VwGH 23.09.1965, 0842/65
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | AVG §54 |
RS 1 | Einem Ortsaugenschein sind die Parteien des Verfahrens nur dann beizuziehen, wenn ohne Anwesenheit derselben eine einwandfreie Sachverhaltsfeststellung nicht möglich ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Präsidenten Dr. Guggenbichler, sowie die Hofräte Dr. Krzizek, Penzinger, Dr. Knoll und Dr. Schmelz als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Landesregierungskommissärs Dr. Weingartner über die Beschwerde des JS, vertreten durch Dr. Otto Schuster, Rechtsanwalt in Gloggnitz, Hauptstraße 48, gegen den namens des Landeshauptmannes ergangenen Bescheid des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. VI/4-182/4-1965, betreffend Bestrafung wegen einer Übertretung forstrechtlicher Vorschriften, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Otto Schuster, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberregierungsrates Dr. OH, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesene
Der Beschwerdeführer ist verpflichtet, dem Bund zu Handen des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung den Betrag von S 790,-- an Kosten binnen zwei Wochen bei sonstigem Zwangs zu bezahlen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom fand die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen den Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 7 des Gesetzes zum Schutze des Waldes vom , LGBl. Nr. 251 (Niederösterreichisches Waldschutzgesetz), schuldig und verhängte gegen ihn gemäß § 81 Abs. 2 lit. c des Forstrechts-Bereinigungsgesetzes eine Geldstrafe von S 8.000,- (Ersatzarreststrafe sieben Tage), wobei als erwiesen angenommen wurde, daß der Beschwerdeführer auf der Waldparzelle 39/4, Katastralgemeinde X, unterhalb des großen Schlages auf dem „Feuchter“ entlang dem provisorischen Abfuhrwege in 30 m Breite auf einer Fläche von rund 0,80 ha aus einem 80- bis 100jährigen Fichten-, Tannen- und Buchenbestand alles Nadelholz herausgeschlägert und dadurch eine Kahlschlägerung mit einem Flächenausmaß von ca. 0,80 ha verursacht habe. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er geltend machte, daß von einem Kahlschlags nicht gesprochen werden könne. Es handle sich vielmehr nur um eine nicht anmeldepflichtige Plenterung, da auf der ca. 0,80 ha großen Fläche nur insgesamt 227 fm Holz einschließlich Brennholz geschlagen worden sei. Die Schlägerungsfläche betrage zwischen 0,30 und 0,40 ha, somit nicht einmal die Hälfte. Derzeit bestehen noch mindestens 250 fm Holz. Zur Überprüfung dieser Angaben beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung eines Ortsaugenscheines und seine Beiziehung zu diesem. Nach einem in den Verwaltungsakten befindlichen Aktenvermerk vom wurde der Beschwerdeführer fernmündlich davon in Kenntnis gesetzt, daß der Ortsaugenschein am durchgeführt werden würde. Einem weiteren Aktenvermerk vom zufolge gab der Beschwerdeführer fernmündlich bekannt, daß er an dem Ortsaugenschein infolge Erkrankung nicht teilnehmen könne. Dem Beschwerdeführer wurde daraufhin geraten, einen mit der Sachlage vertrauten bevollmächtigten Vertreter zu entsenden. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß der Ortsaugenschein zur festgesetzten Zeit durchgeführt wurde und daß diesem weder der Beschwerdeführer noch ein Vertreter des Beschwerdeführers beigewohnt hat. Das Ergebnis des Ortsaugenscheines wurde dem Beschwerdeführer am niederschriftlich zur Kenntnis gebracht. Nach der darüber aufgenommenen Niederschrift beantragte der Beschwerdeführer bei diesem Anlasse die erneute Begehung der in Betracht kommenden Fläche, jedoch nicht vor Ende Mai 1965, da in dieser Höhenlage erst zu diesem Zeitpunkt sicher mit Schneefreiheit gerechnet werden könne. Der neuerliche Ortsaugenschein sei deshalb notwendig, weil wegen der Schneelage keine entsprechende Übersicht über die in Betracht kommende Fläche hätte gewonnen werden können.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheide der belangten Behörde wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Beschwerdeführer durch die von ihm vorgenommene Schlägerung eine Übertretung nach § 1 Abs. 2 im Zusammenhange mit § 7 des Niederösterreichischen Waldschutzgesetzes begangen habe, und deshalb gemäß § 86 Abs. 3 des Forstrechts-Bereinigungsgesetzes zu bestrafen gewesen sei.
In der dem Bescheide beigefügten Begründung hieß es, die am im Beisein von Vertretern des Stadtforstamtes Wien als dem derzeitigen Eigentümer von der Landesforstinspektion durchgeführten Besichtigung der Schlägerungsfläche habe ergeben, daß sich die Plenterung auf dem angeführten Waldgrundstück auf eine Gesamtfläche von ca. 0,80 ha erstreckt und dabei mehr als die Hälfte der normalen Bestandsmasse entnommen worden sei. Verblieben sei lediglich ein dünner Schleier aus Buchen und einzelnen minderwertigen Nadelholzstämmen, die früher offensichtlich den Nebenbestand gebildet hätten. Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Plenterung sei einem Kahlschlag gleichzuhalten und daher anmeldepflichtig gewesen. Die verbliebenen Nadelholzstämme seien im übrigen in der Zwischenzeit zu einem Großteile bereits vom Winde geworfen worden. Eine neuerliche Begehung des Waldgrundstückes sei nicht erforderlich gewesen. Bei der Begehung am seien zusätzlich noch der Bezirksforsttechniker und ein Vertreter des Stadtforstamtes Wien und der Forstverwaltung Hirschwang anwesend gewesen, die alle über genügende Lokalkenntnisse verfügten. Die Schneelage hätte es keineswegs verhindert, über das Ausmaß der Schlägerung einen Überblick zu gewinnen. Die Anwesenheit des Beschwerdeführers hätte am Ergebnis der Erhebungen, die in erster Linie eine forstfachliche Beurteilung der durchgeführten Schlägerung gewesen sei, nichts ändern können.
In der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wird Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und dabei im wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid besage in keiner Weise, daß beim Lokalaugenschein auch der Sachverständigenbeweis durchgeführt worden sei. Die Organe der Forstbehörde seien lediglich im Hinblick auf ihre Kenntnis der Örtlichkeit, nicht aber in bezug auf ihr fachliches Wissen erwähnt. Dazu komme, daß beim Ortsaugenscheine Schneelage geherrscht habe. Damit erscheine sowohl der Sachverständigenbeweis als auch der Augenschein nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Da der Beschwerdeführer am Lokalaugenschein infolge seiner Erkrankung nicht habe teilnehmen können, sei ihm die Gelegenheit entzogen gewesen, alle zur Sache gehörigen Gesichtspunkte vorzubringen und unter Beweis zu stellen. Die Feststellung, ob die Plenterung widerrechtlich vorgenommen worden sei oder weniger als die Hälfte des normalen Bestandes entnommen worden sei, hätte genauer Abmessungen bedurft, die im Beisein des Beschwerdeführers vorzunehmen gewesen wären. Es genüge nicht, dem Beschwerdeführer nachträglich das Ergebnis des Ortsaugenscheins zur Kenntnis zu bringen.
Der Beschwerde mußte aus nachstehenden Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben:
Das Vorbringen in der Beschwerde läuft darauf hinaus, daß das Ermittlungsverfahren deswegen mangelhaft geblieben sei, weil der Beschwerdeführer dem im Berufungsverfahren durchgeführten Ortsaugenscheins nicht beigezogen war und der Ortsaugenschein infolge der Schneelage kein richtiges Bild über die vorgenommenen Schlägerungen ermöglicht habe. Der Beschwerdeführer ist mit diesem Vorbringen nicht im Recht. Besondere Vorschriften über die Durchführung eines Ortsaugenscheines enthält der diesem Beweismittel gewidmetes zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende § 54 AVG 1950 nicht. Es fehlt vor allem eine Bestimmung, die es der Behörde zur Pflicht, machen würde, einem Ortsaugenscheine die Parteien des Verfahrens beizuziehen. Es ist daher ausreichend, wenn die Behörde den Parteien Gelegenheit gibt, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen (Hinweis auf § 45 Abs. 3 AVG und § 43 Abs. 2 VStG). Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Gewiß kann sich in besonders gelagerten Fällen die Notwendigkeit ergeben, die Parteien einem Ortsaugenschein beizuziehen, nämlich dann, wenn ohne Anwesenheit der Partei eine einwandfreie Sachverhaltsfeststellung nicht möglich ist. Diese Voraussetzung ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Wie im Sachverhalt dargelegt wurde, ging es im Beschwerdefall einerseits um die Größe der geschlägerten Fläche und anderseits um das Ausmaß der Schlägerung. Daß diese Feststellungen nur in Gegenwart des Beschwerdeführers getroffen werden können, hat der Beschwerdeführer nicht überzeugend dartun können. Er hat insbesondere in der Beschwerde nicht behauptet, daß ihm von einer dritten Person durchgeführte Schlägerungen angerechnet wurden. Aber auch das Vorbringen, die Schneelage am Tage des Ortsaugenscheins habe eine einwandfreie Sachverhaltsfeststellung unmöglich gemacht, ist nicht stichhältig. Nach den unwidersprochenen Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer auf der in Rede stehenden Fläche alle 80- bis 100jährigen Nadelbäume geschlägert. Nun hat aber der Beschwerdeführer nicht dargetan, warum die beim Ortsaugenschein anwesenden Sachverständigen - als solche sind die Personen der Amtsabordnung zweifellos anzusehen - nicht in der Lage gewesen wären, festzustellen, ob auf der in Rede stehenden Fläche alle oder nur einzelne der 80- bis 100jährigen Nadelbäume geschlägert wurden. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie angenommen hat, daß auch die Anwesenheit des Beschwerdeführers am Ergebnis des Ortsaugenscheines nichts geändert hätte. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt sohin nicht vor.
Die Beschwerde erweist sich aus all dem als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abgewiesen werden mußte.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 47 Abs. 2 lit. b und § 48 Abs. 2 lit. a, b und d VwGG 1965 in Verbindung mit Art. 1 B Z. 4, 5 und 6 der Verordnung vom , BGBl. Nr. 4.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | AVG §54 |
Sammlungsnummer | VwSlg 6766 A/1965 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1965:1965000842.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-53360