VwGH 25.03.1981, 0747/79
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Während nach § 93 Abs 3 lit a BAO eine Begründung bei den einem Anbringen vollinhaltlich stattgebenden Bescheiden nicht erforderlich ist, sind stattgebende Berufungsentscheidungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz nach der lex specialis des § 288 Abs 1 lit d BAO jedenfalls zu begründen (Hinweis E , 2522/76). |
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Normen | BAO §20; VwGG §13 Z1; |
RS 3 | Die belangte Behörde mußte bei ihrer Ermessensübung, also bei der Frage, ob sie eine Bescheidaufhebung vornimmt, vom Gesetzessinn des § 20 BAO ausgehen. Bei diesem wird dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei" und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen sein (vgl Reeger-Stoll, aaO, Seite 26 unten). |
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RS 4 | Das Recht auf Parteiengehör besteht darin, daß dem Abgabepflichtigen Gelegenheit zur Äußerung zur behördlichen Sachverhaltsannahme sowie zur Kenntnis der Ergebnisse der Beweisaufnahme und zur Stellungnahme hiezu gegeben werden muß. Im Beschwerdefall war es Aufgabe der belangten Behörde, in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes als Oberbehörde die Bescheide der Abgabenbehörde zweiter Instanz nach dem Zeitpunkt von deren Erlassung zu überprüfen. Die belangte Behörde nahm weder einen neuen Sachverhalt, noch nahm sie neue Beweise auf. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
0749/79
Kein Abgehen von Vorjudikatur (demonstrative Auflistung):
0194/71 E VwSlg 4483 F/1973;
0301/67 E VwSlg 3834 F/1968
(RIS: keinabgv)
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Straßmann, Dr. Seiler, Dr. Salcher, Dr. Närr, Dr. Würth, Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn und Dr. Kramer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klug, über die Beschwerden 1.) des Dkfm. Dr. Ernst W und 2.) der Elisabeth W, beide in P, beide vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Arnold Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen die Bescheide des Bundesministers für Finanzen je vom , je GZ. 10 0530/1-IV/10/79, je betreffend Aufhebung eines Grunderwerbsteuerbescheides im Aufsichtswege, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendurgen in der Höhe von S 1.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund der in dem schriftlichen Kaufvertrag vom zusammengefassten 12 Erwerbsvorgänge hatten die Beschwerdeführer von 6 Miteigentümern der aus den Grundstücken 837/89 Garten und 1520 Haus 1737 bestehenden Liegenschaft EZ. 3131 des Grundbuches der KG P das Eigentum an dieser Liegenschaft samt allem Zubehör erworben, und zwar der Erstbeschwerdeführer ein Drittel und die Zweitbeschwerdeführerin zwei Drittel. Über diese Erwerbsvorgänge war am vom Erstbeschwerdeführer beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien eine Abgabenerklärung gemäß § 18 Grunderwerbsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 140, in der für die vorliegenden Beschwerdefälle maßgebenden Fassung (GrEStG), erstattet worden, in der - gleich lautend mit der angeschlossenen Vertragsausfertigung - als Gegenleistung ein Kaufpreis von insgesamt S 326.000,-- angegeben worden war. Weiters war die Flächengröße dieser Liegenschaft mit 1.050 m2 angegeben und Grunderwerbsteuerbefreiung wegen § 4 Abs. 1 Z. 2. lit. a GrEStG beantragt worden. In den Verwaltungsakten befindet sich nach dieser Abgabenerklärung eine von der genannten Abgabenbehörde erster Instanz mit dem Erstbeschwerdeführer aufgenommene Niederschrift ohne Datum. Danach hatte der Erstbeschwerdeführer folgendes erklärt: Die derzeitigen Wohnungen des Hauses seien nicht zur Gänze bewohnbar. Es sollten diese Wohnungen neu gestaltet und bewohnbar gemacht werden. Ein Baumeister sei bereits mit der Durchführung dieser Arbeiten betraut worden. Die Umgestaltung und Renovierung bedürfe der Genehmigung der Baubehörde. Mit vorläufigem Bescheid der genannten Abgabenbehörde erster Instanz vom waren lediglich auf Grund des einer Fläche von 50 m2 entsprechenden (gerundeten) Kaufpreises in der Höhe von S 15.500,-- gegenüber dem Erstbeschwerdeführer (ausgehend von der Bemessungsgrundlage in der Höhe von S 5.166,--) 7 % Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 362,-- und gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin (ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in der Höhe von S 10.322,--) 7 % Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 723,-- (insgesamt also S 1.085,--) festgesetzt worden. Am war von der genannten Abgabenbehörde erster Instanz mit dem Erstbeschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen worden. Danach hatte der Erstbeschwerdeführer verschiedene Bescheide vorgelegt, aus denen ersichtlich gewesen sei, dass der gegenständliche Umbau einer baubehördlichen Bewilligung bedurft habe. Die Umgestaltung sei nach den damaligen Angaben des Erstbeschwerdeführers in der Weise erfolgt, dass die unbewohnbar gewesenen Räume (es habe direkt hineingeregnet) bewohnbar gemacht, "Bad eingerichtet" und die Wohnungen neu gestaltet worden seien. Die baulichen Arbeiten seien fertig gestellt. Am war bei der genannten Abgabenbehörde erster Instanz (als Finanzstrafbehörde erster Instanz) von Erna W, der Schwägerin des Erstbeschwerdeführers, gegen diesen, die Zweitbeschwerdeführerin und die namentlich nicht genannten (6) Veräußerer Anzeige erstattet worden, weil der Kaufpreis tatsächlich S 1,000.000,-- betragen habe. Am war bei der genannten Abgabenbehörde erster Instanz ein Schreiben des Erstbeschwerdeführers überreicht worden, in dem vor allem folgendes mitgeteilt worden war: Da der Erstbeschwerdeführer erst jetzt über die beim seinerzeitigen Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft getroffenen Nebenabreden Kenntnis erhalten habe, bringe er heute den Betrag von S 30.000,-- zur Überweisung, falls die Steuer zu gering entrichtet worden wäre. Am waren die Beschwerdeführer von der genannten Abgabenbehörde erster Instanz als Finanzstrafbehörde erster Instanz gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG als Verdächtige vernommen worden: Nach den bei diesen Vernehmungen gemachten Angaben der Beschwerdeführer habe der Erstbeschwerdeführer den von der Zweitbeschwerdeführerin ohne sein Wissen ausgehandelten tatsächlichen Kaufpreis von insgesamt S 720.000,-- nicht gekannt. Der Erstbeschwerdeführer hatte bei seiner damaligen Vernehmung u.a. auch detaillierte Angaben über die Baumeister-, Installations- und Elektroarbeiten gemacht und zahlreiche Unterlagen - auch über den Zustand des Objektes zum Zeitpunkt des Kaufes sowie zum Zeitpunkt der Vernehmung - vorgelegt.
Mit endgültigen Bescheiden gemäß § 200 BAO vom setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber dem Erstbeschwerdeführer (für die ihn betreffenden gegenständlichen Erwerbsvorgänge) - ausgehend von einem (vom Beschwerdeführer angenommenen und tatsächlich geleisteten) Kaufpreisanteil in der Höhe von (zusammen) S 108.666,-- 7 % Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 7.607,-- sowie gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin (für die sie betreffenden gegenständlichen Erwerbsvorgänge) - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 2 mal S 152.883,25 und 4 mal S 76.416,62 (zusammen S 611.333,--, und zwar S 217.333,-- auf Grund des Kaufvertrages zuzüglich S 394.000,-- Aufzahlung "ohne Vertrag") - in den ersten beiden Fällen 8 % und in den anderen vier Fällen 7 % Grunderwerbsteuer in der Höhe von insgesamt S 45.850,-- fest. Nach der Begründung des den Erstbeschwerdeführer betreffenden Bescheides sei das umzugestaltende Haus ein Zweifamilienhaus, welches nach Fertigstellung von den Käufern allein benutzt worden sei. Das Ausmaß entspreche somit nicht den Bestimmungen einer Arbeiterwohnstätte. Die nach einem Jahr erfolgte Anmeldung des Dipl. Ing. K W stelle nur eine Zweitmeldung laut Auskunft des Meldeamtes der Marktgemeinde P. dar. Darüber hinaus könne das Haus auch infolge zu hohen Kaufpreises für den Grund der 2/3 Anteile der Zweitbeschwerdeführerin nicht als Arbeiterwohnstätte angesehen werden, da ein Haus nur den Bestimmungen einer Arbeiterwohnstätte entsprechen könne oder nicht. Nach der Begründung des die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Bescheides sei der Gesamtkaufpreis von S 720.000,-- wie folgt aufgeteilt worden: 24,7 % auf das Gebäude und der Rest auf den Grund. Die Aufteilung sei, wie von der Zweitbeschwerdeführerin beantragt, auf Grund der Berechnung des Einheitswertes erfolgt. Die von der Zweitbeschwerdeführerin beantragte Aufteilung 1/3 : 2/3 dürfte auf Grund eines Rechenfehlers erfolgt sein, denn es seien die Bruttowerte den Nettowerten gegenübergestellt worden. Bei genauer Berechnung - Rücksprache beim Finanzamt Mödling - ergebe sich für das Haus ein Wert 24,7 %. Da somit der auf den Anteil der Zweitbeschwerdeführerin entfallende Grundpreis "den Richtlinien" für die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG übersteige, sei die mit vorläufigem Bescheid gewährte Grunderwerbsteuerbefreiung nicht mehr zu gewähren gewesen. Darüber hinaus sei das "umgestaltete Zweifamilienhaus nach Fertigstellung von den Käufern allein benutzt worden. Es sei somit auch wohnnutzflächenmäßig keine Arbeiterwohnstätte. Die nach einem Jahr erfolgte Anmeldung des Dipl. Ing. K. W. stelle nur eine Zweitanmeldung dar.
Nachdem den rechtzeitigen Anträgen der Beschwerdeführer auf Verlängerung der Berufungsfrist stattgegeben worden war, brachten die Beschwerdeführer in ihren Berufungen gegen die zitierten Bescheide des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom im wesentlichen folgendes gleich lautend vor: Ende 1972 hätten die Eheleute O und M K ihren Hauptwohnsitz in der Wohnung Nr. 2 (82,64 m2) der gegenständlichen Liegenschaft genommen (als Beweis waren Ablichtungen der Meldezettel-Abschnitte vorgelegt worden). Mitte 1974 seien die Beschwerdeführer in die Wohnung Nr. 1 (81,28 m2) eingezogen. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer das Haus allein benützte, sei daher unrichtig. Sohin seien die Voraussetzungen für Arbeiterwohnstätten gegeben, da die Nutzflächen pro Wohnung wesentlich unter dem Höchstausmaß von 120 m2 lägen. Entsprechend dem (von den Beschwerdeführern vorgelegten, umfangreichen, mit zahlreichen Lichtbildern belegten) Gutachten des ständig beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Schätzmeisters, Baumeister Ing. L H, seien beim seinerzeitigen Ankauf der Liegenschaft auf die Baulichkeit S 240.827,-- und auf Grund und Boden S 472.500,-- entfallen, das einem Verhältnis von rund 1/3 : 2/3 gleichkomme. Werde diese Relation dem Kaufpreis von S 720.000,-- unterstellt, so habe der Gebäudeanteil rund S 240.000,-- und der Grundanteil S 480.000,-- betragen. Der Grundbreis habe sohin S 437,-- pro m2 betragen. In Jahre 1971 habe sich der für einen durchschnittlichen Arbeiter noch erschwingliche Grundpreis auf S 600, --pro m2 belaufen, 1972 unter Einbeziehung der Indexerhöhung auf S 676,-- pro m2. Der beim Liegenschaftsankauf entrichtete Grundpreis sei daher noch erheblich unter der zulässigen Höchstgrenze gelegen. Die Anwendung des § 12 GrEStG komme deshalb nicht in Betracht, weil der Wert von der Gegenleistung zu berechnen und der des Grundstückes erst dann heranzuziehen sei, wenn eine Gegenleistung nicht vorliege (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 496/72 und 327/73, von dem eine Ausfertigung der Berufung angeschlossen worden war). Da sowohl der Kaufpreis wie auch die Relation Gebäude zu Grund und Boden - letztere laut beiliegendem Gutachten - feststünden, seien daher diese Werte maßgebend. Die von der Abgabenbehörde vorgenommene Aufspaltung des Grundpreises in zwei Kategorien, und zwar die Bewertung von 2/3 - Anteilen mit S 611.333,-- und 1/3 - Anteil mit S 108.666,-- stehe eindeutig zu § 2 BewG in Widerspruch (Hinweis auf Fellner, Grunderwerbsteuer5, 1968 bis 1970, Seite 249 D, und auf das in Ablichtung vorgelegte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 1483, 1486/613, Slg. Nr. 3971 /F). Die von der Abgabenbehörde angeführte 50 %-Klausel, die übrigens unklar formuliert sei, könne sich offenbar nur auf Wohnhäuser beziehen, in denen überwiegend Geschäftsräume und Garagen seien. Die in der Niederschrift vom - die Beschwerdeführer meinen offensichtlich die oben angeführte Niederschrift ohne Datum - "erteilten Auflagen für die Grunderwerbsteuerbefreiung" seien erfüllt worden. Dies sei durch die Niederschrift vom aktenkundig. Im Hause seien folgende Umgestaltungen, Adaptierungen und Neuinvestitionen durchgeführt worden: Parterre: Die Küche sei als Zimmer gestaltet und die Türöffnung in Richtung Veranda zugemauert worden. Das Kabinett sei in eine Küche und in ein Bad umgebaut worden. Die Trennung der neuen Räume zwischen Küche und Bad sei durch Aufstellung einer massiven Mauer erfolgt. Um den Zutritt in die neue Küche zu ermöglichen, habe die Vorzimmerwand in Richtung WC zurückversetzt werden müssen. Tür- und Fensterstöcke seien neu eingesetzt worden. Erster Stock: In einem Zimmer sei ein Fenster zugemauert worden. Zur Terrasse sei der Zugang vergrößert worden (neuer Türstock und Tür). Aus der Küche sei ein Kabinett geworden. Im bisherigen Kabinett sei eine Küche und ein Bad installiert worden. In der Küche sei ein neuer Fensterstock eingesetzt worden. In jeder der beiden Wohnungen sei eine eigene Zentralheizung (je eine Therme) installiert worden. Die neu geschaffenen Badezimmer hätten komplett eingerichtet werden müssen. Ebenso sei das Gas im ganzen Haus neu eingeleitet worden. In Anbetracht des desolaten Zustandes, der nachgewiesen und aktenkundig sei - es seien nur 34 m2 schlecht bewohnbar gewesen und diese seien total umgestaltet worden - habe die Baulichkeit, wie aus dem beiliegenden Sachverständigengutachten zu entnehmen sei, beim seinerzeitigen Kauf einem Rohbau entsprochen. Da auch die übrigen Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuerbefreiung zuträfen, sei der Erwerb eines mit einem Rohbau bestandenen Grundstückes steuerfrei zu behandeln (Hinweis auf eine Ablichtung vorgelegte Stelle von Fellner, a. a.O., Seite 164 2/D).
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuer in Wien wies mit Berufungsvorentscheidungen vom die Berufungen der Beschwerdeführer als unbegründet ab, und zwar mit folgender gleich lautender Begründung: Wie in den Berufungen selbst ausgeführt werde, sei jede wirtschaftliche Einheit als ganzes zu betrachten. Dies sei jedoch nicht so aufzufassen, dass die Gegenleistungen der Miteigentümer zusammengerechnet würden, sondern jeder Erwerb sei für sich zu betrachten. Es könne jedoch ein Haus nur eine Arbeiterwohnstätte darstellen oder nicht. Das heiße, seien für die Mehrheit des Grundstückes bzw. Hauses die Voraussetzungen für eine Arbeiterwohnstätte nicht gegeben, könne dem kleineren Anteil nicht Befreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrESt zukommen. Da der Grundanteilskaufpreis der Zweitbeschwerdeführerin über die Höhe des Kaufpreises, den sich ein Durchschnittsarbeiter für die Errichtung einer Arbeiterwohnstätte leisten könne, hinausgehe, könne der Erwerb des Grundstückes und Hauses nicht mehr unter die Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG fallen. Der Umstand, dass jede Wohnung unter dem Höchstausmaß von 120 m2 Wohnungsfläche liege, habe somit keinen Einfluss auf die Grunderwerbsteuerbemessung.
Diese Berufungsvorentscheidungen schieden durch die rechtzeitigen Anträge der Beschwerdeführer, ihre Berufungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen, aus dem Rechtsbestand aus.
Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gab diesen Berufungen jeweils mit Bescheid vom folge und änderte die angefochtenen Bescheide wie folgt ab:
beim Erstbeschwerdeführer Grunderwerbsteuer 7 % von S 7.616,-- = S 533,-- und bei der Zweitbeschwerdeführerin Grunderwerbsteuer 7 % von S 15.234,-- = S 1.066,--. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, dass die antragsmäßige Erledigung im Sinne der Berufungsausführungen in der Berufung bzw. im Vorlageantrag erfolgt sei. Bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage sei von einem m2/Preis von S 457,-- ausgegangen worden.
Mit den gesondert ausgefertigten Bescheiden des Bundesministers für Finanzen vom wurden die zitierten Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom jeweils wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO aufgehoben, und zwar im wesentlichen mit folgender gleich lautender Begründung: Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG sei beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne die "Schaffung" einer Arbeiterwohnstätte nicht nur durch die Errichtung eines neuen Bauwerkes, sondern auch durch die bauliche Umgestaltung eines bereits vorhandnen Gebäudes erfolgen, sofern hiedurch neuer bzw. zusätzlicher Wohnraum entstehe. Bei dieser Rechtslage wäre die Abgabenbehörde verpflichtet gewesen, von sich aus Feststellungen zu treffen, inwieweit an dem anteilig erworbenen Wohnobjekt durch die - nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführer in ihren Berufungen vorgenommenen Umbauten, Adaptierungen und Neuinvestitionen, welcher der baubehördlichen Genehmigung bedurft hätten, neuer oder zusätzlicher Wohnraum entstanden sei. Da für die Zuerkennung einer Steuerbefreiung die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend seien, wäre von der Abgabenbehörde weiters in eindeutiger Weise zu klären gewesen, in welchem baulichen Zustand sich die beiden Wohnungen des Kaufobjektes bei Verwirklichung des Erwerbsvorganges befunden hätten. Da diesbezüglich in einem mehr als 1 1/2 Jahre vor dem fraglichen Zeitpunkt abgeschlossenen Mietvertrag getroffenen Feststellungen, die noch dazu nur eine der beiden Wohnungen beträfen, seien auch im Zusammenhang mit dem vorgelegten Gutachten kein Ersatz für die fehlenden Ermittlungen über eine allfällige Entstehung neuen oder zusätzlichen Wohnraums. Die Ermittlung des Sachverhaltes sei insoweit ergänzungsbedürftig geblieben. In der Unterlassung dieser Ermittlungen sei eine Rechtswidrigkeit zu erblicken, da Verfahrensvorschriften außer acht gelassen worden seien, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Der gegenständliche Bescheid habe daher gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO aufgehoben werden müssen.
Gegen diese Bescheide des Bundesministers für Finanzen vom richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten sowie die Verwaltungsstrafakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung am - durch einen gemäß § 13 Z. 1 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:
In der Beschwerde wird wiederholt auf den § 93 Abs. 3 lit. a BAO verwiesen und die Auffassung vertreten, dass diese Bestimmung auch für Berufungsentscheidungen gelte. Diese Rechtsansicht, die von den Beschwerdeführern zur wesentlichen Grundlage weiterer Beschwerdeausführungen gemacht wird, ist jedoch unrichtig. Während nach § 93 Abs. 3 lit. a BAO eine Begründung bei den einem Anbringen vollinhaltlich stattgebenden Bescheiden nicht erforderlich ist, sind stattgebende Berufungsentscheidungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz nach der lex specialis des § 288 Abs. 1 lit. d BAO jedenfalls zu begründen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2522/76,worauf unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965; verwiesen wird). Dies deshalb, damit sowohl dem Berufungswerber wie auch der Abgabenbehörde erster Instanz bekannt wird, warum die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid für unrichtig erkannte, was schließlich auch für Zwecke einer allfälligen Präsidentenbeschwerde (§ 292 BAO) und für die Ausübung des Aufsichtsrechtes durch den Bundesminister für Finanzen sowie für das Kontrollrecht des Rechnungshofes von Bedeutung ist. Der bloße Hinweis auf die Berufungsausführungen reicht im allgemeinen - und auch im vorliegenden Fall - nicht hin, weil es sich bei stattgebenden Berufungsentscheidungen darum handelt, den Standpunkt der Vorinstanz zu widerlegen (vgl. z. B. Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, 1966, Seite 890 Abs. 2). Der Unterschied zwischen § 93 und § 288 BAO besteht darin, dass die Begründungspflicht des § 93 leg. cit. eine ausdrückliche Einschränkung enthält, nach dem § 288 leg. cit. der Bescheid aber mangels einer Einschränkung immer eine Begründung zu enthalten hat.
Gemäß dem § 299 Abs. 1 lit. c BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes aufgehoben werden, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Macht die Oberbehörde von ihrem Behebungsrecht Gebrauch, muss sie ihren Bescheid begründen. Sie muss das Vorliegen der den Behebungstatbeständen des § 299 BAO entsprechenden Voraussetzungen darlegen, aber auch die Gründe für die positive Ermessensausübung anführen. Die belangte Behörde begründete ausreichend, warum sie in den vorliegenden Fällen den Behebungstatbestand des § 299 Abs. 1 lit. c BAO als gegeben annahm. Sie führte nämlich völlig zutreffend aus, dass die "Schaffung" einer Arbeiterwohnstätte auch durch die bauliche Umgestaltung eines bereits vorhandenen Gebäudes erfolgen kann, wenn hiedurch neuer bzw. zusätzlicher Wohnraum entsteht (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 980/76, Slg. Nr. 5116/F, und Zl. 1102/76, sowie vom , Zl. 576/77), sie vermisste jedoch die in dieser Richtung erforderlichen Feststellungen der Finanzlandesdirektion. Auf die dargestellte Rechtslage und Rechtsprechung beruft sich im übrigen auch die Beschwerde. Die Beschwerdeführer scheinen dabei zu übersehen, dass von den drei zuletzt zitierten Erkenntnissen die ersten beiden die bauliche Umgestaltung eines zur Benützung als Arbeiterwohnstätte völlig ungeeigneten landwirtschaftlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäudes betroffen hatten. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesen beiden Fällen Feststellungen darüber vermisst, welche Baumaßnahmen an dem früher für landwirtschaftliche Zwecke benützten Gebäudeteil durchgeführt worden waren, um dessen Benützung für Wohnzwecke zu ermöglichen. Nicht anderes als den gleichen berechtigten Vorwurf machte die belangte Behörde in ihren nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden gegenüber, der Abgabenbehörde zweiter Instanz, wenn sie die Ergänzungsbedürftigkeit der Ermittlung des Sachverhaltes ausssprach. Dem dritten der zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes war der Erwerb eines vor Reichsarbeitsdienst in den Kriegsjahren in Holzbauweise errichteten provisorischen Wohnhauses zugrundegelegen. Damals war das erworbene Wohnhaus im Zeitpunkt des Erwerbes auch ohne die behaupteten bloßen Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten zweckentsprechend benützbar gewesen. Den Beschwerdeführern ist zwar einzuräumen, dass die angefochtenen Bescheide nicht auch ausdrücklich die Gründe für die positive Ermessensübung anführen, weshalb diese Bescheide mangelhaft sind. Die Beschwerdeführer übersehen jedoch, dass dieser Mangel im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führt, wenn die belangte Behörde, wäre sie ihrer Begründungspflicht nachgekommen, zu einem im Spruch der Bescheide anders lautenden Ergebnis hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 und z.B. Reeger-Stoll, Die Bundesabgabenordnung5, 1975, Seite 465 Abs. 2). Die belangte Behörde musste aber bei ihrer Ermessensübung, also bei der Frage, ob sie eine Bescheidaufhebung vornimmt, vom Gesetzessinn des § 20 BAO ausgehen. Bei diesem wird dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei" und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen sein (vgl. z.B. Reeger-Stoll, a.a.O., Seite Seite 26 unten). Auch unter Berücksichtigung aller in den vorliegenden Fällen ersichtlichen Umstände kann die Aushebung schon im Hinblick auf die Höhe der hier in Rede stehenden Abgabenbeträge nicht als unzweckmäßig und mangels irgend eines Anhaltspunktes - auch die Beschwerdeführer brächten dazu nichts vor - ebenso wenig als unbillig angesehen werden, sodass die belangte Behörde selbst bei Vermeidung des Verfahrensmangels nicht zu anderen Bescheiden hätte kommen können. Somit liegt hier auch kein wesentlicher Verfahrensmangel vor, was den anhängigen Beschwerdefall vor allem von den, den von den Beschwerdeführern für ihren Standpunkt zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1835/76, und vom , Zl. 1189/78, zu Grunde liegenden Fällen nach dem § 281 Abs. 1 BAO und nach dem § 237 Abs. 1 BAO unterscheidet.
Die mit den Ausführungen in der Beschwerde über das von den Beschwerdeführern in dem Abgabenverfahren vorgelegte Beweismaterial verbundene Verfahrensrüge verkennt, dass auch ein umfangreiches Parteienvorbringen die Behörde nicht ihrer Verpflichtung zur materiellen Wahrheitsfindung entbindet.
Wenn die Beschwerdeführer behaupten, die Akten der Abgabenbehörde zweiter Instanz seien der belangten Behörde bei der Akteneinsicht durch den Vertreter der Beschwerdeführer am nicht vorgelegen, so wird damit jedenfalls kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt, weil sich aus dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten der Abgabenbehörde zweiter Instanz zeigt, dass die belangte Behörde auch bei Kenntnis des Inhaltes dieser Akten nicht zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, zumal sie in den nunmehr angefochtenen Bescheiden ausdrücklich auf den "mehr als 1 1/2 Jahre vor dem fraglichen Zeitpunkt abgeschlossenen Mietvertrag" eingeht.
Schließlich behaupten die Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe auch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, weil sie ihnen keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Die Beschwerdeführer hätten sowohl nachweisen können, dass keine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorläge, wie auch, dass keine "begründete Annahme" bestehe, dass bei weiteren Beweisaufnahmen der Spruch des Bescheides anders hätte lauten müssen.
Diese Ausführungen sind nicht zutreffend, weil das Recht auf Gehör darin besteht, dass dem Abgabepflichtigen Gelegenheit zur Äußerung zur behördlichen Sachverhaltsannahme sowie zur Kenntnisnahme der Ergebnisse derBeweisaufnahmen und zur Stellungnahme hiezu gegeben werden muss (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1343/69, worauf unter Erinnerung an die zitierte Stelle der hg. Geschäftsordnung verwiesen wird). Im vorliegenden Fall war es Aufgabe der belangten Behörde, in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes als Oberbehörde die Bescheide der Abgabenbehörde zweiter Instanz nach dem Zeitpunkt von deren Erlassung zu überprüfen. Die belangte Behörde nahm weder einen neuen Sachverhalt an noch nahm sie neue Beweise auf.
Die belangte Behörde ging daher nicht rechtswidrig vor, wenn sie ihre Entscheidung auf den Aufhebungstatbestand des § 299 Abs. 1 lit. c BAO stützte. Damit ist es aber dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, auf die mit der Besteuerung der strittigen Erwerbsvorgänge - von den Beschwerdeführern in Richtung des § 299 Abs. 2 BAO angedeuteten - zusammenhängenden Rechtsfragen einzugehen.
Aus den angeführten Überlegungen zeigt sich, dass die angefochtenen Bescheide nicht mit Rechtswidrigkeit belastet sind. Solcherart waren die vorliegenden Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 315/1976 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 342.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §45 Abs2 impl; BAO §115 Abs2; BAO §20; BAO §288 Abs1 litd; BAO §288; BAO §299 Abs1 litc; BAO §299 Abs2; BAO §93 Abs3 lita; BAO §93; B-VG Art130 Abs2 impl; VwGG §13 Z1; |
Sammlungsnummer | VwSlg 5567 F/1981 |
Schlagworte | Ermessen besondere Rechtsgebiete Beweiswürdigung Ermessen |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1981:1979000747.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-53219