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VwGH 27.04.1973, 0598/72

VwGH 27.04.1973, 0598/72

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Unter dem Begriff "Verpackung von Waren" im Sinne des § 2 Abs 1 lit a des Heimarbeitergesetzes 1960 ist auch das Beschriften von Kuverts, die für die Verpackung von Losen oder Werbematerial einer Geschäftsstelle der österreichischen Klassenlotterie bestimmt sind, mit Adressen zu subsumieren.
Normen
RS 2
Ausführungen zum Begriff "Heimarbeiter" (hier: Kuvertieren und das Beschriften von Briefumschlägen).
Norm
RS 3
Ausführungen zum Begriff des "Werbeprospektes" als Ware im Sinne des § 2 Abs 1a Heimarbeitergesetz 1960.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Härtel, Dr. Raschauer, Dr. Zach und Mag. DDr. Heller als Richter, im Beisein der Schriftführer Kommissär Dr. Leberl und Finanzoberkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde der AN in W, vertreten durch Dr. Günther Weingartner, Rechtsanwalt in Wien IX, Porzellangasse 50, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , Zl. 120.815/1-11/72 (mitbeteiligte Parteien: Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in Wien I, Wipplingerstraße 28, Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Webergasse 2 - 6, Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien V, Blechturmgasse 11, Landesarbeitsamt Wien in Wien I, Weihburggasse 30, und weitere 47 Mitbeteiligte, alle in W), betreffend Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1958, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte sprach mit Bescheid vom aus, dass die in der Anlage des Bescheides angeführten Personen während der jeweils bezeichneten Zeiträume auf Grund ihrer Beschäftigung als Heimarbeiter beim Dienstgeber Fa. JN, Geschäftsstelle der österreichischen Klassenlotterie in Wien - deren Alleininhaberin AN, die nunmehrige Beschwerdeführerin ist -, gemäß § 4 Abs. 1 Z. 6 ASVG bzw. ab gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG bzw. ab gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG in der Fassung der 20. Novelle, BGBl. Nr. 201/1967, und § 1 Abs. 1 lit. c AlVG 1958 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlägen; die Beschwerdeführerin sei daher als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gemäß § 58 Abs. 2 und Abs. 3 in Verbindung mit §§ 44 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 68 Abs. 1 ASVG sowie § 62 Abs. 2 AlVG 1958 verpflichtet, Beiträge in der Gesamthöhe von S 66.730,65 an die genannte Krankenkasse zu entrichten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin einen Einspruch, dem der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom Folge gab; er änderte den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und stellte gemäß §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG fest, dass die in der Anlage des Bescheides angeführten Personen während der darin angeführten Zeiträume in ihrer Tätigkeit bei der oben genannten Firma der Versicherungspflicht in der Voll- und Arbeitslosenversicherung auf Grund des § 4 Abs. 1 Z. 6 bzw. Z. 7 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. c AlVG 1958 nicht unterlegen seien und die bezeichnete Firma demgemäß nicht verpflichtet sei, die mit dem Bescheid der Krankenkasse vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge in der Gesamthöhe von S 66.730,65 an die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zu entrichten.

Die genannte Einspruchsbehörde führte zur Begründung ihres Bescheides unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 lit. a des Heimarbeitsgesetzes 1960, BGBl. Nr. 105/1961, im wesentlichen aus, dass es sich bei der Adressierung der - für die Aufnahme von Losen bestimmten - Leerkuverts, wie sie die in der Anlage des Bescheides genannten Personen anhand von Adressenlisten für die Beschwerdeführerin vorgenommen hätten, nicht um die Herstellung von Gegenständen des wirtschaftlichen Verkehrs, d. h. von Waren gehandelt habe, dass aber auch Beschäftigungsverhältnisse zwischen den auf die angeführte Art tätigen Personen und der Beschwerdeführerin nicht entstanden seien; die Adressenschreiber hätten vielmehr einen im marktwirtschaftlichen Sinn gesehenen wertlosen Gegenstand beschriftet, somit nur eine Ergänzung vorgenommen, nicht jedoch diesen Gegenstand (das Kuvert) der Substanz nach verändert - dieser Schritt wäre einer Bearbeitung bzw. Verarbeitung gleichzusetzen gewesen -, abgesehen davon, dass ein praktisch wertloser Gegenstand niemals Ware im handelsüblichen Sinn sein könne. Die heimatsarbeitsrechtlichen Vorschriften könnten somit infolge Fehlens der objektiven und subjektiven Merkmale nicht zum Zug kommen.

Gegen diesen Bescheid brachte die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte die Berufung ein, der die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge gab. Sie stellte in Abänderung des vom Landeshauptmann von Wien erlassenen Bescheides fest, dass die in der Anlage des Bescheides namentlich angeführten Personen auf Grund ihrer Beschäftigung als Heimarbeiter der Fa. JN, Geschäftsstelle der österreichischen Klassenlotterie, während der jeweils in der Anlage bezeichneten Beitragszeiträume gemäß § 4 Abs. 1 Z. 6 ASVG bzw. ab gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. c AlVG 1958 der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen seien; die genannte Firma sei als Dienstgeber gemäß §§ 35 Abs. 1, 58 Abs. 2, 44 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 68 Abs. 1 ASVG sowie gemäß § 62 Abs. 2 AlVG 1958 verpflichtet, Beiträge in der Gesamthöhe von S 66.730,65 an die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zu entrichten.

Die belangte Behörde gab in der Begründung ihres Bescheides vorerst den Gang des Verfahrens wieder. Sodann führte sie unter Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG aus, es sei im vorliegenden Falle zu prüfen gewesen, ob es sich bei den in der Anlage des Bescheides namentlich angeführten Personen um Heimarbeiter nach dem Heimarbeitsgesetz 1960 gehandelt habe, und legte anschließend nach Wiedergabe der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. a des Heimarbeitsgesetzes 1960 dar, es könne im Hinblick darauf, dass nach § 1 des Heimarbeitsgesetzes 1960 dieses Bundesgesetz für Heimarbeit jeder Art, ausgenommen die Heimarbeit im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Produktion, gelte, als Kriterium für die Abgrenzung des Begriffes "Heimarbeiter" der im Heimarbeitsgesetz nicht näher definierte Begriff der Ware herangezogen werden. Für die Annahme, dass der Begriff "Ware" weit auszulegen sei, sprächen sowohl die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, betreffend das Heimarbeitsgesetz (21 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VII. GP.) einschließlich der dort angeführten Beispiele, als auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 6957/A (ArbSlg. Nr. 8256). Aus dieser Entscheidung könne entnommen werden, dass unter dem Begriff "Ware" jedenfalls körperliche Sachen wie Adressenlisten, Kataloge, Verzeichnisse und ähnliche Druckerzeugnisse fielen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein könnten. Diese Entscheidung habe nur einen Einzelfall behandelt und keine grundsätzliche Definition des Begriffes Ware nach dem Heimarbeitsgesetz gegeben. Nach Auffassung der zur Überprüfung angerufenen Behörde sei es Zielsetzung einer jeden Heimarbeitsgesetzgebung, jene Personen, die außerhalb eines Betriebes in einem arbeitnehmerähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis tätig seien, zusammenzufassen und ihnen einen sozialrechtlichen Schutz angedeihen zu lassen, der ihrem besonderen Beschäftigungsverhältnis entspreche. Zu den Hauptanliegen eines solchen Schutzes gehöre zweifelsohne, zumindest nach dem derzeitigen Heimarbeitsgesetz der Entgeltschutz. Daraus ergebe sich einerseits, dass die Generalklausel mit der die mannigfachen Beschäftigungsverhältnisse erfasst werden sollten, möglichst weit gefasst werden müsse, anderseits auch, dass die Grenze dieses Geltungsbereiches dort gegeben sei, wo auf Grund der besonderen Art der geleisteten Tätigkeit eine allgemeine Entgeltfestsetzung unmöglich sei, wie dies z. B. auf die schöpferische und geistige Tätigkeit eines Schriftstellers oder auf die Übersetzung fremdsprachiger Theaterstücke zutreffe. Die Umfangsabgrenzung nach dem derzeitigen Heimarbeitsgesetz müsse sich daher an der Begriffsbestimmung "Herstellung, Be- und Verarbeitung und Verpackung von Waren" orientieren. Als Waren werde man hiebei im allgemeinen körperliche Sachen auffassen können, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein könnten, aber im Einzelfall nicht sein müssten. Letztere Einschränkung müsse aus dem allgemeinen Schutzgedanken des Gesetzes heraus und im Sinn einer Gleichbehandlung der mit der gleichen Art befassten Personen vertreten werden. Es könne nämlich die Anwendung der Schutzbestimmungen des Heimarbeitsgesetzes auf eine bestimmte Person nicht davon abhängen, ob die körperliche Sache, die sie für eine andere Person herstelle, von dieser entgeltlich veräußert werde, unentgeltlich in den Umlauf gebracht werde oder sogar nur für betriebsinterne Zwecke verwendet werde. Im vorliegenden Fall hätten die von der Firma Beschäftigten auf Grund von Adressenlisten Kuverts beschriftet. lm Sinne der vorstehenden Ausführungen sei daher für die Beurteilung der Rechtsfrage maßgebend, ob die Beschriftung dieser Kuverts eine Herstellung, Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren darstelle. Diese Frage sei nach Auffassung der Berufungsbehörde aus folgenden Erwägungen zu bejahen:

Kuverts stellten körperliche Sachen dar, die dem Handelsverkehr dienen könnten und seien demnach Waren. Eine solche Qualifikation komme auch dem in dieses mit einer Anschrift versehenen Kuvert verpackten Klassenlos zu, sodass die in Rede stehenden Personen als Heimarbeiter gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Heimarbeitsgesetzes 1960 anzusehen seien. Als weiterer Umstand müsse berücksichtigt werden, dass das Heimarbeitsgesetz beim Heimarbeiter zur Erfüllung das Tatbestandes lediglich die Voraussetzung verlange, dass, er kein Gewerbetreibender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung sei und seine Tätigkeit in eigener Wohnung oder selbstgewählter Betriebsstätte ausübe. Weitere einschränkende Voraussetzungen, wie etwa beim Zwischenmeister (z. B. wesentliche Mitarbeit beim Stück), würden im Gesetz nicht aufgestellt. Daher könne sich weder das Heimarbeitsgesetz nur auf typisch manuelle Arbeiten erstrecken noch eine persönliche Arbeitspflicht Voraussetzung für das Vorliegen eines Heimarbeitsverhältnisses sein. Unbegründet sei die Version, dass die Ware nicht nur durch die Beschriftung, sondern vor allem durch das Verpacken in Kuverts marktgängig werde und nur die letztgenannte Tätigkeit als Heimarbeit angesprochen werden könne. Diese Rechtsauffassung stehe aber im Widerspruch zu jenem Ergebnis, zu dem der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis komme.

Was die von der Einspruchsbehörde vertretene Ansicht anlange, dass auch den Heimarbeiter eine persönliche Arbeitspflicht treffe, so habe der Umstand, dass diese Pflicht als eines der prinzipiellen Merkmale für das Vorliegen des Dienstverhältnisses angesehen werde, dazu geführt, dass der Oberste Gerichtshof in einigen Entscheidungen (vom , ArbSlg. Nr. 5957, und vom , ArbSlg. Nr. 6689) die Frage, ob Heimarbeiter in einem Dienstverhältnis stehen könnten, verneint habe. Der Oberste Gerichtshof selbst räume in einer späteren Entscheidung vom (ArbSlg. Nr. 7935) ein, dass der Inhalt eines Verpflichtungsverhältnisses nach § 2 Abs. 1 lit. a des Heimarbeitsgesetzes zwischen einem bloßen Werkvertrag und dem Dienstverhältnis eines gewerblichen Hilfsarbeiters variieren könne. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass die zum Schutz des Heimarbeiters bzw. zur Überprüfbarkeit der Schutzbestimmungen des Heimarbeitsgesetzes aufgestellten Vorschriften (§§ 7, 10 und 14) zwar von dem Normalfall, dass der dem Auftraggeber gegenübertretende Heimarbeiter die Arbeiten in der Regel selbst verrichte, ausgingen, aber nicht ausschlössen, dass sich der Heimarbeiter dabei helfen lasse (z. B. von Familienangehörigen). Man könne nach Ansicht der Berufungsbehörde aus der Konzeption des § 14 des Heimarbeitsgesetzes 1960 entnehmen, dass der Gesetzgeber dabei auch den Fall im Auge gehabt habe, dass der Heimarbeiter nicht allein die Arbeit durchführe; sonst wäre es nicht verständlich, dass der Gesetzgeber die auszugebende Arbeitsmenge an das Abrechnungsbuch und nicht an die Person des Heimarbeiters binde. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sei daher unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Laufe des Verfahrens seitens der Firma Einwendungen gegen die Beitragsberechnung nicht erhoben worden seien, der vorliegenden Berufung Folge zu geben und der Bescheid der Einspruchsbehörde spruchgemäß abzuändern gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung Heimarbeiter und die diesen nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften über die Heimarbeit arbeitsrechtlich gleichgestellten Personen versichert (vollversichert). Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz nimmt keine eigene Bestimmung des Begriffes "Heimarbeiter" vor. Das Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl. Nr. 105/1961, enthält im § 1 zunächst die Regelung, dass es für Heimarbeiten jeder Art, ausgenommen die Heimarbeit im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Produktion, gelte. Im § 2 Abs. 1 lit. a desselben Gesetzes wird der Begriff des Heimarbeiters umschrieben:

"Heimarbeiter im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer, ohne Gewerbetreibender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu sein, in eigener Wohnung oder selbstgewählter Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben, mit der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren beschäftigt ist."

In der Beschwerde wird die Anwendbarkeit dieses Begriffes auf jene Personen, die für die Beschwerdeführerin Adressen auf Briefumschläge schrieben, aus verschiedenen Gründen bestritten; u. a. wird vorgebracht, dass der im Begriff des Heimarbeiters mitenthaltene Begriff "Ware" weder auf die Briefumschläge noch auf die Adressen zutreffen. Sowohl den Umschlägen als den Adressen fehle im gegebenen Zusammenhang der für den Begriff der Ware wesentliche Marktwert.

Unter Ware ist Handelsgut (Handwerksgut) zu verstehen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 836/72). Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch nicht der Meinung, dass der angefochtene Bescheid deshalb rechtswidrig wäre, weil Briefumschläge und Adressen dem Begriff der Ware im gegebenen Zusammenhang nicht unterstellt werden könnten. Zur Heimarbeit zählt, wie aus der wiedergegebenen gesetzlichen Begriffsbestimmung hervorgeht, auch die "Verpackung von Waren". Das Einordnen von zum Versand bestimmten Gütern in Briefumschläge könnte ohne Verstoß gegen den Sinn und Wortlaut den Worten "Verpackung von Waren" unterstellt werden. Die Lose selbst wären als Waren anzusehen. Selbst wenn aber nicht die Lose, sondern etwa Werbeprospekte in die Umschläge gesteckt wurden - dafür finden sich in Zeugenaussagen Anhaltspunkte (vgl. die Aussage des EP vom ) -, könnte darin rechtlich kein entscheidender Unterschied liegen. Zunächst kann hiezu gesagt werden, dass ein Werbeprospekt sowohl vom Standpunkt seines Erzeugers als auch von dem des Bestellers als Ware bezeichnet werden könnte. Der Werbeprospekt dient in der Folge allerdings dem Absatz anderer Güter. Geht man aber von der Überzeugung aus, dass der Gesetzgeber die gleiche Behandlung gleicher Arbeiten beabsichtigte, dann kann es nach dem Sinn des Gesetzes keinen wesentlichen Unterschied machen, ob die verpackten Gegenstände jeweils entgeltlich veräußert oder unentgeltlich, etwa zu Werbe- oder Bestellzwecken, abgegeben werden. Dass aber das hier wesentliche Beschriften von Umschlägen dem Kuvertieren wegen des engen inneren Zusammenhanges der Tätigkeiten sehr nahe steht und dass die Tätigkeiten gleich zu behandeln sind, leuchtet ein, sofern man nicht den Begriff der Heimarbeit auf Schreibarbeiten für schlechthin unanwendbar erklären will. Nun wurde aber in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, betreffend das Heimarbeitsgesetz (21 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalraten, VII. GP.), das Adressenschreiben als Heimarbeit ausdrücklich erwähnt. Während die Erwähnung der Übersetzung in denselben Erläuternden Bemerkungen für den Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 836/72, nicht ausschlaggebend sein konnte, weil der Gerichtshof dort, wie in diesem Erkenntnis dargelegt wurde, insgesamt einen Gegensatz zwischen dem Wortlaut des Gesetzes und den Materialien als gegeben ansah, verhält es sich hinsichtlich des Adressenschreibens anders. Hier ist ein solcher Gegensatz bei Erwägung aller Umstände nicht feststellbar. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann es im gegenständlichen Falle dahingestellt bleiben, ob Personen, die Arbeiten im Sinne des § 1 des Angestelltengesetzes verrichten, den Bestimmungen des Heimarbeitszeitgesetzes unterstellt werden können. Kanzleiarbeiten im Sinne des Angestelltengesetzes stellen nämlich nach der vom Verwaltungsgerichtshof als zutreffend beurteilten Rechtsprechung nur solche Schreibarbeiten dar, die über das bloße Abschreiben hinausgehen (siehe die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom , 4 Ob 166/54, ArbSlg. Nr. 6146, und vom , 4 Ob 34/67, Arbslg. Nr. 8442). Wenn aber das Kuvertieren und das Beschriften der Briefumschläge, welches ja ein bloßes Abschreiben darstellt, nicht verschieden behandelt werden können, sofern man sich das Erfordernis der Vermeidung unsachlicher Unterscheidungen bei der Auslegung vor Augen hält, so erweisen sich die aus dem Wort "Ware" und dem zugehörigen Begriffsinhalt abgeleiteten Bedenken gegen den angefochtenen Bescheid als nicht begründet.

In der Beschwerde wird aber auch das Wort "beschäftigt" in der oben angeführten gesetzlichen Begriffsbestimmung herangezogen, und im Anschluss an die §§ 20 ff des Heimarbeitsgesetzes ausgeführt, zur Heimarbeit gehöre ein "Beschäftigungsverhältnis". Das Heimarbeitsgesetz selbst verwendet in den §§ 9, 20 und 23 diesen Ausdruck; ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG kann hier freilich nicht vorausgesetzt sein, weil sonst die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG überflüssig wäre. Der Begriff der "persönlichen Abhängigkeit" trifft nämlich auf den Heimarbeiter, der in eigener Wohnung oder in selbstgewählter Arbeitsstätte und außerhalb des Aufsichtsbereiches des Arbeitgebers arbeitet, nicht im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu. Es fehlt hier jene besondere Form der Unterordnung unter fremden Willen, die sich aus der Unterstellung unter die Aufsicht ergibt. Im angefochtenen Bescheid ist, wie auch in der Beschwerde ausgeführt wird, dargelegt worden, dass es Zielsetzung der Heimarbeitsgesetzgebung sei, jene Personen, die außerhalb eines Betriebes in einem arbeitnehmerähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis tätig sind, zusammenzufassen, und ihnen einen sozialrechtlichen Schutz angedeihen zu lassen, der ihrem besonderen Beschäftigungsverhältnis entspricht. Zu den Hauptanliegen eines solchen Schutzes gehöre, zumindest nach dem derzeitigen Heimarbeitsgesetz, der Entgeltschutz.

Die arbeitnehmerähnliche Lage des Heimarbeiters ergibt sich aus einer Abhängigkeit, die als Folge von Bindungen eintritt, die allerdings durch rechtlich verschieden zu qualifizierende Vereinbarungen, u. a. auch durch eine Kette von Werkverträgen, herbeigeführt werden kann. Der Umstand, dass die Bezeichnung Werkvertrag gewählt worden war, kann also noch nicht zu einer Entscheidung zu Gunsten der Beschwerde führen; doch ist für das Vorliegen eines Heimarbeitsverhältnisses ein besonderes Beschäftigungsverhältnis Voraussetzung. Dieses Erfordernis findet in der begrifflichen Umschreibung der Heimarbeit im Heimarbeitsgesetz in dem Wort "beschäftigt" Ausdruck, das dem Wort "Beschäftigungsverhältnis" in den §§ 9, 20 und 23 des Heimarbeitsgesetzes entspricht. Die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte ist also nicht im Recht, wenn sie in ihrer Gegenschrift vermeint, für das Erfordernis eines "Beschäftigungsverhältnisses" biete das Gesetz keinen Anhaltspunkt.

Im Bescheid des Landeshauptmannes war über die Mindestmerkmale eines solchen Beschäftigungsverhältnisses das Folgende ausgeführt worden: Der Auftraggeber müsse den Beschäftigten grundsätzlich auf bestimmte oder unbestimmte Zeit verpflichtet haben, eine Leistung zu erbringen, die regelmäßig und wiederkehrend sei und auf Seiten des Auftraggebers müsse die Verpflichtung zu regelmäßiger Geldzahlung an den Beschäftigten bestehen. Der Auftraggeber müsse weiters regelmäßige Arbeitsaufträge an den Beschäftigten erteilen und es müsse schließlich die persönliche Durchführung der Arbeiten durch den Beauftragten vereinbart worden sein. Auf das zuletzt angeführte Merkmal wird noch näher einzugehen sein. Auch der Gerichtshof ist aber wie die Einspruchsbehörde der Auffassung, dass es zum Wesen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des Heimarbeitsgesetzes jedenfalls gehört, dass auf Seiten des Beschäftigten eine Verpflichtung besteht. Es ist dem Gerichtshof bekannt, dass die Wissenschaft (vgl. etwa Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechtes, 7. Auflage, Berlin - Frankfurt am Main, 1. Band, S. 57) auch von Heimarbeitern spricht, die keine Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber übernehmen, sondern lediglich die von ihnen hergestellten Produkte an den Arbeitgeber absetzen. Der Gerichtshof glaubt jedoch, dass solche Personen nach der hier anzuwendenden Norm wegen der Worte "im Auftrag und auf Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben", dem gesetzlichen Begriff nicht unterstellt werden können; ferner muss dem Verhältnis ein Element der Dauer (der zeitlichen Bindung) und der Regelmäßigkeit in dem Sinn innewohnen, dass die ausnahmsweise Übernahme eines einzelnen Auftrages das besondere Beschäftigungsverhältnis nicht begründen kann.

Wie aus der Sachverhaltsdarstellung hervorgeht, war im Einspruchsbescheid das Fehlen persönlicher Arbeitspflicht angenommen worden, u. a. daraus wurde das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses abgeleitet. Die belangte Behörde nahm in diesem Punkt den entgegengesetzten Standpunkt ein. Sie bezog sich hiebei im wesentlichen auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , Arb. Slg. Nr. 5957, und vom , Arb. Slg. Nr. 6689. In der erstgenannten Entscheidung war zum Ausdruck gekommen, dass beim Heimarbeitsverhältnis das Element persönlicher Arbeitspflicht fehle, weil der Heimarbeiter jedenfalls berechtigt sei, Familienangehörige heranzuziehen. Daran hielt der Oberste Gerichtshof auch in der zweitangeführten Entscheidung fest. Weissenberg leitete dagegen in der von ihm kommentierten Ausgabe des Heimarbeitsgesetzes in der Schriftenreihe des Österreichischen Gewerkschaftsbundes aus den Bestimmungen der §§ 7, 10 und 14 des Heimarbeitsgesetzes ab, dass die Heranziehung von Familienangehörigen ausgeschlossen sei, es sei denn, dass diese vom Auftraggeber in der Heimarbeiterliste als eigene Heimarbeiter geführt würden und eigene Abrechnungsbücher besäßen. Auch die im Heimarbeitsgesetz festgelegten typisch höchstpersönlichen Ansprüche sind nach der Ansicht Weissenbergs im Zusammenhang mit den auf die bestimmte Person abgestimmten Schutzvorschriften des Gesetzes nur so zu erklären, dass eben das Heimarbeitsverhältnis auch das Merkmal höchstpersönlicher Leistungspflicht enthalte. Auch der Unterschied der Begriffsbestimmung des Heimarbeiters und des Zwischenmeisters ist in diesem Zusammenhang bedeutsam. Die Begriffsbestimmung des Zwischenmeisters lässt die Mithilfe von Familienangehörigen oder fremden Hilfskräften ausdrücklich zu, während die Familienangehörigen in der jetzt gültigen Definition des Heimarbeiters nicht aufscheinen. Alle diese Umstände sprechen dafür, dass das Heimarbeitsverhältnis in der Regel die persönliche Leistungspflicht einschließt.

Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch der Meinung, dass eine Abrede über das Fehlen persönlicher Leistungspflicht oder das Unterbleiben einer Abrede über den Bestand persönlicher Leistungspflicht die Geltung der Vorschriften des Heimarbeitsgesetzes nicht ausschließen kann, bestünde doch sonst die Möglichkeit, durch eine solche Abrede oder durch das Unterlassen der entsprechenden Vereinbarung die Schutzabsichten des Gesetzgebers zu vereiteln. Insofern stimmt also der Verwaltungsgerichtshof der vom Landeshauptmann vorgenommenen Begriffsbestimmung des besonderen Beschäftigungsverhältnisses nicht zu. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Feststellungen über die tatsächliche Aufteilung der Arbeiten an einen weiteren Personenkreis entbehrlich gewesen wären; eine solche Aufteilung kann im Zusammenhang mit anderen Merkmalen gegen das Vorliegen des besonderen Beschäftigungsverhältnisses sprechen. Selbst wenn man aber nach den gesamten Umständen und im Hinblick auf das Bestehen einer wenn auch nicht persönlichen Leistungspflicht sowie der Elemente der Dauer und der Regelmäßigkeit im obigen Sinn ein Beschäftigungsverhältnis doch zu bejahen sein sollte, so wären Feststellungen über die Verteilung der Arbeit nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes schon deswegen nicht entbehrlich gewesen, weil sie allenfalls, worauf auch in der Beschwerde verwiesen wird, im Zusammenhang mit den Bestimmungen des § 5 Abs. 2 ASVG erforderlich sein müssten. Schon damit ist eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes aufgezeigt.

Nun wurde aber in der Beschwerde auch vorgebracht, die Arbeitszeiträume seien von den Übernehmern der Arbeit bestimmt worden, die Ablieferungstermine seien nämlich ganz von deren Belieben abhängig gewesen. Mit der Hingabe der Adressenlisten und der Briefumschläge sei eine Leistungspflicht noch gar nicht zu Stande gekommen. Es sei den Übernehmern der Umschläge und Adressenlisten freigestanden, die Arbeiten durchzuführen oder dies nicht zu tun. Die Nichtausführung der Arbeiten hätte keinerlei Folgen nach sich gezogen.

Mit diesem Vorbringen wird das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses besonderer Art im Sinne des Heimarbeitsgesetzes bestritten. Die erwähnten Ausführungen sind deshalb von wesentlicher Bedeutung. Die belangte Behörde hat sich mit den Problemen, die sich aus dem Begriff der Ware ergeben, sowie mir jenen Fragen, die die Bedeutung persönlicher Leistungspflicht betreffen, eingehend befasst. Sie hat aber das im Verwaltungsverfahren bereits in den Grundzügen enthaltene Vorbringen, wie es eben aus der Beschwerde wiedergegeben wurde, mehr oder minder übergangen. Auch in dieser Hinsicht ist das Beschwerdevorbringen begründet, dass der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben sei. In der Gegenschrift des Landesarbeitsamtes Wien wird es unternommen, das Vorbringen der Beschwerde mit Zitaten aus Zeugenaussagen zu widerlegen. Diese Erwägungen können jedoch nicht geeignet sein, die Unwesentlichkeit des aufgezeigten Mangels dazutun.

Da der Verwaltungsgerichtshof der Meinung ist, dass ein Beschäftigungsverhältnis besonderer Art für das Heimarbeitsverhältnis wesentlich sei und dass im Falle des Zutreffens des eben erörterten Vorbringens ein solches Verhältnis nicht gegeben gewesen wäre, und da ferner in der Frage der Beteiligung anderer als der erfassten Personen an den Arbeitsvorgängen der Sachverhalt gleichfalls in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig ist, musste der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 aufgehoben werden.

Der Ausspruch über die Kosten stützt sich, soweit der Beschwerdeführerin ein Anspruch auf Aufwandersatz in der Höhe von S 2.000, -- zuerkannt wurde, auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und § 48 Abs. 1 lit. b sowie auf § 49 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Abschnitt A Z. 1 und Art. IV Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 427.

Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin auf Ersatz vor Barauslagen in der Höhe von S 2.568, 20 war jedoch abzuweisen, weil nach § 49 Abs. 1 VwGG 1965 als Ersatz für den Schriftsatzaufwand gemäß § 48 Abs. 1 des Gesetzes Pauschbeträge in der in der zitierten Verordnung festgesetzten Höhe zu bezahlen sind, neben denen daher der Ersatz anderer Beträge nicht gewährt werden kann und weil insbesondere auch im vorliegenden Falle der Ersatz von Stempelgebühren im Hinblick auf die Gebührenbefreiungsbestimmung des § 110 Abs. 1 Z. 2 lit. a ASVG nicht in Betracht kommt. Hiebei sei hervorgehoben, dass die der Beschwerde angeschlossene Vollmacht zwar nicht auf die Vertretung im gegenständlichen Verfahren beschränkt ist, die Vorlage einer Vollmacht mit einer derartigen Beschränkung jedoch genügt hätte.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 8406 A/1973
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1973:1972000598.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-53001