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VwGH 21.05.1980, 0779/79

VwGH 21.05.1980, 0779/79

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Bei der Schätzung geht es zum Unterschied von Beweisverfahren nicht um die Ausforschung einzelner Ereignisse, Tatsachen oder Gegebenheiten, sondern es wird versucht, global zu einer Basis für die Besteuerung zu kommen, die der Gesamtsumme der abgabenrechtlich relevanten Wirtschaftsvorgänge entspricht, ohne diese im einzelnen erheben und nachweisen zu müssen. Vom Ergebnis gesehen, bedeutet "Schätzen", die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsschlüsse sowie durch begründetes Einbeziehen und Ausschließen von Möglichkeiten zu ermitteln. Das Ziel muß die sachliche Richtigkeit des gewonnenen Ergebnisses sein. Je geringer die Anhaltspunkte, von denen auch schlüssige Folgerungen gezogen werden können (etwa Angaben, Bücher und Aufzeichnungen, Unterlagen, Belege, etc), desto größer sind naturgemäß die Unsicherheiten, desto weiter kann sich das Schätzungsergebnis vom tatsächlichen Geschehen entfernen. Wer zur Schätzung begründeten Anlaß gibt, muß die mit jeder Schätzung verbundene Unsicherheit hinnehmen. Eine Fehlertoleranz - im Ergebnis, nicht im Verfahren und Denkvorgang - muß als der Schätzung immanent angenommen werden (Hinweis: Reeger - Stoll, BAO 5, 269 ff).
Normen
RS 2
Ausführungen zur Frage, ob die Abgabenbehörde berechtigt ist, bei der Innung Erhebungen über ÜBLICHE STUNDENERLÖSE durchzuführen.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

1208/80

1207/80

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, über die Beschwerde des RB in W, vertreten durch Dr. Karl Scherer, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 13, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom , Zl. GA 6-2755/20/78, betreffend die Umsatzsteuer 1976, Einkommensteuer 1974 bis 1976, Gewerbesteuer 1974 bis 1976 und Einkommensteuervorauszahlung 1978, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Schneidermeister. Bis einschließlich 1972 wurde er nach Durchschnittssätzen gemäß § 29 EStG 1967 veranlagt. Seit 1973 ermittelt er seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972.

Das Finanzamt wich von den Steuererklärungen des Beschwerdeführers in folgenden Punkten ab:

1.) Bei der Veranlagung des Jahres 1974 von den Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen dadurch, daß es den erklärten Gewinn um eine Gewerbesteuergutschrift, einen nicht angefallenen Gewerbesteueraufwand und einen Vorsteuerbetrag erhöhte;

2.) bei der Veranlagung des Jahres 1975 von den Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen dadurch, daß es den erklärten Gewinn um die Aufwendungen für einen Radioapparat als Kosten der Lebensführung sowie um die Aufwendungen für die Einkommensteuer erhöhte und die Aufwendungen für die Umsatzsteuer sowie die Aufwendungen für die Vorsteuer berichtigte;

3.) bei der Veranlagung des Jahres 1976 von den Umsatzsteuer- , Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen dadurch, daß es den - tiefer stehenden - Ausführungen des Betriebsprüfers, der nun die Jahre 1973 bis 1976 geprüft und eine Schätzung vorgenommen hatte, folgte; im übrigen setzte es die Einkommensteuervorauszahlung 1978 fest.

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1974, die Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1975, die Umsatzsteuer-, Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1976 sowie gegen den Bescheid über die Einkommensteuervorauszahlung 1978 Berufungen.

Die Finanzlandesdirektion änderte mit einer früheren Berufungsentscheidung die Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1974 dadurch ab, daß sie zur Ermittlung des Gewinnes von der Summe der Betriebseinnahmen die nicht strittigen Betriebsausgaben sowie die Umsatzsteuerbelastung abzog und eine Gewerbesteuergutschrift sowie eine für 1971 gewährte Steuernachsicht hinzuzählte.

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit seinem Erkenntnis vom , Zlen. 1560/76, 1415/77, diese Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Der Betriebsprüfer, der nach Erlassung der Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1974 und 1975 und vor deren Rechtskraft die Jahre 1973 bis 1976 geprüft hatte, hielt in seinem darüber erstatteten Bericht unter anderem fest: TZ. 6. Feststellungen zu den Aufzeichnungen: "Dem Abgabepflichtigen wurde am die angeordnete Durchführung einer Betriebsprüfung bekanntgegeben. Es wurde vereinbart, daß die dazu erforderlichen Unterlagen ab vom Abgabepflichtigen beigebracht würden, um eine ordnungsmäßige Betriebsprüfung durchzuführen. Am teilte der Abgabepflichtige der Betriebsprüfung telefonisch mit, daß er die Prüfung ablehne und daher die Herausgabe der Aufzeichnungen und Belege verweigere. Der Abgabepflichtige wurde mit Schreiben der Betriebsprüfung vom neuerlich ersucht, die erforderlichen Unterlagen und Aufzeichnungen vorzulegen. Mit diesem Schreiben wurde der Abgabepflichtige rechtlich informiert und über die Folgen der Verweigerung belehrt. Diesem Ersuchschreiben wurde vom Abgabepflichtigen nicht entsprochen. Das Finanzamt mußte daher die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO ermitteln. Da für die Erledigung der Jahre 1974 und 1975 der Berufungssenat I bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland zuständig ist, wurde der Abgabepflichtige mit Schreiben vom in die FLD, GA 6, zwecks Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen und Besprechung über die durchgeführte Betriebsprüfung vorgeladen; außerdem waren die nötigen Buchführungsaufzeichnungen und sonstigen zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nötigen Unterlagen mitzubringen. Dieser Vorladung wurde nicht Folge geleistet."

TZ. 7. "Die erklärten Umsätze und Gewinne erscheinen aus folgenden Gründen unglaubhaft:

1.) Auf Grund einer kalkulatorischen Umsatzverprobung ergaben sich erhebliche Abweichungen.

2.) Basis für die Umsatzermittlung waren folgende Kennzahlen:

a) Material zuzüglich 25 % Rohaufschlag (das ist bereits die Untergrenze des Materialaufschlages).

b) Zeiteinsatz. Von der Betriebsprüfung wurden zehn Monate bzw. netto 40 Wochen a 40 Stunden, das sind jährlich 1600 Arbeitsstunden, als produktiver Zeiteinsatz angenommen.

c) Leistungserlös. Auf Grund einer Erhebung in der Innung beträgt der Stundenerlös ohne Umsatzsteuer S 100,-- bis S 140,--. Unter Bedachtnahme auf das niedrigere Preisniveau der geprüften Jahre und unter Beachtung von bei einer Schätzung unbekannten Faktoren und auch der örtlichen Betriebslage wurden folgende Beträge angesetzt: 1973 S 68,-- (netto), 1974 S 74,-- (netto), 1975 S 80,-- (netto), 1976 S 86,-- (netto)."

TZ. 8. "Die ausgewiesenen Gewinne reichen zur Deckung selbst einer bescheidenen Lebensführung nicht aus. Die erklärten Gewinne betrugen: 1973 S 28.134,--, 1974 S 28.603,--, 1975 S 28.193,--, 1976 S 16.983,--. Unter Berücksichtigung der Berichtigungen der Ausgaben laut Betriebsprüfung ergeben sich: 1973 S 32.198,--, 1974

S 42.027,--, 1975 S 33.484,--, 1976 S 23.159,--. Weiters sind folgende Tatsachen zu berücksichtigen:

1.) Der Abgabepflichtige hat aus der Prozeßführung mit seiner Schwester S 8.000,-- im Jahre 1973 an ihren Anwalt zu entrichten. Ihm selbst sind aus dieser Prozeßführung zwangsläufig weitere Kosten entstanden.

2.) Der Abgabepflichtige ist im Besitz eines gebrauchten Personenkraftwagens, zuletzt wurde einer 1973 angeschafft.

3.) Der Abgabepflichtige hat in seinen Eingaben vom und an den Berufungssenat die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung für 1974 beantragt. Hiezu gibt er an, daß von seinem Gewinn von S 28.603,-- zwei Personen leben mußten. Sein Sohn habe aus einem Ausgleichsverfahren Zahlungen zu leisten gehabt, sodaß dieser nur über Jahreseinnahmen von S 3.000,-- verfügt habe. Es erscheint vollkommen unglaubhaft, daß von diesem Betrag zwei Personen existieren können. Es wäre zu berücksichtigen, daß allein der Lebensmittelverbrauch eines erwachsenen Mannes bei mindestens

S 10.000,-- liegt."

TZ. 10. "Ermittlung der Umsätze und Gewinne": Ausgehend vom "Wareneinsatz laut Erklärung" ergab sich damit

a) für 1974 der Gewinn mit S 130.728,-- und das zu versteuernde Einkommen mit S 128.544,--;

b) für 1975 der Gewinn mit S 138.576,-- und das zu versteuernde Einkommen mit S 135.300,--;

c) für 1976 der Umsatz - ohne Umsatzsteuer - mit S 173.076,-- , der Gewinn mit S 156.110,-- und das zu versteuernde Einkommen mit S 152.834,--.

Die Finanzlandesdirektion wies mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung die Berufungen gegen die Umsatzsteuer-, Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1976 sowie gegen den Bescheid über die Einkommensteuervorauszahlung 1978 ab; die Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1974 und 1975 änderte sie zu Ungunsten des Beschwerdeführers dahin ab, daß sie den Ausführungen des Betriebsprüfers - auch hier - folgte. Berufungsgegenstand sei die Höhe des Umsatzes 1976, die Höhe der Gewinne 1974 bis 1976 und die Höhe der Einkommensteuervorauszahlung 1978 gewesen. Der Versuch der belangten Behörde, die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 1560/76, 1415/77, aufgezeigten Verfahrensmängel durch Befragung des Beschwerdeführers bzw. im Vorhaltsweg zu beseitigen, habe nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Da für die richtige Feststellung des Sachverhaltes überdies eine nähere Untersuchung der Aufzeichnungen des Beschwerdeführers notwendig erschienen sei, habe eine Betriebsprüfung stattgefunden. Bei dieser sei jedoch der Beschwerdeführer nicht bereit gewesen, mitzuhelfen. Er habe trotz eingehender Belehrung und Aufforderung seine Aufzeichnungen nicht zur Verfügung gestellt. Ein Hindernis, die Betriebsprüfung anzuordnen, habe nicht bestanden. Hinsichtlich der Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer habe für die Zeit ab 1973 vor der in Rede stehenden Betriebsprüfung keine solche stattgefunden. Die 1975 durchgeführte Umsatzsteuernachschau habe nicht den Charakter einer abgabenbehördlichen Prüfung im Sinne des § 151 BAO gehabt. Die Aufgabe der in Rede stehenden Betriebsprüfung sei es unter anderem gewesen, den "zur Erledigung der offenen Rechtsmittel noch zu klärenden Sachverhalt festzustellen und die nach" dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes "ergänzend durchzuführenden Ermittlungen vorzunehmen". Diese Aufgabe sowie die Überprüfung der erklärten Bemessungsgrundlagen habe wegen der Weigerung des Beschwerdeführers, seine Unterlagen vorzulegen, "nur schwer - wenn überhaupt - durchgeführt" werden können. Selbst der Abgabenbehörde zweiter Instanz sei es nicht gelungen, vom Beschwerdeführer Unterlagen zur Einsicht zu erhalten. "Weder war dies bei der in den Amtsräumen dieser Behörde geplanten Schlußbesprechung möglich, da der Beschwerdeführer dazu unentschuldigt nicht erschienen ist, noch legte er bei der Berufungsverhandlung Unterlagen vor, die die Feststellungen der Betriebsprüfung entkräften bzw. die Wahrheit und Richtigkeit der erklärten Bemessungsgrundlagen und Berufungsvorbringen beweisen hätten können; vielmehr blieb es bei den bloßen Behauptungen des Beschwerdeführers, seine Erklärungen seien richtig." Bei dieser Sachlage habe sich die belangte Behörde nur veranlaßt gesehen, die Möglichkeit und Schlüssigkeit der Feststellungen der Betriebsprüfung dahin zu überprüfen, ob sie geeignet seien, als Grundlage für die bekämpften Bescheide zu dienen. Die Betriebsprüfer seien bei der Feststellung der Bemessungsgrundlagen "vorerst von den erklärten Zahlen" ausgegangen. Hierauf hätten sie "anhand von Kennzahlen, die der allgemeinen Erfahrung entsprechen, die jeweiligen Umsätze" ermittelt. Wiederum ausgehend von den erklärten Betriebsausgaben seien sodann die tatsächlich abzugsfähigen Ausgaben ermittelt worden, wobei, entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, die jeweils tatsächliche Umsatzsteuerbelastung und Gewerbesteuerbelastung statt des Saldos ermittelt worden sei. Die Ausgaben für den Wareneinkauf seien in richtiger Höhe festgestellt worden. Hinsichtlich der nachgesehenen Steuern sei richtig festgestellt worden, daß der nach Richtlinien ermittelte Gewinn 1971 die für dieses Jahr entstandenen Betriebssteuern bereits berücksichtigt habe. Eine später erfolgte Nachsicht solcher Steuern führe daher bei einer Überschußrechnung zu einem gewinnerhöhenden Ertrag im Jahre der Nachsicht. Andere Kürzungen der Betriebsausgaben hätten im Rahmen der Prüfung nicht stattgefunden. Der von den Betriebsprüfern "angewendete Stundenerlös für den ohne Hilfe arbeitenden Alleinmeister" sei vom Beschwerdeführer mit der bloßen Behauptung bekämpft worden, er betrage in Wahrheit S 42,--. Dem sei jedoch die Auskunft der Innung entgegengestanden, daß der Stundensatz S 100,-- bis S 140,--

ohne Umsatzsteuer betragen habe. Zur Klärung dieser Differenz hätte es "einer genaueren Kalkulationsüberprüfung im strittigen Zeitraum anhand der Unterlagen des Beschwerdeführers" bedurft. Diese "Möglichkeit hat er jedoch selbst verwehrt". Im übrigen sei festzustellen gewesen, "daß ein Stundensatz in der vom Pflichtigen genannten Höhe äußerst unglaubwürdig erscheint". Dies sei auch nicht dadurch entkräftet worden, daß der Beschwerdeführer "die Kalkulation einer Mantelherstellung" angeboten habe, "die keinen Gewinn ausweist und zudem nicht überprüfbar" gewesen sei. Die Befragung des "Steuerkonfidenten" habe unterbleiben können, "da hiebei lediglich die nicht bestrittene Höhe des Mantelpreises bewiesen werden könnte". Der Hinweis auf Billigangebote der Konkurrenz sei "ebenfalls nicht zielführend" gewesen, weil die Produkte schon qualitätsmäßig nicht vergleichbar gewesen seien. Außerdem sei "der Stundensatz ohnehin in Anbetracht der besonderen Umstände unter dem erkundeten Niveau angesetzt" worden, "wobei lediglich die Inflation entsprechend berücksichtigt" worden sei. Alle Feststellungen der Betriebsprüfer, "die naturgemäß in Ermangelung entsprechender Unterlagen nur Näherungswerte ergeben konnten", seien dem Beschwerdeführer vorgehalten worden. Es sei ihm auch mehrmals Gelegenheit gegeben worden, "sich dazu eingehend unter Vorlage von Beweisen bzw. Aufzeichnungen zu äußern". Der Beschwerdeführer habe sich jedoch stets auf bloße Behauptungen beschränkt. Je weniger eine Partei ihrer Verpflichtung, zur Aufklärung des Sachverhaltes beizutragen, nachkomme, umso größer werde die Gefahr einer den Tatsachen nicht voll und ganz Rechnung tragenden Schätzung sein. Nach Auffassung der belangten Behörde hätte "die Betriebsprüfung alles getan", um den Sachverhalt "möglichst genau zu ermitteln und ist dabei zu Ergebnissen gelangt, die den tatsächlichen Verhältnissen aller Wahrscheinlichkeit nach möglichst gerecht werden". Auch "hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen, die nach Aufhebung der Berufungsentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof in einem neuen Ermittlungsverfahren zu erheben waren, hat die Betriebsprüfung entsprechende Feststellungen getroffen, die der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt werden können". Zur Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung "wäre es nötig gewesen, daß der Beschwerdeführer die Nachweise für das Vorliegen der nach dem Gesetz hiefür nötigen Voraussetzungen erbracht und sich nicht damit begnügt hätte, unter Verweigerung der Mitarbeit lediglich unbewiesene Behauptungen aufzustellen, die keineswegs klar erkennen ließen, welcher Aufwand tatsächlich vom Beschwerdeführer zwangsläufig getragen werden mußte". Zusammenfassend habe sich ergeben, "daß die Feststellungen der Betriebsprüfung, die ohne Hilfe des Beschwerdeführers und ohne dessen Aufzeichnungen getroffen werden mußten, zu Ergebnissen geführt haben, die das Finanzamt berechtigterweise den angefochtenen Bescheiden zugrunde legen durfte; sofern sie die Einkommen- und Gewerbesteuer 1974 betreffen, sind sie ebenfalls geeignet, der Senatsentscheidung als Grundlage zu dienen". Die Berufungen gegen die Umsatzsteuer-, Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1976 seien daher abzuweisen gewesen. Der Berufung gegen den Bescheid über die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlung 1978 habe der Erfolg versagt werden müssen, weil die Anfechtung des Einkommensteuerbescheides 1976 noch nicht bedeutet habe, daß damit die Grundlage für den Vorauszahlungsbescheid weggefallen sei. Beweise, daß das Finanzamt bei Erlassung des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides 1978 von unrichtigen Tatsachen ausgegangen sei, habe der Beschwerdeführer nicht erbracht. Die Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1974 und 1975 seien dagegen "mit Rücksicht auf das steuerliche Ergebnis abzuändern" gewesen.

Der Beschwerdeführer behauptet in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde, die angefochtene Berufungsentscheidung beruhe auf einem Betriebsprüfungsergebnis, das an sich unrichtig und mangelhaft sei. Die Aufforderung des Finanzamtes vom , die für die Betriebsprüfung notwendigen und vorhandenen Aufzeichnungen vorzulegen, sei er "nicht nachgekommen, weil bei ihm seit 1965 5 Betriebsprüfungen, und zwar für 1966 laut Niederschrift vom , für 1967 laut Niederschrift vom , für 1968 laut Niederschrift vom , für 1971 laut Niederschrift vom , für 1975 laut Niederschrift vom waren, weiters 4 Lohnsteuerprüfungen und 2 Wareneingangsprüfungen durchgeführt wurden". Bei den Betriebsprüfungen laut den Niederschriften vom und vom seien alle notwendigen und vorhandenen Aufzeichnungen und Belege bis geprüft worden; "eine neuerliche Prüfung darf sohin gemäß § 148 (3) BAO nur mit Zustimmung des Abgabepflichtigen vorgenommen werden, da die in der zitierten Gesetzesstelle vorgesehenen Ausnahmen nicht zutreffen". Das Finanzamt habe in der Weigerung des Beschwerdeführers aber einen Anlaß für eine Schätzung, die den Zeitraum, "womit sich die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes befaßt, in zeitlicher und sachlicher Hinsicht weit überschreitet", gesehen und die Stundensätze für 1974 mit S 74,--, für 1975 mit S 80,-- und für 1976 mit S 86,-- angenommen. Dies stehe im Widerspruch mit der Niederschrift über die Betriebsprüfung am , "wonach der vom Beschwerdeführer kalkulierte Stundenlohn 1975 nicht S 80,-- netto, sondern S 42,-- netto betrug". Weiters sei "bei der Schätzung ein 'Mittelbetrieb' angenommen" worden, obwohl der Beschwerdeführer "seit Alleinmeister, also ein Einmannbetrieb" sei. Abgesehen davon habe in einem gegen den Beschwerdeführer beim Landesgericht für ZRS Wien anhängigen Rechtsstreit der dort bestellte Sachverständige im Jänner 1978 ein Gutachten erstattet, wofür zwei Herren "vom Referat 14 des Finanzamtes dem Sachverständigen alle einschlägigen finanzamtlichen Auskünfte erteilt haben und worin die vom Beschwerdeführer abgegebenen Steuererklärungen der Jahre 1973 bis 1976 als richtig bestätigt wurden". Die belangte Behörde habe aber auch verabsäumt, über den Antrag des Beschwerdeführers "auf Anerkennung der außerordentlichen Belastung für den Sohn" zu entscheiden, und sie habe weiters zu Unrecht die dem Beschwerdeführer, dessen Gewinn 1971 und 1972 nach Richtlinien ermittelt worden sei, nachgesehenen Betriebssteuern gewinnerhöhend behandelt. Das "Ersuchschreiben" des Finanzamtes vom habe den Vornamen und die Adresse des Beschwerdeführers falsch genannt und weder eine Unterschrift noch ein Rundsiegel aufgewiesen; es sei daher "nicht gültig". Die Innung dürfe "laut BAO § 170 Z. 3 und § 171 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 nicht zum Zeugen genommen werden". Die belangte Behörde gebe "für 1973 bis 1976 ständig sinkende Materialeinsätze zu und dann sollen steigende Gewinne auftreten"; dies sei sehr unwahrscheinlich. Der in der Bundesabgabenordnung vorgeschriebene Betriebsvergleich sei unterblieben. Auch die "Vorsteuerbeträge bei Energie (Strom), Miete, etc." seien nicht berücksichtigt worden. Die vom Beschwerdeführer im Zweipersonenhaushalt mit seinem Sohn "erklärte Summe von S 31.603,-- reicht zur Lebensführung aus" und sei im Zivilprozeß durch den Sachverständigen bestätigt worden. Der Beschwerdeführer beantrage, "den Steuerkonfidenten und dessen Gattin" einzuvernehmen; "Steuerkonfidenten sind laut Strafgesetzbuch zu Haftstrafen zu verurteilen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 148 Abs. 3 BAO darf für einen Zeitraum, für den eine Buch- und Betriebsprüfung bereits vorgenommen worden ist, ein neuerlicher Prüfungsauftrag ohne Zustimmung des Abgabepflichtigen nur erteilt werden,

a) zur Prüfung von Abgabenarten, die in einem früheren Prüfungsauftrag nicht enthalten waren;

b) zur Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 BAO) gegeben sind;

c) im Rechtsmittelverfahren durch die Rechtsmittelbehörde, jedoch nur zur Prüfung der Begründung des Rechtsmittels (§ 250 Abs. 1 lit. c BAO) oder neuer Tatsachen und Beweise (§ 280 BAO).

Gegenstand der beim Beschwerdeführer laut Prüfungsauftrag vom vorgenommenen Betriebsprüfung waren - soweit dies hier von Interesse ist - die Umsatzsteuer 1976, die Einkommensteuer 1974 bis 1976 und die Gewerbesteuer 1974 bis 1976.

Weder den Ausführungen des Beschwerdeführers, die er im abgabenbehördlichen Verfahren erstattete, noch seinen Ausführungen, die er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattete, ist zu entnehmen, daß vor der hier in Rede stehenden Betriebsprüfung die Umsatzsteuer 1976, die Einkommensteuer 1974 bis 1976 und die Gewerbesteuer 1974 bis 1976 jemals Gegenstand einer früheren Betriebsprüfung gewesen wären. Die am vorgenommene Umsatzsteuernachschau zählt zu den allgemeinen Aufsichtsmaßnahmen und nicht zu den abgabenbehördlichen Prüfungen. Im übrigen bestätigte der Beschwerdeführer in der über diese Umsatzsteuernachschau aufgenommenen Niederschrift die ihm gemachte Mitteilung, "daß die Prüfung der Vollständigkeit der Umsätze - materielle Überprüfung - dieses Zeitraumes einer späteren Betriebsprüfung oder Umsatzsteuerrevision vorbehalten bleibt".

Der Durchführung der in Rede stehenden Betriebsprüfung konnte damit eine bereits vorgenommene Buch- und Betriebsprüfung nicht im Wege stehen.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs. 2 leg. cit. ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (§ 184 Abs. 1 leg. cit.) wesentlich sind. Gemäß § 184 Abs. 3 leg. cit. ist ferner zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Der Beschwerdeführer räumte sowohl im abgabenbehördlichen Verfahren als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Übereinstimmung mit dem Betriebsprüfungsbericht ein, daß er zur Betriebsprüfung weder Aufzeichnungen noch Belege vorlegte. Die Abgabenbehörde, die den Beschwerdeführer mit ihrem - unterfertigten oder nicht unterfertigten, aber zweifellos von ihr stammenden und den Beschwerdeführer betreffenden - Schreiben vom aufmerksam gemacht hatte, daß dessentwegen "gegebenenfalls die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt werden können", war damit berechtigt, die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen.

Bei der Schätzung geht es zum Unterschied von Beweisverfahren nicht um die Ausforschung einzelner Ereignisse, Tatsachen oder Gegebenheiten, sondern es wird versucht, global zu einer Basis für die Besteuerung zu kommen, die der Gesamtsumme der abgabenrechtlich relevanten Wirtschaftsvorgänge entspricht, ohne diese im einzelnen erheben und nachweisen zu müssen. Vom Ergebnis gesehen, bedeutet "Schätzen" die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsschlüsse sowie durch begründetes Einbeziehen und Ausschließen von Möglichkeiten zu ermitteln. Das Ziel muß die sachliche Richtigkeit des gewonnenen Ergebnisses sein. Je geringer die Anhaltspunkte, von denen aus schlüssige Folgerungen gezogen werden können (etwa Angaben, Bücher und Aufzeichnungen, Unterlagen, Belege, etc.), desto größer sind naturgemäß die Unsicherheiten, desto weiter kann sich das Schätzungsergebnis vom tatsächlichen Geschehen entfernen. Wer zur Schätzung begründeten Anlaß gibt, muß die mit jeder Schätzung verbundene Unsicherheit hinnehmen. Eine Fehlertoleranz - im Ergebnis, nicht im Verfahren und Denkvorgang - muß als der Schätzung immanent angenommen werden (vgl. Reeger-Stoll, BAO5, 269 ff).

Der von der belangten Behörde hier gutgeheißenen Schätzungsmethode ist zuzustimmen.

Der Wareneinsatz entspricht nach den Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht den Erklärungen und der 25%ige Materialaufschlag der Behauptung des Beschwerdeführers anläßlich der Umsatzsteuernachschau am .

Die Erhebung bei der Innung des Beschwerdeführers, welcher Stundenerlös als allgemein üblich angesprochen werden konnte, ist unbedenklich. Sie hat nicht das geringste mit einem Verstoß gegen das Verbot zu tun, Organe des Bundes und der übrigen Gebietskörperschaften als Zeugen zu vernehmen, wenn sie durch ihre Aussage das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden, insofern sie der Pflicht zur Geheimhaltung nicht entbunden sind (§ 170 Z. 3 BAO), und sie hat auch nichts mit dem vom Zeugen geltend zu machenden Recht zu tun, die Aussage über Fragen zu verweigern, die er nicht beantworten könnte, ohne eine ihm obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der er nicht gültig entbunden wurde, zu verletzen oder ein Kunst- oder technisches Betriebsgeheimnis zu offenbaren (§ 171 Abs. 1 lit. c BAO). Im übrigen ist nicht zu erkennen, inwiefern die Innung des Beschwerdeführers eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person sein sollte, die die Aussage darüber verweigern könnte, was ihr in ihrer Eigenschaft als Vertreter der Partei über diese zur Kenntnis gelangt ist (§ 171 Abs. 2 BAO).

Der für den Beschwerdeführer angenommene Stundenerlös wurde ihm - wie auch der sonstige Inhalt des Betriebsprüfungsberichtes - von der Abgabenbehörde zur Kenntnis gebracht. Sowohl die Betriebsprüfer als auch die belangte Behörde gaben dem Beschwerdeführer Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Da er es aber unterließ, seine Behauptung, der Stundenerlös habe immer nur S 42,-- betragen, auch nur einigermaßen zu belegen, könnte der Annahme der belangten Behörde, der für den Beschwerdeführer maßgebende Stundenerlös habe 1974 S 74,--, 1975 S 80,-- und 1976 S 86,-- betragen, nur dann entgegengetreten werden, wenn diese Annahme erkennbar der Erfahrung widerspräche. Dies ist jedoch nicht der Fall. Aus der Niederschrift über die Umsatzsteuernachschau am ist schon deshalb nichts für den Standpunkt des Beschwerdeführers zu gewinnen, weil auch dort lediglich seine Angabe festgehalten ist, er "kalkuliert mit 42,-- S netto pro Stunde".

Der Annahme der belangten Behörde, daß der produktive Zeiteinsatz des Beschwerdeführers an sich jährlich 1.600 Stunden betragen haben kann, steht vorerst nichts entgegen.

Der von der belangten Behörde aber dann angenommene jährliche Leistungserlös ist ohne Erklärung, welche Arbeiten der Beschwerdeführer in den einzelnen Jahren verrichtete - Arbeiten mit von ihm beigestelltem Stoff, Arbeiten mit von Kunden beigestelltem Stoff, Reparaturarbeiten, etc. -, und ohne Erklärung, ob das zeitliche Verhältnis, in dem diese Arbeiten zueinander standen, in den Jahren 1974, 1975 und 1976 gleichblieb oder sich änderte, nicht schlüssig. Die belangte Behörde nimmt ungeachtet des jährlich sinkenden Wareneinsatzes - 1974 S 35.231,-- , 1975 S 31.233,--, 1976 S 28.381,-- - und ungeachtet der jährlich sinkenden Betriebsausgaben - 1974 S 57.701,--, 1975 S 55.192,--, 1976 S 48.120,-- - einen jährlich gleichbleibenden produktiven Zeiteinsatz - 1.600 Stunden - an. Dieser jährlich gleichbleibende produktive Zeiteinsatz mag vielleicht zutreffen, wenn der Beschwerdeführer im stetig zunehmenden Umfang Leistungen erbrachte, die zumindest vom Wareneinsatz unabhängig waren, doch fehlt es hier an ausreichenden Feststellungen.

Der angefochtene Bescheid, der in seinem nicht erwähnten Ausspruch über die Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1973 sowie die Umsatzsteuer 1974 und 1975 nach einer Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Berufung gegen die Wiederaufnahme bereits durch den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. B 60/6/2-IV/6/79, aufgehoben wurde, ist aus dem soeben erwähnten Grund ohne Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bei gleichzeitigem, auf § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 zu gründenden Absehen von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.

Wien, am

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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1980:1979000779.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-53273