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VwGH 22.10.1971, 0336/70

VwGH 22.10.1971, 0336/70

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Unter dem Ausdruck "unter Leitung des Arbetinehmers" ist NICHT das den Eltern durch § 144 ABGB verbürgte Erziehungsrecht zu verstehen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Kobzina, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter im Beisein des Schriftführers Bezirksrichter Dr. Richter über die Beschwerde des FT in W, vertreten durch Dr. Othmar Slunsky, Rechtsanwalt in Wien I, Schottenring 28/1/4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA IV-8107/1969, betreffend Lohnsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.180,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am bei seinem Wohnsitzfinanzamt die Zuerkennung eines Kinderfreibetrages für den am geborenen WM, Sohn der verwitweten TM. Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom  mit der Begründung ab, WM stehe zu dem Beschwerdeführer in keinem Verwandtschaftsverhältnis, er gehöre weder zum Haushalt des Beschwerdeführers noch trage dieser überwiegend die Kosten des Unterhaltes und der Erziehung des Minderjährigen.

Der Beschwerdeführer berief und brachte vor, TM sei nach Auflösung ihres Haushaltes mit ihrem Sohn in seine Wohnung gezogen. Sie lebe mit ihm in Lebensgemeinschaft und habe mit ihm ein gemeinsames Kind HF, die Halbschwester des WM. WM erhalte eine Waisenrente von monatlich S 428,--. Er besuche eine technische Mittelschule in Wien und werde vom Beschwerdeführer erhalten und erzogen. WM sei in seinen Haushalt aufgenommen, daher sei bei den gegebenen Verhältnissen dessen Zugehörigkeit zum Haushalt des Beschwerdeführers zu bejahen.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit Berufungsentscheidung vom ab. Nach § 46 Abs. 3 Z. 1 des Einkommensteuergesetzes 1967 (EStG) stünden dem Arbeitnehmer Kinderfreibeträge für minderjährige Kinder zu, wenn die Kinder zum Haushalt des Arbeitnehmers gehören, und zwar auch dann, wenn die Kinder eigene Einkünfte bezögen. Zum Haushalt des Arbeitnehmers gehörten minderjährige Kinder dann, wenn sie bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter Leitung des Arbeitnehmers dessen Wohnung teilten oder sich mit seiner Einwilligung außerhalb seiner Wohnung nicht zu Erwerbszwecken sondern zu Zwecken der Erziehung oder Ausbildung im Inland oder Ausland aufhielten. Welche Personen als Kinder im Sinne des Einkommensteuergesetzes anzusehen seien, komme im § 32 Abs. 4 Z. 3 EStG zum Ausdruck. Nach lit. c dieser Gesetzesstelle zählten zu den Kindern auch andere minderjährige Personen, die dauernd in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommen seien und von ihm unterhalten und erzogen würden. Dies bedeute, daß der mj. WM nur dann als Kind im steuerrechtlichen Sinn anzusehen sei, wenn sich das Kind sowohl im Haushalt des Beschwerdeführers befinde als auch von ihm überwiegend unterhalten und erzogen werde. Aus den Worten „unter der Leitung des Arbeitnehmers“ bzw. „mit seiner Einwilligung“ sei aber zu entnehmen, daß sich das minderjährige Kind in der Erziehungsgewalt des Arbeitnehmers befinden müsse. Der minderjährige Sohn der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers stehe aber keinesfalls unter der väterlichen Gewalt des Beschwerdeführers, weshalb trotz des Vorliegens einer Wohnungsgemeinschaft eine Haushaltszugehörigkeit nicht gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, in der geltend gemacht wird, der Beschwerdeführer werde durch den Bescheid in dem durch § 46 Abs. 3 Z. 1 EStG im Zusammenhalt mit § 32 Abs. 4 Z. 3 lit. c EStG gewährleisteten Recht verletzt, daß ihm für ein minderjähriges Kind, wenn es dauernd in seinen Haushalt aufgenommen ist und von ihm unterhalten und erzogen wird, ein Kinderfreibetrag zusteht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 3 Z. 1 EStG stehen dem Arbeitnehmer Kinderfreibeträge zu für minderjährige Kinder, wenn die Kinder zum Haushalt des Arbeitnehmers gehören, und zwar auch dann, wenn die Kinder eigene Einkünfte beziehen. Zum Haushalt des Arbeitnehmers gehören minderjährige Kinder dann, wenn sie bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter Leitung des Arbeitnehmers dessen Wohnung teilen oder sich mit seiner Einwilligung außerhalb seiner Wohnung nicht zu Erwerbszwecken, sondern zu Zwecken der Erziehung oder Ausbildung im Inland oder Ausland aufhalten. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle stehen dem Arbeitnehmer auch Kinderfreibeträge für minderjährige Kinder zu, die nicht zu seinem Haushalt gehören, wenn die Kinder überwiegend auf seine Kosten unterhalten und erzogen werden. Kinder im Sinne dieser Bestimmung sind nach § 46 Abs. 3 Z. 3 EStG die im § 32 Abs. 4 Z. 3 EStG genannten Personen.

Nach § 32 Abs. 4 Z. 3 EStG sind Kinder

a) leibliche Kinder und deren Nachkommen,

b) Stiefkinder und Wahlkinder,

c) andere als unter a) und b) fallende minderjährige Personen, die dauernd in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommen sind und von ihm unterhalten und erzogen werden, ausgenommen Kostkinder.

Wie aus dieser Aufzählung wortdeutlich und unmißverständlich zum Ausdruck kommt, müssen die in c) aufgezählten anderen minderjährigen Personen mit dem antragstellenden Steuerpflichtigen nicht durch ein familienrechtliches Band verbunden sein und ist Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der Kinder lediglich, daß die minderjährige Person dauernd in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommen ist und von ihm unterhalten und erzogen wird sowie daß es sich nicht um ein Kostkind handelt.

Die belangte Behörde vertritt den Standpunkt, daß den Worten „unter der Leitung des Arbeitnehmers“ bzw. „mit seiner Einwilligung“ in den Bestimmungen des § 46 Abs. 3 Z. 1 EStG zu entnehmen sei, daß sich ein minderjähriges Kind in der Erziehungsgewalt des Arbeitnehmers befinden müsse, was vorliegend nicht der Fall sei. Der Beschwerdeführer räumt ein, daß zwar die Mutter des Kindes Vormund ist und daher bestimmte Erziehungshandlungen ihrer Zustimmung bedürfen, er vertritt aber den Standpunkt, daß die faktische Erziehungsgewalt in einer Haushaltsgemeinschaft weiter gezogen sei, daß er, wie die Mutter des Kindes bestätigt habe, in den täglichen Fragen der Erziehung voll berechtigt sei und mit ihrer Zustimmung handle, und daß es daher nicht vertretbar sei, den Gesetzeswortlaut, auf den die Behörde sich beziehe, allein mit der väterlichen Gewalt in Verbindung zu bringen.

Die Behörde hält in der Gegenschrift dem entgegen, daß dem Lebensgefährten der Kindesmutter, selbst wenn er mit ihrer Einwilligung Erziehungsmaßnahmen tatsächlich setze, keinerlei Mitspracherecht in der Leitung der Handlungen der Kinder seiner Lebensgefährtin zukomme, weil kein rechtliches Verhältnis dieser Personen in Beziehung auf die Ausübung des durch § 144 ABGB den Eltern verbürgten Erziehungsrechtes bestehe.

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof weil in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2703/F, in einem Fall, in dem es um die Ermittlung der Höchstbeträge für bestimmte Sonderausgaben nach § 10 des Einkommensteuergesetzes 1953 in der für das Jahr 1957 geltenden Fassung die Frage, ob die Kinder eines zum zweiten Mal verheirateten Ehegatten aus erster Ehe, die bei seiner geschiedenen Ehegattin leben, als zu seinem Haushalt zugehörig anzusehen sind, verneint und sich dabei darauf gestützt, daß der geschiedenen Ehegattin die Erziehungsgewalt über die Kinder übertragen wurde und sie aus diesem Grunde nicht als Angehörige des Haushaltes des Ehegatten anzusehen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in einem späteren Erkenntnis vom , Zl. 898/69, in dem es gleichfalls um die Berechnung der Höchstbeträge für bestimmte Sonderausgaben gemäß § 10 des Einkommensteuergesetzes 1953, allerdings in der für das Jahr 1966 geltenden Fassung ging, zur Frage, ob die Kinder eines geschiedenen Ehegatten, die in der Wohnung seiner geschiedenen Ehegattin aufwachsen, obzwar dem Ehegatten das ihm gesetzlich zustehende Erziehungsrecht nicht abgesprochen wurde, zu seinem Haushalt gehören, gleichfalle verneint, diesmal aber ausgesprochen, daß es allein auf das Zusammenwohnen mit dem Haushaltsvorstand und nicht darauf ankommt, wem das Erziehungsrecht nach dem Familienrecht zusteht.

Selbst wenn man davon absieht, daß der Standpunkt der belangten Behörde damit in der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Stütze finde und es sich gegenständlich nicht um die Frage der Berechnung von Höchstbeträgen für Sonderausgaben, sondern um eine Auslegung der Bestimmungen der §§ 46 Abs. 3 Z. 1 und 3 und 32 Abs. 4 Z. 3 EStG handelt, kann der belangten Behörde in ihrer auf § 144 ABGB bezugnehmenden Argumentation nicht gefolgt werden. Denn im Beschwerdefall handelt es sich darum, ob der mj. WM in Ansehung des Beschwerdeführers den in lit. c der genannt Bestimmung mit „andere als unter a) und b) fallende minderjährige Personen“ bezeichneten Personen zuzuzählen ist, somit also um die Zugehörigkeit zu einem Personenkreis, für den nach der Herausnahme der unter a) genannten leiblichen Kinder und deren Nachkommen und der unter b) genannten Stiefkinder und Wahlkinder begrifflich eine aus den familienrechtlichen Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches über die Rechtstellung ehelicher bzw. außerehelicher Kinder oder Wahlkinder gewonnene Abgrenzung nicht zielführend sein kann und daher verfehlt ist.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 47, § 48 Abs. 1 und § 59 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. 4.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 4297 F/1971;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1971:1970000336.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-52619