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VwGH 14.06.1972, 0770/70

VwGH 14.06.1972, 0770/70

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
EStG 1953 §32a;
RS 1
Bei der abgabenrechtlichen Beurteilung, welchem der beiden Ehegatten Einkünfte zuzurechnen sind, kommt es nicht so sehr auf die zivilrechtliche Rechtslage (§ 92 ABGB und § 1237 ABGB), sondern darauf an, welcher der Ehegatten in der Außenwelt den Anschein erregte, daß er als Geschäftsführer auftritt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Seiler als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde des MS in D, vertreten durch Dr. Ekkehard Pachl, Rechtsanwalt in Dornbirn, Eisengasse 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 1587-2/1969, betreffend Einkommensteuer 1964 und 1965, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Finanzlandesdirektion für Vorarlberg) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der verheiratete Beschwerdeführer erklärte in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre jeweils gewerbliche Gewinne als Gesellschafter (für 1964 rund 183.000,--, für 1965 rund S 227.000,--), unbedeutende Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und aus Vermietung und Verpachtung sowie Einkünfte seiner Ehefrau aus der Zimmervermietung (1964 271 Nächtigungen mit Frühstück, 1965 282 Nächtigungen mit Frühstück). Das Finanzamt berücksichtigte bei den Veranlagungen 1964 und 1965 den Freibetrag gemäß § 32 a EStG nicht, weil es sich auf den Standpunkt stellte, die Einkünfte aus der Zimmervermietung seien nicht solche der Ehefrau, sie seien vielmehr dem Beschwerdeführer zugeflossen.

In den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 1964 und 1965 brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, im Bregenzerwald sei es allgemein üblich, daß die Zimmervermietung von den Ehefrauen betrieben werde. Die Ehefrau des Beschwerdeführers nehme die Fremden auf und versorge sie, sie kaufe die Lebensmittel für das Frühstück ein und bereite es, reinige die Zimmer, wasche die Wäsche, stelle die Rechnungen aus und kassiere sie und tue "sonst alles im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, was diese Tätigkeit der Fremdenbeherbergung schlechtweg" fordere. Wäsche und Einrichtungsgegenstände seien überwiegend Eigentum der Ehefrau. Daß die Räumlichkeiten vom Beschwerdeführer ohne Bestandverhältnis unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, sei ohne Belang.

Mit in der Folge allerdings durch rechtzeitige Antragstellung im Sinne des § 276 Abs. 1 BAO außer Wirksamkeit getretenen Berufungsvorentscheidungen wies das Finanzamt die Rechtsmittel ab. Die Beherbergung werde in den zur Privatwohnung des Beschwerdeführers gehörenden Räumlichkeiten ausgeübt. Daher werde der Beschwerdeführer durch die Aufnahme von Gästen diesen gegenüber allein berechtigt und verpflichtet. Wenn die Ehefrau des Beschwerdeführers - wie das allgemein üblich sei - die mit der Fremdenbeherbergung verbundenen Arbeiten allein verrichte, so sei dies "eine durch die familiären Verhältnisse ausgelöste Betätigung" im Sinne des § 92 ABGB. Auch der Einwand, daß Möbel und Einrichtungsgegenstände als Aussteuer Eigentum der Ehegattin des Beschwerdeführers seien, führe zu keiner anderen Beurteilung, weil Aussteuer bzw. Heiratsgut zur Erleichterung des mit der Ehegemeinschaft verbundenen Aufwandes und nicht zu Erwerbszwecken gegeben werden. Außerdem stünde daran dem Ehemann die Fruchtnießung zu.

Die belangte Behörde hat die Berufungen ebenfalls abgewiesen. Es sei unbestritten, daß die der Fremdenbeherbergung dienenden Wohnräume im Eigentum des Beschwerdeführers stehen. Aus der Höhe der Nächtigungsziffern und der erzielten Einnahmen ergebe sich weiters, daß die Fremdenbeherbergung nur in einem geringfügigen Ausmaß betrieben werde. Dieser geringe Arbeitsumfang lasse die Wurzel der Tätigkeit der Ehegattin des Beschwerdeführers in der familienrechtlichen Pflicht im Sinne des § 92 ABGB erblicken, so daß im Zusammenhang mit den Eigentumsverhältnissen in der "Wahrnehmung der Agenden der Privatzimmervermietung" durch sie nur die Merkmale des § 4 Abs. 4 Z. 4 EStG vorliegen könnten. Die gewerblichen Einkünfte aus der Privatzimmervermietung seien daher dem Beschwerdeführer selbst zuzurechnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützt ihren auf keinerlei Tatsachenfeststellungen gegründeten Bescheid einerseits auf den unbestrittenen Umstand, daß Eigentümer des Hauses, in dem die Zimmervermietung ausgeübt wird, der Beschwerdeführer und nicht seine Ehefrau ist, zum anderen auf die Verhältnisse der Ehegatten regelnden Vorschriften des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Meinung, daß die von der Behörde gezogenen Schlußfolgerungen nicht hinreichen, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen. Das aus folgenden Überlegungen:

Die Eigentumsverhältnisse an dem Gebäude allein sagen noch nicht, wem Einkünfte aus einer in dem Objekt ausgeübten Tätigkeit abgabenrechtlich zuzurechnen sind. Das gilt auch für den vorliegenden Fall der Zimmervermietung mit Verabreichung von Frühstück, obwohl bei dieser Art von Tätigkeit die Zurverfügungstellung von Wohnraum einen wesentlichen Bestandteil der Gästebetreuung darstellt. Auch die in § 92 ABGB verankerte Beistandspflicht der Ehegattin, die sie verbindet, dem Manne in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beizustehen, sagt nicht, wem der beiden Ehegatten bestimmte Einkünfte steuerrechtlich zuzurechnen sind; denn diese Vorschrift schließt keinesfalls aus, daß auch die Ehefrau eigene Einkünfte aus einer von ihr ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt. Ebensowenig ist für die belangte Behörde Entscheidendes mit der in der Gegenschrift erfolgten Bezugnahme auf § 1237 ABGB gewonnen, denn die Grundregel dieses Paragraphen besagt, daß durch die Ehe an dem bestehenden Eigentum der Ehegatten keine Änderung eintritt und daß auf das, was ein jeder Teil während der Ehe erwirbt, der andere Teil keinen Anspruch hat. Wenn auch der letzte Satz dieses § 1237 die Vermutung aufstellt, daß der Erwerb im Zweifel vom Manne herrührt, so kann mit der Berufung auf diese Norm die abgabenrechtliche Zurechnung von Einkünften nicht gelöst werden, da es sich dabei um eine Vorschrift handelt, deren Zweck in erster Linie darauf gerichtet ist, klarzustellen, auf welche Vermögenswerte die Gläubiger eines oder beider Ehegatten greifen können.

Das abgabenrechtlich maßgebende Kriterium für die Lösung des Beschwerdefalles liegt nach Auffassung des Gerichtshofes vielmehr in der tatsächlichen, nach außen in Erscheinung tretenden Gestaltung der Dinge. Für die Beurteilung unter diesem Gesichtswinkel wäre insbesondere zu prüfen gewesen, wer sich den Vertragspartnern und den Behörden gegenüber im Zusammenhang mit der Zimmervermietung als Betriebsinhaber gerierte. Hinweise in dieser Richtung wären möglicherweise durch die Feststellung zu gewinnen gewesen, unter welchem Namen eine allfällige Korrespondenz geführt wurde und ob und unter welcher Bezeichnung Rechnungszettel, Meldescheine, Stampiglienaufdrucke oder Prospekt(Werbe-)material Verwendung fanden. Ein wertvoller Aufschluß über die entscheidungswesentlichen Sachverhaltsmerkmale hätte auch erzielt werden können, wenn untersucht worden wäre, wer der Gemeinde gegenüber als Abgabenschuldner für die zu entrichtenden Fremdenverkehrsbeiträge und als Unterkunftgeber bei der Entrichtung der Ortstaxe aufgetreten ist. Da die belangte Behörde von der unrichtigen Rechtsauffassung ausging, sie könnte sich für die Beurteilung des von ihr zu entscheidenden Berufungsfalles allein auf privatrechtliche Vorschriften berufen, und infolgedessen weitere Erhebungen unterließ, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde im übrigen zu prüfen haben, ob bei dem Umfang der gegenständlichen Zimmervermietungen überhaupt von einer gewerblichen Tätigkeit im abgabenrechtlichen Sinn gesprochen werden kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
EStG 1953 §32a;
Sammlungsnummer
VwSlg 4401 F/1972
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1972:1970000770.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-53262