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VwGH 20.10.1965, 0450/65

VwGH 20.10.1965, 0450/65

Entscheidungsart: ErkenntnisVS

Rechtssätze


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Norm
GehG 1956 §18;
RS 1
Ein Beamter der vollkommen einwandfrei qualitative oder quantitative Mehrleistungen erbringt, hat einen Anspruch auf eine Mehrleistungsvergütung; hiebei handelt es sich aber nicht um ein der Behörde eingeräumtes freies Ermessen die Zulage (Mehrleistungsvergütung) zu gewähren oder nicht (Hinweis E , B 252/63 und Urteile des OGH E , JBl 1961, S 329, E , EV Bl 1965, Nr 169; Vorjudikatur des VwGH: E , 2700/53, VwSlg 4730 A/1958, E , 2320/60, E , 1219/62, 1496/62).
Norm
GehG 1956 §18;
RS 2
Da der Gesetzgeber im § 18 GG 1956 alle sachlich in Betracht kommenden Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Mehrleistungsvergütung festgelegt hat, ist die Behörde nicht ermächtigt, trotz Erfüllung aller Voraussetzungen die Mehrleistungsvergütung nach Gutdünken nicht zu gewähren.
Normen
GehG 1956 §16;
GehG 1956 §61 Abs1;
GehG 1956 §61 Abs2;
RS 3
Der Umstand, daß bei den Reisegebühren im § 16 GG 1956 und bei der Mehrleistungsvergütung an Lehrer nach § 61 Abs 1 und Abs 2 GG 1956 vom Gesetzgeber ausdrücklich gesagt wurde, daß dieser Ersatz bzw diese besondere Vergütung "gebührt", zwingt nicht zu dem Schluß, daß ein Anspruch auf eine Mehrleistungsvergütung wegen der anderen Ausdrucksweise des Gesetzgebers im § 18 GG 1956 nicht bestehe.
Norm
GehG 1956 §18;
RS 4
Dem im § 18 GG gebrauchten Worte kann (können) kommt die Bedeutung von "vermögen" und "dürfen" zu.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Donner und die Hofräte Dr. Naderer, Dr. Lehne, Dr. Eichler, Dr. Skorjanec, Dr. Hinterauer, Dr. Knoll, Dr. Schmelz und Dr. Raschauer als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Landesregierungskommissärs Dr. Weingartner, über die Beschwerde des HK in K, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien I, Wiesingerstraße 3, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. Per-633/1/1965, betreffend Mehrleistungsvergütung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren von S 52,50 wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat am die belangte Behörde schriftlich um die Gewährung einer Mehrdienstleistungszulage gemäß § 18 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 als Entschädigung für alle Dienstleistungen über die vorgeschriebene normale Dienstzeit hinaus mit der Begründung ersucht, daß seine Kontrolltätigkeit als Lebensmittelinspektor überwiegend im Außendienst vollzogen wird. Er bezog sich hiezu auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2125/61, und bat um bescheidmäßige Erledigung. Mit Erledigung vom wurde ihm hierauf von der belangten Behörde mitgeteilt:

"Ihrem Ansuchen vom um Gewährung einer Mehrleistungsentschädigung kann unter Hinweis auf die von der Landesregierung beschlossenen Richtlinien über die Gewährung von feststehenden Zulagen, Zl. Präs-3941/3/62, vom , keine Folge gegeben werden, da die Zulagen an eine bestimmte Dienststellung oder an eine bestimmte Person gebunden sind."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Zuerkennung einer Mehrleistungsvergütung gemäß § 18 Gehaltsgesetz 1956 bei Zutreffen der dort genannten Voraussetzungen sowie in seinem Recht auf ein ordnungsmäßiges Dienstrechtsverfahren unter Wahrung des Parteiengehörs verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956, welches nach § 2 des Landesdienstrechts-Überleitungsgesetzes 1959, LGBl. für Kärnten Nr. 54, auch auf alle Landesbeamten Anwendung findet, können Mehrleistungsvergütungen für Leistungen gewährt werden, die über das vorgeschriebene Ausmaß der Arbeitszeit oder über den vom Beamten auf Grund seiner dienstrechtlichen Stellung zu erwartenden Wert seiner Arbeitsleistung hinausgehen und in den Rahmen der Dienstpflichten des Beamten fallen oder mit seinem dienstlichen Wirkungskreis im unmittelbaren Zusammenhang stehen. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung kann den Beamten, auf die die Bestimmungen des Abs. 2 nicht anzuwenden sind (Beamte in Betrieben oder Anstalten des Bundes), für Mehrleistungen eine Personalzulage zuerkannt werden. Bei der Festsetzung der Höhe der Personalzulage ist insbesondere auf das zeitliche Ausmaß der Mehrleistung Bedacht zu nehmen. Solche Personalzulagen sind für die Bemessung des Ruhegenusses nicht anrechenbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem, noch zur Nebengebührenverordnung vom , BGBl. Nr. 173, ergangenen Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 4730/A, ausgesprochen, daß Bundesbeamte, wenn sie Mehrleistungen erbringen, einen Anspruch auf die besondere Personalzulage für Mehrleistungen haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat damals das Bestehen eines Rechtsanspruches aus § 1 Nebengebührenverordnung ("die Bundesbeamten des Dienststandes erhalten …") abgeleitet. Von den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes, die sich mit Mehrleistungsvergütungen (Belastungszulagen) nach § 18 Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956 beschäftigen, konnte in dem Erkenntnis vom , Zl. 2320/60, die Frage, ob der Beamte nach dieser Bestimmung bei Vorliegen der darin festgesetzten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf eine Mehrleistungsvergütung hat, dahingestellt bleiben. In seinem Erkenntnis vom , Zl. 1219/62 und 1496/62, ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, daß das Gesetz die Gewährung einer Mehrleistungsvergütung in das Ermessen der Behörde gestellt habe. In dem vom Beschwerdeführer herangezogenen, zuletzt ergangenen Erkenntnis vom , Zl. 2125/61, vertrat der Verwaltungsgerichtshof hingegen den Standpunkt, daß ein Beamter, der vollkommen einwandfrei und qualitative oder quantitative Mehrleistungen erbringt, einen Rechtsanspruch auf eine Mehrleistungsvergütung hat. Nach der Begründung handle es sich nicht um ein der Behörde eingeräumtes freies Ermessen, die beantragte Zulage zu gewähren oder zu versagen. Da die Voraussetzungen für die Gewährung von Mehrleistungsvergütungen im § 18 Abs. 1 GG 1956 bereits angeführt seien (und zwar auch die Voraussetzung der vollkommen einwandfreien Bewältigung der dem Beamten zukommenden Geschäftslast) und andere Voraussetzungen für die Gewährung von Mehrleistungsvergütungen praktisch nicht denkbar seien, es vielmehr dem richtigen Rechtsgedanken entspreche, daß für die vollkommen einwandfreie Erbringung von qualitativen oder quantitativen Mehrleistungen ein Entgelt geleistet werde, bleibe für ein freies Ermessen kein Raum. Es wäre kein sachlich zu rechtfertigender Grund denkbar, aus dem die Behörde einem Beamten, der vollkommen einwandfrei qualitative oder quantitative Mehrleistung erbringt, eine Mehrleistungsvergütung verweigern könnte. Seien aber sämtliche denkmögliche Kriterien, die als Voraussetzung für eine Rechtsfolge in Betracht kommen, im Gesetz bereits angeführt, dann könne auch dem in einer solchen Gesetzesstelle verwendeten Wort "können" (wie im § 18 Abs. 1 GG 1956) nicht die Bedeutung zukommen, die eine solche Bestimmung zu einer Ermessensnorm machen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat, da die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wurde, in einem gemäß § 13 Z. 2 VwGG 1965 einberufenen verstärkten Senat über die Beschwerde wie folgt entschieden:

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß der Gesetzgeber im § 18 GG 1956 alle sachlich in Betracht kommenden Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Mehrleistungsvergütung festgelegt hat. § 18 Abs. 1 GG 1956 umschreibt die Mehrleistungen als Leistungen, die über das vorgeschriebene Ausmaß der Arbeitszeit (quantitative Mehrleistungen) oder über den vom Beamten auf Grund seiner dienstrechtlichen Stellung zu erwartenden Wert seine Arbeitsleistung (qualitative Mehrleistung) hinausgehen. Als weitere Voraussetzung für die Gewährung einer Mehrleistungsvergütung verlangt das Gesetz, daß die Mehrleistungen in den Rahmen der Dienstpflichten des Beamten fallen oder mit seinem dienstlichen Wirkungskreis im unmittelbaren Zusammenhang stehen. Hat aber der Gesetzgeber alle sachlich in Betracht kommenden Voraussetzungen für die Gewährung einer Mehrleistungsvergütung selbst festgelegt, so ist damit die Vorstellung unvereinbar, daß das Gesetz die Behörde ermächtigt hätte, trotz Erfüllung aller Voraussetzungen die Mehrleistungsvergütung nach Gutdünken nicht zu gewähren.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom , B 252/63, und des Obersten Gerichtshofes, Entscheidungen vom , JBl. 1961 S. 329, und vom , EV. Bl. 1965 Nr. 169, wonach das Gesetz im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde abgesehen und der Behörde selbst die Bestimmung ihres Verhaltens bei Zuerkennung von Mehrleistungsvergütungen (§ 18 Abs. 1, 3 und 4 GG 1956) überlassen habe, nicht veranlaßt, von der im wesentlichen bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2125/61, vertretenen und eingehend begründeten Rechtsansicht abzugehen. Denn aus dem Begriff "Nebengebühren" selbst läßt sich für die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nichts gewinnen, eher spricht dieser Begriff für die Annahme eines Anspruches. Der Umstand, daß bei den Reisegebühren im § 16 GG 1956 und bei der Mehrleistungsvergütung nach § 61 Abs. 1 und 2 GG 1956 vom Gesetzgeber ausdrücklich gesagt wurde, daß dieser Ersatz bzw. diese besondere Vergütung "gebührt" zwingt nicht zu dem Schluß, daß ein Anspruch auf eine Mehrleistungsvergütung wegen der anderen Ausdrucksweise des Gesetzgebers im § 18 GG 1956 nicht bestehe. Im Gegenteil erblickt der Verwaltungsgerichtshof darin, daß § 61 Abs. 1 und 2 GG 1956 dem Lehrer einen Rechtsanspruch auf die dort vorgesehene Vergütung für Mehrleistungen einräumt, im Hinblick auf die Gleichheit des Rechtsgrundes und des Schutzbedürfnisses ein weiteres Argument dafür, daß die übrigen Beamten bei Vorliegen der im § 18 GG 1956 angeführten Voraussetzungen ebenfalls einen Rechtsanspruch auf Mehrleistungsvergütungen haben. Auf Grund dieser Erwägungen kommt daher auch im § 18 GG 1956 dem Worte "kann" die Bedeutung von "vermögen" und "dürfen" zu (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 405/1105/52, vom , Slg. N.F. Nr. 3580/A, vom , Zl. 249/62, vom , Zl. 957/64, und vom , Slg. N.F. Nr. 3869/A).

Im übrigen sei zum Beschwerdevorbringen noch ausgeführt.

Nach § 1 Abs. 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes (DVG) in Verbindung mit § 58 Abs. 2 AVG 1950 sind Bescheide in Dienstrechtsangelegenheiten zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. Nach § 1 Abs. 1 DVG in Verbindung mit § 60 AVG 1950 sind in der Bescheidbegründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Das innere Ausmaß der Begründungspflicht wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom , Slg. N.F. Nr. 5007/A, vom , Zl. 762/59, und vom , Zl. 1435/61) durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Partei bestimmt. Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall kein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der angefochtene Bescheid enthält auch nur den Hinweis auf die von der Landesregierung beschlossenen Richtlinien vom , nach welchen die Zulagen an eine bestimmte Dienststellung oder an eine bestimmte Person gebunden seien. Dies offenbar in der Erwägung, daß der Gesetzgeber die Gewährung einer Mehrleistungsvergütung in das Ermessen der Behörde gestellt habe. Damit kann aber nach den obigen Ausführungen der Anspruch des Beschwerdeführers nicht abgelehnt werden. Dem Beschwerdeführer ist beizustimmen, daß die belangte Behörde auf die maßgebenden Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 und 3 GG 1959, bei deren Vorliegen dem Ansuchen des Beschwerdeführers stattzugeben wäre, im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht eingegangen ist. Erst in der Gegenschrift führt die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer keine qualitativen oder quantitativen Mehrleistungen erbringt.

Aus der unrichtigen Beurteilung der Rechtslage hat die belangte Behörde auch die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstrechtsverfahrens unter Wahrung des Parteiengehörs unterlassen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 sowie auf Art. I A Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965. Das Begehren auf Ersatz der 5,25%igen Umsatzsteuer war abzuweisen, weil es sich beim Schriftsatzaufwand nach § 49 Abs. 1 VwGG 1965 um einen Pauschalbetrag handelt.

Wien, am

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Normen
GehG 1956 §16;
GehG 1956 §18;
GehG 1956 §61 Abs1;
GehG 1956 §61 Abs2;
Sammlungsnummer
VwSlg 6787 A/1965
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1965:1965000450.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-52783