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VwGH 08.03.1963, 0495/61

VwGH 08.03.1963, 0495/61

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
In der Landwirtschaft und Forstwirtschaft muß der Produktionsfaktor Grund und Boden in irgendeinem, wenn auch noch so bescheidenen Maße beteiligt sein. Ist dies nicht mehr der Fall, wie bei der laboratoriumsmäßigen Entwicklung von Pflanzen in Glasbehältern, dann liegt nicht mehr Landwirtschaft und Forstwirtschaft, sondern bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen Gewerbebetrieb vor.
Normen
EStG 1953 §15 Abs1 Z1;
GewStG §1 Abs1;
RS 2
Die Entwicklung von Champignons in Glasbehältern ist nicht mehr Landwirtschaft, sondern Gewerbebetrieb.
Norm
RS 3
Die Veräußerung von Erzeugnissen der Champignonreinkultur, die laboratoriumsmäßig in Glasbehältern hergestellt werden, ist nicht mehr die Veräußerung von Erzeugnissen des Gartenbaues. Sie unterliegt der Umsatzsteuer nach dem Regelsteuersatz.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein der Schriftführer, Ministerialkommissärs Dr. Svoboda, und Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek, über die Beschwerde des Dipl. Ing. R P in W gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VI-3447/1960, betreffend Umsatzsteuer und Gewerbesteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt ein mykologisches Laboratorium, in dem er Champignon-Reinkulturen herstellt. Im Jahre 1958 erklärte der Beschwerdeführer die Einkünfte aus dem Laboratorium als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und unterzog seine Umsätze dem Normalsteuersatz von 3 v. H. (mit Zuschlägen 5,25 v. H.). Das Finanzamt veranlagte den Beschwerdeführer hinsichtlich des Gewerbebetriebes nach Erklärung. Gegen diesen Steuerbescheid vom richtete sich die Berufung vom , in welcher ausgeführt wurde, daß das Laboratorium des Beschwerdeführers in seiner Funktion einer Saatzuchtstation gleichzuhalten sei. Der Champignon sei ein Edelpilz und eine beliebte Delikatesse. Die Bedeutung der Champignonzucht erhöhe sich dadurch, daß dieser Pilz in geeigneten Räumen, in der Regel in Kellern, das ganze Jahr hindurch erzeugt werden könne. Eine rentable Champignonkultur sei aber nur bei Vorhandensein eines gut entwickelten und einwandfreien Pilzmyzels möglich, welches im Laboratorium des Beschwerdeführers erzeugt werde. Es handle sich hier um die Gewinnung von Pflanzen und Pflanzenteilen mit Hilfe der Naturkräfte und die Einkünfte seien daher als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 Abs. 1 Z 1 des Einkommensteuergesetzes 1953 (EStG) anzusehen, sie unterlägen nicht der Gewerbesteuer, und auf die Entgelte sei der Steuersatz gemäß § 7 Abs. 2 Z. 1 lit. a des Umsatzsteuergesetzes 1934 (UStG) von 1 v. H. (mit Zuschlägen 1,7 v. H.) anzuwenden.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit Bescheid vom als unbegründet ab und verwies auf einen Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen, demzufolge die Einordnung unter die Einkunftsart des § 13 Abs. 1 Z 1 EStG voraussetze, daß es bei der Gewinnung von Pflanzen und Pflanzenteilen nicht in erheblichem Umfang auf die Schaffung geeigneter künstlicher Bedingungen ankomme, sondern die Erzeugung in der Hauptsache auf der Mitwirkung der Naturkräfte beruhe. Die laboratoriumsmäßige Bearbeitung von Pflanzen und Pflanzenteilen sei demnach nicht als landwirtschaftlicher, sondern als gewerblicher Betrieb anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde, in der im wesentlichen die Ausführungen der Berufung wiederholt werden. Der Beschwerdeführer steht auf dem Standpunkt, die Ansicht, daß es bei der Gewinnung von Pflanzen und Pflanzenteilen in der Hauptsache auf die Mitwirkung der Naturkräfte ankommen müsse, stehe mit den gesetzlichen Bestimmungen in Widerspruch. Es genüge, wenn Naturkräfte bei ihrer Erzeugung überhaupt mitwirken. Weiters wird auf ein Gutachten der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs hingewiesen, welches in Form einer Zuschrift an das Bundesministerium für Finanzen zum Falle des Beschwerdeführers erstattet wurde und ebenfalls zu dem Schluß kommt, daß es sich bei Einkünften aus dem Betrieb eines mykologischen Laboratoriums, das Champignonsporenbrut herstellt, um Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft handle und sohin von der Vorschreibung der Gewerbesteuer abzusehen und hinsichtlich der Umsatzsteuer der begünstigte Steuersatz von 1,7 v. H. anzuwenden sei. Die Herstellung des Pilzmyzels sei eine typische Urproduktion von Pflanzen und entspräche dem Betrieb einer Baumschule oder eines Forstgartens.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 1 EStG sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft:

"1. Einkünfte aus dem Betrieb von Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Weinbau, Gartenbau, Obstbau, Gemüsebau, Baumschulen und aus allen Betrieben, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen;

2. Einkünfte aus Tierzucht, Viehmästereien, Abmelkställen, Geflügelfarmen und ähnlichen Betrieben, wenn zur Tierzucht oder Tierhaltung überwiegend Erzeugnisse verwendet werden, die im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb gewonnen sind;

3. Einkünfte aus Binnenfischerei, Fischzucht und Teichwirtschaft;

4. Einkünfte aus Jagd, wenn diese mit dem Betrieb einer Landwirtschaft oder einer Forstwirtschaft in Zusammenhang steht."

Diese Gesetzesstelle wurde bei Schaffung des österreichischen Einkommensteuergesetzes mit unverändertem Wortlaut aus dem deutschen Einkommensteuergesetz übernommen, das bei der Novellierung im Jahre 1934 (DRGBI. I S. 1005) diese Fassung erhalten hatte. Bis dahin waren die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im § 26 EStG 1925 (RGBl. I S. 189), folgendermaßen definiert worden.

"Zu den Einkünften aus dem Betrieb von Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gartenbau und sonstiger nichtgewerblicher Bodenbewirtschaftung (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft) gehören auch Einkünfte:

1.

aus Tierzucht;

2.

aus Gemüse- und Obstbau, Baumschulen und Samenzucht;

3.

aus Wein- und Hopfenbau;

4.

aus Binnenfischerei, Fischzucht und Teichwirtschaft;

5.

aus Torfstich und der Gewinnung von Steinen und Erden; es sei denn, daß es sich um einen selbständigen gewerblichen Betrieb handelt."

Diese Gesetzesdefinition läßt jede Bestimmung des Begriffes "Landwirtschaft" vermissen, was die deutsche Steuerpraxis zunächst entbehren konnte, weil man nach der im deutschen Steuerrecht ursprünglich herrschenden Quellentheorie die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als Einkünfte aus Grundvermögen auffaßte. Das Einkommensteuergesetz 1925 beschränkte sich daher auf die Aufzählung der wichtigsten landwirtschaftlichen Wirtschaftsformen, eine Methode, deren Nachteil in der Notwendigkeit der Einfügung einer Generalklausel ("es sei denn, daß es sich um einen selbständigen gewerblichen Betrieb handelt") bestand.

Auch im Einkommensteuergesetz 1934 (§ 13) hat der Gesetzgeber daran festgehalten, daß bei der Vielgestaltigkeit der Betriebsformen und der Vielfalt der Bodennutzungen eine allgemeine Festlegung des Begriffes "Landwirtschaft" nicht zweckmäßig ist. Er ist aber in der Begriffsbildung insoweit einen Schritt weitergegangen, als er die grundlegende landwirtschaftliche Tätigkeit, nämlich den Anbau von Pflanzen, an die Spitze gestellt und einer Aufzählung der hauptsächlichsten Arten des Pflanzenanbaues abschließend eine Generalklausel angeschlossen hat, mit welcher das Wesen der grundlegenden landwirtschaftlichen Tätigkeit, nämlich des Anbaues von Pflanzen, umschrieben werden sollte. "Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen." Der an dem Zustandekommen des Einkommensteuergesetzes 1934 maßgebend beteiligte damalige Oberregierungsrat im Reichsfinanzministerium Ernst Kaemmel hat hiezu in seinem Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1934 (S. 152) ausgeführt:. "In dieser Fassung kommt klar und verständlich zum Ausdruck, daß die Landwirtschaft sich unter allen Umständen auf die pflanzenhervorbringenden Kräfte des Bodens stützt und daß die dadurch möglich werdende Pflanzenkultur und Pflanzennutzung neben der Ackerwirtschaft auch in der Form der Weide und Wiesenwirtschaft die Grundlage der Landwirtschaft bildet. Die allgemeine Fassung hat freilich den Nachteil, daß die Pilzzucht in Kellern, bei der die für den Begriff der Landwirtschaft unerläßliche Bezugnahme auf den Boden auf ein Minimum zusammengeschmolzen ist, als Landwirtschaft zu gelten hat. Ein solcher Nachteil kann aber in Kauf genommen werden, da es sich hier um keine Betätigung handelt, die volkswirtschaftlich oder finanzpolitisch ins Gewicht fällt." (Vgl. auch die im wesentlichen gleichartiger Ausführungen desselben Autors in dem Artikel "Landwirtschaft und Einkommensteuer" in der Deutschen Steuerzeitung 1935, S 660 ff.)

Diese Entstehungsgeschichte zeigt somit, daß die im § 13 Abs. 1 Z. 1 EStG enthaltenen Worte "Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen" nicht dahin verstanden werden dürfen, daß nunmehr Grund und Boden für einen landwirtschaftlichen Betrieb überhaupt nicht mehr notwendig sei. Wohl hat das Einkommensteuergesetz 1934 durch die im § 13 vorgenommene Neufassung die Bedeutung des Grund und Bodens für den steuerlichen Begriff "Landwirtschaft" gegenüber der alten Fassung des § 26 EStG 1925 etwas abgeschwächt. Der Gesetzgeber wollte aber auch weiterhin daran festhalten, daß "die Landwirtschaft sich unter allen Umständen auf die pflanzenhervorbringenden Kräfte des Bodens stützt", mochte auch in der neuen Fassung, wie Kaemmel ausführt, "die für den Begriff der Landwirtschaft unerläßliche Bezugnahme auf den Boden auf ein Minimum zusammengeschmolzen" sein.

Bei der vorliegenden laboratoriumsmäßigen, in Glasbehältern vor sich gehenden Entwicklung von Pflanzen fehlt es jedoch selbst an dem letzten Minimum einer Beziehung zu Grund und Boden, weshalb die laboratoriumsmäßige Gewinnung von Pflanzen und Pflanzenteilen nicht als landwirtschaftlicher Betrieb angesehen werden kann.

Damit ist aber auch die Frage der Gewerbesteuerpflicht des Beschwerdeführers entschieden, da er in diesem Punkte nur eingewendet hat, daß seine Tätigkeit als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft anzusehen sei, im übrigen aber das Vorliegen aller Merkmale eines Gewerbebetriebes im Sinne der Bestimmungen des § 1 GewStG 1953 unbestritten gelassen hat. In diesem Zusammenhang kommt auch der Frage, welcher Kammer der Beschwerdeführer anzugehören hat, für die steuerrechtliche Beurteilung seiner Entgelte und Einkünfte keine entscheidende Bedeutung zu.

Mangels einer Beziehung zu Grund und Boden kann aber die Tätigkeit des Beschwerdeführers auch nicht als "Gartenbau" im Sinne des § 50 Abs. 1 UStDB angesehen werden; da auch für den Gartenbau eine Bodenbewirtschaftung die unabdingbare Voraussetzung bildet (vgl. Kaemmel, a. a. 0. S. 156). Infolgedessen konnte der Beschwerdeführer für seine Erzeugnisse auch nicht den für landwirtschaftliche Produkte vorgesehenen ermäßigten Steuersatz des § 7 Abs. 2 Z. 1 lit. a UStG 1934 in Anspruch nehmen.

Die Beschwerde war somit in vollen Umfange gemäß § 42 Abs. 1 VwGG. 1952 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1963:1961000495.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-52839