VwGH 14.04.1972, 0457/71
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Um von einem Aufenthalt iSd § 26 Abs 2 BAO sprechen zu können, ist jedenfalls erforderlich, daß die Anwesenheit in einer stärkeren sachlichen und räumlichen Beziehung zum Aufenthaltsort bzw Inland steht als dies bei einem nur vorübergehenden Verweilen, wie bei einem Verweilen von Arbeiterinnen in Österreich bloß an Arbeitstagen zum Zwecke der Arbeitsleistung in einem inländischen Betrieb (bei täglicher Rückkehr nach Jugoslawien) der Fall ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Kobzina, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter im Beisein des Schriftführers Lengheimer über die Beschwerde der A-Gesellschaft m.b.H. in F, vertreten durch Dr. Gustav Schweiger, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 163-II/70, betreffend Lohnsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt in F eine Kleider- und Wäschefabrik. Bei einer im Februar 1970 durchgeführten, die Zeit vom bis umfassenden Lohnsteuerprüfung stellte der Prüfer fest, daß die Beschwerdeführerin in ihrem Unternehmen jugoslawische Arbeiterinnen beschäftigt, die mit einem Autobus täglich von der Staatsgrenze abgeholt und nach Arbeitsschluß wieder an die Grenze zurückgebracht werden. Er beanstandete u. a., daß von den Löhnen dieser Arbeiterinnen, die der Beschwerdeführerin keine Lohnsteuerkarten vorgelegt hatten, die Lohnsteuer nicht richtig abgeführt worden sei. Nach seiner Meinung seien die Arbeiterinnen nicht als unbeschränkt, sondern als beschränkt steuerpflichtig im Sinne der Bestimmungen der §§ 1 Abs. 2 und 96 Z. 4 des Einkommensteuergesetzes 1967 (EStG) anzusehen.
Das Finanzamt folgte dieser Rechtsmeinung. Es erließ an die Beschwerdeführerin gemäß § 72 Abs. 1 EStG einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer von insgesamt S 134.280,-- darunter aus dem angegebenen Grunde von S 132.513,55, woraus sich bei Berechnung eines Säumniszuschlages von S 2.372,-- und nach Anrechnung einer Gutschrift von S 15.645,-- ein Nachforderungsbetrag von S 121.007,-
- ergab.
Die Beschwerdeführerin berief mit der Begründung, die Fremdarbeiterinnen seien nicht beschränkt steuerpflichtig, sie hätten vielmehr, da sämtliche Arbeiterinnen im Betriebe der Beschwerdeführerin mehr als sechs Monate beschäftigt seien, im Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Sie seien daher unbeschränkt Steuerpflichtige und als solche behandelt worden. Die Behörde erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung. Die Fremdarbeiterinnen würden täglich nach Arbeitsschluß wieder an die Staatsgrenze zurückgebracht und hätten daher im Inland nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Es seien für sie auch niemals Lohnsteuerkarten beantragt worden. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen und bemerkte ergänzend, daß das Nichtvorlegen von Lohnsteuerkarten keinesfalls die beschränkte Steuerpflicht bewirke.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit Berufungsentscheidung vom ab. Die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes, wie er von der Beschwerdeführerin behauptet werde, setze gemäß § 26 BAO nicht unbedingt einen mehr als sechs Monate währenden Aufenthalt in Österreich voraus, wohl aber, daß sich jemand im Inland unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, daß er hier nicht nur vorübergehend verweile. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 EStG könne ein Steuerpflichtiger im Sinne des Erkenntnisses des Slg. Nr. 3021/F, für denselben Zeitraum nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Tatsache, daß sich die Arbeiterinnen nur während der Arbeitszeit in Österreich aufhielten und sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen. daher nach wie vor in Jugoslawien befinde, beweise, daß sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich, sondern in Jugoslawien hätten. Zu diesem Ergebnis komme man auch, wenn man die Aufenthaltsdauer der Arbeiterinnen in beiden Staaten stundenweise vergleiche. Die überwiegende Zeit jedes Tages hielten sie sich in Jugoslawien auf. Damit hätten die Arbeiterinnen im Inland weder ihren gewöhnlichen Aufenthalt, noch dauere der Aufenthalt im Hinblick auf die tägliche Rückkehr nach Jugoslawien im Inland länger sie sechs Monate. Sie seien daher als beschränkt Steuerpflichtige anzusehen und vom Finanzamt zutreffend gemäß § 66 Abs. 2 EStG zur Besteuerung herangezogen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin gegen die Behandlung der jugoslawischen Arbeiterinnen als beschränkt Steuerpflichtige und gegen die sich daraus ergebende Nachforderung von Lohnsteuer wendet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG sind natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, beschränkt einkommensteuerpflichtig mit inländischen Einkünften Sinne des § 96 EStG. Zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften im Sinne dieser Bestimmung gehören nach Z. 4 dieser Gesetzesstelle auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19), die im Inland ausgeübt wird.
Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften hat gemäß § 26 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung (BAO) jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Steuerpflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate.
Die Behörde vertritt den Standpunkt, daß die jugoslawischen Arbeiterinnen, gemessen an diesen Bestimmungen, ihren Aufenthalt nicht in Österreich haben.
Die Beschwerdeführerin macht gegen diesen Standpunkt unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde habe den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkte aktenwidrig angenommen. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, von den Bezügen der jugoslawischen Arbeiterinnen sei keine Lohnsteuer einbehalten worden, sei unrichtig, denn die Nachzahlung umfasse nur die Differenz zwischen der einbehaltenen und der abgeführten Lohnsteuer aus der sich nach Auffassung der Behörde ergebenden Abfuhrverpflichtung. Nur diese Differenz, sei vom Finanzamt nachgefordert und nur die Nachforderung des Differenzbetrages sei von der belangten Behörde bestätigt worden. In ihrer Entscheidung sei die belangte Behörde aber offensichtlich davon ausgegangen, daß für die Arbeiterinnen überhaupt keine Lohnsteuer abgeführt worden sei. Dieser Einwand kann den angefochtenen Bescheid nicht zu Fall bringen. Wenn in der Begründung der angefochtenen Entscheidung ausgeführt wird, die Beschwerdeführerin habe von den Löhnen an die jugoslawischen Arbeiterinnen entgegen den gesetzlichen Vorschriften keine Lohnsteuer einbehalten, so handelt es sich hiebei nach der Sachlage offenkundig um ein sprachliches Versehen, das auf die Berechnung der Nachforderung keinen Einfluß hatte und keinen wesentlichen Punkt des Sachverhaltes betrifft.
Als Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes rügt die Beschwerdeführerin weiters, daß die belangte Behörde von der Annahme ausgegangen sei, die Arbeiterinnen hielten sich die überwiegende Zeit jedes Tages in Jugoslawien auf, ohne entsprechende Ermittlungen anzustellen. Aus dem Autobusfahrplan ergebe sich, daß sie täglich um 6 Uhr früh die Grenze überschritten und um 18 Uhr an die Grenze zurückkehrten, sich also täglich 12 Stunden im Inland aufhielten. Dieser Einwand wäre beachtlich, wenn der stundenweisen Festlegung das Aufenthaltes der Arbeiterinnen im Inland im Zusammenhang mit der vor dem Verwaltungsgerichtshof aufgeworfenen Rechtsfrage, ob sie in Österreichihren Aufenthalt im Sinne der Bestimmungen des § 26 Abs. 2 BAO haben, Rechtserheblichkeit zukäme. Wie noch ausgeführt werden wird, ist dies aber nicht der Fall.
In Ausführung der Rechtsrüge wendet die Beschwerdeführerin im wesentlichen ein, daß zweifelsfrei Umstände gegeben seien, durch welche die jugoslawischen Arbeiterinnen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründeten. Abgesehen davon, daß sie täglich mindestens 12 Stunden in Österreich verweilten, sei durch den Dienstort ihr gewöhnliche Aufenthalt in Österreich gegeben. Die Arbeiterinnen seien durchwegs länger als sechs Monate bei der Beschwerdeführerin beschäftigt und kehrten regelmäßig an den Dienstplatz zurück. Sie verweilten daher im Inland und hätten in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Darüber hinaus komme der Ersatztatbestand des § 26 Abs. 2 BAO zum Tragen, denn die unbeschränkte Steuerpflicht trete stets dann ein, wenn ein Aufenthalt im Inland mehr als sechs Monate dauere. Dies sei zweifelsfrei der Fall.
Soweit die Beschwerdeführerin sich in ihren Ausführungen auf Kommentierungen zu den Begriffen "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz und in der Jurisdiktionsnorm bzw. Zivilprozeßordnung beruft, ist darauf hinzuweisen, daß es vorliegend nur um die Frage des Aufenthaltes im Sinne der Abgabenvorschriften geht, wie er im § 26 BAO geregelt ist. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, daß die Arbeiterinnen täglich mindestens 12 Stunden in Österreich verweilten und täglich regelmäßig an den Dienstplatz bei der Beschwerdeführerin im Inland zurückkehrten, ist ihr zu entgegnen, daß, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 3021/F, zu den in den maßgeblichen Belangen inhaltsgleichen Bestimmungen des § 1 Abs. 2 EStG 1953 ausgesprochen hat, im Sinne der Steuergesetze eine Person gleichzeitig nur an einem Ort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Daß dies aber gegenständlich nicht der Arbeitsort sein kann, ergibt sich daraus, daß die Arbeiterinnen nur an Arbeitstagen im Inland verweilen, daß der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen unbestrittenermaßen in Jugoslawien liegt, und daß sie zu Österreich lediglich wirtschaftliche Bindungen dadurch unterhalten, daß sie hier im Unternehmen der Beschwerdeführerin in F ihren Arbeitsplatz haben, mag dieser Umstand auch ein regelmäßiges, jeweils zeitlich begrenztes Verweilen in Österreich zur Folge haben.
Fraglich kann daher nur sein, ob die Arbeiterinnen im Sinne des Ersatztatbestandes des § 26 Abs. 2 zweiter Satz BAO ihren Aufenthalt in Österreich haben. Nach der Meinung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch das nicht der Fall. Selbst wenn man zur Begründung des Aufenthaltes im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle nicht ununterbrochene körperliche Anwesenheit während sechs Monate verlangte (vgl. Reeger-Stoll, Die Bundesabgabenordnung, Handbuch, 4. Auflage, Seite 38), wäre dazu doch erforderlich, daß die Anwesenheit, um von einem Aufenthalt im Sinne des § 26 Abs. 2 BAO sprechen zu können, über die bloße körperliche Anwesenheit hinaus in einer stärkeren sachlichen und räumlichen Beziehung zum Aufenthaltsort bzw. Inland steht als dies bei einem nur vorübergehenden Verweilen, wie hier bei einem Verweilen der Arbeiterinnen in Österreich, bloß an Arbeitstagen zum Zwecke der Arbeitsleistung in dem zur Beschwerdeführerin bestehenden Dienstverhältnis, der Fall ist. Dem täglichen Ausmaß eines solchen jeweils stundenweisen Aufenthaltes in Österreich kommt daher Rechtserheblichkeit nicht zu. Nach der Aktenlage handelt es sich bei sämtlichen Arbeiterinnen um Personen, die im Gebiet des jugoslawischen Staates leben und in Österreich beschäftigt sind. Damit allein wird aber ein Aufenthalt im Sinne der Bestimmungen des § 26 Abs. 2 BAO noch nicht begründet.
Die Einwendungen der Beschwerdeführerin sind somit nicht geeignet darzutun, daß die Behörde dadurch Rechte der Beschwerdeführerin verletzt hat, daß sie die jugoslawischen Arbeiterinnen in Ermangelung eines Wohnsitzes oder Aufenthaltes im Sinne des § 26 BAO als beschränkt Steuerpflichtige behandelte und nach den Vorschriften der §§ 1 Abs. 2, 96 Z. 4 und 66 Abs. 2 Z. 2 EStG zur Einkommensteuer heranzog und die Beschwerdeführerin für die sich daraus ergebenden Nachforderungsbeträge nach den Vorschriften des § 72 Abs. 1 EStG in Anspruch nahm.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Der Kostenausspruch gründet sich auf § 47, § 48 Abs. 2 und § 59 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4373 F/1972; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1972:1971000457.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-52788