mit seinem Bescheid vom keine Folge. Der gegen diesen Bescheid ergriffenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde mit ihrem seinerzeitigen Bescheid vom ebenfalls keine Folge gegeben. Die Zuständigkeit des Stadtrates der Gemeinde Schwaz, als Berufungsbehörde zu entscheiden, beruhte auf dem zweiten Satz des § 46 der Tiroler Gemeindeordnung l966, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung der Tiroler Gemeindeordnung, LGBl. für Tirol Nr. 4/1966. Diese Bestimmung besagte, dass über Berufungen in Gemeinden mit höchstens 3000 Einwohnern der Gemeinderat, in den übrigen Gemeinden der Gemeindevorstand (Stadtrat) zu entscheiden hat.
Bei Behandlung der vom Beschwerdeführer gegen den angeführten Bescheid des Stadtrates der Gemeinde Schwaz erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde hatte der Gerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Zuständigkeitsregelung und deshalb beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 B-VG den Antrag gestellt, den zweiten Satz des § 46 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 als verfassungswidrig aufzuheben. Über diesen Antrag erging das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. G 26/71-13, mit welchem der zweite Satz im § 46 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 als verfassungswidrig aufgehoben wurde.
Die damals anhängige Beschwerde bildete den Anlassfall für dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher im fortgesetzten Beschwerdeverfahren die Rechtslage so zu beurteilen, wie wenn im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides des Stadtrates der Gemeinde Schwaz vom der zweite Satz des § 46 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 nicht existiert hätte. Damit fehlte es aber dem Stadtrat der Gemeinde Schwaz an der Zuständigkeit, als Berufungsbehörde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom zu entscheiden, weil diese Zuständigkeit ausschließlich durch die als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmung der Tiroler Gemeindeordnung 1966, sonst aber durch keine andere Bestimmung dieses Gesetzes normiert wurde. Aus diesem Grund wurde der damals vom Beschwerdeführer angefochtene Bescheid der Tiroler Landesregierung vom mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 462/69, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufgehoben. In der Begründung dieses Erkenntnisses stellte der Verwaltungsgerichtshof ferner ausdrücklich fest, dass der Beschwerdeführer in seinem Recht, dass über seine Berufung nur die zuständige Behörde, das ist in diesem Fall zufolge des § 26 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 der Gemeinderat der Gemeinde Schwaz, entscheide, verletzt worden sei.
Auf Grund dieses Erkenntnisses hob die Tiroler Landesregierung mit ihrem Bescheid vom den Bescheid des Stadtrates der Gemeinde Schwaz vom auf. Daraufhin gab mit Bescheid vom der Gemeinderat von Schwaz der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters von Schwaz vom keine Folge. In der Begründung wurde den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers im wesentlichen entgegengehalten, dass nach § 46 TLBO der Bauplan ein Bestandteil des Bauansuchens, der genehmigte Bauplan daher ein Bestandteil des Bewilligungsbescheides sei.
In den der Bauverhandlung zu Grunde gelegten Lageplänen sei der messbare Mindestabstand des Bauwerkes (ohne Vorbau) gegenüber dem Grundstück Nr. nn/14 mit 5.50 m eingezeichnet. Der Vorbau mit einer Breite von 1.50 m hätte demnach bei plangerechter Bauausführung noch den Mindestabstand von 4 m eingehalten. Da der Beschwerdeführer nicht plangemäß gebaut habe, sei der Abtragungsauftrag gerechtfertigt. Die dingliche Wirkung des Baubescheides könne sich nur auf jene Dinge erstrecken, die sich aus dem Baubescheid ergäben, nicht aber auf solche, die aus planwidrigem Bauen erwachsen seien.
Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer ergriffene Vorstellung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie stellte in dessen Begründung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voran, dass die Benützungsbewilligung nur eine Beurkundung darüber sei, dass die Voraussetzungen für die Bewohnung bzw. Benützung der Räumlichkeiten gegeben seien. Eine weitere Bedeutung komme der Benützungsbewilligung nicht zu. Es könne daher aus dem Vorliegen einer Benützungsbewilligung kein Recht auf Belassung eines der Bauordnung oder des Baukonsenses nicht entsprechenden Zustandes abgeleitet werden. Es bleibe die Frage offen, ob der gegenwärtige Zustand dem erteilten Baukonsens entspreche oder nicht. Hiezu sei wiederum vorauszuschicken, dass die Baubewilligung ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt sei und dass zu dessen Wirksamkeit die Schriftform expressis legis erforderlich sei. Mit dem Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Schwaz vom sei dem Beschwerdeführer antragsgemäß, d. h. wie in den verhandelten Plänen, die Baubewilligung erteilt worden. Es sei daher der bewilligte Lageplan ein wesentlicher Bestandteil der Baubewilligung und habe auch im wesentlichen die Funktion, die erforderlichen Grenzabstände plan- und bescheidmäßig zu erfassen. Lagepläne, die nicht den Bestimmungen des § 49 der TLBO entsprächen, würden aber durch die Rechtskraft eines Bescheides saniert werden. Nach den bewilligten Plänen stünden aber auch hiezu der gegenständliche "Windfang" nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen der Bauordnung, weil dieser nach dem rechtskräftigen Baubescheid den gesetzlichen Grenzabstand gewahrt hätte. Ein rechtswidriger Einbruch in die Rechtskraft des Baubescheides wäre daher durch den Abbruchsbescheid nur dann erfolgt, wenn der Bauwerber sein Bauvorhaben lageplanmäßig und daher auch bescheidmäßig errichtet hätte. Auch eine eventuelle Abpflockung sei, soweit diese nicht in den Baubescheid aufgenommen werde, für die Baubewilligung nicht erheblich, weil, wie bereits erwähnt, die Baubewilligung zu deren Rechtswirksamkeit der Schriftform bedürfe. Da sich aber der Bauwerber nicht an den Lageplan gehalten und dadurch einen bauordnungswidrigen Zustand geschaffen habe, habe die belangte Behörde zu Recht ein eigenes Verfahren zur Beseitigung desselben eingeleitet und der Einschreiter sei durch den angefochtenen Bescheid, der ja nur die Bauordnungswidrigkeit beseitige, auch nicht in seinen Rechten verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt der Unzuständigkeit erklärt der Beschwerdeführer, es heiße im nicht vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen dritten Satz des § 46 der Tiroler Gemeindeordnung, dass die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnissen in allen Fällen der Gemeinderat ausübe. Diese oberbehördlichen Befugnisse dürften sich aber nie auf die Erledigung von Rechtsmitteln beziehen sondern erschöpften sich in den Bestimmungen der §§ 4, 5, 68 und 73 AVG 1950 sowie im § 220 TLBO. Eine weitere Bestimmung sei im § 26 der Tiroler Gemeindeordnung enthalten. Hier heiße es, dass der Gemeinderat zur Beschlussfassung und Überwachung der Vollziehung in allen Gemeindeangelegenheiten des eigenen Wirkungskreises berufen sei, soweit die Beschlussfassung nicht durch Gesetz ausdrücklich einem anderen Organ zugewiesen sei. Nach dem Katalog der Tiroler Gemeindeordnung 1966 stünden dem Gemeinderat hinsichtlich von Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Gemeinden bis zu 3000 Einwohnern die Erledigung zu. Hier sei aber § 46 zitiert und gerade diese Bestimmung des zweiten Satzes sei aufgehoben. Es ergebe sich sohin nach der Unterscheidung des Verfassungsgerichtshofes für die Erledigung von Rechtsmitteln zweifelsfrei ein gesetzliches Vakuum. Neue Bestimmungen seien nicht erlassen worden. Ein Gesetz liege nicht vor. Alte Bestimmungen dürften nicht wieder in Kraft treten und jegliche Kompetenzverschiebung bedürfe einer gesetzlichen Grundlage, die hier nicht gegeben sei.
Gemäß dem mit "Wirkungskreis des Gemeinderates" überschriebenen § 26 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 (TGO 1966), LGBl. für Tirol Nr. 4 in der geltenden Fassung, ist der Gemeinderat zur Beschlussfassung und zur Überwachung der Vollziehung in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde berufen, soweit die Beschlussfassung nicht durch Gesetz ausdrücklich einem anderen Organ zugewiesen ist. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 462/69, an das die belangte Behörde gemäß § 63 Abs. 1 VwGG 1965 gebunden war, kommt die Meinung des Gerichtshofes eindeutig zum Ausdruck, dass nach der ersatzlosen Aufhebung des zweiten Satzes des § 46 TGO 1966 und mangels einer ausdrücklichen Zuweisung der Beschlussfassung in einer derartigen Angelegenheit durch ein anderes Gesetz zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters zufolge des § 26 TGO 1966 der Gemeinderat von Schwaz zuständig ist. Diese generelle Bestimmung gilt nach Wegfall der speziellen über den Instanzenzug im § 46 TGO 1966. Daher kann der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nichts für sich gewinnen.
Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit behauptet der Beschwerdeführer, durch den angefochtenen Bescheid in dem ihm in den §§ 49 und 58 der Tiroler Landesbauordnung infolge des rechtskräftigen Bau- und des rechtskräftigen Kollaudierungsbescheides gewährleisteten Recht zur Benützung des Windfanges an seinem Haus verletzt worden zu sein. Die vorgesehene Demolierung bedeute einen offensichtlichen Einbruch in die Rechtskraft. Der Lageplan, der bei der Bauverhandlung vorgelegen sei, habe einen Grenzabstand von 4m erkennen lassen. Der Windfang sei genau im Bauplan eingezeichnet gewesen und das ganze Projekt in der Natur auch abgesteckt worden. Diese Pläne seien zur allgemeinen Ansicht aufgelegen und es habe keinen Einwand gegeben. Gerade die Schriftform des Baubescheides und dessen Rechtskraft bewiesen, dass gemäß Aktenlage, also auf Grund des Lageplanes und der Auspflockung verhandelt und alles in Ordnung befunden worden sei. Übrigens würden Lagepläne, die nicht den Bestimmungen des § 49 der Tiroler Landesbauordnung entsprächen, durch die Rechtskraft eines Bescheides saniert. Im § 58 der Tiroler Landesbauordnung werde wörtlich angeführt, dass bei der Kollaudierung ein Augenschein unter Beiziehung eines unparteiischen Sachverständigen stattzufinden habe, ob Plan und Bestimmungen des Baues eingehalten und der Bau ordnungsgemäß geführt worden sei. Bei der nochmaligen genauen Überprüfung sei nichts gerügt worden. Der Bau sei planmäßig inclusive Windfang errichtet worden und es liege hiemit keinerlei Verletzung des Baukonsenses vor. Ein Irrtum der Baubehörde, sofern ein solcher vorgelegen sei, sei kein Grund, in die Rechtskraft eines Bescheides einzubrechen. Die gegenständliche Aufsichtsbeschwerde sei aber auch verjährt. Es sei unzulässig, im Weg einer solchen Aufsichtsbeschwerde das zu bringen, was im Wege von Einwendungen gegen den Baubescheid hätte gebracht werden sollen. Es bestehe in diesem Sinne Verjährung und der Inhalt dieser Einwendungen könne nicht mehr nachgeholt werden.
Zur Verjährungseinwendung stellt der Verwaltungsgerichtshof zunächst fest, dass es sich bei der Erteilung eines derartigen Auftrages, wie er vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Schwaz erlassen wurde, um keinen antragsbedürftigen Verwaltungsakt etwa von Seiten eines Anrainers handelt. Es liegt vielmehr eine baupolizeiliche Maßnahme nach § 61 Abs. 2 der Tiroler Landesbauordnung vor, die der gesetzlichen Verpflichtung des Bürgermeisters zur amtswegigen Bauaufsicht gemäß § 56 dieses Landesgesetzes entspricht. Auf die Anrainer, die allenfalls als Anzeiger auftreten werden, und deren verfahrensrechtliche Stellung im Bau- oder Benützungsbewilligungsverfahren ist dabei nicht Bedacht zu nehmen. Im öffentlichen Recht gibt es keine Verjährung, sofern ein Gesetz nichts anderes ausdrücklich bestimmt. Aus den §§ 56 und 61 der Tiroler Landesbauordnung ergibt sich keine Befristung für die in diesen Bestimmungen festgelegten Rechte oder Pflichten des Bürgermeisters. Dessen Vorgehen ist somit in zeitlicher Hinsicht rechtlich unbedenklich. Es bleibt noch zu prüfen, ob eine Rechtswidrigkeit von der Sache her besteht.
Auch mit seinem diesbezüglichen Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht durchzudringen. Er übersieht nämlich, dass die erteilte Baubewilligung den Bestand des errichteten Gebäudes nur dann zu gewährleisten vermag, wenn der Bau bewilligungsgemäß ausgeführt wurde. Hiefür ist es jedoch in erster Linie maßgebend, ob das Projekt auch in der Situierung ausgeführt wurde, die es nach dem Lageplan erhalten sollte. Der Lageplan bildet - wie die übrigen das Projekt erläuternden Pläne - einen integrierenden Bestandteil des Baubewilligungsbescheides. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus ihm, dass der Baukörper des Hauses (ohne Vorbauten), der einen quadratischen Grundriss von etwa 9 x 9 m bildet, von der Grenze des Grundstückes Nr. nn/14 einen Abstand von etwa 5.5 m einhalten sollte. Bei Ausführung des Baues wurde aber unbestrittenermaßen ein Abstand von nur 4 m eingehalten. Dieses so erbaute Haus ist daher in seinem Bestand nicht durch die erteilte und in Rechtskraft erwachsene Baubewilligung gedeckt. Die Baubehörde durfte daher von der Vorschrift des § 61 Abs. 2 zweiter Satz der Tiroler Landesbauordnung Gebrauch machen, derzufolge im Zuge der Bauüberwachung neben der Verhängung einer Strafe auch die Beseitigung des vorschriftswidrigen Baues und die Behebung jeder Abweichung von den Bauvorschriften und besonderen Anordnungen verfügt werden kann. Wenn sich die Baubehörde bei diesem Sachverhalt - offenbar von der Erwägung ausgehend, dass gegen die Erteilung der Baubewilligung für den Hauptteil des Gebäudes, der den gesetzlichen Seitenabstand einhalte, keine gesetzlichen Hindernisse bestünden - darauf beschränkte, dem Beschwerdeführer ausschließlich die Beseitigung des Anbaues, soweit dieser den gesetzlich vorgesehenen und in den Plänen entsprechend dargestellten Abstand nicht einhält, aufzutragen, so vermag dies die Gesetzmäßigkeit des Auftrages nicht zu beeinträchtigen. Dies deswegen, weil der Beschwerdeführer dadurch, dass sich die Behörde in dieser Weise beschränkte, in seinen Rechten nicht verletzt wird.
Der Beschwerdeführer irrt aber auch, wenn er vermeint, dass durch die rechtskräftige Erteilung der Benützungsbewilligung für das von ihm erbaute Haus die planwidrige Ausführug saniert worden sei. Der § 58 der Tiroler Landesbauordnung, verbietet, dass Wohnungen, Geschäftsräume und Stallungen benützt oder bezogen werden, bevor hiezu auf Grund eines vorzunehmenden Lokalaugenscheines von der Baubehörde die Bewilligung erteilt wurde. Es ist richtig, dass nach dieser Gesetzesstelle unter Beiziehung eines Sachverständigen u.a. festzustellen ist, "ob Plan und Bedingungen eingehalten, der Bau ordnungsgemäß geführt und gehörig ausgetrocknet seil". Der Inhalt dieser Vorschrift, die sich ähnlich auch in anderen Bauordnungen findet (siehe etwa § 128 Abs. 3 der Bauordnung für Wien) ändert jedoch nichts daran, dass Gegenstand und Inhalt der Benützungsbewilligung ausschließlich die Erlaubnis zur Benützung des Bauwerkes bildet und nur dieser Ausspruch der Rechtskraft fähig ist. Selbst wenn die Behörde bei Erlassung des Benützungsbewilligungsbescheides von der unrichtigen Aktenannahme ausgegangen sein sollte, dass der Bau dem Baukonsens entsprechend errichtet worden sei, kann dieser Irrtum zwar an der Rechtskraft der erteilten Benützungsbewilligung nichts ändern, er vermag aber andererseits darüber hinaus keine Rechtswirkungen zu äußern. Insbesondere hindert er die Baubehörde nicht daran, Maßnahmen nach § 61 Abs. 2 zweiter Satz der Tiroler Landesbauordnung zu ergreifen, wenn der Bau - entgegen der irrigen Annahme der Behörde - bei Erteilung der Benützungsbewilligung tatsächlich nicht bewilligungsgemäß ausgeführt war. Diesen baupolizeilichen Maßnahmen kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Baubehörde in dem die Erteilung der Benützungsbewilligung betreffenden anderen Verfahren von der (irrigen) Annahme der planmäßigen Errichtung des Gebäudes ausging. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann nämlich aus einer Benützungsbewilligung kein Recht auf die Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes abgeleitet werden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 816/A, vom , Slg. N.F. Nr. 6940/A, vom , Slg. N.F. Nr. 7086/A, sowie vom , Zl. 2162/65). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von dieser Auffassung abzugehen.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der gegenständlichen Beschwerde ein Erfolg nur dann hätte beschieden sein können, wenn es dem Beschwerdeführer gelungen wäre, den Nachweis zu erbringen, dass der für die bewilligungsgemäße Situierung des Baues allein maßgebende Lageplan bei der Bauführung eingehalten worden sei oder dass dieser Plan etwa, die Größenverhältnisse des Grundstückes in der Natur nicht maßstabgerecht wiedergebe, sodass aus ihm die Lage des Baues im Verhältnis zu den Grundstücksgrenzen nicht entnommen werden könnte. Derartige Behauptungen stellte der Beschwerdeführer aber im Verwaltungsverfahren nicht auf und bot auch nicht für die dafür allenfalls maßgehenden Tatsachen Beweise an.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war. Auf Grund dieser Entscheidung in der Sache selbst ist über den in der Beschwerde gestellten Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht mehr abzusprechen.
Der Kostenausspruch stützt sich auf den diesbezüglichen Antrag der belangten Behörde sowie auf die § 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 427.
Wien, am
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Normen | BauRallg impl; BauRallg ; GdO Tir 1966 §46; LBauO Tir §45; LBauO Tir §56; LBauO Tir §58; LBauO Tir §61 Abs2; |
Sammlungsnummer | VwSlg 8537 A/1974 |
Schlagworte | Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1974:1973000899.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-53438