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VwGH 17.06.1966, 0755/65

VwGH 17.06.1966, 0755/65

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §46;
VStG §24;
VwRallg;
RS 1
Alles, was die Behörde zum Zwecke der Beweissicherung anfertigt, daher auch Fingerabdrücke und Lichtbilder, die von einer strafbaren Handlung verdächtigen Person angefertigt wurden, können einen Bestandteil der Akten der Behörde bilden. *

E , 755/65 #1
Normen
AVG §46;
VwRallg;
RS 2
Die Frage, ob und inwieweit Aktenteile nach Beendigung des Verfahrens, das den Anlaß für ihre Anlegung gebildet hat, zu vernichten sind, ist ausschließlich eine Sach der innerdienstlichen Organisation, auf deren Gestaltung niemand ein Rechtsanspruch zusteht.

*

E , 0755/65 #2

Entscheidungstext

Beachte

Vorgeschichte:

0771/63;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Hrdlitzka, Dr. Kadecka, Dr. Skorjanec und Dr. Brunner als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dohnal, über die Beschwerde des OK in W, vertreten durch Dr. Karl Leiminger, Rechtsanwalt in Wien I, Goldschmiedgasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Inneres (Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit) vom , Zl. 241.380-13/64, betreffend Ausscheidung und Vernichtung eines Fingerabdruckblattes und eines Lichtbildes aus der polizeilichen Evidenz, nach Durchführung einer Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Karl Hirsch, und des Vertreters der belangten Behörde, Ministerialrates Dr. ER, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles kann dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 771/63, entnommen werden. Mit diesem Erkenntnis war der Bescheid des Bundesministeriums für Inneres (Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit) vom , Zl. 176.839-13/63, mit welchem der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien nicht Folge gegeben worden war, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben worden. Die Aufhebung erfolgte deshalb, weil die belangte Behörde nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes den Anspruch des Beschwerdeführers auf einen Feststellungsbescheid rechtsirrig verneint hatte.

Nachdem das Bundesministerium für Inneres, der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ausgesprochenen Rechtsansicht folgend, mit Bescheid vom den bei ihm mit Berufung angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion vom aufgehoben hatte, wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien vom dem Antrag des Beschwerdeführers auf Vernichtung des über ihn anläßlich seiner am erfolgten Verhaftung angelegten erkennungsdienstlichen Materials (Fingerabdrücke und Lichtbildaufnahmen) keine Folge gegeben und festgestellt, daß die weitere amtliche Verwahrung dieses Materials in den Akten der Bundespolizeidirektion Wien zulässig sei. In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, es bestehe kein rechtlicher Anspruch auf die Vernichtung des Materials, das aktenmäßig unter Einhaltung der strengen Vorschriften der Amtsverschwiegenheit verwahrt werde.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab das Bundesministerium für Inneres (Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit) mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und führte zur Begründung aus: Den Berufungsausführungen, es liege Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung vor, könne nicht gefolgt werden. Die §§ 13, 14 und 16 AVG 1950 befaßten sich mit der Anbringung von Anträgen, Gesuchen usw. an die Behörden, mit der Aufnahme von Niederschriften und mit der Anlegung von Aktenvermerken. Diese Vorschriften ließen keine Rückschlüsse auf die Frage zu, was Aktenbestandteil sein könne, insbesondere enthielten sie keine taxative Aufzählung jener Dinge, die Bestandteil eines Behördenaktes sein könnten. Aus dem § 17 Abs. 2 AVG 1950 (Ausnahmen von der Akteneinsicht) lasse sich jedoch ableiten, daß nicht nur Urkunden Aktenbestandteile sein könnten. Auch könne aus der Behauptung, die Herstellung von erkennungsdienstlichem Material bedeute eine Verletzung des Artikels 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, BGBl. Nr. 210/1958, nicht geschlossen werden, daß dieses erkennungsdienstliche Material auf Antrag vernichtet werden müßte. Mit der Behauptung, es liege eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor, weil die Frage des Zustandekommens des erkennungsdienstlichen Materials nicht geprüft worden sei, sei für den Beschwerdeführer ebenfalls nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, daß beide Behauptungen nicht Gegenstand des Verfahrens seien, gebe es keine gesetzliche Vorschrift, wonach eine Behörde verpflichtet wäre, auf Parteiantrag Akten oder Aktenteile zu vernichten. Dies nicht einmal dann, wenn am gesetzmäßigen Zustandekommen solcher Akten oder Aktenteile Zweifel bestünden. So seien etwa gesetzwidrig zustandegekommene Akten im Strafprozeß bei sonstiger Nichtigkeit des Verfahrens lediglich von der Verlesung in der Hauptverhandlung ausgenommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof die auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde. Mit Erkenntnis vom , Zl. B 117/65, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß der Beschwerdeführer durch diesen Bescheid in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Inneres (Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit) richtet sich auch die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war lediglich die Frage, ob die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Feststellung rechtswidrig ist oder nicht. Demnach hatte es nicht darauf anzukommen, ob der seinerzeitige Vorgang - nämlich die Abnahme der Fingerabdrücke und die Anfertigung einer Photographie des Beschwerdeführers für Zwecke des Erkennungsdienstes - zulässig war. Der Beschwerdeführer räumt dies auch in der zur Gegenschrift der belangten Behörde eingebrachten Gegenäußerung ein; er meint jedoch, daß die belangte Behörde verpflichtet gewesen sei, die Frage der Zulässigkeit der seinerzeitigen Vorgangsweise als Vorfrage für ihre Entscheidung zu beurteilen. Das ist nicht der Fall. Daß eine Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht feststellbar ist, hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem, in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erkenntnis vom , Zl. B 117/65, zum Ausdruck gebracht. Dem Verwaltungsgerichtshof oblag es nunmehr lediglich zu prüfen, ob die Feststellung der belangten Behörde, daß sie berechtigt gewesen sei, dem Begehren des Beschwerdeführers auf Vernichtung der in Rede stehenden Gegenstände nicht stattzugeben, mit irgendwelchen, auf einfacher Gesetzesstufe stehenden Normen in Widerspruch steht. Dabei hatte er davon auszugehen, daß er in der Frage, ob im Zusammenhang mit dem Begehren des Beschwerdeführers ein Feststellungsbescheid zu erlassen war, an sein Vorerkenntnis vom , Zl. 771/63, gebunden ist. In diesem Zusammenhang ist vorweg zu sagen, daß die belangte Behörde dadurch, daß sie die Fingerabdrücke und die Photographien nach Ausscheidung aus der Evidenz des Erkennungsdienstes (dem sogenannten Verbrecheralbum) anderweitig verwahrte, sich ihrer nicht entäußert hat und daher die Sachverhaltsannahme des Vorerkenntnisses in diesem Punkt nicht völlig zutreffend ist. Die belangte Behörde brachte vor, daß die Fingerabdrücke und die Photographien zu den im Zusammenhang mit den seinerzeitigen Vorerhebungen wegen des Verdachtes einer durch den Beschwerdeführer begangenen Übertretung nach § 516 StG angelegten Akten genommen worden seien. Der Beschwerdeführer bekämpft dieses Vorbringen mit der Behauptung, daß hier keine Rede von Aktenbestandteilen sein könne. Dies zu Unrecht. Es bestehen nämlich keine Bedenken dagegen, daß die Behörde alles, was sie zum Zweck der Beweissicherung anfertigt (mag es Personen oder Sachen betreffen), als Teil der von ihr angelegten Akten betrachtet, weil Vorschriften darüber, daß nur die Ergebnisse von bestimmten Amtshandlungen oder Parteivorbringen bestimmter Art als Bestandteile der Verwaltungsakten zu gelten hätten, nicht bestehen. Die Tatsache, daß in den Verwaltungsverfahrensgesetzen vornehmlich von Niederschriften als Aktenbestandteilen die Rede ist, beweist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers keinesfalls, daß nur Schriftstücke Aktenbestandteile sein können. Daß eine solche Beschränkung im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze nicht besteht, ergibt sich schon aus der Vorschrift des § 46 AVG 1950, wonach als Beweismittel alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach der Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Was aber die Frage anlangt, ob und inwieweit Aktenteile nach Beendigung des Verfahrens, das den Anlaß für deren Anlegung gebildet hatte, zu vernichten sind, ist ausschließlich eine Sache der innerdienstlichen Organisation, auf deren Gestaltung niemandem ein Rechtsanspruch zusteht. Das im Vorstehenden erörterte Vorbringen des Beschwerdeführers erweist sich somit nicht als stichhältig.

Da der angefochtene Bescheid mit keiner der behaupteten Rechtswidrigkeiten belastet ist, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG 1965 und Art. I der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4/1965.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §46;
VStG §24;
VwRallg;
Schlagworte
Beweismittel Skizzen Audio-Visuelle Medien
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Diverses
VwRallg10/1/3
Beweise
Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1966:1965000755.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-53232