VwGH 01.06.1976, 0363/75
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Werden beim Vermieten von unmöbilierten Wohnungen keine sonstigen im Beherbergungsgewerbe üblichen Leistungen erbracht, kann keine Vermietung nach Art eines Beherbergungsbetriebes (gewerbliche Tätigkeit) angenommen werden. |
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RS 2 | Aus der Kürze der Vermietungszeit allein kann bei der Vermietung von leeren Räumen noch nicht auf das Vorhandensein eines Gewerbebetriebes geschlossen werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Simon, Dr. Iro und Dr. Drexler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Ministerialsekretär Papp, über die Beschwerde der SH in W, vertreten durch Dr. Julius Hafner, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 25, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom , Zl. 6-2472/3/73, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für 1970 und 1971, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Gewerbesteuer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der Beschwerdeführerin wurde in der Zeit zwischen und eine abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt, bei der festgestellt wurde, daß die Beschwerdeführerin Wohnungen in mehreren Häusern, die in ihrem Eigentum stehen, zur Fremdarbeiterbeherbergung verwendet hatte. Da sie dem Prüfer keinerlei Aufzeichnungen über ihre Einnahmen und Ausgaben vorlegte, war dieser gezwungen, die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege zu ermitteln. Er zog dabei die bei den polizeilichen Meldeämtern aufliegenden Unterlagen über die als Mieter der Häuser der Beschwerdeführerin gemeldeten Personen heran. Nach einer Zeugenaussage war jede der an Ausländer vermieteten Wohnungen, die meist aus Zimmer, Küche und Kabinett bestanden, mit sieben bis neun Gastarbeitern belegt. Die Mietdauer der einzelnen Gastarbeiter war verschieden, doch wechselten die Mieter in relativ kurzer Zeitfolge.
Im Haus Gr. St.gasse 17 wurden vier Kleinwohnungen vermietet, und zwar im Jahre 1970 15 Mieter (29 Mietmonate) und im Jahre 1971 109 Mieter (534 Mietmonate). Im Hause P.gasse 27 standen für diesen Zweck sechs Wohnungen zur Verfügung, in denen im Jahre 1970 54 Mieter (197 Mietmonate) und im Jahre 1971 63 Mieter (309 Mietmonate) untergebracht waren. Im Haus P.gasse 29 standen drei Kleinwohnungen zur Verfügung, in denen 1970 35 Mieter (139 Mietmonate), 1971 37 Mieter (183 Mietmonate) untergebracht waren. Die Häuser M.gasse 25 und M.gasse 25 a standen erst ab September 1971 für die Beherbergung von Gastarbeitern zur Verfügung. Dort betrug die Frequenz 8 Mieter (16 Mietmonate) bzw. 20 Mieter (48 Mietmonate).
Das Finanzamt zog daraus den Schluß, daß die Beschwerdeführerin an eine Vielzahl von oft wechselnden Personen vermietete, und zwar in der Art eines Beherbergungsbetriebes, sodaß diese Tätigkeit als eine solche gewerblicher Art betrachtet werden müsse. Dies deshalb, weil der gewerbliche Unternehmercharakter in den Vordergrund trete, die Tätigkeit der Beschwerdeführerin über eine bloße Vermögensverwaltung hinausgehe und in erheblichem Umfang eine laufende Verwaltungsarbeit und intensivere Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert habe. Das Finanzamt behandelte auf Grund dieser Feststellungen des Prüfers die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als gewerblich und schätzte die Einkünfte aus dieser Beherbergungstätigkeit in der Form, daß es pro Mieter und Monat ein Entgelt von S 600,-- zugrunde legte. Dieser angenommene "Kopfmietzins" von S 600,-- sei durch mehrmalige unabhängige mündliche Angaben der ausländischen Herbergsnehmer bestätigt worden. Für die Höhe der angesetzten Einkünfte war daneben noch der Umstand maßgebend, daß die Beschwerdeführerin in den Jahren 1971 und 1972 einen beträchtlichen Vermögenszuwachs aufzuweisen hatte, dessen Herkunft von ihr nicht aufgeklärt wurde.
In der gegen die Einkommensteuerbescheide erhobenen Berufung wendete sich die Beschwerdeführerin einerseits gegen die Behandlung ihrer Vermietungstätigkeit hinsichtlich der Gastarbeiter als Gewerbebetrieb, weil die Wohnungen ohne Inventar vermietet würden, und daher keine Beherbergung angenommen werden könne. Hinsichtlich der Höhe der Schätzung wendete sie ein, daß sie lediglich Wohnungen vermiete, wobei sie die praktisch unvermietbaren Wohnungen an ihren Lebensgefährten Herzl V. mit dem Recht der Weitervermietung vermietet habe. Sie beantragte die Zeugenvernehmung des Herzl V. und mehrerer nicht namentlich genannter jugoslawischer Gastarbeiter, die in den Jahren 1970, 1971 und 1972 in ihren Häusern gewohnt hätten. Außerdem wurde die Höhe der Einkünfte aus Kapitalvermögen bekämpft. In diesem Punkt wurde der Berufung jedoch stattgegeben, sodaß er nicht mehr Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist.
Im Zuge des Berufungsverfahrens wurden vom Finamzamt vier Gastarbeiter, die in den Jahren 1971 und 1972 im Hause Gr. St.gasse 17 gewohnt hatten, als Zeugen einvernommen. Die vier Gastarbeiter erklärten übereinstimmend, daß der monatliche Untermietzins S 600,-- pro Person und Monat betragen habe, wobei Strom und Gas gesondert verrechnet worden seien. Die 600,-- Schilling seien von der Beschwerdeführerin monatlich eingehoben worden. Quittungen seien keine erteilt worden.
Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung wurde auch der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin Herzl V. einvernommen, der erklärte, daß die Preise pro Person und Monat bei 300 Schilling gelegen seien. Früher sei es eher weniger gewesen. Er bekomme die Miete nicht pro Kopf, sondern pro Wohnung und die Mieter würden sich diesen Betrag untereinander aufteilen. Aber es komme auf einen Mieter nicht mehr als 300 Schilling oder weniger.
Die belangte Behörde gab der Berufung hinsichtlich der Vermietung einer Eigentumswohnung in der L.gasse 15, und der Einkünfte aus Kapitalvermögen statt und änderte auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugunsten der Beschwerdeführerin. Hinsichtlich der Behandlung der Vermietungstätigkeit an Gastarbeiter stellte sich die belangte Behörde im Hinblick auf die Vermietungsfrequenz auf den Standpunkt, daß die Beschwerdeführerin an eine Vielzahl von oft wechselnden Personen nach Art eines Beherbergungsbetriebes vermietet habe, ihre Tätigkeit über eine bloße Vermögensverwaltung hinaus gegangen sei und eine laufende Verwaltungsarbeit und intensivere Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert habe. Diese Vermietungstätigkeit der Beschwerdeführerin sei daher eine gewerbliche Tätigkeit.
Die Höhe des bei der Schätzung verwendeten Mietzinses sei nicht nur auf mündliche Angaben ausländischer Mieter, sondern auch auf niederschriftlich festgehaltene Aussagen vom , wonach die Beschwerdeführerin pro Kopf und Monat 600 Schilling als Miete verlangt habe, gestützt. Ein Vergleich mit Frauenheimen der Heilsarmee oder mit Herbergen, die von Arbeitgebern Gastarbeitern zur Verfügung gestellt werden, gehe ins Leere, da in diesen Fällen die Mieten nach völlig anderen Gesichtspunkten festgelegt würden. Der wesentlichste Unterschied sei in diesem Zusammenhang das Profitstreben der Beschwerdeführerin, welches bei den angeführten Institutionen keine wesentliche Rolle spiele. Der Senat habe, daher dem unbewiesen gebliebenen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, wonach die Mieter nur S 150,-- bis S 200,-- pro Kopf und Monat gezahlt hätten, nicht folgen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Gewerbesteuergesetz 1953 unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen.
Nach § 28 BAO ist eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird, und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb im Sinne der Abgabenvorschriften, wenn die Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes, noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechtes anzusehen ist.
Die belangte Behörde hat festgestellt, daß z. B. in dem Haus Gr. St.gasse 17 für vier vermietete Kleinwohnungen im Jahr 1970 15 Mieter, und im Jahre 1971 109 Mieter vorhanden waren und daß eine ähnlich hohe Mieterfrequenz auch in den anderen von der Beschwerdeführerin als Gastarbeiterquartiere vermieteten Häusern festzustellen gewesen sei. Sie hat daraus unter Bezugnahme auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 895/59, und vom , Zl. 144/71, den Schluß gezogen, daß die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Vermieterin bei dieser Vermietungsfrequenz wesentlich über eine bloße Vermögensverwaltung hinausgegangen sei und ihre Tätigkeit eine erhebliche laufende Verwaltungsarbeit und eine intensivere Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert habe, sodaß der gewerbliche Unternehmercharakter des Vermieters in den Vordergrund getreten sei. Die belangte Behörde hat die Einordnung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als gewerblich also aus zwei Gründen bejaht, wobei das Hauptgewicht darauf gelegt wurde, daß die Beschwerdeführerin in der Art eines Beherbergungsbetriebes tätig geworden sei. In diesem Punkt kann der Behörde jedoch nicht gefolgt werden, da die Beschwerdeführerin die Wohnungen nach ihren unwidersprochen gebliebenen Behauptungen und den Ergebnissen der Zeugeneinvernahmen unmöbliert vermietete und auch keine sonstigen im Beherbergungsgewerbe üblichen Leistungen erbracht hatte. Bleibt die als Nebenargument aufgestellte Behauptung der Behörde, daß durch die oft nur kurzfristige Vermietung ein erheblicher Verwaltungsaufwand entstanden sei. Diese Behauptung ist aber durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht gedeckt. Da die Beschwerdeführer nach den Feststellungen der Behörde außer der Zurverfügungstellung der Räume keine zusätzlichen Leistungen erbracht hat und einen einheitlichen Pauschalzins verrechnete, kann aus den aktenmäßigen Feststellungen kein Grund für eine wesentlich vermehrte Verwaltungstätigkeit gefunden werden. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich daher von den, den von der belangten Behörde zitierten Erkenntnissen zugrunde liegenden Sachverhalten wesentlich.
Aus der Kürze der Vermietungszeit allein kann aber bei der Vermietung von leeren Räumen nicht auf das Vorhandensein eines Gewerbebetriebes geschlossen werden (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom , Zl. 1844/62, vom , Zl. 1207/65, und vom , Zl. 776/72).
Der angefochtene Bescheid war somit, soweit er die Gewerbesteuer betraf, gemäß § 42 Abs. 2 lif. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin hat für die Jahre 1970 und 1971 Einkommensteuererklärungen erst nach Abschluß der abgabenbehördlichen Prüfung, nämlich am , abgegeben, die nach den Feststellungen des Prüfers unvollständig waren. Sie hat über ihre Geschäftsgebarung keine Aufzeichnungen geführt, solche jedenfalls nicht vorgelegt. Bereits in dem der Beschwerdeführerin mit den Steuerbescheiden für 1970 und 1971 zugestellten Prüfungsbericht wurde ihr die Berechnung der geschätzten Einnahmebeträge bekannt gegeben. Die Beschwerdeführerin hat gegen die angesetzte Miete von 600 Schilling pro Kopf und Monat ausgeführt, daß sie keine Beträge in dieser Höhe vereinnahmt habe, hat aber außer dem Antrag auf Zeugenvernehmung ihres Lebensgefährten Herzl V. und namentlich nicht genannter jugoslawischer Gastarbeiter selbst keine Beweise vorgelegt. Die belangte Behörde hat diesen Beweisanträgen entsprochen und sowohl V. wie auch vier Gastarbeiter als Zeugen vernommen, die jedoch die angesetzte Monatsmiete von 600 Schilling bestätigt haben. Wenn der Senat in freier Beweiswürdigung den Angaben der vier niederschriftlich vernommenen Gastarbeiter und den seinerzeitigen mündlichen Angaben anderer Gastarbeiter mehr Glauben geschenkt hat als dem Vorbringen des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, so kann darin keine Denkfolgewidrigkeit erblickt werden. Wenn die belangte Behörde im Wege dieser Schätzung zu relativ hohen Einkünften aus Vermietung gekommen ist, so wird dies nicht nur durch die einvernommenen Gastarbeiter gestützt, sondern auch durch das neu hervorgekommene Vermögen, daß der Beschwerdeführerin den Ankauf weiterer Häuser ermöglicht hatte.
Da hinsichtlich der Einkommensteuer somit die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen, war die Beschwerde in diesem Punkte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 und auf der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4981 F/1976; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1976:1975000363.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-52673