VwGH 07.02.1974, 0892/72
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | GrEStG 1955 §4 Abs1 Z7 lita; LZVG 1957 §30 Abs1 Z2 litb; |
RS 1 | Der Erwerb eines Grundstückes durch einen Sozialversicherungsträger zum Zweck der Errichtung eines Personalwohnhauses für das Personal einer im gleichen Ort errichteten Heilanstalt ist gemäß § 30 Abs 1 Z 2 lit b LZVG (die im Beschwerdefall anzuwendende Norm) steuerfrei (Hinweis E , 1150/72 VwSlg 2146 F/1960; E , 2438/58 VwSlg 2193 F/1960 zu § 4 Abs 1 Z 6 lit a GrEStG 1955). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Dr. Schima und Dr. Reichel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzkommissär Dr. Wimmer, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt in Wien, vertreten durch Dr. Friedrich Zeller, Rechtsanwalt in Wien VI, Wallgasse 26, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld. vom , GA 11- 80/1982, betreffend Freiheit von der Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (FLD für Wien, NÖ und Bgld) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 2.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei - Träger der Pensionsversicherung der Bauern - erwarb mit Kaufvertrag vom unter ihrer damaligen Bezichnung L.-anstalt die Grundstücke Nr. 160/1 und 1160/2, beide inneliegend in der EZ. 312 des Grundbuchs über die KG B., im Gesamtausmaß von 1397 m2 um den Kaufpreis von S 335.280,--. Im Punkt VI der über das Rechtsgeschäft errichteten Urkunde hielten die Vertragsteile erzählend fest, daß die beschwerdeführende Partei die Absicht habe, auf dem Vertragsgrundstück notwendige Dienstwohnungen für das Personal der Bäuerlichen Sonderheilanstalt für Rheumakranke in B. zu errichten, weshalb die persönliche wie sachliche Gebühren- und Abgabenfreiheit gem den §§ 29 und 30 des damals nach geltenden Landwirtschaftlichen Zuschußrentenversicherungsgesetzes BGBl. 1957/293 (LZVG) in Anspruch genommen werde.
Ungachtet dessen setzte das FA für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien mit Abgabenbescheid vom ohne weitere Begründung von einer Bemessungsgrundlage von S 335.280,-- Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 26.822,-- fest. Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung, in der sie zunächst darauf hinwies, daß das in der Vertragsurkunde erwähnte Personalwohnhaus inzwischen errichtet worden sei und ausschließlich Dienstwohnungen enthalte. Nun könne wohl nicht in Abrede gestellt werden, daß es sich insoweit um eine Einrichtung zur Durchführung der im Landwirtschaftlichen Zuschußrentenversicherungsgesetz vorgesehenen Gesundheitsfürsorge und Rehabilitation handle; ohne Errichtung des Personalwohnhauses wäre es der beschwerdeführenden Partei nämlich gar nicht möglich gewesen, ihre Sonderheilanstalt in B. ordnungsgemäß zu betreiben. Das hiefür benötigte hochqualifizierte Krankenpflegepersonal sei - soweit in B. ansässig - zumeist schon anderweitig gebunden gewesen, weshalb die beschwerdeführende Partei auf ortsfremde Personen habe zurückgreifen müssen. Für diese Personen habe in B. keine entsprechende Wohnmöglichkeit beschafft werden können, sodaß die beschwerdeführende Partei letztlich zur Errichtung des Personalwohnhauses gezwungen gewesen sei, um zu vermeiden, Pflegepersonal in Patientenzimmern der Sonderheilanstalt unterbringen zu müssen und derart wertvolle Patientenbetten zu blockieren. Aus diesen Gründen hätten Vorstand und Überwachungsausschuß den Grundstückserwerb beschlossen, der vom BM f soziale Verwaltung und vom BM f Finanzen auch genehmigt worden sei.
Das FA gab dem Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung vom keine Folge, doch gehört dieser Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand an, weil die beschwerdeführende Partei den Antrag stellte, ihre Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.
Die FLD für Wien, NÖ und Bgld hat das Rechtsmittel schließlich mit Bescheid vom endgültig angewiesen. In der Begründung der Rechtsnmittelentscheidung hat sich die FLD auf 3 81 LZVG berufen, wonach die beschwerdeführende Partei u.a. den Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen Heilverfahren, insbesondere durch Einweisung in eine Krankenanstalt, Heilstätte udgl gewähren könne. Nun geschehe die Errichtung solcher Anstalten und die Einstellung des hiezu erforderlichen Personals zweifellos zur Erfüllung der Aufgabe, den Versicherten ein Heilverfahren zu ermöglichen. Nicht mehr könne aber die Verschaffung von Wohnungen für Anstaltspersonal dazugerechnet werden, weil derart Privatbedürfnisse des Personals befriedigt würden, nicht aber ein Versicherungsanspruch erfüllt werde. Dies habe auch dann zu gelten, wenn die beschwerdeführende Partei Wohnungen schaffe, um Personal von auswärts anstellen zu können.
Gegen diesen Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld. vom richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde.
Der VwGH hat darüber erwogen:
Gem § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. a des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 BGBl. 140 in seiner ursprünglichen, zur Zeit des in Rede stehenden Erwerbsvorgangs geltenden Fassung (GrEStG) war der Erwerb eines Grundstücks durch eine Gebietskörperschaft u.a. zur Errichtung und Erweiterung von öffentlichen Heil- und Pflegeanstalten von der Besteuerung ausgenommen. Gleichlautende, den Erwerb von Grundstücken durch einen Träger der gesetzlichen Sozialversicherung regelnde Befreiungsbestimmungen enthielt und enthält das Grunderwerbsteuergesetz auch in seiner nunmehrigen Fassung BGBl. 1969/277 nicht. Indes darf nicht darüber hinweggesehen werden, daß der Gesetzgeber keineswegs die Notwendigkeit verkannte, Ausnahmen von der Besteuerung auch zugunsten des zuletzt erwähnten Kreises von Abgabepflichtigen zu schaffen. Zwar ist dies nicht im Grunderwerbsteuergesetz, wohl aber - offensichtlich aus Gründen der Gesetzgebungstechnik - in den einzelnen, Einrichtung und Aufbau des betreffenden Sozialversicherungsträgers regelnden Bundesgesetzes geschehen. So bestimmt z. B. § 110 Abs. 1 Z. 2 lit. b des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes BGBl. 1955/189 - wörtlich gleichlautend etwa mit § 32 Abs. 1 Z. 2 lit. b des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes BGBl. 1957/92 und mit dem im Beschwerdefall anzuwendenden § 30 Abs. 1 Z. 2 lit. b LZVG - , daß ua. auch Rechtsverhältnisse, die vom Versicherungsträger zur Beschaffung von Liegenschaften rechtsgeschäftlich begründet werden und die der Erfüllung der Aufgaben der Versicherung dienen, von der Entrichtung der bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben befreit sind. Nun legen es schon die allgemeinen Auslegungsgrundsätze nahe, Befreiungsbestimmungen, wie die eben erwähnten, nicht anders auszulegen wie jene im Grunderwerbsteuergesetz selbst enthaltenen, mit denen der Gesetzgeber ähnliche Zwecke verfolgte.
Was nun § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. a GrEStG anlangt, hat sich der VwGH schon in seinem Erk v. , Slg. 2146 (F) zur Rechtsmeinung bekannt, daß ein Grundstückserwerb zum Zwecke der Errichtung eines Wohnhauses für das Anstaltspersonal einer Heil- und Pflegeanstalt sehr wohl von der Besteuerung ausgenommen ist, zumal in kleineren Ortschaften, die nicht über die notwendigen Wohnräume zur Unterbringung des nicht schon von vornherein im Anstaltsort wohnhaften Personals verfügen. Gerade dies hat aber die beschwerdeführende Partei im vorliegenden Falle behauptet, ohne daß ihr die belangte Behörde entgegengetreten wäre. Abgesehen davon hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst auf § 81 (wohl auf dessen Abs. 1 und 3) LZVG berufen, wonach die beschwerdeführende Partei Versicherten und Beziehern einer Zuschußrente Heilverfahren - insbesondere durch Einweisung in eine Sonderheilanstalt - gewähren kann. Daß sohin mit der Beschaffung der streitgegenständlichen Liegenschaft auch Aufgaben erfüllt werden, die der Versicherung dienen - wie die Befreiungsvorschrift des § 30 Abs. 1 Z. 2 lit. b LZVG es verlangt -
kann füglich daher nicht bestritten werden.
Da es nach dem Gesagten nicht angeht, der zuletzt erwähnten Befreiungsvorschrift einen engeren Inhalt als der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. a GrEStG beizumessen, erweist sich der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Er war daher gem. § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die V d BG v. , BGBl. 427, insbesondere deren Art. IV Abs. 2.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | GrEStG 1955 §4 Abs1 Z7 lita; LZVG 1957 §30 Abs1 Z2 litb; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1974:1972000892.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-53426