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VwGH 02.02.1951, 0345/48

VwGH 02.02.1951, 0345/48

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
EStG 1939 §11 Abs1;
EStG 1939 §4 Abs1;
EStG 1953 §11 Abs1;
EStG 1953 §4 Abs1;
RS 1
Expensenvorschüsse, die ein Rechtsanwalt von seinen Klienten erhält, bilden schon im Zeitpunkt des Empfanges einkommensteuerpflichtige Einnahmen. Die nachträgliche Erfassung solcher Beträge durch die Sperre des Schillinggesetzes kann ihr Zufließen nicht ungeschehen machen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Höslinger, Dr. Donner und Dr. Porias als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Eichler als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. EH in W gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA III 2274/47, betreffend Einkommensteuer 1945, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer gab in seiner Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1945 die Gesamteinnahmen aus seiner Rechtsanwaltskanzlei mit


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S - RM
175.361,21
an. Von diesem Betrag brachte er ausser den Werbungskosten von

S - RM

53.378,19
einen Betrag von
S - RM
64.014,--
als "auf Grund des Schillinggesetzes mit 60 % gesperrt" zum Abzug und so gelangte er für die "Einkünfte als freier Berufstätigkeit" zu einem Betrag von


S - RM


57.969,02.
Durch Zu- und Abrechnung der Einkünfte oder Verluste aus anderen Einkunftsquellen und der Sonderausgaben errechnete er sein steuerbares Einkommen mit


S


54.516,79
Das Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk erkannte die Abzugsfähigkeit des Sperrbetrages von S 64.014 nicht an, errechnete daher den Gewinn aus selbständiger Arbeite mit



S



121.983,--,
setzte nach Vornahme einiger vom Beschwerdeführer unbestritten gelassener Berichtigungen in den Einkünften aus anderen Quellen das steuerbare Einkommen bescheidmässig mit



S



135.248,--
und die darauf entfallende Jahressteuer mit
S
76.714,--

fest und schrieb dem Beschwerdeführer unter Bedachtnahme auf das Steuerübergangsgesetz drei Viertel dieses Betrages, also S 57.535,50 als zu entrichtende Einkommensteuer vor. In der Begründung verwies es darauf, dass die derzeit verfügungsbeschränkten Bankguthaben als "zugeflossen" gelten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die Anfechtung. Er bestritt zunächst, dass die gesperrten Beträge als "zugeflossen" anzusehen sind. Weiters mache er geltend, dass er für das erste Vierteljahr 1945 eine Steuervorauszahlung


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von
RM
32.308,- -
geleistet habe und ihm hiezu noch für die weiteren drei Viertel des Jahre 1945

S

57.535,--
vorgeschrieben wurden, so dass zuzüglich der gesperrten Beträge von

RM

64.,014,--
insgesamt
S
153.857,--
vom Staate beansprucht werden, während das steuerpflichtige Einkommen nur mit

S

135.248,--
festgesetzt wurde, so dass er um
S
18.609,--
mehr an Einkommensteuer zu zahlen hätte als ihm tatsächlich zur Verfügung stehen. Darüber hinaus verwies er auf die besondere Härte, die darin gelegen sei, dass er für das erste Vierteljahr 1945 bereits



RM



32.308,--
bezahlt habe, während für diese Zeit höchstens ein Viertel von der errechneten Gesamtsteuer von S 76.714,--, somit


S


19.178,50
zu zahlen gewesen wären, so dass ein Überschuss von
RM
13.130,--
zu viel erlegt worden sei. Der Beschwerdeführer beantragte daher 1. die Herabsetzung seines Einkommens um den gesperrten Betrag von S 64.014 und 2. unter Berücksichtigung der Härtebestimmungen die Verminderung der Steuerschuld um die Mehrzahlung von




RM




13.130,--
und um den Mehrbetrag von
S
18.609,--
zusammen demnach um den Betrag von
S
31.739,--

Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wies die Anfechtung mit Bescheid vom als unbegründet ab. die Entscheidungsgründe heben hervor, dass Betriebseinnahmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes dann "zugeflossen" seien, wenn die Leistung an den Steuerpflichtigen bewirkt worden ist, soferne dadurch sein Anspruch befriedigt werden sollte. Entsprechend der Einkommensteuerrichtlinien (EStR 1941 - 81 - 2) stellten die Vorschüsse an Rechtsanwälte schon im Zeitpunkte des Zufliessens eine Betriebseinnahme dar. Eine Änderung der Verfügungsgewalt über die zugeflossenen Beträge bis zum Ende des Besteuerungszeitraumes bewirke keine Änderung in der Steuerpflicht. Weiters könne nach den Bestimmungen des § 1 St-UeG eine Gutrechnung oder Rückrechnung der für das erste Vierteljahr 1945 geleisteten Vorauszahlungen nicht stattfinden. Eine gesetzliche Handhabe für eine Verminderung der Einkommensteuer um den errechneten Betrag von S 18.609,-- sei nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Sie macht Gesetzwidrigkeit des Inhaltes deshalb geltende weil die belangte Behörde den Begriff des "Zufliessens" von Vorschüssen unrichtig ausgelegt habe und weil sie entgegen den Bestimmungen des § 131 AO angenommen habe, dass keine rechtliche Möglichkeit auf Herabsetzung der Steuer bestehe.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer behauptet allerdings ohne nähere Angaben im einzelnen, dass die gesperrten Beträge aus Erlägen seiner Klienten stammen, die ihm zur Verrechnung übergeben worden seien. Derartige Erträge dienten als Sicherstellung der Barauslagen und der künftigen Honorarforderungen, eine freie Verfügung hierüber sei daher erst nach Verrechnung über den Kostenanspruch möglich. Da diese Beträge demnach bis zur endgültigen Verrechnung reserviert zu bleiben haben, könnten sie bis zum Eintritt der freien Verfügungsgewalt nicht als "zugeflossen" angesehen werden. Dabei sei auch der von der Sperre erfasste 60 %ige Teil dieser Beträge nicht als Betriebseinnahme zu werten.

Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, dass es sich bei derartigen als Vorschüsse bezeichneten Klientenerlägen nicht um ein anvertrautes Gut handelt, das bei sonstiger Straffälligkeit, sei es in unverändertem Zustand, sei es in Form eines jederzeit greifbaren Deckungsfonds, zu reservieren ist. Die erlegten Beträge gehen vielmehr in das Eigentum des Empfängers über. Es besteht für ihn kein rechtliches Hindernis, hierüber frei zu verfügen. Es ist daher unrichtig, wenn der Beschwerdeführer vermeint, dass eine Pflicht zur Reservierung der Vorschüsse ihrer Wertung als Betriebseinnahmen entgegensteht.

Es handelt sich bei diesen Vorschüssen insbesondere auch nicht um Darlehen, deren Empfang allerdings nicht als einkommensteuerpflichtige Einnahme gewertet werden könnte; denn den Vorschüssen, die der Beschwerdeführer von seinen Klienten empfangen hat, steht nicht wie beim Darlehen die Verpflichtung zur seinerzeitigen Rückstellung gegenüber, sie stellen vielmehr ein im voraus geleistetes Entgelt für künftige Leistungen und als solches Einnahmen aus der Rechtsanwaltstätigkeit, also Betriebseinnahmen dar. Hiebei ist es nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Leistungspflicht in der Verpflichtung zur anwaltlichen Vertretung oder zur Zahlung der Gerichtsgebühren besteht. So hat sich auch der deutsche Reichsfinanzhof bei der Auslegung des Einkommensteuergesetzes 1925, dessen Bestimmungen in diesem Belang das Vorbild für die Regelung des derzeit auch in Österreich geltenden Einkommensteuergesetzes 1938 gebildet haben, nach anfänglichem Schwanken in seinem Urteil vom , VI A 320 u. 321/1936, Reichssteuerbl. 1937, S. 94 mit Recht auf die Ansicht festgelegt, dass Vorschüsse bei Rechtsanwälten ohne Rücksicht auf die Art der Verbuchung als Einnahmen im Zeitpunkt des Zufliessens zu betrachten sind. Das Schrifttum (vgl. Kaemmel 1942, § 8, Anmerkung 2, Becker 1940, S. 237 und 243, u. a., Blümich 1938, S. 105) teilt die Auffassung. Schliesslich haben auch die Einkommensteuerrichtlinien 1941 - 81- 2 den gleichen Grundsatz als Richtlinie aufgestellt und, wenn auch diesen Richtlinien ebensowenig wie der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes oder dem Schrifttum Rechtsverbindlichkeit zukommt (vgl. Erkenntnis Slg. 81/F/1949 und Erkenntnis vom , Zl. 1855/48), so stellen doch auch sie eine Bestätigung für die Richtigkeit der Rechtsansicht der belangten Behörde dar.

Sind aber die vom Beschwerdeführer empfangenen Vorschusszahlungen als Betriebseinnahmen zu werten, dann gilt für sie auch der Grundsatz, dass sie als zugeflossen anzusehen sind, sobald sie aus der Verfügungsgewalt des Zahlenden in die Verfügungsgewalt des Empfängers übergehen. Das weitere Schicksal, das die einmal zugeflossenen Beträge beim Empfänger erleiden, kann auf die Tatsache des Zufliessens keinen Einfluss haben (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 1197/47).

Die belangte Behörde hat demnach mit Recht die Steuerpflicht der gesperrten Beträge angenommen. Sie ist aber auch im Recht, wenn sie im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck bringt, dass das Steuerübergangsgesetz keine Handhabe bietet, einen Ersatz der Überzahlung von 13.130,-- RM zu verlangen und dass das Begehren, den Betrag von 18.609.-- S, um den die Summe die Einkommensteuer und des Sperrbetrages das Einkommen übersteigt, abzusetzen, einer gesetzlichen Grundlage entbehrt. Wenn der Beschwerdeführer vermeint, dass sie belangte Behörde hiebei zu Unrecht die Bestimmungen des § 131 AO ausser acht gelassen hat, so vermag der Gerichtshof dieser Auslegung des angefochtenen Bescheides nicht beizustimmen.

Die belangte Behörde wollte in dem Bescheid vielmehr anscheinend nur zum Ausdruck bringen, dass ein Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Anrechnung oder Nachlass nicht bestehe, wollte sich aber die Entscheidung über die Anwendung des § 131 der Abgabenordnung noch vorbehalten, so dass über eine allfällige Billigkeitsmassnahme noch ein Bescheid zu ergehen haben wird.

Da somit der angefochtene Bescheid das Gesetz nicht verletzt hat, musste die Beschwerde gemäss § 42 Abs. 1 VwGG, StGBl. Nr. 208/1945, abgewiesen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
EStG 1939 §11 Abs1;
EStG 1939 §4 Abs1;
EStG 1953 §11 Abs1;
EStG 1953 §4 Abs1;
Sammlungsnummer
VwSlg 329 F/1951;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1951:1948000345.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-52634