Suchen Hilfe
VwGH 26.02.1975, 0337/73

VwGH 26.02.1975, 0337/73

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
RS 1
Entscheidend für die Frage, ob ein Gebäude als ein Eigenheim anzusehen ist, ist die bauliche Gestaltung und nicht die den Gebäudeteilen zukommende Funktion (Hier: Wohnhaus und ausgebaute Ordination eines Arztes).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzkommissär Dr. Heinrich, über die Beschwerde des Dr. GK in K, vertreten durch Dr. Herbert Friedl und Dr. F. Müller-Strobl, Rechtsanwälte in Klagenfurt, Bahnhofstraße 4/II, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat I, vom , Zl. 169-II- 1971, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1969 und 1970, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist praktischer Arzt und Sprengelarzt in K; er betreibt überdies eine ärztliche Hausapotheke. In den Jahren 1962 und 1963 errichtete er ein Einfamilienhaus mit einem Ordinationstrakt. In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1969 und 1970 machte er jeweils die mit der Errichtung des Eigenheimes im Zusammenhang stehenden Darlehensrückzahlungen im Höchstausmaß von je S 17.000,-- als Sonderausgaben geltend. Er brachte dazu vor, er habe im Jahre 1963 ein Haus und einen Ordinationstrakt errichtet, wobei die Ordination mit dem Wohntrakt durch eine Tür verbunden sei. Schon bei der Errichtung des Baues habe er die Planung so vorgenommen, daß sich der Ordinationstrakt jederzeit leicht vom Haustrakt trennen lasse; es brauche nur die Verbindungstür zugemauert werden und der Ordinationstrakt sei vom Wohntrakt getrennt und könne vermietet oder sogar verkauft werden.

Das Finanzamt lehnte in den Einkommensteuerbescheiden für 1969 und 1970 die Anerkennung der Darlehensrückzahlungen als Sonderausgaben unter Hinweis auf die Gesamtnutzfläche des Eigenheimes von mehr als 235 m2 ab. In den dagegen erhobenen Berufungen brachte der Beschwerdeführer vor, es handle sich bei dem Haus um einen privaten Teil und einen betrieblich genutzten Zubau. Der private Teil habe zwei Geschosse, der betriebliche sei ebenerdig. Durch Zumauern einer Verbindungstür sei der betriebliche Teil des Baues vollkommen vom privaten Teil getrennt. In seinem Vorlageantrag gegen die Berufungsvorentscheidung für das Jahr 1969 brachte der Beschwerdeführer vor, daß es sich bei der Ordination um einen echten Zubau handle und daß der Wohnungsteil ebenso wie der Ordinationszubau einen eigenen Eingang hätten. Die Trennung der beiden Teile erfordere keine Mauer, sondern nur das Zumauern der Verbindungstür zwischen dem Ordinationsbau und dem Wohntrakt. Schon bei der Errichtung der Bauten sei auf eine Trennungsmöglichkeit der beiden Bausegmente Bedacht genommen werden.

Die Finanzlandesdirektion führte ein Ermittlungsverfahren durch, indem sie die Bauakten und Baupläne beischaffte und den Beschwerdeführer vernahm sowie eine mündliche Berufungsverhandlung durchführte. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Sie stellte auf Grund des Bauaktes und der Baupläne fest, daß das Erdgeschoß Wohnzimmer, Küche, Diele, WC und Windfang umfasse, das Obergeschoß drei Zimmer, Bad, WC, Diele und zwei unbewohnbare Dachbodenräume; im Keller diene je ein Raum betrieblichen und ein Raum Wohnzwecken. Ein ebenerdiger, mit dem Haus verschachtelter, nicht unterkellerter Zubau von gleicher Bauausführung und Bauweise diene ausschließlich betrieblichen Zwecken. Bei Beantwortung der Frage, ob das gegenständliche Gebäude wegen der baulichen Gestaltung nach der Verkehrsauffassung als eine bauliche Einheit angesehen werden könne oder ob ihm der Charakter von zwei selbständigen Gebäuden - Wohnhaus und ausgebaute Ordination - zukomme, ging die belangte Behörde von folgenden Feststellungen und Überlegungen aus: Aus dem Bauplan und aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bildern ergebe sich, daß das Gebäude nach seiner Bauweise den äußeren Gesamteindruck eines einheitlichen Bauwerkes abgebe. Dieser Eindruck entstehe insbesondere deshalb, weil das Dach des Wohnhauses in seiner Verlängerung fast die Hälfte des Zubaues überspanne, der gesamte Komplex einen einheitlichen Verputz aufweise und die Unterseiten der vorspringenden Dachteile mit der gleichen bräunlichen Holzverkleidung versehen seien. Die Verschachtelung des einstöckigen Wohnhauses mit dem ebenerdigen Zubau untermauere nach der äußeren Ansicht den Eindruck eines einheitlichen Gebäudes. Es ist richtig, daß durch das Zumauern einer Verbindungstür eine vollkommene räumliche Teilung beider Trakte vorgenommen werden könne; dieser Umstand könne jedoch keinen Einfluß darauf haben, ob das Gebäude nach der Verkehrsauffassung als einheitliches Bauwerk anzusehen sei, zumal der gesamte Gebäudekomplex über Antrag des Beschwerdeführers ab als Einfamilienhaus bewertet und dem Gebäude unbestritten nur eine Hausnummer zugeteilt worden sei. Im Hinblick auf die einheitliche Gestaltung des Gebäudes seien die Wohnzwecken dienenden Flächen (166,23 m2) und die betrieblich genutzten Flächen (109,07 m2) zusammenzurechnen, was zusammen eine Gesamtnutzfläche von 275,30 m2 ergebe. Damit überschreite die Gesamtnutzfläche des Gebäudes das im gegenständlichen Fall zulässige Höchstausmaß von 249,34 m2, weshalb die Darlehensrückzahlungen nicht als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 lit. a EStG zum Abzug hätten zugelassen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 lit. a EStG 1967 sind Sonderausgaben unter anderem Rückzahlungen von Darlehen, die zur Errichtung eines Eigenheimes aufgenommen wurden. Als Eigenheim im Sinne dieser Bestimmung ist gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 a leg. cit. ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen anzusehen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen. Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Frage strittig, ob das vom Beschwerdeführer errichtete aus einem Wohntrakt und einem Ordinationstrakt bestehende Bauwerk ein Einfamilienhaus im Sinne dieser Gesetzesbestimmung ist oder ob der zweigeschossige Wohntrakt für sich allein ein Einfamilienhaus ist, sodaß die auf den ebenerdigen "Ordinationstrakt" entfallende Nutzfläche außer Betracht zu bleiben hat.

Die belangte Behörde hat ihren Standpunkt darauf gestützt, daß das Objekt "nach seiner Bauweise den äußeren Gesamteindruck eines einheitlichen Bauwerkes" abgebe, wobei sie im einzelnen von den oben wiedergegebenen Feststellungen und Erwägungen ausgegangen ist. Die Beschwerde wendet sich dagegen, daß sich die belangte Behörde mit dem "äußeren Gesamteindruck" zufrieden gegeben habe, beruft sich im Zusammenhang mit der "Verschachtelung" der Objekte, der Gestaltung des Daches und dem einheitlichen Verputz auf die Gesichtspunkte einer rationellen Bauweise und bringt vor, daß den beiden Gebäuden durchaus verschiedene Funktionen - privates Familienwohnhaus und Arbeitsstätte - zugeordnet seien und bezieht sich schließlich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom , Slg. Nr. 3561/F. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerde geltend, daß sich die belangte Behörde durch einen Ortsaugenschein von der tatsächlichen Realität und der Funktion der beiden Baulichkeiten hätte überzeugen müssen. Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Entscheidend für die zu lösende Rechtsfrage ist grundsätzlich die bauliche Gestaltung. Nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist es dagegen, ob den beiden Gebäuden oder den beiden Gebäudeteilen je eine verschiedene Funktion zugeordnet ist. § 10 Abs. 2 lit. 3 a EStG 1967 geht nämlich von einer bestimmten Gesamtnutzfläche aus, die sich im Einzelfall aus dem Ausmaß der innerhalb der Höchstgrenze zulässigen Wohnfläche ergibt und die, soll das Gebäude als Eigenheim anerkannt werden, nicht überschritten werden darf. Die Begrenzung der Gesamtnutzfläche wäre aber nicht sinnvoll, würde die in aller Regel gegebenen Zweckwidmung eines bestimmten Gebäudeteiles (insbesondere eines Stockwerkes oder eines Traktes) für Wohnzwecke und eines anderen für betriebliche Zwecke zur Folge haben, daß der Wohnzwecken dienende Gebäudeteil, das Stockwerk oder der Trakt oder der sonst räumlich abgegrenzte Teil, schon allein als Einfamilienhaus im Sinne des Gesetzes anzusehen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1568/65, die Auffassung vertreten, daß es auf die bauliche Gestaltung der beiden Objekte - es handelte sich damals um das Wohnhaus und ein Werkstättengebäude eines Zimmermeisters - ankomme. Wohl wurden in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses der Wohnzweck und die betrieblichen Zwecke dieser beiden Objekte erwähnt, dies jedoch im Zusammenhang mit der allein ausschlaggebenden "unterschiedlichen baulichen Gestaltung", nach der sich die beiden Gebäude entsprechend der Verkehrsauffassung nicht als bauliche Einheit präsentierten. Auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes kann sich die Beschwerde daher nicht mit Erfolg berufen.

Nach der baulichen Gestaltung konnte aber die belangte Behörde mit Recht eine bauliche Einheit von Wohn- und Ordinationstrakt, somit ein aus diesen beiden Trakten bestehendes Einfamilienhaus annehmen. Die belangte Behörde hat sich in diesem Zusammenhang keineswegs nur, wie die Beschwerde meint, mit dem "äußeren Gesamteindruck" zufrieden gegeben, sie hat vielmehr eine "Verschachtelung des einstöckigen Wohnhauses mit dem ebenerdigen Zubau" festgestellt, und im einzelnen darauf verwiesen, daß das Dach des Wohnhauses in seiner Verlängerung fast die Hälfte des Zubaues überspanne, der gesamte Komplex einen einheitlichen Verputz aufweise und die Unterseiten der vorspringenden Dachteile mit der gleichen bräunlichen Holzverkleidung versehen sind. Diese Elemente der baulichen Gestaltung und der aus den Bauplänen und Photos sich ergebende äußere Gesamteindruck rechtfertigen es, den Wohn- und den Ordinationstrakt als ein einheitliches Gebäude, somit als ein Einfamilienhaus gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 a EStG 1967 anzusehen.

Die Durchführung eines Lokalaugenscheines hat der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nicht beantragt. Es ist auch aus der Beschwerde nicht ersichtlich, welche Feststellungen, die sich nicht schon aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren, aus den Bauplänen und aus den baubehördlichen Bescheiden sowie aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Photographien ergeben, die belangte Behörde hätte treffen sollen. Die im Zusammenhang mit dem Lokalaugenschein in der Beschwerde erwähnte Funktion der beiden Baulichkeiten wurde von der belangten Behörde auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers und der Baupläne festgestellt und sie ist im übrigen, wie oben ausgeführt, nicht entscheidend. Ebenso ist es nicht entscheidend, ob das streitgegenständliche Objekt, wie der Beschwerdeführer erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet und durch die Vorlage einer Bestätigung der Gemeinde K beweist, anlässlich der im Jahre 1971 durchgeführten Häuser- und Wohnungszählung als zwei Gebäude gezählt wurde.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 4/1975, insbesondere auf Art. IV Abs. 2 der Verordnung.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
Sammlungsnummer
VwSlg 4799 F/1975
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1975:1973000337.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-52625