VwGH 03.03.1969, 0587/68
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | "Nachbar" ist im allgemeinen der Eigentümer der in Betracht kommenden Grundstücke, allenfalls der Inhaber eines Baurechtes. Maßgebend ist in der Regel der Grundbuchstand, doch ist auch außerbücherlicher Eigentumserwerb zu beachten. Die faktische Übergabe kann demnach, wenn die Ersitzungszeit des § 1470 ABGB nicht abgelaufen ist, den Inhaber nicht zum "Nachbar" des Bauverfahrens machen. |
Normen | BauRallg; VwGG §34 Abs1; |
RS 2 | Der Nachbar kann nur die Verletzung seiner subjektiven öffentlichen Rechte, nicht aber eine Verletzung der Rechte anderer Nachbarn mit Erfolg geltend machen (Hinweis E , 1771/62). |
Normen | |
RS 3 | Die Vorstellungsbehörde ist nicht verpflichtet, durch eigene Ermittlungen die Voraussetzungen für die endgültige Lösung der Frage, ob eine Verletzung des Vorstellungserwerbes in materiellen Rechten eingetreten sei, zu schaffen (Hinweis E , 0255/67). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Leibrecht und Dr. Hrdlicka als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Magistratskonzipist Dr. Macho, über die Beschwerde des IR in S, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 10, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-106/1/1968 (mitbeteiligte Parteien: HF in S und Gemeinde S), betreffend Baubewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 60,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im März 1967 suchte die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens HF um die Bewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit Fremdenpension in S, Grundparzelle 771, an. Zur Verhandlung am wurden der Beschwerdeführer und sein Bruder MR in S 288 geladen. Bei der Verhandlung war wohl der Beschwerdeführer, nicht aber MR erschienen. In der Niederschrift ist festgehalten, daß der Beschwerdeführer und eine andere Anrainerin "bei Einhaltung der gesetzlichen Mindestabstände" keinen Einwand erheben. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom wurde die Baubewilligung erteilt. Unter den Vorschreibungen sind die folgenden für das Verfahren bedeutsam:
"....3.) Die nach dem gültigen Verbauungsplan S gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände 6 m von der Nachbargrenze und 10 m vom nächsten Gebäude sind unbedingt einzuhalten.
4.) Die Höhenlage des Erdgeschoßfußbodens wird festgelegt mit 0,15 m über Gehsteigkanten."
Im Mai 1967 führte HF in einer Eingabe aus, bei der Bauverhandlung sei die Traufenhöhe bei einem Bauabstand von 4 m von der Grundgrenze mit 7 m festgelegt worden, während bei einem Bauabstand von 6 m eine solche von 9 m genehmigt werde. Nach dem Bewilligungsbescheid sei dann der Sechsmeterabstand vorgeschrieben worden. Es werde daher gebeten, diesen Punkt der Vorschreibungen zu begründen bzw. "bei der beabsichtigten Traufenhöhe von 7 m einen 4 m Grundabstand vorzuschreiben". Da auf der Westseite der Grundgrenze eine Traufenhöhe von 9 m vorgesehen gewesen sei, jedoch der Sechsmeterabstand derzeit noch nicht gegeben sei, da der Erwerb eines 2 m breiten Grundstreifens noch nicht durchgeführt sei, werde in der Anlage eine "entsprechende Tektur mit 7 m Traufenhöhe" überreicht und deren Genehmigung erbeten.
Nun wurde eine Verhandlung für den anberaumt; auch diesmal wurden der Beschwerdeführer und MR geladen. Die Verhandlungsschrift enthält diesmal jedoch nur einen Befund, in dem festgehalten wird, daß der Mindestabstand zum nächstgelegenen Grundstück mehr als 4 m 30 betrage und bei Einhaltung der vorgeschriebenen Traufenhöhe von 7 m, die nicht überschritten werden dürfe, gesetzlich zulässig sei. Stellungnahmen und Unterschriften finden sich nicht.
Mit Bescheid des Bürgermeisters vom wurden die Abänderungspläne genehmigt. Insbesondere wurde festgehalten, der Dachstock werde an der Westseite soweit herabgesetzt, daß die Traufenhöhe, gemessen vom tiefsten Geländeanschnitt, höchstens 7 m betrage. Als Vorschreibung wurde der Punkt 3 folgendermaßen gefaßt:
"Die nach dem gültigen Verbauungsplan S gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände 4 m von der Nachbargrenze und 8 m vom nächsten Haus sind unbedingt einzuhalten. Die Traufenhöhe darf 7 m, gemessen vom tiefsten Geländeanschnitt; nicht überschreiten."
Der Mitbeteiligte ersuchte im Juli 1967 überdies um Genehmigung zur Beschüttung von 80 bis 90 cm auf der Grundparzelle
771.
Der Beschwerdeführer erhob gegen die Abänderung der Baubewilligung Berufung. Er rügte, daß den Vorschriften des § 48 der Tiroler Landesbauordnung nicht entsprochen worden sei, insbesondere seien nicht alle Vorgänge bei der Bauverhandlung in die Niederschrift aufgenommen worden. Die Amtsabordnung, der Bauwerber und weitere Anrainer hätten sich vor Beendigung der Verhandlung entfernt. Der Bescheid sei aber, so wurde weiter ausgeführt, auch inhaltlich rechtswidrig. Die gesetzlichen Mindestabstände seien vom äußersten Gebäudevorsprung zu berechnen:
Gehe man davon aus, so seien sie nicht eingehalten. Aber auch wenn man vom aufgehenden Mauerwerk aus messe, hätten die vorgeschriebenen Abstände bei planmäßiger Ausführung nicht eingehalten werden können. Ferner sei auch die vorgeschriebene Traufenhöhe nicht eingehalten. Dies habe sich bei der Bauausführung ergeben. Der Bauwerber habe nun versucht, durch Aufschüttung des Terrains die geforderte Traufenhöhe zu erreichen. Dies widerspreche dem Bescheid und den Bestimmungen der Bauordnung, da die Höhe für die Traufe und auch die Gebäudehöhe jeweils von dem Grundniveau aus zu messen seien, das bei der Bauverhandlung gegeben gewesen sei. Eine spätere Änderung des Niveaus könne nicht zur Sanierung "unrichtiger Höhenanordnungen" führen. Der Bürgermeister habe die Bewilligung nicht erteilen dürfen, weil es offenkundig gewesen sei, daß die Ausführung der Pläne unrichtige Höhenlagen ergeben würde.
Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde S vom wurde die beantragte Genehmigung der Abänderungspläne versagt. In den Gründen dieses Bescheides wurde ausgeführt, es habe sich ergeben, daß die vorgeschriebene Gebäudehöhe von 7 m nur durch Aufschüttung des Terrains eingehalten werden könne. Bei einer Traufenhöhe von über 7 m sei aber nach dem gültigen Verbauungsplan ein Mindestabstand von 10 m vom nächsten Gebäude und von 6 m von der Nachbargrenze erforderlich. Der Bauwerber habe nun versucht, durch Aufschüttung des Terrains die zulässige Gebäudehöhe herzustellen, damit die Abstände von 4 bis 8 m als ausreichend angesehen würden. Ein neuerlich stattgefundener Lokalaugenschein habe ergeben, daß die Traufenhöhe, vom aufgeschütteten Terrain aus gemessen, 6,85 m bzw. 7,10 m betrage. Der Abstand von der Nachbargrenze sei an der engsten Stelle 4,15 m. Der Gemeinderat sei der Ansicht, daß eine spätere Änderung des Niveaus nicht zur Sanierung unrichtiger Gebäude bzw. Traufenhöhen und zur Erreichung eines kleineren Abstandes von Nachbargrenze oder Nachbargebäude führen dürfe. Die Aufschüttung sei erst nachträglich vorgenommen worden und sei der Bauverhandlung vom Juni 1967 nicht zugrunde gelegen. Die Abänderungspläne hätten daher nicht genehmigt werden dürfen, da bei der Traufenhöhe von über 7 m die nach dem gültigen Verbauungsplan vorgeschriebenen Mindestabstände von 6 m von der Nachbargrenze und 10 m vom nächsten Gebäude nicht eingehalten werden könnten. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zugestellt.
Nun erhob der Mitbeteiligte, gestützt auf ein Gutachten und unter Vorlage von Plänen, Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates. Er erklärte sich in dem Recht verletzt, ein Wohnhaus mit mehr als einem Vollgeschoß errichten zu dürfen, während der Verbauungsplan zumindest eine Verbauung mit Erdgeschoß plus einem Geschoß und einem Dachgeschoßausbau vorsehe. Er machte geltend, daß der Rohbau straßenseitig nur eine Höhe von 6,75 m aufweise; da aber das Gelände neben der Straße am Ende der Gebäudelänge von 18 m um 1,70 m tiefer liege als das Straßenniveau, sei es, dort zu einer größeren Traufenhöhe als 7 m gekommen. Bei diesem Niveauunterschied hätte sich, falls auch am Ende der Hauslänge 7 m einzuhalten gewesen wären, die Unmöglichkeit ergeben, zwei Vollgeschosse zu erbauen. Wenn ihm in der Baubewilligung die Höhe des Erdgeschoßfußbodens mit 1,85 m über dem tiefsten Geländepunkt (0,15 m über Gehsteig) vorgeschrieben worden sei, so habe hiebei doch dem Sachverständigen klar sein müssen, daß als künftige Höhe des anschließenden Geländes das Straßenniveau bzw. ein 30 cm tiefer gelegenes Niveau (laut Vorschreibung der Straßenverwaltung) zu betrachten sein würde. Gehe man aber von einem solchen Niveau aus, so habe er überall eine Traufenhöhe von weniger als 7 m eingehalten. Der Abstand zu allen umliegenden Gebäuden betrage mehr als 10 m. Abgesehen von dem Abstand zur Parzelle 767/3 sei auch überall ein Abstand von mehr als 6 m bis zur Nachbargrenze eingehalten. Der Berufungswerber und nunmehrige Beschwerdeführer sei nicht beschwert, weil zu seiner Parzelle 767/2 ein Abstand von 7 m eingehalten sei. Es sei daher zu überprüfen, ob der Beschwerdeführer überhaupt berechtigt gewesen sei einzuschreiten und ob er eine Vollmacht von den Eigentümern der Grundparzelle 767/3 hatte, von der der Abstand unter 6 m jedoch über 4 m betrage. Der Mitbeteiligte brachte auch vor, daß nach dem Verbauungsplan auch Zwischenwerte hinsichtlich der Gebäudehöhen und der Abstände zulässig seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung Folge gegeben und der Bescheid des Gemeinderates "wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes" behoben.
In den Gründen wurde das Verwaltungsgeschehen geschildert und dann das Vorstellungsvorbringen in zwei Punkte zusammengefaßt. Der erste Punkt wurde so umschrieben: Der mit Vorstellung angefochtene Bescheid sei in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers ergangen, von dessen Grundparzelle 767/2 die vorgeschriebenen Grenz- und Gebäudeabstände eingehalten seien. Der Beschwerdeführer habe kein Recht, für den Besitzer der Grundparzelle 767/3 einzuschreiten. Im zweiten Punkt wurde die Frage der Traufenhöhe behandelt.
Zu Punkt 1. führte die belangte Behörde aus, der Vorstellungswerber übersehe, daß der Berufungswerber auch aus verfahrensrechtlichen Gründen berufen habe. Diese Gründe hätten die belangte Behörde allein schon verpflichtet, auf die Berufung einzugehen und darüber abzusprechen. Auf die verfahrensrechtlichen Einwände sei die Berufungsbehörde aber gar nicht eingegangen. Sie habe sich vielmehr von materiellen Erwägungen leiten lassen. Hier hätte sie aber nur prüfen müssen, ob die Behandlung des Vorbringens des Berufungswerbers in der mündlichen Verhandlung durch die Unterbehörde dem Gesetz entsprochen habe. Die belangte Behörde berief sich an dieser Stelle auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 3954/A. Die Berufungsbehörde könne eine präkludierte oder sonst unzulässige Einwendung in einer Berufung nicht zum Anlaß nehmen, die von der Unterbehörde bereits erteilte Bewilligung oder Berechtigung zu versagen, weil die Einwendung sachlich begründet sei. Ebensowenig könne die Berufungsbehörde ein bereits von der Unterbehörde bewilligtes Ansuchen aus einem anderen von niemandem geltend gemachten, von ihr aber als zutreffend erkannten Grunde abweisen. Die Berufungsbehörde habe daher neben der Prüfung der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften nur zu prüfen gehabt, ob bei der vorgeschriebenen Traufenhöhe von 7 m die gesetzlichen Gebäude- und Grenzabstände eingehalten worden seien. Hiebei werde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Budw. 3828/A, zu berücksichtigen sein, wonach auf Söller und andere Vorbauten die Vorschrift über Mindestentfernungen keine Anwendung finde; ebenso auch das Erkenntnis vom ,Slg. Budw. 6100, wonach ein Anrainer nicht legitimiert sei, gegen ein Bauvorhaben Einspruch zu erheben, wenn durch dasselbe das Eigentum eines anderen Anrainers in Mitleidenschaft gezogen worden sei.
Zu Punkt 2. wurde ausgeführt, die Frage der Nichteinhaltung der bescheidmäßig vorgeschriebenen Traufenhöhe und die Behauptung des Mitbeteiligten, hiedurch könne eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers nicht eingetreten sein, seien nicht Gegenstand des Bewilligungsverfahrens gewesen und daher unerheblich. Hiebei handle es sich um das Vorliegen einer Bauordnungswidrigkeit, die, wenn sie gegeben wäre, nur durch ein entsprechendes Ansuchen bereinigt werden könne. Bei einem solchen Ansuchen wäre zu beachten, daß der Fixpunkt für die Berechnung der Traufenhöhe, soweit er in den örtlichen Bauvorschriften nicht bereits eindeutig vorgeschrieben sei, in einer Bauverhandlung unter "Zugrundelegung, der Einwendung der Nachbarn" eigens festgestellt werden müsse.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. In ihr wird ausgeführt, daß der Eigentümer der Grundparzelle 767/3 durch Verletzung des gesetzlichen Grenzabstandes in seinen Rechten verletzt werde. Eigentümer dieser Parzellen seien nach dem Grundbuchstand der Bruder des Beschwerdeführers MR und seine Ehegattin J, und zwar je zur Hälfte. Das Grundstück sei aber von den genannten schon im Jahre 1952 dem Beschwerdeführer außerbücherlich übergeben worden. Seit dieser Zeit trage der Beschwerdeführer alle Lasten, nutze dieses Grundstück ausschließlich und habe alle Vorteile, die mit dem Besitze der Parzelle zusammenhängen. Dies sei offenbar auch den Gemeindebehörden bekannt gewesen, da sie die Bescheide dem Beschwerdeführer zugestellt hätten. Die Tiroler Landesbauordnung enthalte keine Definition des Anrainers. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, daß in einem Falle der vorliegenden Art er und nicht sein Bruder und seine Schwägerin als "unmittelbarer Nachbar" (§ 48 Tiroler Landesbauordnung) des Bauwerbers anzusehen sei. Die Vorstellungsbehörde habe daher die Einwendungen in der Berufung nicht als "präkludiert" oder "sonst unzulässig" bezeichnen dürfen und habe daher zur Bestätigung des Bescheides des Gemeinderates gelangen müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. vor allem das Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 3847/A) bestimmt sich die Anrainerstellung im Baurecht im allgemeinen nach dem Eigentum und daher in der Regel nach dem Grundbuchstand. Ein Sonderfall außerbücherlichen Eigentumserwerbes, wie etwa der des Zuschlages bei der Versteigerung, wurde nicht behauptet. Ersitzung nach § 1470 ABGB kann nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers schon mangels des hiefür erforderlichen Zeitablaufes von 30 Jahren nicht in Betracht kommen. Dem Eigentümer in der Anrainerstellung gleichgestellt ist nach dem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 3847/A, nur der Inhaber eines Baurechtes. Diese Stellung kommt dem Beschwerdeführer nicht zu. Er macht nur die faktische Übergabe des Grundstückes geltend. Daraus kann aber Rechtens nicht abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer und nicht sein Bruder und seine Schwägerin als Anrainer hinsichtlich des Grundstückes 767/2 zu behandeln wäre. Wenn der Beschwerdeführer sich also dadurch in seinen Rechten verletzt erachtet, daß die belangte Behörde ihn nicht, der faktischen Verhältnisse wegen, als Anrainer bezüglich des bezeichneten Grundstückes gelten ließ, so befindet er sich hier in einem Irrtum.
Der Beschwerdeführer rügt aber auch als Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die Frage nicht geklärt wurde, ob der Beschwerdeführer nicht im Sinne des § 10 Abs. 2 AVG für M und JR gehandelt habe. Er behauptet, der Inhalt der Berufung lasse keinen Zweifel offen, daß er "zumindest als Bevollmächtigter der Eigentümer" die Berufung eingebracht habe. Zweifel hätten amtswegig etwa durch Vorladung des Beschwerdeführers und der Eigentümer beseitigt werden müssen. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß der Berufung irgendein Hinweis darauf zu entnehmen gewesen sei, daß der Beschwerdeführer nicht im eigenen Namen, sondern namens anderer Personen die Rechtsverfolgung unternommen habe. Auch in früheren Abschnitten des Verfahrens findet sich kein Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer fremde Rechte habe wahren wollen. Aber auch wenn in dieser Hinsicht eine Unklarheit obwaltet hätte, die von Amts wegen zu klären gewesen wäre, könnten durch eine Unterlassung in dieser Hinsicht nur der Bruder des Beschwerdeführers und seine Gattin nicht aber der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt sein, der die Beschwerde im eigenen Namen erhoben hat. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers könnte nur dann vorliegen, wenn er als faktischer Nutznießer des Grundstückes und Träger der damit verbundenen Lasten in dieser Eigenschaft hätte Parteistellung in Anspruch nehmen können, was aber bereits verneint wurde.
Mit den bisherigen Ausführungen ist das Schicksal der Beschwerde bereits im Sinne der Abweisung entschieden. Der Beschwerdeführer macht die Verletzung des Abstandes zu einem, rechtlich betrachtet, ihm fremden Grundstück geltend; dies ist, materiell gesehen, der einzige Beschwerdepunkt und in dieser Hinsicht kann eine Rechtsverfolgung nach ständiger Rechtsprechung nicht erfolgreich sein (vgl. Erkenntnis vom , Slg. Budw. Nr. 6100, und Erkenntnis vom , Zl. 1771/62). Dennoch sei auf das letzte Vorbringen eingegangen, das in der Beschwerde enthalten ist, weil sich dadurch Gelegenheit bietet, eine grundlegende Frage auch gegenüber der belangten Behörde zu beantworten. Der Beschwerdeführer bringt nämlich vor, daß bei Behauptung der Verletzung von verfahrensrechtlichen Vorschriften der Berufungsbehörde keineswegs, wie die belangte Behörde angenommen habe, die Befugnis zur meritorischen Entscheidung fehle. Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens hätte vielmehr der Gemeinderat von S grundsätzlich in der Frage selbst entscheiden müssen.
An sich trifft es durchaus zu, daß die Berufungsbehörde, von Fällen des § 66 Abs. 2 AVG abgesehen, in der Sache zu entscheiden hat. Die belangte Behörde hat dies, wie der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid versteht, an sich auch nicht in Abrede gestellt. Sie hat aber ausgeführt, die Behörde habe nur zu prüfen gehabt, ob die Behandlung des Vorbringens des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung durch die Unterbehörde dem Gesetz entsprochen habe. In der Folge wurde, wie schon angeführt, auch gesagt, daß die Berufungsbehörde eine präkludierte oder sonst unzulässige Einwendung in der Berufung nicht zum Anlaß nehmen hätte dürfen, die von der Unterbehörde bereits erteilte Bewilligung oder Berechtigung zu versagen, weil die Einwendung sachlich begründet sei. Ebensowenig könne sie in einem solchen Fall ein bereits von der Unterbehörde bewilligtes Ansuchen aus einem anderen, von niemandem geltend gemachten, von ihr aber als zutreffend erkannten Grunde abweisen. Bei diesen Darlegungen übersieht die belangte Behörde, daß nach der neueren Rechtsprechung das Gesetz anders verstanden wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem auf dem Beschluß eines verstärkten Senates beruhenden Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 4725/A, ausgesprochen:
"Die durch ein vom Anrainer ergriffenes Rechtsmittel angerufene Berufungsbehörde kann eine Baubewilligung auch dann versagen, wenn die Abweisung hinsichtlich der vom Anrainer unter Beachtung der Vorschriften des § 42 AVG rechtzeitig erhobenen Einwendungen, mit denen die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechtes zulässigerweise geltend gemacht worden ist, durch die Unterinstanz zwar dem Gesetz entsprach, der Erteilung der Baubewilligung aber andere gesetzliche Hindernisse entgegenstehen." An dieser Anschauung gemessen, sind die von der belangten Behörde zur Begründung ihres Standpunktes angeführten Erwägungen teilweise rechtswidrig. Von einer Verschweigung des Beschwerdeführers nach § 42 AVG. 1950 konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht die Rede sein, weil, wie der Beschwerdeführer richtig vorgebracht hatte, bei der Bauverhandlung Verfahrensvorschriften verletzt wurden, sodaß eine Beurteilung des Geschehens bei der Verhandlung gar nicht möglich war. Anderseits war die aufhebende Entscheidung der Vorstellungsbehörde aber berechtigt, weil die Berufungsbehörde ganz offenbar auf unzureichenden Grundlagen zu ihrer Entscheidung gelangte. Sie berief sich zwar auf einen Lokalaugenschein, doch war in keiner Weise ersichtlich, daß der Sachverhalt, der in erster Instanz nicht entsprechend geklärt war, in zweiter Instanz unter Beiziehung der Parteien geklärt worden wäre. Der Vorstellungsbehörde stand es bei dieser Sachlage jedenfalls frei, da eine Verletzung von Rechten des Vorstellungswerbers jedenfalls nicht auszuschließen war, den Bescheid des Gemeinderates aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof kann in einem solchen Fall in dem sogar nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 eine Berufungsbehörde kassatorisch entscheiden könnte, nicht annehmen, daß die Vorstellungsbehörde nach § 112 der Tiroler Gemeindeordnung verpflichtet wäre, in ihrem Verfahren die Voraussetzungen für die endgültige Lösung der Frage, ob eine Verletzung des Vorstellungswerbers in materiellen Rechten eingetreten sei, zu schaffen.
Aus den angeführten Gründen mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 und Art. I B Z. 4 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4/1965. Wien, am
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Normen | ABGB §1470; AVG §37; AVG §39 Abs2; BauRallg; B-VG Art119a Abs5; GdO Tir 1966 §112; LBauO Tir; VwGG §34 Abs1; |
Schlagworte | Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1969:1968000587.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-52977