VwGH 14.10.1969, 0766/68
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §129 Abs10; VwGG §13 Z2; |
RS 1 | § 129 Abs 10 Wr BauO enthält ein Gebot, dem bereits zuwidergehandelt werden kann, ohne daß vorher ein baupolizeilicher Auftrag ergangen sein müßte. Wohl ist die Strafbarkeit dann nicht gegeben, wenn der Eigentümer, der Normadressat dieser Gesetzesbestimmung, von der ihm im Gesetz eingeräumten Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung Gebrauch macht. Eine Bestrafung wegen Nichtbeseitigung eines bauordnungswidrigen Baues ist während des Laufes des Verfahrens über das Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung bis zur rechtskräftigen Entscheidung nicht möglich. |
Norm | VStG §6; |
RS 2 | Ausführungen zum Umfang der Mitwirkungspflicht der Parteien im Fragenbereich des § 6 VStG. |
Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauO Wr §129 Abs4; BauRallg; VwGG §13 Z2; |
RS 3 | Ausführungen zur Frage der Beseitigungspflicht von Baugebrechen und bewilligungslosen Bauführungen. |
Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauO Wr §129 Abs4; BauRallg; VwGG §13 Z2; |
RS 4 | Konsenslos oder konsenswidrig (bauordnungswidrig) ist ein Zustand, zu dessen Herstellung gem § 60 der Bauordnung für Wien eine Baubewilligung erforderlich ist, eine solche aber nicht erwirkt wurde (Hinweis E , 712/62). Bauordnungswidrig ist ein baulicher Zustand aber auch dann, wenn ein Bauwerk Baugebrechen aufweist. Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Auftrages zur Beseitigung eines Baugebrechens ist jedoch nicht die vorangeführte Bestimmung des § 129 Abs 10, sondern die Bestimmung des § 129 Abs 4 der Bauordnung für Wien, in der es heißt, dass die Behörde nötigenfalls, d.h. dann, wenn der Eigentümer seiner Verpflichtung, Baugebrechen zu beseitigen, nicht nachkommt, den Hauseigentümer zur Behebung von Gebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist zu verhalten hat. Die Verpflichtung zur Beseitigung auftretender Baugebrechen ergibt sich aus der Bestimmung des Abs 2 der gleichen Gesetzesstelle, die bestimmt, dass der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen hat, dass die Baulichkeiten und die dazugehörigen Anlagen (Vorgärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Diese Verpflichtung trifft den Eigentümer kraft Gesetzes, ohne dass es hiezu erst eines baupolizeilichen Auftrages bedarf (Hinweis E , 1879/63). |
Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauRallg; VwGG §13 Z2; |
RS 5 | Die im § 129 Abs 10 der Bauordnung für Wien verwendeten Worte "...für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist ..." bedeuten nicht, dass die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues nur dann nicht bestehen, wenn eine nachträgliche baubehördliche Bewilligung bereits vorliegt, weil in einem solchen Fall von einem vorschriftswidrigen Bau nicht mehr gesprochen werden kann. Die vorangeführten Worte müssen so verstanden werden, dass die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues dann nicht besteht, wenn eine nachträgliche Bewilligung erwirkt wird. Die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues ist daher, anders als die Verpflichtung zur Beseitigung von Baugebrechen, eine bedingte. Ihr kann sich der Eigentümer dadurch entziehen, dass er für den eigenmächtig errichteten oder abgeänderten Bau nachträglich eine Baubewilligung erwirkt. |
Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauRallg; VwGG §13 Z2; |
RS 6 | Eine Bestrafung wegen Nichtbeseitigung eines bauordnungswidrigen Baues ist während des Laufes des Verfahrens über das Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung bis zur rechtskräftigen Entscheidung nicht möglich. Der Absicht des Eigentümers, durch ein nicht ordnungsgemäß belegtes Ansuchen oder durch nicht entsprechende Mitwirkung im Verfahren die Entscheidung über seinen Antrag zu verzögern und damit die Frist für die Straflosigkeit zu verlängern, kann die Behörde durch die ihr zur Verfügung stehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten, insbesondere durch die Möglichkeiten des § 13 Abs 3 AVG wirksam begegnen (Hinweis E , 1029/65 und E 830/66). Sollte der Eigentümer vor der Rechtskraft der Baubewilligung mit dem Bau begonnen haben, so wäre darin zwar keine Übertretung der Vorschrift des § 129 Abs 10 der Bauordnung für Wien, wohl aber eine solche wegen unbefugter Bauführung gelegen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Naderer, Dr. Krzizek, Penzinger, Dr. Lehne, Dr. Striebl, Dr. Härtel, Dr. Rath und Dr. Hrdlicka als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Magistratskommissär Dr. Macho, über die Beschwerde des RS in W, vertreten durch Dr. Otto Kern, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 22, gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom , Zl. M. Abt. 64-166/67/Str., betreffend eine Übertretung der Bauordnung, nach der am vor dem Fünfersenat durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Otto Kern und des Vertreters der belangten Behörde, Magistratsoberkommissärs Dr. HG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Bestrafung wegen Übertretung des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien aufrechterhalten wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Gemeinde Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.340,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer a) der Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 10 und b) der Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von je S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe je vier Tage) verhängt. Als erwiesen wurde angenommen, der Beschwerdeführer habe ad a) in der Zeit vom bis den ohne Baubewilligung errichteten Öllagerraum mit einem Fassungsvermögen von 14.000 l Heizöl, für welchen nachträglich keine Baubewilligung erteilt wurde, nicht beseitigt und ad b) in der gleichen Zeit den als Lagerraum gewidmeten Wirksaal IV als Aufenthaltsraum in Verwendung genommen. Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer sowohl dem Grunde der Bestrafung nach als auch wegen der Höhe der verhängten Geldstrafe wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes und führt hiezu im wesentlichen aus, in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis habe er beantragt zu klären, welche wirklichen Gründe dafür vorgelegen haben, daß sein Bauansuchen bis unerledigt geblieben sei. Wenn ein Staatsbürger es erleben müsse, daß über seine Anträge nach 4 1/2 Jahren noch immer nicht entschieden werde, dann scheide für ihn die subjektive Tatseite aus und befinde er sich in einem Notstand. Moderne Textilbetriebe müßten mit Öl beheizt werden. Eine solche Heizung erfordere entsprechende Lagerräume. Die Erledigung auf das Ansuchen des Jahres 1960 sei erst im Jahre 1966 erfolgt. Wenn der Beschwerdeführer auf die behördliche Genehmigung gewartet hätte, hätte der Betrieb durch sechs Jahre nicht beheizt werden können. Eine ordnungsgemäße Beheizung sei aber Voraussetzung für die Produktion. Wenn die Behörde das Vorliegen eines Notstandes bezweifelt habe, dann wäre sie beweispflichtig gewesen. Es werde dem Beschwerdeführer auch zur Last gelegt, daß er für den Öllagerraum um Genehmigung hätte ansuchen müssen. Wenn in einem Plan eine Reihe von Räumen "verzeichnet" sei und um die Genehmigung bezüglich dieser Räume gebeten werde, wenn überdies an Ort und Stelle eine Kommissionierung stattgefunden habe, dann sei dem Formerfordernis des Ansuchens entsprochen. Sollte aber entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kein Notstand vorliegen, dann sei die subjektive Schuld jedenfalls so geringfügig, daß nicht eine Strafe in der Höhe von S 10.000,-- gerechtfertigt sei. Die Verwendung des früheren Lagerraumes als Aufenthaltsraum erscheine überhaupt nicht als ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften. Ein solcher Verstoß würde nur vorliegen, wenn dieser Raum infolge Fehlens von Fenstern usw. als Aufenthaltsraum ungeeignet wäre.
Hiezu ist folgendes zu sagen:
Der Beschwerdeführer wurde zweier Verwaltungsübertretungen, und zwar der Übertretung der Vorschrift des § 129 Abs. 10 und der Übertretung der Vorschrift des § 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien für schuldig erkannt. Nach der erstgenannten Gesetzesstelle sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. Das Verschulden des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde darin erblickt, daß der Beschwerdeführer innerhalb der Tatzeit nicht sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ergriffen hat, um den konsenswidrigen Zustand zu beseitigen. Da die Strafbarkeit der Übertretung des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien bisher nicht einheitlich beurteilt wurde, wurde mit der gegenständlichen Beschwerde im Sinne des § 13 Z. 2 VwGG. 1965 ein verstärkter Senat befaßt, der unter Abstandnahme von einer Wiederholung der Verhandlung (§ 39 Abs. 3 VwGG. 1965) hierüber erwogen hat:
Gemäß § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien werden Übertretungen der Vorschriften dieser Bauordnung und der auf Grund der Bauordnung erlassenen Verordnungen mit Geld bis zu S 30.000,-- , im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu drei Monaten bestraft. Diese Vorschrift verpflichtet die Behörde, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis Slg. N. F. Nr. 6070/A/1963 ausgesprochen hat, jede Vorschrift der Bauordnung daraufhin zu untersuchen, ob sie ein Gebot oder Verbot enthält, dem zuwidergehandelt werden kann.
Die Bestimmung des Abs. 10 wurde dem § 129 der Bauordnung für Wien durch die Bauordnungsnovelle 1936 (BGBl. Nr. 33/1936) angefügt. Eine ähnliche Bestimmung enthielt die Bauordnung im § 135 Abs. 2, die durch die vorgenannte Novelle aufgehoben und durch § 129 Abs. 10 ersetzt wurde. Durch beide gesetzlichen Bestimmungen - ähnliche Bestimmungen finden sich in fast allen anderen Bauordnungen - war und ist der Behörde die Möglichkeit gegeben, einen Auftrag zur Beseitigung eines konsenslosen oder konsenswidrigen Zustandes zu erteilen. Konsenslos oder konsenswidrig (bauordnungswidrig) ist ein Zustand, zu dessen Herstellung gemäß § 60 der Bauordnung für Wien eine Baubewilligung erforderlich ist, eine solche aber nicht erwirkt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 712/62, und andere mehr). Bauordnungswidrig ist ein baulicher Zustand aber auch dann, wenn ein Bauwerk Baugebrechen aufweist. Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Auftrages zur Beseitigung eines Baugebrechens ist jedoch nicht die vorangeführte Bestimmung des § 129 Abs. 10, sondern die Bestimmung des § 129 Abs. 4 der Bauordnung für Wien, in der es heißt, daß die Behörde nötigenfalls, d. h. dann, wenn der Eigentümer seiner Verpflichtung, Baugebrechen zu beseitigen, nicht nachkommt, den Hauseigentümer zur Behebung von Gebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist zu verhalten hat. Die Verpflichtung zur Beseitigung auftretender Baugebrechen ergibt sich aus der Bestimmung des Abs. 2 der gleichen Gesetzesstelle, die bestimmt, daß der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen hat, daß die Baulichkeiten und die dazugehörigen Anlagen (Vorgärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Diese Verpflichtung trifft den Eigentümer kraft Gesetzes, ohne daß es hiezu erst eines baupolizeilichen Auftrages bedarf (vgl. hiezu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1879/63).
Die im § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien verwendeten
Worte " .... für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt
worden ist ...... " können nicht bedeuten, daß die Verpflichtung
zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues nur dann nicht besteht, wenn eine nachträgliche baubehördliche Bewilligung bereits vorliegt, weil in einem solchen Fall von einem vorschriftswidrigen Bau nicht mehr gesprochen werden kann. Die vorangeführten Worte müssen vielmehr, sollen sie nicht funktionslos sein, so verstanden werden, daß die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues dann nicht besteht, wenn eine nachträgliche Bewilligung erwirkt wird. Die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues ist daher, anders als die Verpflichtung zur Beseitigung von Baugebrechen, eine bedingte. Ihr kann sich der Eigentümer dadurch entziehen, daß er für den eigenmächtig errichteten oder abgeänderten Bau nachträglich eine Baubewilligung erwirkt.
Bei dieser Auslegung der hier in Betracht kommenden Rechtsvorschrift wirft sich die Frage auf, ob sie überhaupt noch ein Gebot (oder Verbot) enthält, dem unmittelbar zuwidergehandelt werden kann, oder ob es sich nicht nur um eine Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Auftrages zur Beseitigung eigenmächtig errichteter oder veränderter Baulichkeiten handelt. Eine andere Auslegungsmöglichkeit wäre die, daß eine Strafbarkeit nur dann anzunehmen wäre, wenn der Eigentümer einen Auftrag zur Beseitigung des vorschriftswidrigen Baues erhalten hat und diesem Auftrag innerhalb der gestellten Frist nicht nachgekommen ist. Es darf auch nicht übersehen werden, daß ein auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung begründeter Auftrag grundsätzlich in alternativer Form zu ergehen hat, indem einerseits dem Eigentümer aufgetragen wird, den vorschriftswidrigen Bau zu beseitigen, ihm aber andererseits auch die Möglichkeit eingeräumt wird, um eine nachträgliche Bewilligung anzusuchen. Weder die Unterlassung der Einräumung einer Frist für die Einbringung eines nachträglichen Bauansuchen, noch die Ausführungen in der Begründung eines Bescheides, daß eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt werden kann, haben aber die Wirkung, daß es dem Eigentümer verwehrt ist, um eine nachträgliche Bewilligung anzusuchen, wobei er etwa darauf hinweisen kann, daß zumindest eine Bewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien erteilt werden könnte (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 5895/A).
Der Gerichtshof ist jedoch der Meinung, daß diese beiden Auslegungen nicht richtig sind. Gegen die Annahme, die Bestimmung des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien biete nur die Rechtsgrundlage für einen Bauauftrag, spricht die von der Textierung des Absatzes 4 dieser Gesetzesstelle abweichende imperative Form. Gegen die Annahme, daß Voraussetzung für die Strafbarkeit die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages sei, spricht, daß auch bei der Notwendigkeit einer sinnvollen Auslegung dieser Bestimmung jeder Hinweis auf ein solches Verhalten der Behörde als Voraussetzung für die Strafbarkeit fehlt. Der Gerichtshof ist daher der Meinung, daß die Bestimmung des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien sehr wohl ein Gebot enthält, dem zuwidergehandelt werden kann, daß aber die Strafbarkeit dann nicht gegeben ist, wenn der Eigentümer von der ihm im Gesetz eingeräumten Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung Gebrauch macht. In diesem Fall ist während des Laufes des Verfahrens über das Bauansuchen bis zur rechtskräftigen Entscheidung eine Bestrafung wegen Nichtbeseitigung des bauordnungswidrigen Baues nicht möglich. Der Absicht des Eigentümers, durch ein nicht ordnungsgemäß belegtes Ansuchen oder durch nicht entsprechende Mitwirkung im Verfahren die Entscheidung über seinen Antrag zu verzögern und damit die Frist für die Straflosigkeit zu verlängern, kann die Behörde durch die ihr zur Verfügung stehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten, insbesondere durch die Möglichkeiten des § 13 Abs. 3 AVG wirksam begegnen (siehe hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1039/65, und vom , Zl. 836/66). Sollte der Eigentümer vor der Rechtskraft der Baubewilligung mit dem Bau begonnen haben, so wäre darin zwar keine Übertretung der Vorschrift des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien, wohl aber eine solche wegen unbefugter Bauführung gelegen.
Überprüft man unter diesem Gesichtspunkt den angefochtenen Bescheid, dann kann nicht ausgeschlossen werden, daß zumindest während eines Teiles des inkriminierten Tatzeitraumes ein Ansuchen um Bewilligung der eigenmächtig durchgeführten Bauführung anhängig war, die später mit dem Bescheid vom baubehördlich bewilligt wurde. Während des Laufes dieses Ansuchens durfte aber nach den vorstehenden Ausführungen eine Bestrafung wegen Übertretung des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien nicht erfolgen.
Soweit daher mit dem angefochtenen Bescheid das Straferkenntnis der ersten Instanz auch hinsichtlich des Tatbestandes der Nichtbeseitigung des ohne baubehördliche Bewilligung errichteten Öllagerraumes aufrechterhalten wurde, mußte er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG. 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Dagegen erweist sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Bestrafung wegen Übertretung der Vorschrift des § 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien richtet, als unbegründet. Nach dieser Gesetzesstelle ist für die bewilligungsgemäße Benutzung der Räume der Hauseigentümer verantwortlich. Daß der in Rede stehende Lagerraum als Aufenthaltsraum baubehördlich bewilligt wurde, ist den vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Wollte der Beschwerdeführer mit seinen Einreichungsplänen eine solche Bewilligung erwirken, dann war es ihm aufgegeben, seinen Willen entsprechend deutlich zum Ausdruck zu bringen. Es geht daher auch nicht darum, ob der Raum als Aufenthaltsraum geeignet ist oder nicht, sofern nur feststeht, daß hiefür keine baubehördliche Bewilligung vorliegt.
Der Beschwerdeführer beruft sich nun auf den Schuldausschließungsgrund des Notstandes. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2310/61) nur bei einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen als gegeben anzunehmen. In dem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 4074/A, wurde gesagt, daß durch die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeit selbst nicht unmittelbar bedroht sei, eine unmittelbar drohende Gefahr und ein Notstand im Sinne des § 6 VStG nicht begründet werden könnte. Nun mag es allerdings fraglich sein, ob das Abstellen auf die wirtschaftliche Lebensmöglichkeit des Unternehmers dem Sinn des § 6 VStG voll gerecht wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch im vorliegenden Fall der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dieser Frage enthoben. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren, insbesondere in der Berufung, zwar sehr viel zur Frage des Notstandes gesagt, dies jedoch in einer sehr allgemeinen, eine konkrete Darlegung der Konsequenzen der Einhaltung der Norm nicht ersetzenden Weise. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß die Partei im Fragenbereich des § 6 VStG zur entsprechenden Mitwirkung verpflichtet ist (vgl. Erkenntnis vorn , Slg. N. F. Nr. 1868/A, und vom , Zl. 641/61). Daß der Entschluß, den Lagerraum weiterhin als Lagerraum zu verwenden, zur Schließung des Betriebes führen müßte, leuchtet keineswegs ein und ist auch im einzelnen nicht begründet worden. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß bei einem Strafrahmen von S 30.000, -- die Behörde bei der Verhängung einer Geldstrafe von S 5.000,-- über den Beschwerdeführer von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Hinsichtlich dieser Bestrafung mußte daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47, 48 und 50 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 und 2 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965. Für die Beschwerde war nur ein Schriftsatzaufwand von S 1.000,-- gesetzlich begründet, weshalb der darüber hinaus geforderte Betrag nicht zuerkannt werden konnte.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauO Wr §129 Abs4; BauRallg; VStG §6; VwGG §13 Z2; |
Sammlungsnummer | VwSlg 7657 A/1969 |
Schlagworte | Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1969:1968000766.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-53253