VwGH 11.06.1970, 0797/69
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | GebG 1957 §33 TP5 Abs1 Z1; |
RS 1 | Die vertragsmäßige Bestimmung, einen Bestandvertrag unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist jeweils zum Jahresende aufkündigen zu können, hat zur Folge, daß ein aufunbe stimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag im Hinblick auf die zunächst zeitlich feststehende Vertragsdauer (der am geschlossene Bestandvertrag konnte frühestens mit aufgekündigt werden) als auf zunächst bestimmte Zeit und anschließend auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Dr. Schima und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde des AW in B, vertreten durch Dr. Julius A. Schuster, Rechtsanwalt in Wien I, Am Hof 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA VIII-1283/68, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat laut "Pachtvertrag" vom mit Wirksamkeit ab von der Stadtgemeinde B. das Hotel "H...hof" gegen Entrichtung eines monatlichen Pachtzinses von S 37.500. sowie weiterer im Punkt III vertraglich festgelegter Leistungen in Bestand genommen. Der Bestandvertrag wurde nach Punkt II des Vertrages "auf unbestimmte Zeit geschlossen". Er "ist beiderseits unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist jeweils zum 31. Dezember jeden Jahres kündbar, seitens des Pächters jedoch frühestens zum ". Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien dem Beschwerdeführer, ausgehend von einer Gesamtbemessungsgrundlage in der Höhe von S 7,600.000 die einprozentige Rechtsgebühr im Betrage von S 76.000 zuzüglich einer festen Gebühr in Höhe von S 45, insgesamt also S 76.045, vor. Es nahm nämlich das Bestehen eines Bestandvertrages in der bestimmten Dauer von vier Jahren an, ermittelte den auf diesen Zeitraum entfallenden Bestandzins von S 1,800.000 (S 37.500 "Monatspacht" x 48 Monate) und schlug diesem Betrag den Wert der sonstigen vertraglichen Leistungen in Höhe von S 5,800.000 hinzu.
Der Beschwerdeführer berief. Er wendete, soweit dies für das hg. Verfahren von Belang ist, ein, der Pachtvertrag habe am begonnen, sei auf unbestimmte Zeit geschlossen worden und ende frühestens am . Für die Errechnung der Bemessungsgrundlage sei die für die Zeit vom bis und somit für einen Zeitraum von drei Jahren und neun Monaten, nicht aber, wie das Finanzamt irrtümlich angenommen habe, für einen vierjährigen Zeitraum erbrachte Gegenleistung maßgebend. Er beantragte, die Gebühr von S 3,875.000 zu berechnen.
Das Finanzamt gab dem Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung teilweise statt, indem es die Bemessungsgrundlage auf S 7,201.236 herabsetzte, wies es im übrigen jedoch ab. Es ging nunmehr von einer bestimmten Dauer des Pachtvertrages von 1 Jahr und 9 Monaten aus, nach deren Ablauf der Vertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen zu gelten hätte. Diese Entscheidung trat außer Kraft, weil der Beschwerdeführer die Vorlage der Berufung an die Rechtsmittelbehörde beantragte. In seinem diesbezüglichen Antrag verlangte der Beschwerdeführer u. a. die Berücksichtigung eines bloß dreijährigen Pachtzeitraumes.
Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bekämpften Berufungsentscheidung vom hat die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland der Berufung ebenfalls nur teilweise Folge gegeben. Den abweisenden Teil hat die belangte Behörde unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 3058 (F), damit begründet, daß eine bestimmte Dauer eines Bestandverhältnisses stets bis zu dem Zeitpunkt vereinbart sei, an dem das Vertragsverhältnis bei Ausnützung der ersten Kündigungsmöglichkeit frühestens endigen könne. Im gegenständlichen Falle sei dies der , "womit also eine Mindestdauer des Vertrages von 1 3/4 Jahren festgelegt" worden sei. Die Vereinbarung der unbestimmten Vertragsdauer bedeute "gebührenrechtlich die Zurechnung eines weiteren Zeitraumes von 3 Jahren, sodaß als Berechnungsgrundlage die Leistungen des Bw. für 4 3/4 Jahre heranzuziehen" seien. Es setzte die Bemessungsgrundlage mit S 6,536.196 fest.
Gegen diese Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bekämpft den in Rede stehenden Bescheid insoweit, als bei der Berechnung der Gebühr gem. § 33 TP 5 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267, (GebGes) ein drei Jahre übersteigender Zeitraum einbezogen wurde. Er vertritt die Rechtsansicht, daß der streitgegenständliche Bestandvertrag ein solcher auf unbestimmte Dauer sei. Darin ist ihm grundsätzlich beizupflichten. Denn der Wortlaut des Vertrages vom gibt ihm Recht. Nach Punkt II desselben wurde dieser nämlich auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er ist beiderseits unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist jeweils zum 31. Dezember eines jeden Jahres kündbar. Der Beschwerdeführer hat allerdings eine Beschränkung dieses Rechtes hingenommen, weil er sich verpflichtete, eine Kündigung frühestens erst zum auszusprechen. Nun kann allerdings - wie der Verwaltungsgerichtshof z. B. in seinem schon zitierten grundlegenden Erkenntnis vom , Slg. Nr. 3058(F), zum Ausdruck gebracht hat - ein Vertrag, der seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wird, gebührenrechtlich dann als ein Vertrag auf bestimmte Dauer angesehen werden, wenn nach seinem Inhalt zu erkennen ist, daß er vor Ablauf einer bestimmten Zeit - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - von keinem der Vertragsteile durch Kündigung aufgelöst werden kann. Im Streitfalle hat aber nur der Beschwerdeführer einen Kündigungsverzicht auf bestimmte Zeit abgegeben. Es liegt also nur ein einseitiger Kündigungsverzicht vor, der den an sich auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag deswegen also gebührenrechtlich nicht zu einem solchen auf bestimmte Dauer werden läßt. Das verkennt auch die belangte Behörde nicht. Sie meint offensichtlich aber, daß sich aus der verhältnismäßig langen Kündigungsfrist erkennen läßt, daß sich die Vertragspartner entgegen dem Vertragswortlaut zunächst auf eine bestimmte Zeit binden wollten. Sie glaubt - allerdings zu Unrecht -
aus dem schon zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom für ihren Rechtsstandpunkt etwas ableiten zu können und gelangt auf diese Weise zum Schluß, daß im vorliegenden Fall eine bestimmte Dauer des Bestandvertrages vom jedenfalls bis zum Zeitpunkt vereinbart sei, an dem das Vertragsverhältnis bei Ausnützung der ersten Kündigungsmöglichkeit frühestens endigen kann. In dieser allgemeinen Fassung ist die Rechtsmeinung der belangten Behörde jedoch abzulehnen. Sie kann auch nicht auf das eben zitierte hg. Erkenntnis vom gestützt werden. Wäre der belangten Behörde für den Rechtsbereich des Gebührengesetzes zu folgen, dann wäre möglicherweise jeder auf unbestimmte Dauer abgeschlossene Bestandvertrag einem solchen auf bestimmte Dauer abgeschlossenen gleichzuhalten. Denn in der Regel wird jeder auf unbestimmte Zeit vereinbarte Bestandvertrag durch Kündigung zur Auflösung gebracht. Es müßte dann also in einem jeden solchen Falle gebührenrechtlich zunächst ein auf bestimmte Dauer eingegangener Vertrag angenommen werden, an den sich ein Vertrag auf unbestimmte Zeit anschließt. Daß dies nicht Wille des Gesetzgebers sein kann, ergibt sich schon aus der in § 33 TP 5 GebGes festgelegten verschiedenen Behandlung der Bestandverträge auf bestimmte und unbestimmte Dauer. Der Gerichtshof verschließt sich allerdings den Gedankengängen der belangten Behörde nicht vollends. Im Einzelfalle vermag es durchaus als zutreffend angesehen werden, daß dann, wenn eine verhältnismäßig lange Kündigungsfrist vertraglich vereinbart wird, die Annahme gerechtfertigt sein könnte, es liege zunächst ein Vertrag auf bestimmte Dauer vor. Die Vereinbarung einer längeren Kündigungsfrist rechtfertigt aber an sich eine solche Annahme noch nicht. Denn auch eine längere Kündigungsfrist kann vernünftigen wirtschaftlichen Erwägungen entsprechen, so z. B. dann, wenn ein Bestandverhältnis wegen besonderer Verhältnisse nicht unter Einhaltung einer kurzen Kündigungsfrist gelöst werden kann. So könnte es auch im Streitfalle, der ein Hotel betrifft, als durchaus angemessen angesehen werden, daß der gegenständliche Vertrag aus wirtschaftlichen Gründen nur unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist gelöst werden kann. Feststellungen darüber, warum im Einzelfalle eine einjährige Kündigungsfrist vereinbart worden ist, hat die belangte Behörde nicht getroffen, weil sie von der unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, daß eine bestimmte Dauer eines Bestandverhältnisses jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt vereinbart sei, an dem das Vertragsverhältnis bei Ausnützung der ersten Kündigungsmöglichkeit frühestens endigen kann. Da sie damit gegebenenfalls das Recht des Beschwerdeführers auf richtige Festsetzung der Rechtsgebühr verletzt hat, weil bei Annahme eines Bestandverhältnisses auf unbestimmte Dauer im Streitfalle der Gebührenbemessung zufolge § 33 TP 5 Abs. 3 GebGes anstelle eines Zeitraumes von vier drei Viertel Jahren nur ein solcher von drei Jahren zugrundezulegen gewesen wäre, erwies sich der angefochtene Bescheid seinem Inhalte nach als rechtswidrig, welcher Umstand zu seiner Aufhebung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Grunde des § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 zu führen hatte.
Die beschwerdeführende Partei hat für den Fall ihres Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Zuerkennung der Kosten ihrer Beschwerde in Höhe von S 14.500,-- beantragt. Begehrt ein Beschwerdeführer den Zuspruch der Verfahrenskosten, ohne diese näher zu beziffern, dann rechtfertigt ein solcher Antrag nur den Zuspruch des Schriftsatzaufwandes, nicht aber den Zuspruch nicht pauschalierter Kosten, wie Stempelgebühren u. dgl. (unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, wird auf das Erkenntnis dieses Gerichtshofes vom , Zl. 323/66, verwiesen). Der beschwerdeführenden Partei waren daher unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 47 Abs. 1 und 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. b, 49 Abs. 1 und 59 VwGG 1965 im Zusammenhalt mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4, nur die pauschalierten Kosten für den Schriftsatzaufwand in Höhe von S 1.000,-- zuzuerkennen. Das Mehrbegehren war nach dem Besagten abzuweisen. Die Leistungsfrist gründet sich auf § 59 Abs. 4 VwGG 1965.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | GebG 1957 §33 TP5 Abs1 Z1; |
Sammlungsnummer | VwSlg 4101 F/1970 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1970:1969000797.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-53296