VwGH 21.11.1972, 0377/72
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | EStG 1967 §18 Abs1 Z1; |
RS 1 | Ausführungen zur Frage eines Witwenfortbetriebes nach einem freiberuflich Tätigen (Fahrschule). |
Norm | GewStG §1 Abs2 Z1; |
RS 2 | Der dem Witwenfortbetrieb und Deszendentenfortbetrieb gewährte Schutz kann nicht auch auf eine nach dem Tod des freiberuflich Tätigen neu gegründete nicht auf der Berechtigung zum Witwenfortbetrieb basierende neue Betriebsstätte ausgedehnt werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Mag. DDr. Heller, Dr. Simon und Dr. Seiler als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde der M und des WD, beide in K, vertreten durch Dr. Dietrich Roessler, Rechtsanwalt in Wien I, Schwedenplatz 3 - 4 , gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VIII, vom , GZ. VI-1776/71, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften und Gewerbesteuer 1968 nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Dietrich Roessler, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberfinanzrat Dr. TT, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beiden Beschwerdeführer (Mutter und Sohn) waren im Streitjahr (1968) Gesellschafter einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht mit einem Beteiligungsverhältnis von 25 : 75 %. Gegenstand der Gesellschaft war der Betrieb einer Autofahrschule in K. und einer solchen in Z., Niederösterreich. Unbestritten ist, daß die Fahrschule in K. von der Erstbeschwerdeführerin als Witwenfortbetrieb geführt wird, wobei der Zweitbeschwerdeführer als verantwortlicher Leiter fungiert. Bezüglich der Fahrschule in Z. wurde dem Zweitbeschwerdeführer eine eigene Betriebsgenehmigung erteilt. Zur Unterrichtserteilung in beiden Fahrschulen war lediglich der Zweitbeschwerdeführer berechtigt. Der Erstbeschwerdeführerin obliegen organisatorische und kaufmännische Arbeiten. Mit Wirkung vom wurde die Gesellschaft in ein Einzelunternehmen umgewandelt, das vom Zweitbeschwerdeführer geführt wird.
Während die abgabenrechtliche Beurteilung der Jahre 1965 bis 1967 im Sinne einer Bejahung der Gewerbesteuerpflicht rechtskräftig erfolgte, erhoben die Beschwerdeführer bezüglich des Streitjahres Berufung, in der sie die Auffassung vertraten, beide Beschwerdeführer übten einen freien Beruf aus, weshalb die Einkünfte aus dem Fahrschulbetrieb den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzurechnen seien.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Sie verwies auf die Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG. Die Gewerbesteuerpflicht sei nicht so sehr auf den Gewerbebetrieb als vielmehr auf die Rechtsform des gewerblichen Unternehmens abgestellt. Die Rechtsprechung gehe davon aus, daß nach § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG der gesellschaftliche Zusammenschluß von freiberuflich tätigen Personen mit Berufsfremden schon an und für sich die Beurteilung eines Unternehmens als Gewerbebetrieb nach sich ziehe. Eine freiberufliche Tätigkeit könne höchstens dann angenommen werden, wenn alle Gesellschafter denselben freien Beruf ausüben. Diese Voraussetzung sei aber im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Erstbeschwerdeführerin sei in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin nicht nur an der Fahrschule in K., sondern auch an der Fahrschule in Z. beteiligt, ohne aber hinsichtlich der zuletzt genannten Fahrschule freiberuflich - auch nicht in Ausübung einer Berechtigung als Witwenfortbetrieb - tätig zu sein. Die Erstbeschwerdeführerin sei somit abgabenrechtlich hinsichtlich der Fahrschule in Z. als Berufsfremde anzusehen. Dies ziehe eine Beurteilung des Unternehmens als Gewerbebetrieb nach sich. Daraus folge aber, daß die strittigen Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren und das Unternehmen selbst als gewerbesteuerpflichtig zu behandeln gewesen sei. Der Einwand, daß hiedurch die gewollte steuerliche Gleichstellung der Witwe mit den freiberuflich arbeitenden Berufskollegen (des verstorbenen Ehemannes) verloren gehe, habe nicht als streitentscheidend angesehen werden können.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid verletze die beiden Beschwerdeführer in subjektiven Rechten, da sie als Freiberufstätige (§ 18 EStG) nicht gewerbesteuerpflichtig seien. Die Auffassung der belangten Behörde, daß durch die zusätzliche Eröffnung einer weiteren Fahrschule in Z. Gewerbesteuerpflicht für beide örtlich getrennten Betriebe (in K. und in Z.) eingetreten sei, sei verfehlt. Die beiden Beschwerdeführer seien der Auffassung, daß überhaupt keine Gewerbesteuerpflicht gegeben sei, keinesfalls aber für die Fahrschule in K., selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof - entgegen der Auffassung der Beschwerde - für den Betrieb in Z. Gewerbesteuerpflicht annehmen würde. Es wäre dann eben eine Trennung - allenfalls im Wege der Schätzung - der Betriebsergebnisse vorzunehmen. Beide Beschwerdefahrer seien freiberuflich tätig. Die Gründung der Fahrschule in Z. sei ausschließlich deshalb erfolgt, um mit dem vorhandenen Personal das Wagenmaterial rationeller ausnützen zu können. Es liege nur eine der Lebens- und Konkurrenzfähigkeit entsprechende Betriebsumgestaltung vor, um die Betriebsführung modernen Gesichtspunkten anzupassen. Solche Maßnahmen könnten einer Witwe, die einen Betrieb fortführt, nicht verwehrt werden, da ansonsten eine Schlechterstellung gegenüber Konkurrenzbetrieben eintreten würde. Jedenfalls wäre aber eine steuerliche Trennung der beiden Betriebe möglich gewesen. In der Unterlassung diesbezüglicher Ermittlungen liege ein Verfahrensmangel.
In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde den Standpunkt, eine Schutzbedürftigkeit und Förderungswürdigkeit der Witwe sei hinsichtlich des Betriebes in Z. nicht mehr gegeben. Die Erstbeschwerdeführerin sei daher diesbezüglich als berufsfremde Person anzusehen. Der in der Beschwerde vertretene Eventualantrag auf Trennung der Betriebsergebnisse im Schätzungswege sei erstmals in diesem Zeitpunkt gestellt worden und könne daher als im Verwaltungsgerichtshofverfahren unbeachtliche Neuerung nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften führen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb - die anderen in dieser Gesetzesstelle geregelten Fälle kommen hier nicht in Betracht - stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und anderer Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes anzusehen sind. Nach ständiger Rechtsprechung liegt dann ein Gewerbebetrieb vor, wenn Angehörige eines freien Berufes sich mit berufsfremden Personen zu einer Unternehmergemeinschaft (z.B. einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes) zusammenschließen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1779/68, und die dort weiter zitierte Rechtsprechung und Literatur). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht darüber hinaus noch so weit, daß im Falle eines Witwen- oder Deszendentenfortbetriebes die das Unternehmen des Verstorbenen fortführende Person nicht als berufsfremd anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1655/62). Würde es sich nur um den Fahrschulbetrieb in K. handeln, so könnte im Sinne dieser Auffassung der Standpunkt vertreten werden, der Abschluß der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht schließe die Anwendung der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG noch nicht aus. Es wäre überdies auch nicht steuerschädlich, wenn der bestehende Betrieb lediglich rationeller und moderner gestaltet werde. Wollte man dies nämlich als steuerschädlich ansehen, würde der von der Judikatur angestrebte Zweck einer Sicherung der Konkurrenzfähigkeit und damit der Existenz des Witwen- und Deszendentenfortbetriebes nicht erreicht werden. Im vorliegenden Fall liegt der diesbezüglich unbestritten gebliebene Sachverhalt jedoch anders. Der Betrieb der Fahrschule in Z. beruht auf einer Bewilligung, die dem Zweitbeschwerdeführer allein erteilt wurde. Von einem Witwenfortbetrieb kann daher bezüglich der Fahrschule in Z. keinesfalls gesprochen werden, nach Lage der Dinge aber auch ebensowenig von einer Rationalisierung der Fahrschule in K.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsmeinung der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit zu erblicken. Es ginge nämlich nach seiner Auffassung zu weit, den dem Witwen- und Deszendentenfortbetrieb gewährten Schutz auch auf eine nach dem Tod des freiberuflich Tätigen neu gegründete nicht auf der Berechtigung zum Witwenfortbetrieb basierende neue Betriebsstätte auszudehnen. Eine Schutzbedürftigkeit oder Förderungswürdigkeit der Beschwerdeführer bezüglich der Fahrschule in Z. kann daher schon deshalb nicht gegeben sein, weil diese von der Fahrschule in K. örtlich völlig abgesonderte Betriebsstätte im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes bzw. Vaters der Beschwerdeführer noch gar nicht bestanden hat. Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde auf die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zwischen den beiden Beschwerdeführern die Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG angewendet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag zwar die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zum Ausdruck gebrachte Meinung, auf den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Trennung der Betriebsergebnisse in K. und Z. im Schätzungswege sei nicht einzugehen, weil ein solcher Antrag den Abgabenbehörden nicht vorlag, nicht zu teilen. Wäre eine solche Trennung im Gesetz vorgesehen, bedürfte es keines diesbezüglichen Antrages. Das Gesetz sieht jedoch im § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG eine solche Aufteilung des Betriebsergebnisses auf einzelne Teilbetriebe nicht vor. Es ist daher nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde eine solche Trennung nicht vorgenommen hat und nicht im Schätzungswege vorgegangen ist. Daß die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zwischen den Streitteilen im Streitjahr aber beide Betriebsstätten (in K. und Z.) umfaßt hat, blieb unbestritten.
Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Inhaltes liegt daher nicht vor. Da die belangte Behörde auch keine Verfahrensvorschriften verletzt hat, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abgewiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | EStG 1967 §18 Abs1 Z1; GewStG §1 Abs2 Z1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1972:1972000377.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-52690