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VwGH 29.10.1981, 0763/80

VwGH 29.10.1981, 0763/80

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §44 Abs2;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §62 Abs2;
BauRallg impl;
VwGG §34 Abs1 impl;
WRG 1959 §34 Abs6;
RS 1
Das Wasserversorgungsunternehmen hat zwar in einem Baubewilligungsverfahren für ein Gebäude innerhalb einer wasserrechtlichen Schutzzone die Stellung einer Formalpartei, aber kein subjektiv öffentliches Recht auf Versagung der Baubewilligung; sie kann gegen eine Baubewilligung nur wegen Verletzung ihres Anhörungsrechtes berufen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde der Grazer Stadtwerke AG in Graz, vertreten durch Dr. Hannes Stampfer, Rechtsanwalt in Graz, Schmiedgasse 31, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadt Graz vom , Zl. A 17-K- 20.019/4-1979, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit, einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Dr. F und M G in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligten Parteien suchten beim Magistrat der Stadt Graz am um die Baubewilligung für ein Einfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. n1 in EZ. n2 KG Graz-Stadt-St.Veit, an. Im Zuge des Baubewilligungsverfahrens wies die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom darauf hin, daß der Bauplatz auf Grund eines Berufungsbescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 83.778-1/1/71, im festgelegten Schutzgebiet II für das Wasserwerk Graz-Andritz gelegen sei; da für dieses Schutzgebiet ein Verbot für die Errichtung von Gebäuden oder sonstigen Hochbauten ausgesprochen worden sei, werde ersucht, im vorliegenden Bauverfahren auf diese Rechtslage Bedacht zu nehmen.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom , Zl. A 17-K-12.019/3-1979, wurde den mitbeteiligten Parteien die beantragte Baubewilligung gemäß §§ 57 und 62 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 erteilt. Gegen diesen Bescheid berief die Beschwerdeführerin mit folgender Begründung:

Die Beschwerdeführerin betreibe in der Nähe des Konsensgrundstückes das Wasserwerk Nord zur Versorgung der Bevölkerung der Stadt Graz mit Trinkwasser. Mit Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom - es handelt sich dabei offensichtlich um den dem vorerwähnten Berufungsbescheid vorangegangenen, bestätigten erstinstanzlichen Bescheid - sei das Konsensgrundstück in den Bereich des Schutzgebietes II einbezogen und für dieses Schutzgebiet II unter anderem angeordnet worden, daß darin, außerhalb der bereits bebauten Liegenschaften, die Errichtung von Gebäuden und sonstigen Hochbauten verboten sei; außerdem dürften punktförmige Fundamente nur höchstens 1,50 m unter Gelände errichtet werden. Besondere Vorschriften seien in diesem Bescheid auch bezüglich der Garagenabsicherung erlassen worden und es sei darnach auch die Anlage von Sickergruben verboten. Gemäß § 44 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung seien Jauchegruben usw. so anzulegen, daß dadurch weder bei eigenen noch benachbarten Brunnenquellen die Wasserversorgung gefährdet werde. Die Baubewilligung hätte daher nur im Rahmen des Bescheides des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom und mit den dort vorgesehenen Auflagen erteilt werden dürfen.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt: Die Beschwerdeführerin sei, wie aus dem Verfahrensakt ersichtlich, zur mündlichen Verhandlung der Unterbehörde am geladen worden, ohne jedoch einen Vertreter entsandt zu haben. Eine solche Ladung zur mündlichen Verhandlung entspreche einer langjährigen Verwaltungsübung der erstinstanzlichen Baubehörde und erfolge selbst dann, wenn - wie im Gegenstandsfall - die Grazer Stadtwerke AG nicht die Elektrizitäts- oder Wasserversorgung eines Bauplatzes vornehme. In jedem Fall würden die Vertreter der Grazer Stadtwerke AG lediglich als Auskunftspersonen bzw. - sollte sie den Bauplatz mit Strom oder Wasser versorgen - als Beteiligte dem Verfahren beigezogen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Erkenntnisse vom , Slg. N.F. Nr. 3891/A, und vom , Zl. 1625, 1626/70) stehe das Recht zur Einbringung der Berufung oder sonstiger Rechtsmittel, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht ausdrücklich anderes bestimmten, nur demjenigen zu, der im Verwaltungsverfahren als Partei im Sinne des § 8 AVG 1950 anzusehen sei. Weder aus dem Verfahrensakt noch aus dem Berufungsvorbringen ergebe sich irgendein Hinweis, daß die Beschwerdeführerin am Verfahren als Partei teilgenommen habe oder ihr Parteistellung zukäme. Wenn sie in der Berufungsschrift ausführe, sie betreibe in der Nähe des Bauplatzes ein Wasserwerk zur Versorgung der Bevölkerung der Stadt Graz, so vermöge die Rechtsmittelbehörde darin nichts zu erkennen, was für eine Parteistellung spreche. Die Beschwerdeführerin behaupte nicht einmal, durch den bekämpften Bescheid in irgendwelchen Rechten - etwa in jenen, die Bau- oder Raumordnungsvorschriften zum Schutze der nachbarlichen Grundeigentümer geschaffen hätten - verletzt zu werden. Die Sorge der Beschwerdeführerin gelte offenbar ausschließlich der Wasserversorgung der Grazer Bevölkerung und den durch die Bauführung der Konsenswerber vermuteten Gefahren hiefür. Mit einem solchen Vorbringen sei aber für die Frage der Parteistellung und damit der Berufungslegitimation im Baubewilligungsverfahren nichts zu gewinnen. Ebensowenig könne aus der erfolgten Ladung der Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung eine Parteistellung abgeleitet werden. Die Berufung sei daher unzulässig gewesen. In der Folge wurde noch begründet, warum selbst im Falle der Zulässigkeit der Berufung diese, meritorisch betrachtet, keinen Erfolg hätte haben können.

In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt. Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird ausgeführt, die belangte Behörde übersehe, daß § 34 Abs. 6 des Wasserrechtsgesetzes den Wasserversorgungsunternehmen ausdrücklich Parteistellung in behördlichen Verfahren einräume, die Maßnahmen und Anlagen, die eine Wasserversorgung im Sinne des § 34 beeinträchtigen könnten, zum Gegenstand hätten. Es könne kein Zweifel bestehen, daß im gegenständlichen Verfahren diese Gesetzesbestimmung Anwendung finde und schon deshalb die Zurückweisung der Berufung gesetzwidrig gewesen sei. Es treffe auch nicht zu, daß die Baubehörde ausschließlich Bauvorschriften wahrzunehmen habe. Vielmehr seien alle jene Umstände zu erheben, aus denen sich öffentlich-rechtliche Bedenken gegen die Bauführung ergeben könnten; dazu gehörten auch Schutzgebietsverordnungen und amtsbekannte Bescheide über die Einrichtung von Schutzgebieten. Abgesehen davon habe die Baubehörde gemäß § 44 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 dafür zu sorgen, daß durch Jauchen- und Sickergruben usw. weder eigene noch benachbarte Bauten, Brunnen, Quellen und Wasserversorgungen gefährdet werden dürften. Es wäre daher Pflicht der Behörde gewesen, diese Umstände festzustellen und zu berücksichtigen. Der Gerichtshof kann der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht beipflichten:

Vorangestellt sei, daß das Schicksal der Beschwerde ausschließlich davon abhängen kann, ob durch die Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin deren Rechte verletzt wurden, nicht aber davon, ob die in erster Instanz erteilte Baubewilligung mit der objektiven Rechtslage im Einklang stand, bzw. ob die im angefochtenen Bescheid dazu - als "obiter dicta" - gemachten Ausführungen richtig sind.

§ 34 Abs. 6 des Wasserrechtsgesetzes lautet: "Soweit Maßnahmen und Anlagen, die eine Wasserversorgung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen beeinträchtigen können, den Gegenstand eines behördlichen Verfahrens bilden, hat das in Betracht kommende Wasserversorgungsunternehmen oder die in Betracht kommende Gemeinde Parteistellung im Sinne des § 8 AVG 1950." Gemäß § 8 AVG 1950 sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, soweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Diese Bestimmung besagt für sich allein noch nicht, welche Rechtsansprüche oder rechtliche Interessen einer Partei zukommen; dies ist vielmehr den Verwaltungsvorschriften zu entnehmen, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (siehe etwa die Erkenntnisse Slg. N.F. Nr. 5298/A, 5722/A oder 6845/A) dargetan und begründet hat. Zu § 34 Abs. 6 des Wasserrechtsgesetzes hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom , Zl. 1388/67, auf welchen unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird, ausgesprochen, daß die Verleihung der Parteistellung für sich allein noch nicht aufzeigt, in welchen konkreten Rechten eine solche "Legalpartei" berührt zu werden vermöge. Die Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet, den Gerichtshof von der Unrichtigkeit dieser Rechtsprechung zu überzeugen.

Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 4499, es für unbedenklich erachtet, wenn bezüglich einer Bauführung in der Interessenzone der Grundwasserversorgungsanlage einer Gemeinde diese dem Baubewilligungsverfahren als Partei beigezogen und auf Grund ihres Einschreitens in Anwendung baurechtlicher Bestimmungen eine Baubewilligung verweigert wird. Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, daß die nach dem Wasserrechtsgesetz in Kraft getretene Steiermärkische Bauordnung 1968 die Voraussetzungen, unter denen andere Personen der Erteilung einer Baubewilligung entgegentreten können, in § 61 Abs. 2 und 3 sowie in § 62 Abs. 2 erschöpfend geregelt hat. Gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Absatz 3 dieses Paragraphen handelt von privatrechtlichen Einwendungen. Nach § 62 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung ist über alle Einwendungen, mit Ausnahme der nichterledigten privatrechtlichen, zu entscheiden. Gemäß § 62 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 hat die Baubehörde einem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung des Bauvorhabens geforderten Voraussetzungen erfüllt sind. Aus diesen Bestimmungen geht hervor, daß die Steiermärkische Bauordnung 1968 anderen Personen als den Nachbarn keine subjektiven öffentlichen Rechte auf Abwehr einer Baubewilligung einräumt. Solche Rechte sieht auch der in der Beschwerde angezogene § 44 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 nicht vor, welcher lautet:

"Jauchen-, Senk-, Sickergruben, Kläranlagen u. dgl. müssen außerhalb der Gebäude leicht zugänglich und so angelegt werden, daß dadurch weder eigene noch benachbarte Bauten, Brunnen, Quellen und Wasserversorgungen gefährdet werden. Die Wände dieser Bauwerke müssen von Gebäuden einen Mindestabstand von 50 cm haben. Derartige Bauwerke sind mit Ausnahme der Sohle von Sickergruben wasserdicht herzustellen sowie tragfähig und dicht abzudecken. Sie sind mit Einsteigöffnungen von mindestens 60 cm lichter Weite zu versehen, die mit tragfähigen und dichten, leicht zu öffnenden Deckeln verschlossen werden müssen. Solche Anlagen müssen von den Nachbargrundgrenzen mindestens 3 m entfernt sein."

Die in dieser Gesetzesstelle erwähnten "Wasserversorgungen" beziehen sich nämlich nach dem ausdrücklichen Gesetzestext auch nur auf die Sicherung des Bauprojektes und der Nachbarschaft, nicht aber auf Wasserversorgungsanlagen im Sinne des § 34 des Wasserrechtsgesetzes schlechthin, sodaß den Wasserversorgungsunternehmen daraus keine subjektiven Rechte erwachsen.

Nun hat zwar die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin insofern verkannt - diese hatte Entsprechendes auch im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht -, als sie deren Parteistellung im Baubewilligungsverfahren überhaupt leugnete. Richtigerweise kam der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren die Stellung einer "Formalpartei" zu. Der angefochtene Bescheid begründete aber die fehlende Parteistellung nicht allein mit der fehlenden Nachbarqualifikation der Beschwerdeführerin, sondern auch mit dem Mangel subjektiver Rechte nach den materiellen Bauvorschriften. Daß solche subjektiver öffentlichen Rechte der Beschwerdeführerin mangelten, wurde eben ausgeführt. Das formelle Recht der Beschwerdeführerin, zur Verhandlung geladen zu werden, wurde jedoch erfüllt und die Beschwerdeführerin hatte auch Gelegenheit, die eingangs erwähnte schriftliche Erinnerung gegen die Erteilung der Baubewilligung vorzubringen. Als bloße Formalpartei hätte aber die Beschwerdeführerin nur in ihrem Anhörungsrecht verletzt werden können und dies ist nicht geschehen. Ein mit Berufung verfolgbares (materielles) subjektives öffentliches Recht auf Verweigerung der Baubewilligung stand ihr nicht zu.

Somit wurde die Beschwerdeführerin aber im Ergebnis durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976, als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965, in der vorzitierten Fassung, und die Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221.

Wien, am

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Normen
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §44 Abs2;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §62 Abs2;
BauRallg impl;
VwGG §34 Abs1 impl;
WRG 1959 §34 Abs6;
Sammlungsnummer
VwSlg 10578 A/1981
Schlagworte
Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht
Diverses) Parteien BauRallg11/1
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde
subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Wasserrecht
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde
subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1981:1980000763.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-53250