VwGH 20.02.1967, 0437/65
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | BauO Wr §129 Abs10; |
RS 1 | Aus der Bestimmung des § 129 Abs 10 BauO f Wien ergibt sich, daß die Beseitigung einer konsenslosen Bauführung eine öffentlichrechtliche Verpflichtung des Eigentümers ist, die unabhängig davon besteht, ob diese Abweichung nun tatsächlich eine konkrete Gefahr für die Sicherheit von Personen darstellt oder nicht. Voraussetzung hiefür ist lediglich, daß für den konsenswidrigen Bau eine nachträgliche Baubewilligung nicht erwirkt werden kann. |
Normen | |
RS 2 | Die Rechtseinrichtung der Ersitzung, wie sie das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch im §§ 1478 ff kennt, ist dem öffentlichen Recht fremd, es sei denn, daß sie in einem Gesetz ausdrücklich anerkannt wird (Im Bereiche der BauO Wien ist dies nicht der Fall; Hinweis auf E , 1623/64). |
Norm | BauO Wr §70; |
RS 3 | Die Bewilligung bewilligungspflichtiger Baumaßnahmen ist nur in Form einer schriftlichen Erledigung wirksam und kann die Baubewilligung durch eine Art konkludenten Verhaltens der Bauaufsichtsorgane nicht begründet werden (Hinweis E , VwSlg 13880 A/1925). |
Normen | BauO Wr §128; BauRallg; |
RS 4 | Aus einer Benützungsbewilligung kann ein Recht auf die Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes nicht abgeleitet werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Rath und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers Wetzelsberger, über die Beschwerde der M D in W, vertreten durch Dr. Friedrich Reither, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 15, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XIII 12/64, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (Beseitigung einer Kamineinmündung), nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Friedrich Reither, und des Vertreters der belangten Behörde, Magistratsoberkommissärs DDr. W H, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Gemeinde Wien Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - Magistratsabteilung 37 (Außenstelle für den XII. Bezirk) - vom wurde den Eigentümern des Hauses Wien XII, S-gasse 2 - darunter der Beschwerdeführerin -, unter anderem unter Berufung auf § 129 Abs. 10 und § 113 Abs. 3 (richtig: Abs. 2) der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, die Fehleinmündung und das Putztürchen im Zimmer der Wohnung I/6 in den Rauchfang der Wohnung I/7 binnen drei Wochen nach Zustellung des Bescheides vermauern zu lassen. (Die übrigen Vorschreibungen unter Pkt. 2 und Pkt. 3 wurden in der Folge im Berufungswege wieder aufgehoben und sind nicht Gegenstand der Beschwerde.) Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, bei der am abgehaltenen Ortsverhandlung sei festgestellt worden, daß gemäß dem Konsensplan vom , BZ. BBA 12-3459/1931, der Rauchfang von I/7 in einer Rauchfanggruppe liege, die für die Wohnungen an der linken Grundgrenze, das sei im ersten Stock Tür Nr. 7, wohnungseigene Rauchfänge enthalte. Der Rauchfang von I/7 sei auch an seinem Putztürchen am Dachboden als solcher beschriftet. Die Einmündung vom Zimmer der Wohnung I/6 und des dort befindlichen Putztürchen seien konsens- und vorschriftswidrig, da gemäß § 113 Abs. 3 (richtig: Abs. 2) der Bauordnung für Wien die Einmündung von Feuerungen verschiedener Wohnungen in einen Rauchfang verboten sei. Zu der am abgehaltenen Ortsverhandlung war die Beschwerdeführerin als Hausmiteigentümerin und gleichzeitig Inhaberin der Wohnung I/6 geladen.
In ihrer gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingebrachten Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, daß die mit ihm erteilten Bauaufträge teils erworbenen Rechten widersprächen und teils absolut undurchführbar seien. Bei Erbauung des Hauses sei die Einmündung in den Rauchfang der Nachbarwohnung gesetzlich zulässig gewesen. Lediglich aus einem Versehen sei diese Einmündung angeblich im Bauplan nicht eingetragen, doch müßte die Einmündung bei der Kommissionierung des Hauses vor Erteilung der Benützungsbewilligung festgestellt und von der Baubehörde sohin genehmigt worden sein. Seit Jahrzehnten sei unbeanstandet geheizt worden und die Beschwerdeführerin habe daher das Recht auf Einmündung ersessen. Weiters wurde geltend gemacht, daß die Einmündung in Ordnung sei und keinerlei Gefahr und daher auch kein Anlaß für eine behördliche Verfügung bestehe. Der wohnungseigene Rauchfanganschluß sei von der wohnungseigenen Rauchfanggruppe durch die ganze Länge der Wohnung getrennt und biete für eine neuerliche Einmündung keinen Platz. Der Raum müsse aber beheizbar bleiben und bestünden im übrigen für die Wohnungen oberhalb und unterhalb der Beschwerdeführerin dieselben Verhältnisse.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom gab die Bauoberbehörde für Wien der Berufung in bezug auf den erteilten baubehördlichen Auftrag, die Fehleinmündung und das Putztürchen im Zimmer der Wohnung I/6 in den Rauchfang von I/7 vermauern zu lassen, keine Folge, dagegen wurden die Vorschreibungen, das Zimmer der Wohnung Nr. 6 mit einem Rauchfanganschluß an den wohnungseigenen Rauchfang versehen zu lassen und nach Durchführung der angeordneten Maßnahme dem Magistrat der Stadt Wien einen ordnungsgemäßen Rauchfangbefund über die Rauchfänge I/7 vorzulegen, aufgehoben. Zur Begründung des abweislichen Teiles des Bescheides wurde ausgeführt, daß der Konsensplan aus dem Jahre 1931 keinen Anschluß des gegenständlichen Zimmers der Wohnung Nr. 6 an den Rauchfang der Wohnung Nr. 7 zeige. Es könne sich in diesem Zusammenhang auch um kein Versehen handeln, denn schon im Jahre 1931 sei die Einmündung verschiedener Wohnungen in einen Rauchfang nach der Bauordnung verboten gewesen. Daß die Einmündung und auch das Putztürchen daher konsenswidrig seien, sei auf Grund dieses Planes eindeutig erwiesen. Ein auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien gestützter Bauauftrag, der die Beseitigung dieses konsenswidrigen Zustandes vorschreibe, könne bei dieser Sach- und Rechtslage nicht rechtswidrig sein, zumal eine nachträgliche Baubewilligung auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen nicht zulässig sei. Die Beschwerdeführerin verkenne in diesem Zusammenhang die Rechtslage, wenn sie glaube, daß die Erteilung einer Benützungsbewilligung eine ursprüngliche Konsenswidrigkeit heile. Ob diese Einmündung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und ob eine Gefahr bestehe oder nicht, sei für die Erlassung eines Auftrages nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien rechtlich unerheblich.
Gegen diesen Bescheid, soweit mit ihm die Berufung abgewiesen worden ist, richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. In der Beschwerde wird ausgeführt, daß nach § 45 AVG ff jede Verwaltungsbehörde alle Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sorgfältig zu prüfen und daher auch alle von der Partei erhobenen Einwendungen zu erörtern und in ihrer Entscheidung zu verwerten habe. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen, weil die Frage der mündlichen Konsenserteilung die die Frage der Ersitzung des Rechtes auf Benützung der Kamineinmündung und des Putztürchens nicht entsprechend geprüft und erörtert worden sei. Außerdem sei in dem angefochtenen Bescheid die Feststellung vorgenommen worden, daß die Beheizung des gegenständlichen Raumes auf andere Weise (Elektroheizung usw.) möglich und die Kamineinmündung daher nicht notwendig sei, ohne daß eine entsprechende Ergänzung des Ermittlungsverfahrens stattgefunden hätte und ohne daß die Beschwerdeführerin zu diesem Punkt hätte Stellung nehmen können. Sie sei daher in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Hinzu komme, daß für dieses Zimmer nach Einholung eines Befundes des zuständigen Rauchfangkehrers und einer Bewilligung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35 (vom ), eine Ölheizung angeschafft worden sei.
Über die Beschwerde und die hiezu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten steht fest, daß die Baubewilligung für die Errichtung des gegenständlichen Wohnhauses (Bescheid vom ) erst nach Inkrafttreten der Bauordnung für Wien vom , LGBl. für Wien Nr. 11/1930, erteilt worden ist, die bereits § 113 Abs. 2 in seiner heutigen Fassung enthalten hatte, dem zufolge Einmündungen von Feuerungen verschiedener Geschosse und verschiedener Wohnungen in einen Rauchfang verboten sind. Weiters wurde bereits im Verwaltungsverfahren von der Baubehörde erster Instanz unbestritten festgestellt, daß die Abweichung von dem der Baubewilligung vom , GZ. BBA 12-3459/31, zugrunde gelegene Konsensplan ein Zimmer der Wohnung I/6 in den Rauchfang der Wohnung I/7 einmündet, ohne daß hiefür eine schriftliche Baubewilligung vorliegt. § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien bestimmt nun, daß Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben sind und daß ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, beseitigt werden muß. Aus dieser Bestimmung allein ergibt sich bereits, daß die Beseitigung einer konsenslosen Bauführung eine öffentlichrechtliche Verpflichtung des Eigentümers ist, die unabhängig davon besteht, ob diese Abweichung nun tatsächlich eine konkrete Gefahr für die Sicherheit von Personen darstellt oder nicht. Voraussetzung hiefür ist lediglich, daß für den konsenswidrigen Bau eine nachträgliche Baubewilligung nicht erwirkt werden kann. Diese Voraussetzung ist aber im konkreten Beschwerdefall, wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, gegeben, da bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung zufolge des schon damals geltenden § 113 Abs. 2 der Bauordnung für Wien die Einmündung für Feuerungen verschiedener Geschosse und verschiedener Wohnungen in einen Rauchfang verboten war. Dabei ist die Tatsache, daß dieser konsenswidrige Zustand bereits seit der Errichtung des Hauses im Jahre 1931, sohin über 30 Jahre besteht, völlig bedeutungslos, weil es, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat, die Rechtseinrichtung der Ersitzung, wie sie das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch im §§ 1478 ff kennt, im öffentlichen Recht nicht gibt, es sei denn, daß sie in einem Gesetz ausdrücklich anerkannt wird. Dies ist aber bei der Bauordnung für Wien nicht der Fall (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 1502/65, und vom , Zl. 1623764, auf die unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird). Was nun den Einwand der Beschwerdeführerin anlangt, die mit § 113 Abs. 2 der Bauordnung für Wien im Widerspruch stehende Kamineinmündung des Zimmers der Wohnung I/6 in den Rauchfang der Wohnung I/7 sei bei der Kommissionierung vor Erteilung der Benützungsbewilligung mündlich genehmigt worden, so genügt es zur Widerlegung dieser Behauptung auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 70 der Bauordnung für Wien zu verweisen, wonach die Bewilligung bewilligungspflichtiger Baumaßnahmen nur in Form einer schriftlichen Erledigung wirksam ist. Dagegen kann die Baubewilligung durch eine Art konkludentes Verhalten der Bauaufsichtsorgane nicht begründet werden. (Vgl. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 13880/A, u. v. a.) Wenn daher die belangte Behörde diese Frage nicht zum Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gemacht hat, so kann darin keine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt werden. Will die Beschwerdeführerin damit aber behaupten, daß, da diese Abweichung von der Baubewilligung bereits bei der Errichtung des Hauses im Jahre 1931 vorgenommen worden ist und, damit auch die Vermutung besteht, daß auch für diese Abweichung die Baubewilligung erteilt worden ist, so ist ihr darauf zu entgegnen, daß, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1200/63, ausgesprochen hat, eine solche Vermutung dann nicht in Frage kommt, wenn es sich um ein Gebiet handelt, das schon vor Erteilung der Baubewilligung zum Gemeindegebiet der Stadt Wien gehörte und noch alle Akten aus der Zeit der Bauführung vorhanden sind. Daß diese Akten unrichtig oder unvollständig wären, hat die Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet. Zu dem weiteren Beschwerdevorbringen, durch die Erteilung der Benützungsbewilligung nach Errichtung des Hauses im Jahre 1931 sei der Beschwerdeführerin das Recht auf Beibehaltung der Kamineinmündung erwachsen, ist zu sagen, daß aus einer Benützungsbewilligung ein Recht auf die Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes nicht abgeleitet werden kann (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 816/A, und vom , Zl. 3425, 3426/53). Soweit in der Begründung des angefochtenen Bescheides von der belangten Behörde ausgeführt worden ist, daß die Beheizung des strittigen Raumes der Wohnung I/6 "auf andere Weise (Elektroheizung u.s.w.) möglich sei und daher die Kamineinmündung nicht notwendig wäre", so bezieht sich dies offensichtlich auf den unter Punkt 2 des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides erteilten baubehördlichen Auftrag, der jedoch mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wieder aufgehoben worden ist. Da aber nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin dieser Bescheid nur insoweit angefochten wird, als die Berufung abgewiesen worden ist, bleibt für eine Erörterung dieser Frage kein Raum. Das gleiche gilt für das Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß (nach Erlassung des angefochtenen Bescheides) der Magistrat der Stadt Wien - Magistratsabteilung 35 (mit Schreiben vom ) mitgeteilt habe, daß gegen den Anschluß eines Ölofens an einen Rauchfang, der auch von anderen Feuerstätten benützt wird, kein Einwand bestehe. Dieses Vorbringen stellt sich, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit Recht vorgebracht hat, als eine unzulässige Neuerung dar, auf die der Verwaltungsgerichtshof zufolge § 41 VwGG 1965 nicht eingehen konnte. Aus allen diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch an die obsiegende belangte Behörde stützt sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 2 lit. a, b und c sowie auf Art. I Abschnitt B Z. 4, 5 und 6 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. nr. 4/1965.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 7086 A/1967 |
Schlagworte | Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1967:1965000437.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-52766