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VwGH 05.12.1962, 0869/61

VwGH 05.12.1962, 0869/61

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Unter "Nachzahlung von Arbeitslohn" im Sinne des § 67 Abs. 9 EStG 1953 ist stets die Zahlung eines Lohnes zu verstehen, der bei einem normalen Lauf der Dinge bereits in früheren Lohnzahlungszeiträumen hätte ausgezahlt werden sollen, wobei die rechtzeitige Auszahlung jedoch aus Gründen, die nicht im Belieben des Arbeitgebers standen, unterblieben ist.
Normen
RS 2
"Inbetriebsetzungsprämien", welche abgestuft nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit, aus Anlaß der Fertigstellung eines Bauvorhabens an alle Arbeitnehmer ausgezahlt werden, stellen als Treueprämien bzw. Anerkennungsprämien keine Lohnnachzahlungen nach § 67 Abs. 9 EStG 1953, sondern sonstige Bezüge nach § 67 Abs. 1 EStG 1953 dar.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Schimetschek, Dr. Raschauer und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek, über die Beschwerde der X-Aktiengesellschaft in B gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 538 - 2/1961, betreffend Haftung für Lohnsteuer 1958, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin zahlte im März 1958 anläßlich der Aufnahme des Betriebes des Z-Großkraftwerkes an alle Betriebsangehörigen sogenannte "Inbetriebsetzungsprämien" aus, die im Einzelfalle nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit von einem Viertelmonatsgehalte bis zum zweieinhalbfachen Monatsgehalt abgestuft waren.

Die Beschwerdeführerin behandelte diese Zahlungen als Nachzahlungen von Arbeitslohn für abgelaufene Kalenderjahre im Sinne des § 67 Abs. 9 des Einkommensteuergesetzes (BGBl. Nr. 1/1954, EStG) und unterwarf sie dem Steuersatze, der bei den einzelnen Arbeitnehmern auf den laufenden Bezug beim Steuerabzuge vom Arbeitslohn entfiel. Das Finanzamt vertrat jedoch im Zuge einer Lohnsteuerprüfung die Ansicht, daß es sich hier um die Zahlung einmaliger Bezüge, welche lohnsteuerlich nach § 67 Abs. 1 bis 3 EStG zu behandeln seien, handle und wies in der Begründung seines in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheides darauf hin, daß es sich bei den "Inbetriebsetzungsprämien" um typische Anerkennungsprämien handle, die allgemein anläßlich der Fertigstellung größerer Bauten der Elektrizitätswirtschaft an die Arbeitnehmer ausgezahlt werden und zwar unabhängig von der normalen und ausreichenden Entlohnung für sämtliche am Bau notwendigen Leistungen, also auch für Mehrarbeiten. Auch beim Bau des Z-Kraftwerkes seien sämtliche Leistungen, also Normal- und Mehrarbeit, entsprechend und ausreichend entlohnt und nach Fertigstellung des Bauvorhabens sei zusätzlich die genannte Prämie an die einzelnen Arbeitnehmer ausgezahlt worden. Daß diese Prämie einer Lohnnachzahlung nicht gleichzusetzen bei, gehe - abgesehen von ihrer Benennung - auch aus dem Beschlusse des Vorstandes der Beschwerdeführerin hervor, der die Höhe der Prämie für die einzelnen Kategorien der Arbeitnehmerschaft kollektiv festsetzte, und nicht zuletzt auch aus den Bescheiden des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft betreffend die Festsetzung der Prämien für die beiden öffentlichen Verwalter, denen aus Anlaß der Betriebsaufnahme des Z-werkes und in Anerkennung ihrer hiebei sichtbar zum Ausdrucke gebrachten Leistungen eine Prämie in der Höhe von zwei Monatsbezügen gewährt worden sei.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid des Finanzamtes Beschwerde. Sie führte dabei vor allem aus, daß es sich im vorliegenden Fall um Mehrleistungsprämien gehandelt habe, die für die besonderen Leistungen und die Betriebstreue im vierjährigen Bauabschnitte gewährt worden seien. Es sei nämlich nicht möglich gewesen, die besonderen Leistungen während der Bauzeit durch laufende Zahlungen abzugelten, weil eine Herabsetzung der Bezüge nach Beendigung der Bauarbeiten rechtlich nur sehr schwer hätte durchgeführt werden können, abgesehen davon, daß die psychologische Wirkung auf den Arbeitswillen der Arbeitnehmer bei einer solchen Regelung sehr ungünstig gewesen wäre. Es sei daher, so wie bei den anderen bisher von der Beschwerdeführerin durchgeführten Großvorhaben nach Abschluß der Bauarbeiten eine Nachzahlung in Form einer Mehrleistungsprämie gewährt worden.

Die belangte Behörde gab der Beschwerde mit dem angefochtenen Bescheide keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung damit, daß die strittigen Prämien zweifellos "sonstige Bezüge" im Sinne des § 67 Abs. 1 EStG seien. Ihrem Wesen nach seien sie nämlich, wie die Beschwerdeführerin selbst ausgeführt habe, vornehmlich eine Belohnung für die "Betriebstreue im vierjährigen Bauabschnitt". Wenn die Beschwerdeführerin daneben vermeine, daß damit auch besondere Leistungen abgegolten werden sollten, so sei ihren Ausführungen nicht zu entnehmen, um welche bestimmten Leistungen es sich dabei handeln könnte. Denn es könne keinem Zweifel unterliegen, daß Überstunden und über den Arbeitsvertrag im Einzelfall hinausgehende Leistungen laufend und angemessen entlohnt worden seien. Der Unterschied zwischen einer Belohnung und einer Lohnnachzahlung liege nun aber begrifflich vor allem darin, daß der Lohnnachzahlung eine nicht angemessene Lohnzahlung vorausgegangen sei. Dafür, daß dies im vorliegenden Falle zugetroffen sei, liege jedoch keinerlei Anhaltspunkt vor.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Falle lediglich die Frage, ob die von der Beschwerdeführerin an alle Arbeitnehmer anläßlich der Betriebsaufnahme des Z-Großkraftwerkes ausbezahlten "Inbetriebsetzungsprämien" als "sonstige Bezüge" im Sinne des § 67 Abs. 1 EStG oder als "Nachzahlungen von Arbeitslohn" im Sinne des § 67 Abs. 9 EStG anzusehen sind. Nur in diesem Punkt erachtet sich auch die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid als beschwert.

Dabei vertritt sie die Anschauung, daß diese Zahlungen, welche in Anerkennung der während der vierjährigen Bauzeit erbrachten besonderen Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer gewährt worden seien, als Nachzahlung von Arbeitslohn zu werten seien, weil sie eine zusätzliche Entlohnung für die in einem bestimmten Zeitraume geleistete außergewöhnlich erfolgreiche Arbeit darstellten.

Damit legt jedoch die Beschwerdeführerin den § 67 EStG in einer Weise aus, die den Begriff des "Sonstigen Bezuges" nach § 67 Abs. 1 EStG allzusehr einengt, ja ihn fast jeder Anwendungsmöglichkeit beraubt. Werden doch Prämien und Belohnungen an Arbeitnehmer vielfach in Anerkennung hervorragender Arbeitsleistungen oder langjähriger treuer Dienste gewährt und stehen sie somit zwangsläufig in einem gewissen Zusammenhange mit den in vorausgehenden Lohnzahlungszeiträumen erbrachten Arbeitsleistungen. Dennoch wäre es abwegig, derartige Sonderzahlungen als "Nachzahlungen von Arbeitslohn" anzusehen und beispielsweise eine aus Anlaß eines zehnjährigen Dienstjubiläums gezahlte Prämie als eine für die ersten zehn Dienstjahre gewährte Lohnnachzahlung behandeln zu wollen.

Unter "Nachzahlung von Arbeitslohn" im Sinne des § 67 Abs. 9 EStG ist vielmehr stets die Zahlung eines Lohnes zu verstehen, der bei einem normalen Laufe der Dinge bereits in früheren Lohnzahlungszeiträumen hätte ausgezahlt werden sollen, wobei die rechtzeitige Auszahlung jedoch aus Gründen, die nicht im Belieben des Arbeitgebers standen, unterblieben ist. Darum hat auch der Gesetzgeber die begünstigte steuerliche Behandlung für solche Lohnnachzahlungen ausgeschlossen, bei denen die Nachzahlung bloß "auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes" beruht. Im Gegensatze zu den "sonstigen Bezügen" des § 67 Abs. 1 EStG, denen das Merkmal der Außerordentlichkeit anhaftet, sind also die Lohnnachzahlungen nach § 67 Abs. 9 EStG Normalarbeitslöhne, deren Besonderheit nur darin besteht, daß sie nicht zeitgerecht als laufender Arbeitslohn, sondern - aus nicht im Belieben des Arbeitgebers gelegenen Gründen - nachträglich ausbezahlt wurden.

Unterzieht man nun nach diesen Gesichtspunkten die von der Beschwerdeführerin an alle Arbeitnehmer ausgezahlten "Inbetriebsetzungsprämien" einer genauen Prüfung, so fällt - wie schon die belangte Behörde mit Recht hervorgehoben hat - zunächst einmal auf, daß die Zahlungen als "Inbetriebsetzungsprämien" bezeichnet wurden und somit auf einen für die Betriebsleitung erfreulichen Anlaß hinweisen, der ähnlich wie ein Firmenjubiläum den Arbeitgeber zur Gewährung von Sonderzahlungen bestimmt, die mit dem Ausmaße der einzelnen Arbeitsleistungen überhaupt nichts zu tun haben. Daß dabei der erst kürzlich in die Firma eingetretene Arbeitnehmer nicht eine gleich hohe Prämie erhält wie ein bereits langjährig im Betriebe tätiger, ist selbstverständlich, weshalb derartige Prämien auch stets nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit abgestuft werden; es sind "Treueprämien", was im vorliegenden Falle ja auch durch die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde bestätigt wird, in denen von einer Zahlung für "die Betriebstreue im vierjährigen Bauabschnitt" die Rede ist. Dagegen wird das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß die Prämie auch eine Entlohnung für die besonderen Leistungen des einzelnen Arbeitnehmers dargestellt hätte, schon dadurch widerlegt, daß sie ausnahmslos an sämtliche Arbeitnehmer ausgezahlt wurde, wie auch durch den Inhalt der Anweisung der Personalabteilung vom , nach welcher die Höhe der Prämie lediglich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer abgestuft wurde; es ist aber bei der großen Anzahl von Arbeitnehmern mit gleich langer Betriebszugehörigkeit nicht anzunehmen, daß sie alle besondere Leistungen in völlig gleichem Ausmaß erbracht hätten, die eine Entlohnung durch eine völlig gleich hohe Lohnnachzahlung rechtfertigten. Es hat sich somit hier zweifellos um sogenannte "Anerkennungsprämien" gehandelt, was sich namentlich auch den Bescheiden des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft klar entnehmen läßt, mit welchen den beiden öffentlichen Verwaltern der Beschwerdeführerin aus dem gleichen Anlaß "in Anerkennung ihrer hiebei sichtbar zum Ausdruck gebrachten Leistung eine Prämie in Höhe von zwei Monatsbezügen" gewährt wurde. Derartige Anerkennungsprämien stellen aber keine Lohnnachzahlungen nach § 67 Abs. 9 EStG, sondern sonstige Bezüge nach § 67 Abs. 1 EStG dar.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1962:1961000869.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-53402