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VwGH 05.04.1978, 0664/77

VwGH 05.04.1978, 0664/77

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
EStG 1972 §6 Z2
RS 1
Eine "Reisebürovollkonzession" ist nicht ein zwangsläufig untrennbarer Bestandteil des Firmenwertes; es ist vielmehr möglich, sie als selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut zu bewerten. Daher ist eine Teilwertabschreibung vom Konzessionswert nicht ausgeschlossen, wenn infolge Änderung der gewerberechtlichen Vorschriften (weniger strenge Anforderungen an die Konzessionserteilung nach der GewO 1973) der für die Zurücklegung solcher Konzessionen zugunsten eines Dritten üblicherweise bezahlte Preis geringer ist, als der seinerzeit für den Erwerb der Konzession aufgewendete Betrag.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

0892/77

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Simon, Dr. Iro und Dr. Drexler als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesgerichtsrat Dr. Gerhard, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland - Berufungssenat für Körperschaften, vom , Zl. 9-382/2/76, betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 1973 der mitbeteiligten Partei, R GesmbH in W, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei wurde am unter der Firma „R Gesellschaft mbH“ gegründet (die Generalversammlung beschloß am die Änderung der Firma auf den nunmehrigen Wortlaut). Vom Stammkapital im Betrag von S 450.000,-- übernahmen S 449.000,-- die G AG und S 1.000,-- LO. Mit Kaufvertrag vom erwarb die mitbeteiligte Partei das Unternehmen „O.“ (bis dahin Einzelunternehmen des LO) mit allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör samt allen Aktiven und Passiven zur Fortführung des Reise- und Theaterkartenbüros um den Betrag von S 1,100.000,--. LO verpflichtete sich, die Konzession mit der Bedingung zurückzulegen, daß die Rücklegung nur dann rechtswirksam sei, wenn die mitbeteiligte Partei die von ihr angestrebten Konzessionen erteilt erhalte. Sollten ihr diese Konzessionen verweigert werden, so sollte dieser Vertrag nicht rechtswirksam werden und wäre als nicht geschlossen anzusehen. Die betreffenden Konzessionen wurden der mitbeteiligten Partei am 23. und erteilt.

Nachdem die mitbeteiligte Partei den Konzessionswert bereits in der Handelsbilanz zum abgeschrieben, jedoch in gleicher Höhe eine gesellschaftsrechtliche Einlage als außerordentlichen Ertrag ausgewiesen hatte, schrieb sie in der Steuerbilanz zum den bis dahin ausgewiesenen Konzessionswert von S 734.081,-- zur Gänze ab.

In der Berufung gegen den Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheid 1973, mit welchem die Abschreibung des Konzessionswertes nicht anerkannt worden war, brachte die mitbeteiligte Partei im wesentlichen vor, daß die Reisebürovollkonzession das wesentlichste Aktivum des erworbenen Unternehmens gebildet habe. Da auf Grund der seinerzeit geltenden gewerberechtlichen Vorschriften für die Konzessionserteilung neben den allgemeinen Antrittsvoraussetzungen auch eine strenge Bedarfsprüfung verlangt worden sei, habe das dazu geführt, daß praktisch seit 20 Jahren keine neuen Reisebüro-Vollkonzessionen mehr erteilt worden seien. Reisebüro-Teilkonzessionen seien eher erteilt worden. Dies hätte dazu geführt, daß eine Reisebüro-Vollkonzession einen beträchtlichen Wert besessen habe. Am sei dann die Gewerbeordnung 1973 beschlossen und im BGBl. Nr. 50/1974 kundgemacht worden. Die neue Gewerbeordnung sei mit in Kraft getreten und sehe als wesentliche Änderung gegenüber der alten Rechtslage den weitgehenden Fortfall der Bedarfsprüfung vor. Eine neue Reisebüro-Vollkonzession werde daher seit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ohne weiteres gewährt. Seit Inkrafttreten der neuen Gewerbeordnung seien allein in Wien 25 neue Reisebüro-Vollkonzessionen vergeben worden. Die Tatsache, daß nach der neuen Gewerbeordnung die Bedarfsprüfung für die Reisebüro-Konzession entfallen werde, sei schon im Laufe des Jahres 1973 allgemein bekannt gewesen. Durch die nach der neuen Gewerbeordnung leichte Erhältlichkeit einer Reisebüro-Konzession seien die bisherigen Konzessionen praktisch wertlos geworden. Die Entwertung der Konzession sei bereits im Jahre 1973 eingetreten, weil bereits in diesem Jahr die neue Gewerbeordnung beschlossen worden sei und mithin kein Käufer des ganzen Unternehmens für die Konzession im Rahmen des gesamten Kaufpreises irgendeinen Wert angesetzt hätte. Der Berufung war ein Schreiben der Fachgruppe der Reisebüros der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien angeschlossen, in dem die gewerberechtlichen Änderungen dargelegt sind und ausgeführt wird, daß deswegen im Geschäftsleben die „Weitergabe einer Reisebürokonzession wertlos“ geworden sei.

In dem Schriftsatz, mit dem die mitbeteiligte Partei eine abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes außer Wirksamkeit setzte, führte sie aus, daß ein Firmenwert des erworbenen Einzelunternehmens nicht bestanden habe. O sei bereits in hohem Alter gewesen, habe das Unternehmen ohne Angestellte geführt und daher nur beschiedene Umsätze und Gewinne erzielt. Das Einzelunternehmen habe keinen über die Sachwerte und den Wert der Konzession hinausgehenden Betriebsbestehenswert gehabt, weil weder eine entsprechende Organisation noch ein entsprechender Kundenkreis „und damit darauf beruhende Gewinnerwartungen vorhanden“ gewesen seien. Der über dem Sachwert des Unternehmens hinausgehende Wert habe daher nur den Wert der Konzession betroffen. Sollte aber dennoch ein Firmenwert angenommen werden, so werde dessen volle Abschreibung beantragt, weil er ausschließlich in der Konzession bestanden habe. In eventu beantragte die mitbeteiligte Partei eine 20%ige jährliche „Normalabschreibung“ eines allenfalls angenommenen Firmenwertes.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung in vollem Umfang Folge gegeben. Die belangte Behörde führte unter Bezugnahme auf die hg. Rechtsprechung aus, daß ausschließlich die erworbene Konzession den Firmenwert ausmache. Die mitbeteiligte Partei übersehe jedoch, daß der einmal entgeltlich erworbene Firmenwert als einheitliches Wirtschaftsgut nicht dadurch an Wert verliere, weil derzeit für eine Reisebürokonzession keine Anschaffungskosten mehr anfallen würden. Ausschlaggebend für eine Teilwertabschreibung des Firmenwertes könnte im vorliegenden Fall nur der Umstand sein, daß zum ein Erwerber des Unternehmens für den Firmenwert dieses Unternehmens weniger bezahlen würde, als die mitbeteiligte Partei für den erworbenen Firmenwert bezahlt habe. Diesen Nachweis habe die Gesellschaft nicht angeboten. Sie wäre auch nicht in der Lage, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen. Allein die Umsatzsteigerung von rund S 284.000,-- im Jahre 1970 auf einen Umsatz von rund S 19,400.000,-- im Jahre 1973 lasse auf eine bedeutende Erweiterung des Kundenstockes und auf eine ausgezeichnete Organisation des Betriebes schließen. Der selbstgeschaffene Firmenwert müsse daher zum weit über dem 1969 erworbenen Firmenwert liegen. Bei einem Anlagevermögen von nur S 70.125,-- müßte ein Erwerber des gesamten Unternehmens der mitbeteiligten Partei mit Sicherheit einen wesentlich höheren Firmenwert ansetzen, als die mitbeteiligte Partei auszuweisen gehabt habe, da auf die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur ein geringer Betrag der Anschaffungskosten übertragen werden könnte. Es könnte daher auch für eine Teilwertabschreibung des Firmenwertes kein Raum sein. Der Senat sei jedoch zu dem Schluß gekommen, daß es sich im vorliegenden Fall wirtschaftlich um den Erwerb einer Reisebürovollkonzession gehandelt habe, die mit dem Wegfall der Bedarfsprüfung wertlos geworden sei und daher im Jahre 1973, weil bereits in diesem Jahr die neue Gewerbeordnung beschlossen worden sei, voll abzuschreiben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Die Beschwerde ist im wesentlichen folgendermaßen begründet:

Die mitbeteiligte Partei übersehe, daß mit dem Unternehmen auch noch andere immaterielle Güter, wie Standort, ein bescheidener Kundenstock und eine Entfaltungsmöglichkeit in einem Geschäftszweig, in dem sie durch die strenge gewerberechtliche Bedarfsprüfung von neu hinzukommenden Konkurrenzunternehmen geschützt gewesen sei, gekauft worden seien. Den als Konzessionskauf dargestellten Vorgang müßte man genau genommen in einen zugunsten einer bestimmten Person ausgesprochenen Konzessionsverzicht und die Verleihung der zurückgelegten Konzession zerlegen. Wegen des steigenden Geschäftsganges des Unternehmens der mitbeteiligten Partei müsse der von ihr im Jahre 1969 bezahlte und im Jahre 1973 abgeschriebene Mehrwert den Geschäfts- oder Betriebsbestehenswert des Unternehmens darstellen, eine Ansicht, die der Verwaltungsgerichtshof in ähnlichen Fällen besonders dann vertreten habe, wenn dem angekauften Unternehmen nur eine Konzession zur Verfügung gestanden sei, ohne die das Unternehmen gar nicht existieren könnte (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom , Zl. 1875/59, und vom , Zl. 227/68). Hinsichtlich der Teilwertabschreibung von nicht der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgütern müsse auf die von der Lehre und Rechtsprechung vertretene Vermutung hingewiesen werden, daß sich der Teilwert solcher Wirtschaftsgüter mit den tatsächlichen Anschaffungskosten decke. Diese Vermutung sei aber durch den Nachweis widerlegbar, daß sich entweder die Zahlung als eine Fehlmaßnahme erwiesen habe, oder der Wert des betreffenden Wirtschaftsgutes unter dem seinerzeit gezahlten und aktivierten Betrag gesunken sei bzw. das Wirtschaftsgut überhaupt nicht mehr vorhanden sei. Dabei sei aber beim Teilwert des derivativ erworbenen aktivierten Geschäftswert besonders zu beachten, daß der Geschäftswert als einheitliches Wirtschaftsgut zu verstehen sei, das im ganzen zu bewerten sei und das nicht in seine Komponenten, insbesondere nicht in einen erworbenen, sich allmählich verflüchtigenden Wert einerseits und einen vom Unternehmen neu geschaffenen, nicht aktivierungsfähigen Wert andererseits zerlegt werden könne (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom , Zl. 1678/67). Eine Teilwertabschreibung des aktivierten Geschäftswertes sei also nur zulässig, wenn er in seiner Gesamtheit einschließlich seiner zwischenzeitig originär angewachsenen Bestandteile gesunken sei. Anhaltspunkte in einer solchen Richtung lägen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde darauf, daß die gegenständliche Konzession kein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut sei; sie stelle nur einen Teil des Firmenwertes dar. Davon ausgehend bekämpft der Beschwerdeführer die Zulässigkeit der Teilwertabschreibung des Firmenwertes. Der Beschwerdeführer stützt sich bei dieser rechtlichen Beurteilung auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1875/69, Slg. Nr. 2381/F (betreffend eine Kinokonzession), und vom , Zl. 227/68, Slg. Nr. 3881/F (betreffend eine Rauchfangkehrerkonzession). Der Verwaltungsgerichtshof äußerte im erstzitierten Erkenntnis die Ansicht, daß bei jenen Konzessionen oder sonstigen Gewerbeberechtigungen, welche die einzige gewerberechtliche Grundlage eines Unternehmens bilden, sodaß mit ihrem Wegfall der Betrieb eingestellt werden müßte, es wirtschaftlich nicht sinnvoll sei, den Wert der Konzession aus dem Firmenwert herauszulösen. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, daß dieser Ausspruch keine allgemeine, auf alle Fälle und stets zutreffende Regel enthält. Der Gerichtshof strich in eben diesem Erkenntnis ausdrücklich auch hervor, daß die Grenze zwischen den im Geschäfts- oder Firmenwert enthaltenen Gütern und den selbständigen immateriellen Wirtschaftsgütern nicht immer leicht zu ziehen ist. Auch weist Schimetschek im Finanzjournal 1972, S. 184, darauf hin, daß der Verwaltungsgerichtshof bei einzelnen immateriellen Wirtschaftsgütern deren selbständige Bewertbarkeit durchaus bejahte.

Betrachtet man den Beschwerdefall, so ergibt sich, daß hier eine Trennung der Konzession vom Firmenwert (welche Werte jedenfalls im Hinblick auf die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften - siehe § 133 Z. 2 und Z. 5 Aktiengesetz 1965 - eine unterschiedliche Behandlung erfordern) auch wirtschaftlich und steuerrechtlich gerechtfertigt erscheint. Denn daß der Firmenwert bei der stark steigenden Umsatz- und Ertragsentwicklung des Unternehmens der mitbeteiligten Partei nicht gesunken ist, trifft, wie das sowohl die belangte Behörde wie auch der Beschwerdeführer darlegen, sicherlich zu. Anderseits ist nicht von der Hand zu weisen, daß die durch das neue Gewerberecht geschaffene weitgehende Liberalisierung bei der Erteilung der Gewerbeberechtigung eine Minderung des alten Konzessionswertes zur Folge hatte.

Wenn sich somit auch erweist, daß der Verwaltungsgerichtshof den meritorischen Beschwerdeausführungen nicht zu folgen vermag, ist der angefochtene Bescheid dennoch, und zwar wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, aus folgenden Überlegungen rechtswidrig:

Zum ersten stellte die belangte Behörde nicht fest, ob nicht neben dem Konzessionswert in dem abgeschriebenen Betrag auch ein Teil als Firmenwert (wie ihn der Beschwerdeführer umschreibt) enthalten war. Wenn das bei Zutreffen der diesbezüglichen Ausführungen der mitbeteiligten Partei auch wenig wahrscheinlich ist, so durfte die belangte Behörde diesbezügliche Feststellungen nicht von vornherein unterlassen.

Zum zweiten hätte die belangte Behörde zu prüfen gehabt, ob die wirtschaftliche Folge der Änderungen auf dem Gebiete des Gewerberechts tatsächlich so weit geht, daß mit der Einführung der Gewerbeordnung 1973 bisher erteilte Reisebüro-Konzessionen jeglichen Wert verloren haben.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
EStG 1972 §6 Z2
Sammlungsnummer
VwSlg 5242 F/1978
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1977000664.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-53102